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Sog. Herakles Lansdowne - Skulpturhalle

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Skulptur des Monats Oktober 2011sh 1756<strong>Sog</strong>. <strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong>OriginalDatierung:Material:Herkunft:Standort:Höhe:Römische Marmorkopie des frühen2. Jhs.n.Chr. nach einem Werk ausdem Umkreis des Skopas um360 v.Chr.MarmorAus der Umgebung der Villa Hadrianain Tivoli.Einst im <strong>Lansdowne</strong> House in London.Seit 1951 im J. Paul Getty MuseumMalibu (Inv. 70.AA.109)193,5 cmAbgussHersteller:Ankauf:Abgusswerkstatt Bertolin, MünchenDepositum des Freiwilligen MuseumsvereinsBaselInv.-Nr.: 2010-2 / SH 1756Material: GipsDie Statue des <strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> wurde 1790auf dem Grundstück des Conte Fede in der Umgebungder Villa Hadriana in der Nähe von Romgefunden und nach einer Restauration 1792 anden namensgebenden Marquess of <strong>Lansdowne</strong> inLondon verkauft. Seit 1951 befindet sie sich in Malibu.Der statuarische Typus geht auf ein Originalaus der Mitte des 4. Jhs.v.Chr. zurück, das durchinsgesamt 25 römische Repliken überliefert wird:Neben der Statue in Malibu auch noch durch dreiweitere Körperrepliken sowie durch 21 Kopien desKopfes. Dazu kommen einige Varianten, Umbildungenund Adaptionen. Einige Köpfe, wie derjenigeauf der Herme aus Genzano (London, Br.Mus. Inv. 1731, unsere Abb. 2), tragen anstelle einerBinde einen Kranz im Haar; dieser ist für dasOriginal jedoch nicht anzunehmen. <strong>Herakles</strong> isteindeutig an seiner Keule und dem Löwenfellidentifizierbar, das er in seiner ersten Tat dem nemäischenLöwen abgezogen hat.Er steht fest auf dem rechten Bein, während daslinke mit gebeugtem Knie zur Seite gesetzt ist. DieGewichtsverteilung auf Spiel- und Standbein führtzu einer Neigung des Beckens, die durch die Gegenschrägeder Schultern aufgefangen wird. DieseWechselwirkung im Aufbau des Körpers nenntman ‹Kontrapost›, ein Gestaltungsmittel, das dergriechische Bildhauer Polyklet im 5. Jh.v.Chr. beider Statue des sog. Doryphoros (Abb. 3) perfektionierthat. Vom Doryphoros scheint der <strong>Herakles</strong><strong>Lansdowne</strong> auch das Haltungsmotiv übernommenzu haben. Beide Statuen führen den rechten Arman der Körperseite zum Standbein herab undschultern mit dem linken Arm einen Gegenstand –<strong>Herakles</strong> die Keule und der Doryphoros den Speer.Wegen diesen motivischen Übereinstimmungen


wurde der <strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> für ein kaiserzeitlichesPasticcio aus hadrianischer Zeit gehalten,das einen Körper aus dem 5. Jh.v.Chr. mit einemKopf aus dem 4. Jh.v.Chr. verbindet. Die Übereinstimmungenbegrenzen sich jedoch nur auf dasHaltungsmotiv; formal unterscheiden sich die beidenStatuen stark. Steht der <strong>Herakles</strong> breitbeinigund stabil auf beiden Füssen, bewirkt beim Doryphorosdas stark zurückgesetzte und nur aufdem Fussballen aufgesetzte Spielbein einen labilen«Standschritt». Dieser instabile Stand bringt einestark betonte Verschiebung der Hüften und derBauchmuskulatur mit sich, während der massiveStand des <strong>Herakles</strong> eine kompaktere, weniger ausder Achse gebrachte Oberkörperstrukturierungbewirkt. Als weiterer Unterschied zum Doryphoroskommt hinzu, dass beim <strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> dierechte Körperseite stärker kontrahiert ist, wodurchdie linke Schulter deutlicher angehoben ist alsbeim Doryphoros.Eine frappante Neuerung im Statuenaufbau des<strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> ist die Wendung des Kopfeszur Spielbeinseite hin, und nicht wie beim Doryphoroszur Standbeinseite. Dadurch öffnet sichdie Skulptur mehr in den Raum, wie wir es bei denFiguren aus dem 5. Jh.v.Chr. nicht kennen. Der<strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> steht zwar in der polykletischenTradition, entwickelt aber die klassischenFormen und öffnet die blockhafte Kompositiondes Doryphoros zur Spielbeinseite hin.Zeitlich ist das Original des <strong>Herakles</strong> <strong>Lansdowne</strong> indie Mitte des 4. Jhs.v.Chr. anzusetzen. Die kräftigenFormen und der massige Körper weisen aufden Umkreis des Bildhauers Skopas aus Paros, derum 350 v.Chr. am Mausoleum von Halikarnassoswirkte und den Neubau des Tempels der AthenaAlea in Tegea leitete. Der kraftvolle Körper erzeugt,kombiniert mit dem melancholischen Ausdruckin <strong>Herakles</strong>’ jugendlichem, bartlosen Gesicht,dem leicht geöffneten, kleinen Mund, dentief liegenden Augenhöhlen und der stark hervorgewölbtenStirn, einen Ausdruck von Energie undEmotionen, die bezeichnend sind für die Zeit vonSkopas' Schaffen.Der Halbgott <strong>Herakles</strong> wurde im 4. Jh.v.Chr. mitdem schmerzlichen Ende der Selbstbestimmungder griechischen Städte nach der Unterwerfungdurch Philipp II. zum neuen Vorbild für die individuelleBewährung eines Menschen. Der <strong>Herakles</strong><strong>Lansdowne</strong> ist eine Figur dieses neuen Heldenideals.Er steht in seiner vollen physischen Kraft da,vergegenwärtigt aber mit seinem Ausdruck auchdie enormen Bürden und Arbeiten, die er noch zuerdulden hat.Abb. 2: Die Herme Genzano(London, Br.Mus. Inv. 1731)Abb. 3: Der Doryphorosdes PolykletAnna LaschingerAuswahl an Literatur:• Steven Lattimore, Two Statues of <strong>Herakles</strong>, The J. Paul Getty Museum Journal 2, 1975, 17-26.• Andrew F. Stewart, Skopas of Paros (1977) 98f.• Andrew F. Stewart, Skopas in Malibu (1982) 45-56.• Joachim Raeder, Die statuarische Ausstattung der Villa Hadriana bei Tivoli (1983) 53f. Nr. I 34.• Sascha Kansteiner, <strong>Herakles</strong>. Die Darstellung in der Grossplastik der Antike (2000) 3-24.

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