30 I Hauptschule <strong>Virgen</strong><strong>Virgen</strong>Aktiv12. September:Im Zuge e<strong>in</strong>er Blitzaktion befreiten deutscheFallschirmjäger Benito Mussol<strong>in</strong>i ausse<strong>in</strong>er Haft auf dem Gran Sasso <strong>in</strong> denAbruzzen. Daraufh<strong>in</strong> gründete er am 15.September im Norden des Landes e<strong>in</strong>e„Faschistische Republik“ mit <strong>der</strong> HauptstadtSalo. Freie Entscheidungen konnteer jedoch nicht mehr treffen, son<strong>der</strong>nmusste sich nach dem richten, was ihm<strong>der</strong> „große Bru<strong>der</strong>“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vorschrieb.13. Oktober:Das „restliche“ Italien unter dem RegierungschefPietro Badoglio erklärteDeutschland den Krieg. Die Parallele zumGeschehen im Ersten Weltkrieg liegt auf<strong>der</strong> Hand: Auch da wechselte Italien nache<strong>in</strong>iger Zeit die Fronten und ließ sich amEnde stolz als „Siegermacht“ feiern.August bis November:Abbau des Vernichtungslagers Trebl<strong>in</strong>ka<strong>in</strong> Polen. Es fällt schwer, die von denNazis präzise geplanten, unvorstellbarenAktionen zur Tötung „m<strong>in</strong><strong>der</strong>wertiger“Menschen <strong>in</strong> Worte zu fassen. Welchegrauenhaften E<strong>in</strong>zelheiten damit verbundenwaren, möchte ich hier gar nichtim Detail ansprechen.Trebl<strong>in</strong>ka wurde im Mai – Juni 1942 vonjüdischen Zwangsarbeitern „aus demBoden gestampft“ und nahm sofort danach(Juli) den „Betrieb“ auf. Vorerststanden drei Gaskammern zur Verfügung,zehn (!) weitere mit <strong>in</strong>sgesamt 320 m²ließ die SS bis Oktober <strong>in</strong>stallieren. Abdiesem Zeitpunkt konnten, wenn die„Lieferung“ rechtzeitig ankam, ca. 2.000Opfer „auf e<strong>in</strong>en Schlag“ umgebrachtwerden. In e<strong>in</strong>em durch hohe Erdwälleabgeschirmten Areal, ca. 200 x 250 Metergroß, befanden sich tief ausgehobeneMassengräber. Damit möglichst vieleTote dort Platz fanden, mussten die h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geworfenenLeichen von eigens dazuabkommandierten Häftl<strong>in</strong>gen „Kopf anFuß“ ausgerichtet werden. War e<strong>in</strong>eGrube gefüllt, wurde sie mit Chlorkalkund Sand abgedeckt; dennoch dauerte esnur relativ kurze Zeit, dass sich e<strong>in</strong> kaumzu ertragen<strong>der</strong> Verwesungsgeruch überdie ganze Gegend verbreitete. Nicht nuraus diesem Grund, son<strong>der</strong>n auch, um alleSpuren des verbrecherischen Tuns zu verwischen,begann auf Befehl Himmlers abMärz 1943 die Verbrennung sowohl <strong>der</strong>„neuen“ als auch <strong>der</strong> schon „bestatteten“Leichen (ca. 700.000!). Dafür eignetensich Gitterroste am besten, die aus ungefähr30 Meter langen, auf Betonsockelnliegenden Eisenbahnschienen bestanden.In Trebl<strong>in</strong>ka wurden so viele dieser Roste<strong>in</strong>stalliert, dass untertags bis zu 12.000Körper <strong>in</strong> mehreren Lagen aufgeschichtetund während <strong>der</strong> Nacht verbrannt werdenkonnten. Größere Knochenrestehatte e<strong>in</strong> weiteres Kommando von Inhaftiertenzu zerstampfen, damit nur jake<strong>in</strong>e nachträgliche Identifizierung <strong>der</strong>Toten möglich