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inhalts-vz + vorwort (pdf) - Sprachgebunden

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trajekt IDie Reihe ›trajekt‹, die wir mit diesem Heft eröffnen,stellt junge Künstler mit ihren Arbeitenvor – und lädt jeweils einen Autor ein, sich essayistischund im Rahmen eines Interviews mitBildern und Person des Malers zu beschäftigen.Im Mittelpunkt dieses ersten Heftes steht dieBildreihe »there is no mafia« des DüsseldorferKünstlers Peter Rusam, die in Auseinandersetzungmit der TV-Serie The Sopranos entstand.Die Einladung zu Begleittext und Gesprächsführunghat Christoph Cöln angenommen,den wir, genau wie Rusam, in jeder Hinsichtfür eine Entdeckung halten.Wir wünschen einen guten Weg durch Textund Bild!Jan Valk / Jonas Reuberinhalt3 Christoph CölnWarum Maler Wunden heilen.Ein Essay in vier Folgen22 Peter Rusam Christoph CölnDie Magie des Banalen. Ein Gespräch30 Bildnachweise32 Biographische Daten / Impressum


eim Therapeuten, denn was ist eine Therapie anderes als eine Serie von Sitzungen,in der wir jedes Mal ein Stückchen mehr über jemanden erfahren? Aus der talkingcure wird so eine watching cure. Und wenn es, wie oft behauptet wird, gerade keinZufall ist, dass Film und Psychoanalyse zur selben Zeit entstanden sind, dann kannman den klassischen Gangstertypus auch als Produkt einer geschlossenen, weil endlichenFilmerzählung und damit als latente Antwort auf die Verunsicherung durchFreuds Seelenkunde verstehen.Dagegen konfrontiert uns das Fernsehen gleichermaßen mit einem immer neuenBild des Paten und mit einer neuen Bildqualität des Unbewussten. Bedenkt man,dass das serielle Format in seiner diskontinuierlichen Kontinuität, die offene Erzählungseiner Figuren vor dem Hintergrund realer, also fortschreitender Geschichteerlaubt, könnte man auch sagen: Der Gangster als symptomatisches Einzelbild seinerZeit sedimentiert in die Verzeitlichung der Bildsymptome. Er fungiert nichtlänger als universelle Ikone, sondern tritt aus der filmischen Repräsentation herausund teilt die antropologische Zeit/Wahrnehmung. Er ist dem Begehren, Lieben undAltern genauso ausgesetzt wie wir, die wir ihm dabei zuschauen. Allerdings sindwir gezwungen, die privilegierte Position des Voyeurs aufzugeben, den Blick aus sichererDistanz, der plötzlich keine Distanzerfahrung mehr erlaubt, denn bald schonhat uns der Gangster zu seinen Komplizen gemacht. Immerhin tolerieren wir seineUntaten nicht nur, wir fiebern ihnen angewidert und gespannt entgegen. Auf dieseWeise entsteht beim Zuschauer eine Verunsicherung, deren Doppelbödigkeit nichtzuletzt dadurch kenntlich wird, dass Tonys Therapeutin selbst zur Therapie muss:Damit verweigert die Serie jegliche moralische Instanz, jeglichen souveränen Blick.Nirgendwo findet sich ein Charakter, eine Projektionsfläche, die als positives Idealherhalten könnte. Ein Dilemma, auf das das stillgestellte Bild antwortet.7


Folge II Die Lektüre des Malers8Dass mit der Serie The Sopranos ein fernsehspezifisches Unikat voller innovativer ästhetischerund thematischer Aspekte auftritt, reflektieren die Bilder des DüsseldorferMalers Peter Rusam, der auf das TV-Format mit einer 16-teiligen Bildserie in Ölreagiert. Im Kurzschluss von Film und Malerei wagt er damit einen allzu seltenenVergleich: den der Übertragung bewegter in unbewegte Bilder. Eine Technik, die alsgenealogische Übersetzung eines audiovisuellen Mediums (Kinematografie) in einvorvorgängiges, ausschließlich piktural verfasstes (Malerei) verstanden werden muss,und die besonders auf ein gemeinsames Merkmal abzielt: Ihre Sichtbarkeit.Im Bild »Panik« (S. 3) sehen wir eine zu Boden geworfene Frau, schauen direktin ihr schreckerfülltes Gesicht mit dem zum Schrei aufgerissenen Mund. Ein zierlichesWesen, voller Angst davor, dass der über sie gebeugte stämmige Mann mitseiner Faust gleich zuschlagen wird. Sie versucht sich wegzudrehen, dem Kerl, dessenschwaches Profil von seinem massigen Körper verdunkelt wird, zu entfliehen. Vomlinken Bildrand greifen zwei schmächtige Hände nach dem Angreifer, wollen ihnzurückhalten, bändigen, und die Frau vor Schlimmerem bewahren. Nach rechts öffnetsich die Szene in einen hellen, unverstellten Raum, brechen Lichtkaskaden dendüsteren Gewaltakt und trennen die verschlungenen Leiber in einen Hell-Dunkel-Kontrast. Während den Mann ein bedrohlicher Schatten umgibt, ist die Frau in ihremblütenweißen Negligé in grelles Licht getaucht. Wir sehen eine Serengeti-Szene:Den Überfall des Raubtiers.Bildausschnitt, räumliche Darstellung und Lichtinszenierung in Peter RusamsGemälden aus dem Zyklus »there is no mafia« verleihen den dargestellten Figureneine intensive motorische Dynamik und machen die aggressive Spannung, die vondem Bild ausgeht, spürbar. Der Betrachter wird von einer erzählerischen Kraft inden Bildgrund hineingezogen – und das ist nicht in erster Linie dem realistischenPinselstrich zuzuschreiben. Vielmehr scheint der Blick mit zunehmender Dauer derBetrachtung zu keimen, scheint sich eine fassbare Geschichte aus dem zunächst sehr


willkürlich anmutenden Motiv zu entfalten. Eine Geschichte, die in der Kluft zwischenden verschiedenen Medien verborgen liegt. Denn Malerei und Film scheidetvor allem eines: die Zeitlichkeit ihrer Darstellung. Ist im Gemälde die Zeit eingeschlossen,auf den Raum der verbrauchten Farben und Formen begrenzt, so ist diekinematografische Ansicht von der Zeit modelliert – »sie ist eine Form der Zeit«, wieJaques Aumont es einmal ausgedrückt hat. Stillgestellter und bewegter Repräsentationsraumtrennt aber nicht nur die unterschiedliche Begrenzung zeitlicher Darstellung,sondern auch die Zeitlichkeit ihrer Wahrnehmung. Tritt der »schöpferischeAugenblick« des Tableaus neben das audiovisuelle Nacheinander des Kaders, hat dasnotwendig auch eine Veränderung der Rezeptionstätigkeit zur Folge, denn schließlichlesen wir ein Gemälde ganz anders als einen Film.Auf diese Problematik intermedialer Wahrnehmung antwortet Peter Rusammit seinem Bildwerk. In Gestalt einer methodisch höchst exakten, beinahe analytischenÄsthetik stoppt er die fortlaufende Bewegung des Films scheinbar zufällig,friert den Erzählfluss ein und reduziert das Erzählte auf den Moment. Es entstehenStandbilder (Stills), die er dann in einem nächsten Schritt mit dem Pinsel auf dieLeinwand überträgt. ›Übertragen‹ ist dabei nicht in einem fotorealistischen Sinnezu verstehen, wohl aber als ein verformender und verfremdender Prozess, der dasvirtuelle Still mit den der Malerei zur Verfügung stehenden Mitteln aktualisiert undes aus seinem ursprünglichen Bedeutungsfeld löst. Was Rusam macht, wenn er dasvormals kinematografisch verfasste Bild zunächst in den Status der Fotografie überführt,um es sodann mit dem Pinsel erneut abzulichten, das ist im Grunde eine medialeRegression und nicht weniger eine Historisierung der zeitlichen Signatur desFilmbilds. Denn der durch dieses Verfahren entstehende Effekt der Aufschlüsselungdes audiovisuellen Bildtypus erschöpft sich nicht in der selbstreferentiellen Haltungdes Filmbilds als Kunstwerk, sondern ermöglicht die Selbstbetrachtung seiner ästhetischenEvolution und Reproduzierbarkeit. Im Rückgriff auf Walter Benjaminsei der Hinweis angebracht, dass der moderne Medienwechsel, den dieser als tiefgreifendekulturelle Zäsur empfand, deshalb so gravierend war, weil er insbesondere9


die Position des Betrachters nachhaltig erschütterte. ›Betrachtung‹ im Sinne einerLektüre – also als Prozess des kontemplativen Einlassens und Aufnehmens einesKunstwerks – war ehedem vor allem eines: Distanzerfahrung. Da das sichtbare Feldvon Gemälde/Fotografie ein erstarrtes ist, wird die Verzeitlichung des Dargestelltennur als Vorstellungsleistung realisiert. Im Film ereignet sich das Gegenteil: Unterdem Eindruck des unaufhörlichen Bilderhagels beginnt »Identifikation zunehmendPartizipation als ästhetisches Verhalten abzulösen« (Lars-Henrik Gass). Es kommtzur Umgestaltung der Wahrnehmung. Nicht der Betrachter setzt sich dem Bild aus,ab sofort ist der Betrachter dem Bild(fluss) ausgeliefert. Gass findet für dieses Phänomenden schönen Begriff der »Ikonophagie«, der beschreibt, dass ich in dem Maßevom Bild »gegessen« werde, wie ich von ihm fasziniert bin. In diesem Sinne sindSerien Kannibalen.Eben in der passiv erlebten Bewegtheit der Bilder, im Kollidieren verschiedenerZeiten und der dramatischen Sukzession der Räume empfand Benjamin ein geradezukörperliches »Chockerlebnis«. Was den Kinobesucher von damals noch verstummenund den Lichtspielsaal fliehen ließ, ist uns heute selbstverständlich. Nichtsdestowenigerresultieren filmische Schockerlebnisse immer noch aus der physischenQualität der Bilder, ihrem Affekt- oder Attraktionspotential. Seltsam nur, dass dieseskörperliche Erleben vermehrt in der Entschleunigung des Bildflusses vermitteltwird. Zeitlupe, lange Schnitte, eingefrorene Kameraperspektiven sind fest etablierteStilmittel eines Kinos der Emotionen, wie auch des Avantgardefilms. Letzteren repräsentiertder amerikanische Filmemacher James Benning mit seinem Werk parexcellence. Ihm ist an einer experimentellen Erkundung der medialen Grenzräumegelegen, die er mit der Kamera abtastet, immer darauf bedacht, konventionelleVerbindungen von Zeit und Raum durcheinanderzubringen und neu reagieren zulassen. Kein Wunder also, dass Rusam seinerseits in der Bildserie Unterwegs mit J.B.die Auseinandersetzung mit dem Werk Bennings sucht. 1 Beide sind Alchemisten derSichtbarkeit, denen es nicht so sehr um das Dargestellte geht, nicht darum, was derZuschauer sehen soll, sondern um die Möglichkeiten des Sehens an sich, mit einemWort: um die Welt der Lektüre.11