wäre. Mit diesem „Mehl“und <strong>der</strong> Asche füllte man die nun leer gewordenenMassengräber und baggerte zuletztnoch e<strong>in</strong>e zwei Meter dicke Erdschichtdarüber.Am 21. August 1943 kamen die letzten„Todeszüge“ <strong>in</strong> Trebl<strong>in</strong>ka an, dannwurde das Lager aufgelassen und bis 17.November vollkommen geschleift. ZurTarnung entstand an se<strong>in</strong>er Stelle e<strong>in</strong>friedlicher, idyllischer Bauernhof.Seriöse Schätzungen geben an, dassalle<strong>in</strong> <strong>in</strong> diesem Vernichtungslager mehrals e<strong>in</strong>e Million (!) Menschen verschiedenerNationalität <strong>in</strong>nerhalb kürzesterZeit (Juli 1942 bis August 1943) getötetwurden. Da die Gaskammern nach e<strong>in</strong>erEntlüftungsphase und dem Abtransport<strong>der</strong> Leichen mehrmals am Tag „beschickt“werden konnten, sche<strong>in</strong>t dieseZahl durchaus realistisch.30. Oktober:Die Außenm<strong>in</strong>ister Cordell Hull (USA),Anthony Eden (Großbritannien) undWjatscheslaw Molotow (Sowjetunion)stellten bei e<strong>in</strong>er Konferenz <strong>in</strong> Moskaufest, dassa) Österreich als erstes Opfer <strong>der</strong> aggressiven,nationalsozialistischen Politik zubezeichnen ist,b) das Land aber „... für die Teilnahmeam Kriege an <strong>der</strong> Seite Hitler-Deutschlandse<strong>in</strong>e Verantwortung trägt, <strong>der</strong> esnicht entr<strong>in</strong>nen kann ...“.In <strong>der</strong> folgenden Zeit (bis heute) wurdea) die Opferrolle, sehr oft und sehr gerne<strong>in</strong> Anspruch genommen, <strong>der</strong> Punkt b)aber sehr oft und sehr gerne „vergessen“.<strong>Osttirol</strong>E<strong>in</strong>e „Errungenschaft“ überragte allean<strong>der</strong>en, ohneh<strong>in</strong> spärlich gesäten Begebenheitenim Bezirk, doch davon später– zunächst soll festgehalten se<strong>in</strong>:Nachdem schon vor e<strong>in</strong>igen Monaten dieGlocken für Kriegszwecke geopfert werdenmussten, legte nun das Beschaffungsamtam Beg<strong>in</strong>n des Jahres se<strong>in</strong>e Handauch auf all jene Metallgegenstände <strong>in</strong> denKirchen, die ke<strong>in</strong>en anerkannt hohenkünstlerischen Wert hatten. Das betraf <strong>in</strong>erster L<strong>in</strong>ie Kerzenstän<strong>der</strong>, Ampeln für dasEwige Licht, die kle<strong>in</strong>en Altarglöckchen,Weihrauchfässer und vieles mehr.Wie groß mittlerweile <strong>der</strong> Mangel anRohstoffen war, zeigen die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emSchulrundschreiben festgelegten Vorgaben:„... Die monatliche Leistung jeSchüler und Schüler<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gt verlangen!Die Erfahrung ... lehrt, dass nurdie ständige Überprüfung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichenMonatsm<strong>in</strong>destleistung ... von3 kg Altpapier, ½ kg Knochen,¼ kg Lumpendas Sammelziel erreichen lässt. ... DieSchulen mit den besten Sammelergebnissenvon Knochen erhalten Buchprämien. ...