12Lesen wir das eingangs beschriebene Bild also erneut. Nun unter Hinzutreten einerzweiten, intermedialen Wahrnehmungsebene, denn wer die Sopranos kennt, derweiß natürlich, dass hier der Gangster Salvatore »Pussy« Bompensiero von seinemins Zimmer stürmenden Sohn nicht davon abgehaltenen werden kann, im nächstenMoment seine Ehefrau brutal ins Gesicht zu schlagen. Kurz zuvor ist Pussy von ihrdabei gestört worden, sich im Badezimmer mit einem mobilen Abhörsystem zuverwanzen, soll er doch nach dem Willen des FBI an diesem Tag den ultimativenVerrat an seinem Boss, Tony Soprano, begehen. Er weiß, dass er keine Wahl hat under weiß auch, welche Konsequenzen das für ihn haben wird. Der psychische Druckdieser Situation entlädt sich im Angriff auf seine Frau. Beim Betrachter entstehtmit dem Wissen um diese existenzielle Grenzsituation der Eindruck einer Schlüsselszene,in der die vollständige Charakteranlage der »Pussy«-Figur zur Schau gestelltwird. »Pussys« Handeln im Vorher und Nachher des Erzählflusses, seine tragischeRolle, kulminiert in dieser Szene. Vergessen wir nicht: Das gemalte Bild ermöglichtuns die Zeit übergreifende Gesamtschau einer Figur, deren filmische Darstellungüber ein Dutzend Folgen einnimmt.Rusams Bilder stellen Zeit still und gleichzeitig aus, vermag die stillgestellte Zeitdoch den Blick des Betrachters in die labyrinthischen Vorstellungsräume der Erzählunghineinzuziehen. Was Ricoeur hinsichtlich der Funktion der Erzählung dasWiedereinschreiben der kalendarischen Zeit in die kosmologische nennt, ähnelt einwenig der Aufgabe des unbekannten olympischen Zeitnehmers, der mit seiner aufdie Millisekunde gestoppten Uhr, die körperlichen und mentalen Mühen von vielenJahren, manchmal gar die Lebensleistung eines Athleten auf den Bruchteil einesMoments, dem Touchieren der Ziellinie, zusammendrückt. Heutzutage wird jenerschicksalshafte Moment in der spielerischen Entscheidungspraxis des Leistungssportsnicht mehr bloß chronometrisch entschieden, sondern mittels einer Bildmaschineaus den rätselhaften Verästelungen der Zeit herausgeholt und für jedensichtbar im Zielfoto ausgestellt.


Mit »there is no mafia« imitiert Peter Rusam diese Wiedereinschreibung der Zeitim Foto-Finish im künstlerischen Zusammenspiel mit dem Medium Film. Indemder Künstler das Filmbild in seiner ursprünglich televisuellen Erscheinung einerneuerlichen Rahmung, einer Kadrierung unterwirft, schreibt er die Welt des Textes– als das Ergebnis einer Lektüre des Sichtbaren – in der nun übermalten, durchgestaltetenForm der Geschichte als Ganzes wieder ein. Von den Bewegungen desPinsels wiederholt und gebannt öffnet sich in der metaphorischen Qualität der Darstellungschließlich die stillgestellte Bewegung des Filmbilds aufs Neue. Hier wirddie »Arbeit des Sehens«, wie Ricoeur es formuliert, das »Sehen-als-ob« insoweit bedeutsam,als sich nämlich der Blick des Betrachters als entworfene Zeit in die Parallelräumeder eigenen Vorstellung und Erinnerung ergießt. Auf diese Weise gelingt esdem Maler, die verschütteten Bilder dem Gericht der Fabel und ihren notwendigenAuslassungen zu entreißen. In Anlehnung an Deleuze müsste man sagen, dass sofilmische Zeitbilder entstehen – mit dem Pinsel.Folge III Landschaft mit RissenThe Sopranos ist in den USA von Anfang an ein durchschlagender Erfolg gewesen.In Deutschland dagegen nicht. Und sollte die Quote gleichsam das Quecksilberfür die Aufnahmebereitschaft und Durchlässigkeit des Zuschauers gegenüber demästhetisch Unangepassten sein, dann sind The Sopranos ein echter Härtetest, derdemjenigen, der sich ihm aussetzt, zu einem Erkenntnisgewinn führt, mindestensaber eine kritische Auseinandersetzung mit gewohnten Sehtraditionen anstößt.Die ikonografischen Charakteristika des klassischen Gangsterfilms, die so genannten»major icons« (Tino Bailio) wie schicke Autos, ausgefallene Anzüge, teureGeliebte etc., sind hier längst Teil einer (klein)bürgerlichen Normalität geworden,die sich kaum vom Leben des Mittelstandsamerikaners unterscheidet. Die Kleidung13