“Bald nach dem Jahreswechsel wurdendrei <strong>der</strong> übelsten Nazi-Typen aus demBezirk entfernt und zu an<strong>der</strong>en Dienststellenversetzt. Als „Beamte“ <strong>der</strong> Gestapomisshandelten und folterten sieGefangene aufs Ärgste, ja, trieben sogarUnschuldige an den Rand des Selbstmords.E<strong>in</strong>er von ihnen, Georg König,leitete ab April 1942 bis zu se<strong>in</strong>er Versetzungdie Sillianer Außenstelle, wo er<strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit e<strong>in</strong> regelrechtesTerrorregime aufzog. Obwohl er wahrsche<strong>in</strong>lichauch ke<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s zart besaiteterMensch war, veranlasste schließlich<strong>der</strong> Kreisleiter von sich aus dieAbberufung dieser drei krim<strong>in</strong>ellenSchläger, um <strong>der</strong>art unhaltbaren Zuständene<strong>in</strong> Ende zu bereiten.Nun zum Großereignis: Zwei „Quellen“speisten das heute hochgeschätzte Museum<strong>der</strong> Stadt Lienz auf Schloss Bruck;ihre Historie kann hier jedoch nur <strong>in</strong>Stichworten angeführt werden:1) „Museum Aguntum“: 1907 gegründet,um die Grabungsfunde präsentierenzu können. Ab den 1920er-Jahren kamals „neuer Zweig“ die Sammlung etlicherWerke von Alb<strong>in</strong> Egger-Lienz dazu. ErsteLeihgaben, Käufe und Schenkungenwurden dann während <strong>der</strong> Nazizeit – lei<strong>der</strong>– mit beschlagnahmten, „arisierten“Bil<strong>der</strong>n jüdischer Besitzer erweitert. EmilW<strong>in</strong>kler, <strong>der</strong> 1938 <strong>in</strong>s Amt gekommene
<strong>Virgen</strong>Aktiv Hauptschule <strong>Virgen</strong> I 31Lienzer Bürgermeister, führte den Namen„Alb<strong>in</strong>-Egger-Lienz-Museum“ e<strong>in</strong>.2) Schloss Bruck: Zwischen 1252 und1277 erbaut, bis 1500 Residenz <strong>der</strong> GörzerGrafen, dann lösten sich KaiserMaximilian I., die Freiherren von Wolkenste<strong>in</strong>und das Haller Damenstift (bis1783) als Eigentümer ab, schließlichKaserne und Militärspital, ab 1827 <strong>in</strong>privater Hand (Büro e<strong>in</strong>er Speditionsfirma,daneben auch Brauerei mit angeschlossenemGastbetrieb).Letzte Besitzer<strong>in</strong> war „Mitzi“ Kramer; sieverkaufte ihr Erbe im März 1942 an dieStadt, sodass Lienz neue „Schlossherr<strong>in</strong>“wurde und sich die zwei Quellen zumdamals sogenannten „<strong>Osttirol</strong>er Heimathaus,Schloß – Bruck‘“ vere<strong>in</strong>igenkonnten. Se<strong>in</strong>e Eröffnung am 13. Junibot e<strong>in</strong>en willkommenen Anlass zuschwülstigen Reden und propagandistischverbrämten Feierlichkeiten:* „... Möge das Haus weith<strong>in</strong> künden von<strong>der</strong> Schönheit dieses germanischen Landes,dem Adel und <strong>der</strong> Zucht se<strong>in</strong>er Bewohner...“ (aus <strong>der</strong> Ansprache des Gauleitersvon Kärnten, Friedrich Ra<strong>in</strong>er)* erstmals präsentierte sich <strong>der</strong> neu gegründete„<strong>Osttirol</strong>er Standschützenverband“.Mit ihmwollten die Nationalsozialisten durchdie E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bestehen<strong>der</strong> Schützenkompanienkonservative, traditionsverbundeneKreise <strong>der</strong> Bevölkerungfür sich gew<strong>in</strong>nen* zum aufwändig organisierten „1.Kreisschießen“ am Schießstand beimGribelehof waren auch Abordnungenaus Nord- und Südtirol e<strong>in</strong>geladen* es wurde das eigens für diesen Anlassvon <strong>der</strong> <strong>Osttirol</strong>er Schriftsteller<strong>in</strong>Fanny Wibmer-Pedit geschriebene„Lienzer Heimatspiel“ aufgeführt.