16der Gangster verströmt Proletariergeruch, nichts Mondänes auch an den Karossenoder den Waffen, bei denen nur zählt, dass sie auch geladen sind. Extravagante Accessoiressucht man vergebens und wenn, dann sind sie Ausdruck des Bemühens,dazu gehören zu wollen, so wie Tonys Zigarren oder seine Versuche im Golf-Club.Sogar die Gewaltakte – als Machtgebärde immer schon prototypisches Kennzeichendes Gangstertums – werden zum gelegentlichen Ausflug ins Surreale. Mehr denn jesteht in The Sopranos der Waffengebrauch für die Distanz des Gangsters zur Mitteder Gesellschaft. Eine gewaltsame Entrücktheit, die nicht Zeichen von Macht ist,sondern soziales Ausschlusskriterium. Die Formel ist einfach: Je öfter es knallt, destoweiter entfernt sich der Gangster von der bürgerlichen Gemeinschaft. Gleichzeitigmaterialisiert sich seine Schuld in körperlichen Symptomen, den Ohnmachtsanfällenund Depressionen, und umso öfter muss der Pate auf die Couch.Der Tabubruch der Serie liegt in der Konzeption der Gangster-Figur als modernemVerstandesmenschen, der unter dem archaischen Verhaltenskodex seiner Rolleals Patriarch ebenso leidet wie unter der moralischen Verdorbenheit des Durchschnittsbürgers.Wo Coppolas Pate noch selbstbewusst als Doyen einer ehrenwertenSippe auftreten konnte, in einem Land, das nicht mehr ganz fremd und doch keineHeimat war, da ist Tony Soprano das Auslaufmodell in einer fragmentierten Gesellschaft,deren Werte verhandelbar geworden sind. Seine Identität verläuft nicht mehrdiesseits von ethnischen Konflikten und sozialen Klischees; sie löst sich in ihre Bestandteileauf, weil sich die Cosa Nostra als Identität stiftendes Organisationssystemlängst selbst in Frage stellt. Natürlich steckt in dieser Zersetzung nicht weniger einAngriff auf das amerikanische Modell der equal community mit der Propagierungallgemeiner Chancengleichheit im pursuit of happiness. Freilich ein Modell, das –gemessen an der Wirklichkeit – illusionärer denn je ist. So fragt Tony während einerSitzung zu Recht ungläubig, was denn von dem von der Verfassung angestrebtenGlück übrig geblieben sei – Antwort Dr. Melfi: »Das Streben.«


In The Sopranos existiert das Gleichheitsversprechen vor allem in der Gleichheitder Sünde. Alle Figuren partizipieren in der ein oder anderen Weise am Normverstoß,angefangen von der Aufmüpfigkeit der Jugendlichen bis hin zu den bestochenenCops. Nicht mal die Religion, in die Tonys Ehefrau Carmela sich flüchtet,bleibt glaubwürdig. Sie wird verkörpert von einem ebenso gefräßigen wie lüsternenPriester, der vom Status der Reinheit so weit entfernt ist wie Tony vom Gesetz. Warfür den typischen Mafioso der Glaube noch unhinterfragbar, so regiert nun dasMantra des freien Marktes. Spirituelle Erleichterung gibt es für Tony lediglich alsErsatzdroge, in Form von pharmakologischen Stimmungsaufhellern. Inmitten dermoralischen Einöde klammert er sich an die tradierten Regeln der »Familie«. Nachdem Motto »Bin ich denn der Einzige, dem Regeln noch etwas bedeuten?« (wie esWalter Sobchak als grotesker Gelegenheitsganove in The Big Lebowski entgeistert herausschnoddert),ist der postmoderne Pate sein eigener Ordnungsstaat, der schlichtnach den Vorgaben der Alten funktioniert und das darwinistische Gesetz der Straßewie eine Monstranz vor sich her trägt.Der Zuschauer erlebt mit jeder Folge die tief greifende Identitätskrise des Gangstersgleichsam als Demontage einer Ikone. Dabei gerät der Zuschauer selbst inKonflikt mit seiner Identität als Zuschauer. Unsere sonst so souveräne Position vordem Bildschirm, die Macht der couch potatoe, deren Waffe die Fernbedienung ist,wird durch die Selbstzweifel und die Gewaltexzesse der Hauptfigur immer wiedererschüttert. Auf diese Weise macht uns die Serie bewusst, dass wir lustvolle Zeugenund Sympathisanten zugleich sind. Sympathisanten eines ganz normalen Serienmörders.17


Folge IV Leben soll er20Korrumpiert, zynisch, welt- und selbstentwurzelt bis gebrochen, so lässt sich derHeld des Noir-Films in Kürze beschreiben. Als solcher ist er der erste einflussreicheGegenentwurf zum schillernden Helden des Genrekinos. Ein Anti-Typus, immerzum Scheitern verurteilt. Wenn Alain Delon, der eiskalte Engel, am Ende niedergestrecktwird, ist das Schicksal zu seinem Recht gekommen und der Filmschluss bedeutetKatharsis. Was jedoch dem Kino ureigen ist, muss im Fernsehen aufgehobenbleiben: das Ende. Im Prinzip der sichtbaren Unendlichkeit offenbart die serielleErzählung ihre unbewusste Qualität. Egal ob wöchentlich oder täglich ausgestrahlt,in der Wiederkehr des Vertrauten erfahren wir eine ödipale Geborgenheit, wie Lacansie bereits im Spiel des Kleinkinds beobachtete. Diese infantile Vertrautheit spiegeltsich in der Figur Dr. Melfis: Obwohl sie unter ihrem Patienten leidet, fühlt sie sichvon seiner Triebhaftigkeit angezogen und pervertiert damit ihre Rolle als Therapeutin.Ähnlich dem Zuschauer, der den Schurken gerne erträgt, steht der doch füralles, was ihm selbst verboten ist. Deshalb erlaubt die Serien-Zeit auch nicht TonysTod, denn der würde nur Sinn stiften in einem System außerhalb des Fernsehens.Wir aber wollen weiter sehen – und leiden.Die daraus entstandenen Wunden schließt Peter Rusam mit seinen Bildern. Auchwenn deren Motive (vermeintlich) zufällig ausgewählt sind 2 , lassen sie in der intermedialenBearbeitung des gemalten Standbilds die erzählerischen Risse deutlichsichtbar werden. Der Maler findet mit seinen künstlerischen Mitteln einen Weg,Oszillieren von Nah- und Fernwahrnehmung im unbewegten Bild festzuhalten undden Diskurs der Lektüre zu öffnen. Diesem Wechsel von Attraktions- und Narrationserfahrungkorrespondiert bei Rusam eine kontrastierende Darstellung voninneren und äußeren Handlungsräumen. Filmszenen, die in geschlossenen Räumenspielen, und die gleichsam eine erhöhte Dramatik wiedergeben, gestaltet der Malerin einem satten, realistischen Gestus und wählt dafür meist ein großes Format.Szenen im Freien dagegen, die von der Kamera mit größerer Distanz abgelichtetwerden, übernimmt Rusam in ein kleineres Bildformat und verfremdet sie zudemin impressionistischer Manier (vgl. S. 18f.). Das hat auch den Effekt, dass die Ge-


sichter verschwimmen und Personen unkenntlich werden. Der Betrachter ist damitgezwungen, sich dem Aufbrechen der Film-Betrachtung erneut auszuliefern – aufeiner Ebene unterhalb der Narration, im Bild selbst. Die unterschiedliche Bearbeitungder Motive, das antiproportionale framing, welches filmische Totalen in einemkleinen (35 x 50 cm) und Nahaufnahmen in einem größeren Bildformat wiedergibt,lässt den Zwiespalt sichtbar werden, in dem der Mafioso sich befindet. Sein tagtäglicherDrahtseilakt, seine seelische Zerspannung zwischen Trieb und Gesetz spiegeltsich in den Räumen, die er besetzt. Im privaten Schutz- und Rückzugsraum ist erganz in seiner Rolle, draußen, im öffentlichen Raum dagegen, ist er gezwungen diebürgerliche Maske aufzusetzen, hinter der er verschwindet.Mit der Stillstellung der Zeit im gemalten Standbild gelingt dem Künstler eineVerfremdung und Neuordnung der Erzählung, die es dem Betrachter schließlicherlaubt, die darin eingeschlossenen Emotionen dort ins Bewusstsein treten zu lassen,wo der Betrachter des Films bereits vom unaufhörlichen Bilderfluss davon getragenwurde. Der Akt der Lektüre ermöglicht dem Betrachter somit eine Umwandlungvon Perzeption in Kognition. Er wird zugleich in die Lage versetzt, die Distanzzum Text im Prozess des Herauslesens zu wahren und damit so etwas wie eine moralischePosition herzustellen. Mit den Mitteln einer klassischen Ästhetik befreitder Künstler den Fernsehzuschauer vom Identifikationszwang der filmischen Erzählungund von seiner unwillkürlichen Verstrickung in die Schuld der Hauptfigur.Was dem Format der TV-Serie aufgrund ihres Mangels an zeitlicher Abgeschlossenheitfehlt, nämlich die sinnstiftende Funktion einer abgeschlossenen Erzählung,das schafft der Maler durch die intermediale Rückkoppelung der Filmbilder undihrer Umwandlung in den Status eines ›lesbaren‹ Gegenübers. Und was dem PatenTony Soprano nicht gelingen darf, weil das Gesetz der Serie es so will, das vermagder Zuschauer über den Umweg der still gestellten, kontemplativen Betrachtung:Er darf büßen für das gemeinsam Erlebte.1 Peter Rusam hat sich in einer größeren Ölbild-Serie mit den Filmen des US-amerikanischenFilmemachers James Benning auseinandergesetzt. Eine Auswahl dieser Arbeiten findet sichin der Sonderausgabe »über|setzen« (sprachgebunden 3/2007).2 Zur Bildkomposition und Motivauswahl siehe auch S. 28f. im Interviewteil.21


Die Magie des BanalenPeter Rusam / Christoph Cöln22Der Düsseldorfer Maler Peter Rusam hat sich in seinen Arbeiten vielfach mitfilmischen Vorlagen beschäftigt – in Auseinandersetzung mit den »Sopranos« istin den Jahren 2002 und 2003 eine umfangreiche Bild-Serie entstanden, die sichauf den Seiten dieses Heftes abgebildet findet. Christoph Cöln hat den Künstlerin seinem Atelier besucht.