<strong>Virgen</strong>Ergänzend zum oben erwähnten Thema„Sammlungen“ e<strong>in</strong> paar Sätze aus demAufsatz e<strong>in</strong>er Virger Volksschüler<strong>in</strong> (4.Klasse, 8. Schulstufe, Lehrer: JohannBrandstätter, vulgo Blusner):6. Schularbeit, am 18. Jänner 1943Wie kann ich mithelfen den Krieg zu gew<strong>in</strong>nen?... Ich kann auch mithelfen, wenn ichfleißig Altmaterial sammle, Altpapier,Eisen, Lumpen und Knochen. Aus Altpapierwird neues Papier, Pappe undMunition erzeugt. Aus Lumpen werdenUniformen, Decken und Unterwäschefür unsere WehrmachtFestscheibe vom 1. Kreisschießen. Bemerkenswert, dass <strong>der</strong> Tiroler Adler dom<strong>in</strong>ant vor demKärntner und dem Lienzer Wappen steht, obwohl <strong>der</strong> Bezirk damals zum Gau Kärnten gehörte.hergestellt. Aus Knochen wird wie<strong>der</strong>Wachs, Kerzen, Creme, Seife, Dünger,Futterkalk und Sprengmittel erzeugt. ...Ich kann auch noch mithelfen, wenn ich... im Sommer fleißig Heilkräuter für dieverwundeten Soldaten sammle. ...Nebenbei gesagt: Die Schüler<strong>in</strong> hieß damalsAnna Raffler, jetzt kennen wir sieals vulgo Jaggler Nanne. Sie hat immersehr schön geschrieben und <strong>in</strong> dieserArbeit ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Rechtschreibfehlergemacht!Das Ende des Beitrags naht schnell, weilim Protokoll des Gendarmeriepostensnur zwei „karge“ E<strong>in</strong>tragungen vermerkts<strong>in</strong>d und weitere bemerkenswerte Ereignissenirgends zu f<strong>in</strong>den waren:1. 4. 43: Störballon <strong>in</strong> Prägraten abgeschossen.15. 4. 43: Alp<strong>in</strong>unglück: Am 15. 4.1943 ist <strong>der</strong> Arzt Josef Zoren ... bei e<strong>in</strong>erBergwan<strong>der</strong>ung nördlich von Mitteldorfauf dem sogenannten Hohen Feld tödlichabgestürzt. Otfried Pawl<strong>in</strong>Quellenangabe:Druckwerke:Diverse Autoren: „Chronik des DrittenReiches“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sammlung „Österreich1938 – 1945, Dokumente2, Archiv-Verlag,WienDr. Mart<strong>in</strong> Kofler: „<strong>Osttirol</strong> im DrittenReich, 1938 – 1945“, Studien-Verlag,Innsbruck, 1996, ISBN 3-7065-1135-5Dr. Mart<strong>in</strong> Kofler: „<strong>Osttirol</strong> – Vom ErstenWeltkrieg bis zur Gegenwart“, Studien-Verlag, Innsbruck, 2005, ISBN 3-7065-1876-7Protokolle des Gendarmeriepostens <strong>Virgen</strong>,1923 – 1973Internet:http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Kaltenbrunnerhttp://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Stal<strong>in</strong>gradhttp://de.wikipedia.org/wiki/Henn<strong>in</strong>g_von_Tresckowhttp://de.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Ghettohttp://www.museumschlossbruck.at/ueber-schlossbruck/schlossgeschichte.htmlBildnachweis:Abb. 1: http://www.welt.de/img/zweiterweltkriegAbb. 2: http://fop-historyclan.ucoz.de/Bil<strong>der</strong>/Chronik/1943/WienerNeustadt-Bomb.jpgAbb. 3: Aus dem Buch von Dr. Mart<strong>in</strong>Kofler: „<strong>Osttirol</strong> – Vom Ersten Weltkrieg...“ (siehe oben)