Cöln: Ihre Bildreihe »there is no mafia« beschäftigt sich mit der Fernsehserie TheSopranos. In ihrem Zentrum steht Tony Soprano, ein Mafiaboss, der aus einemsehr ungewöhnlichen Blickwinkel, vor allem von der privaten Seite porträtiertwird und dessen Geschicke wir am Bildschirm miterleben. Was ist für Sie dasBesondere an den Sopranos?Rusam: Was mich immer verblüfft, ist, dass ich natürlich mit vielen Figurensehr große Sympathie habe und – wie sich das für eine Serie gehört, die manmag – auch mitleide und mitfiebere, dass ich mich freue, wenn die sich freuen,ganz klar. Man wird aber gleichzeitig immer wieder sehr schnell auf die nackten23


Tatsachen zurückgeworfen, wenn dann wie beiläufig und oft mit bestialischerGrausamkeit ein notwendiger Mord verübt wird. Dann bröckeln natürlichdie Sympathien. Aber vielleicht ist es gerade dieses Spannungsfeld, zwischenAngewidertsein und Empathie, das mich am meisten fasziniert.Cöln: Was war der Anstoß, sich malerisch mit der Serie auseinanderzusetzen?Womit fing das an?Rusam: Bei den Sopranos war es eigentlich so, dass ich mich zunächst unheimlichüber das ZDF geärgert habe, das die Serie ja nach der Verbannung insNachtprogramm irgendwann einfach abgesetzt hat. Und ich dachte mir, diesesJuwel kann man nicht einfach so sang- und klanglos verschwinden lassen. Alsowollte ich zumindest künstlerisch etwas davon festhalten.Cöln: Welche Motive inspirieren Sie ganz besonders zur Bildproduktion?Rusam: Die Dinge springen mich meistens auf irgendeine Art an. Bei denSopranos war das auf jeden Fall so. Es sind diese starken Impulse, die immer wiederkommen und mich irgendwann zu dem Punkt bringen, wo ich sage: Ich willmir davon ein eigenes Bild machen.Cöln: Mir ist aufgefallen, dass einige der Bilder aus der »there is no mafia«-Serieeine gewisse Symptomatik ausstrahlen: Man scheint eine Art Verdichtung zuspüren, eine Konzentration auf ganz zentrale Weichenstellungsmomente. Etwadas »Pussy«-Bild (S. 3), das die Szene zeigt, in der der Gangster über seine Frauherfällt, ist typisch für die Zerrissenheit der ganzen Figur …24Rusam: Ja, bei »Pussy« ist das im Grunde dieses permanente Unter-Spannung-Stehen. Und das ist durchaus nicht nur bei ihm so. Man kann die Menschenaus der Mafia-Familie sehr gut verstehen, denn sie sind ja einem unglaublichenDruck ausgesetzt, müssen ständig Geld ranschaffen, bedrohen andere,werden selbst bedroht und dürfen dabei keine Fehler machen. Hinzu kommt,dass Konfliktlösungen nur mit Hilfe von Gewalt existieren. So liegt ein großesMisstrauen über allem. Da staut sich natürlich einiges an …


Cöln: … weil sie sich permanent im Zwiespalt von bürgerlicher und kriminellerExistenz befinden?Rusam: Genau. Und wenn sie dann noch – wie in »Pussys« Fall – vom FBI angeworbenund »umgedreht« werden, dann kommt noch eine zusätzliche Spannunghinzu. Das ist eine Situation, die man schon schizophren nennen kann.Cöln: Was reizt Sie ganz besonders am Mafia-Sujet? Was macht es für Sie aus?Rusam: Jede Höflichkeit ist antizipierte Bezahlung für eine Gegenleistung. Allesist hier berechnend. Es gibt keine bedingungslose Liebe oder dergleichen. Daswird zwar gerne behauptet, insbesondere unter den Mitgliedern der »Familie«,schließt aber dennoch nicht aus, jemanden unter bestimmten Bedingungen kaltblütigzu eliminieren.Cöln: Sie haben ja nicht nur zu Filmen gearbeitet, sondern in letzter Zeit auchvermehrt Landschaftsmotive umgesetzt. 1 Das ist ja mit einem ganz anderenProduktionsprozess verbunden: Für diese Motive müssen Sie nach draußen, indie Natur.Rusam: Wobei es auch hier nicht so ist, dass ich mich mit der Staffelei in dieLandschaft stelle und irgendwelche Motive abmale, auch hier steht immer eineFotografie am Anfang. Ich kann nichts erfinden: Der Fotoapparat ersetzt fürmich das Skizzenbuch.Cöln: Am Anfang steht also die Fotografie. Vermittelt Ihnen die fotografischeVorlage eine Sicherheit?Rusam: Ja und nein – es gibt da natürlich auch ein gewisses Misstrauen. LangeZeit habe ich meinen Fotoapparat z.B. auf Wanderungen gar nicht mitgenommen,weil ich dachte, dass die gemachten Fotos die Erinnerungen verfälschen.Wenn man heute alte Fotoalben durchschaut, von der Familie zum Beispiel, istes oft ja so, dass man von Festen oder von Urlauben nur zwei oder drei Fotos hat.Diese Aufnahmen prägen dann die Erinnerung und alles was nebenher passiertist, fällt raus …25


Cöln: … aber Sie fotografiereninzwischen auch selbst, wenn Sieunterwegs sind …Rusam: In letzter Zeit versuche ichschon, gezielt draußen Bilder zumachen und als Vorlage einzusetzen.Danach ist das dann immer einesehr spannende Frage, wie ich daskonzeptionell angehen soll: Ob icheinfach ein aussagekräftiges Motivsuche oder genauso vorgehe wiebeim Malen nach Filmen – nämlichindem ich mir erst ein Zeitschemazurecht lege und in einem vorherdefinierten Intervall dann Fotosmache. So kommt man aus derGewohnheit heraus, das vermeintlichschönste Motiv zu suchen. Inder Auseinandersetzung mit Filmenist das übrigens das gleiche. DieMotive, von denen ich im erstenMoment dachte, dass sich eineBearbeitung lohnen könnte, warenoft die schlechtesten. Im Gegensatzdazu waren völlig unscheinbareBilder, die eigentlich nicht viel versprachen,am Ende die span-


nendsten. Ich bemerke irgendwann, dass gerade die Bilder, die zunächst durchrutschen,mit der Zeit immer erzählerischer und wichtiger werden, eben weilsie auf eine Weise entschlackt sind, weil sie nicht direkt ins Auge springen unddeshalb auch das Beiläufige erzählen können.Das hat natürlich auch etwas mit diesem zu Tode gerittenen Topos des»Sehen-Lernens« zu tun; ich will gar nicht wissen, wie viele Volkshochschulkurseso heißen, aber letztlich geht es genau darum. Ich hatte mit meinem MalerkollegenJim Harris 2 mal ein nettes Gespräch. Der setzt sich tatsächlich einfachan die Autobahnunterführung und malt. Ich mag die Vorstellung sehr gerne: Eshat etwas von der Atmosphäre, die sich ergibt, wenn man durch irgendwelcheblöden Zufälle gezwungen ist, in der Pampa zu sitzen, und weiß: Der nächste Buskommt erst in einer Dreiviertelstunde. Man ist platt, kann nirgendwo hin und istfestgenagelt an diesen willkürlichen Ort. Und wie bei einem Benning-Film [zuRusam Beschäftigung mit J. Benning siehe auch S. 30 ] entwickelt das auf einmalein Eigenleben. Es wird plötzlich alles spannend. Man fängt an, Schatten zu beobachten– konzentriert sich auf den Turnus, in dem Autos vorbeifahren: Das istdie Magie des Banalen.Cöln: Und damit rückt das Malen auch wieder in die Nähe eines filmischenPrinzips, eines dokumentarfilmerischen genau genommen. Das findet man jaauch bei James Benning: Eine Kamera wird in der Landschaft aufgestellt undzeichnet auf, was an ihr vorbei zieht …Rusam: Ja, auf jeden Fall, gerade beim Wandern. Und da ich relativ zügig gehe,habe ich oft wirklich den Eindruck einer filmischen Wahrnehmung. Ich gehedurch die Natur, während die Landschaft, oder die Landschaften an mir vorbeiziehen.Beim Wandern bin ich gewissermaßen mein eigener Film, weil ich ebennicht mehr statisch da sitze, nicht verharre und zuschaue wie der »Film« einfachabläuft, sondern den »Film« selber erzeuge.27


Cöln: Man setzt sich also den Bildern aus, indem man sie sich erläuft?Rusam: Und man ist nicht mehr so sehr vom Offensichtlichen gebannt, sonderndie Bilder kommen aus der inneren Bewegung heraus.Cöln: Aber bei Ihren Wanderungen bleibt es ja nicht beim Durcheilen derLandschaft, sondern durch die Praxis der Intervall-Fotos stoppen Sie IhrenBewegungsablauf und damit die Landschaften, die an Ihnen vorbeiziehen, relativwillkürlich. So gehen Sie einem bildnerischen Prozess nach, der Ihnen einen ganzunkonventionellen Erfahrungszugang ermöglicht …Rusam: Interessant ist, dass ja für den Film das gleiche gilt, wie für dieWanderung. Oft entdecke ich in Filmbildern Sachen, die mir vorher völligentgangen sind. Ich staune oft, wie viel man übersieht. Da werden beim FilmHunderte von Szenenbildnern beschäftigt, die alle möglichen Gimmicks im Bildunterbringen sollen, und dann fallen die einem im Kino nie auf. Ich erinneremich da an eine Szene in »Kleine Morde« 3 , wo der Held im Schatten steht. Erstbeim Malen ist mir dann aufgefallen, dass hier noch eine weitere Lichtquelle verwendetwurde, denn so, wie er da im Raum steht, kann der Schatten nie gefallensein. Cineasten fällt das sicherlich sofort auf.Cöln: Durch die rasche Bewegung des Films wird vieles direkt ins Unbewussteüberführt. Was natürlich auch mit der Schnittgeschwindigkeit zusammenhängt …28Rusam: Ja, unbedingt. Und das spielt dann natürlich auch eine große Rolle fürdas Zeitschema, das ich bei der Auswahl der Standbilder nehme. Wenn einFilm aus sehr langen, ruhigen Einstellungen besteht, dann bringt es gar nichts,wenn man alle zwei Minuten ein Bild macht, weil sich da nicht viel verändert.Während bei anderen Filmen in zwei Minuten unheimlich viele verschiedeneEinzelbilder auftauchen, deren man habhaft werden könnte. Das Intervall, dasich nehme, richtet sich also immer nach der Länge des Films und der Anzahl derFotos, die ich davon machen will. Dem entsprechend rechne ich das genau aus.


Früher habe ich mich ganz stur an dieses Schema gehalten, mit zunehmenderErfahrung kann man allerdings gewisse Bilder von vorneherein ausschließen.Manchmal muss ich noch ein wenig justieren, das heißt ich spule mit derEinzelbildtaste ein wenig vor und zurück, um jenen Moment zu treffen, von demich dann das Gefühl habe, dass es als gemaltes Bild funktionieren könnte. Oft istes wirklich erstaunlich, wie sehr sich die ganze Psychologie eines Bildes komplettändert, etwa durch einen neuen Faltenwurf oder einen anderen Lichtreflex, wennman es nur minimal bewegt. Wenn ich dann den gesamten, vorher berechnetenFundus an Einzelbildern zusammen habe, setzt der Reflexionsprozess ein. Erstdanach wähle ich die Motive endgültig aus.Cöln: Das ist eine richtige Systematik, die Motive werden förmlich auf ihrespätere Wirkung hin taxiert. Nachdem die Bilder schließlich ausgewählt sind,wie kommen Sie zu einem Endpunkt? Woher wissen Sie, wie viele Bilder es seinmüssen bzw. wann eine Serie vollständig ist?Rusam: Es gibt natürlich Bilder, um die ich immer wieder kreise, wasaber nicht heißt, dass ich die dann auch male. Diese dienen mir eher alsOrientierungspunkt. Für die Gesamterzählung sind aber dann andere Bilder vielwichtiger. Gerade bei der Sopranos-Serie war es mir sehr wichtig, dass ich einenmöglichst geschlossenen Block produziere. Daher auch die Beschränkung aufeine Auswahl aus den ersten drei Staffeln. Irgendwann kam dann der Moment,an dem ich alle bisher gemalten Bilder um mich versammelt habe und feststellenmusste, dass die Geschichte damit erzählt ist. Also war ich fertig. Am nächstenMorgen begann dann schon etwas Neues.Düsseldorf, Frühjahr 2008*Fußnoten siehe Folgeseite.29


1Einige Beispiele für Rusams Beschäftigung mit Landschaftsmotiven finden sich im Katalog»Country« (Galerie Peter Tedden, Düsseldorf 2007), welcher anlässlich der gleichnamigenAusstellung (April - Mai 2007) erschienen ist.2Jim Harris, Jg. 1968 (*London), lebt und arbeitet in Amsterdam. 2003 war er mit einer Einzelausstellungin der Galerie Jürgen Kalthoff (Essen) vertreten, in der auch Peter Rusam in denvergangenen Jahren mehrfach ausstellte.3Little Murders (Kleine Morde), USA 1971, Regie: Alan Arkin, Kamera: Gordon Willis.BildnachweisePeter Rusam303610141518 oben18 unten19 oben19 unten222326 oben26 mitte26 unten31 oben31 untenPanik, 2003, 70 x 95 cmTrost, 2002, 50 x 70 cmDie Getreuen, 2002, 70 x 95 cmRache, 2003, 80 x 105 cmTot, 2002, 50 x 70 cmAbhörsicher, 2003, 35 x 50 cmFlucht, 2003, 35 x 50 cmRein oder raus, 2003, 35 x 50 cmKleine Geschenke, 2003, 35 x 50 cmMutter, 2003, 70 x 95 cmTennisclub, 2003, 80 x 105 cmÜberlebt, 2002, 50 x 70 cmSpitzel, 2002, 50 x 70 cmKurzes Glück, 2003, 60 x 80 cmZuhause, 2002, 70 x 95 cmUntreu, 2003, 70 x 95 cmAlle Bilder Öl auf Leinwand


iographische angabenPeter Rusam, Jg. 1968 (*Ansbach),lebt in Düsseldorf. Seit 1990: Studiuman der Kunstakademie Düsseldorf.1994: Meisterschüler Gerhard Richters,1998 Studienabschluss bei Dieter Krieg.Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen.Ausstellungen (Auswahl):· 2007 »unvoreilig«, Kunstverein Recklinghausen· 2007 »Country«, GaleriePeter Tedden, Düsseldorf · 2006 »BabyBlue«, Galerie Jürgen Kalthoff, Essen· 2006 »Unterwegs mit J.B.«, GalerieJonas Reuber, Berlin · 2005 »Malerei«,Roland-Galerie Köln · 2005 »Janus«,Galerie Andreas Binder, München· 2004 »...quel problème?«, Galerie JürgenKalthoff, Essen · 2003 »there is nomafia«, Galerie Peter Tedden, DüsseldorfZur Ausstellung »there is no mafia« istein gleichnamiger Katalog erschienen(Galerie Peter Tedden, Düsseldorf, 2003).Dem Galeristen danken wir herzlich fürdie freundliche Unterstützung!Christoph Cöln, Jg. 1978, studierteGermanistik und Politik in Bonn; zurZeit arbeitet er an einer filmwissenschaftlichenPromotion und als freierRezensent im Literatur- und Kulturwissenschaftsbereich.Er lebt in Köln.impressumDie Reihe »trajekt« erscheint als Sonderveröffentlichungder Zeitschrift »sprachgebunden«und kostet: EUR 5.- (inkl. Porto + Versand)Die ersten 50 Exemplare sind nummeriertund von Künstler und Autor signiert.Redaktion: Jan Valk / Jonas Reuber(verantwortlich gemäß § 10 Abs. 3 MDStV)Filzengraben 19. 5, 50676 KölnRedakionelle Beratung & Korrektorat:Anno BechteProduktion: chiméra GbRGärtnerstr. 4, 10245 Berlinredaktion@sprachgebunden.dewww.sprachgebunden.deSatz + Layout: Daniel Ehme (www.ehme.org)Druck und Bindung:DruckVerlag Kettler GmbH, Bönenwww.druckverlag-kettler.comISSN 1860-4617Die Beiträge der Ausgabe sind urheberrechtlichgeschützt. Alle Rechte, auch dasder Übersetzung und der Wiedergabe durchVortrag, Funk- und Fernsehsendungen sowieder elektronischen Übermittlung, liegen beimAutor / Künstler.


Woke up this mornin’All the love has goneYour Papa never told youAbout right and wrong.Alabama 3ISSN 1860-4617 trajekt I / 2008

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