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Karikatur: Thomas Plaßmanse Deutsch gesprochen werden durfte, wirmussten immer türkisch sprechen” erinnertsich Herr Alabas heute. Trotz der Beibehaltungder türkischen Kultur fand er im nachbarschaftlichenKontakt zu deutschen Kindernschnell Zugang zur deutschen Spracheund Kultur. Er war damals hoch motiviertschnell die deutsche Sprache zu erlernen,bekundet Herr Alabas stolz. Vieleseiner Landsleute hatten wohl vollkommenfalsche Vorstellungen von Deutschland undbetrachteten es als eine Art Schlaraffenland.Gründe dafür kann Herr Alabas ansatzweiseim deutschen Gesundheits- undSozialsystem finden, das im Vergleich zumtürkischen solche Vorteile birgt, dass einigeAusländer sogar allein deshalb in Deutschlandbleiben. Herr Alabas sieht dabei aberdie Gefahr, dass Ausländer das Sozialsystemausnutzen könnten. Er vertritt denStandpunkt, dass jeder ausländischer Sozialhilfeempfängereine Arbeit haben könne,und wen er sich anstrenge, auch eine gutbezahlte.Dabei muss man sich seinen erfolgreichenberuflichen Werdegang ansehen. Herr Alabasmachte zunächst eine Lehre im Tagebau,wurde dann aber in Folge der Krisedes deutschen Bergbaus arbeitslos. Deshalbmachte er im Jahre 1998 eine neueLehre als Werkzeugmechaniker und ginganschließend zur Firma Siempelkamp umdort als Fräser zu arbeiten. Darüber hinausunterstützte die Firma Siempelkampihn tatkräftig bei seinen Weiterbildungsbemühungen,neben der Schichtarbeit eineAbendschule zu besuchen und seinenMeistertitel zu erwerben. Wegen seiner Beliebtheitbei vielen Kollegen und seinerVermittlungsfähigkeit ausländischen Mitarbeiterngegenüber wurde er sogar zumBetriebsratsmitglied gewählt. “In der Firmahatte jeder die gleichen Chancen”, betonter im Zusammenhang mit beruflichenAufstiegschancen in der Firma Siempelkamp.Schließlich zähle die Leistung undnicht die Herkunft eines Arbeitnehmers,unterstreicht er die Chancengleichheit beiSiempelkamp. Aufgrund seiner türkischmuslimischenHerkunft und seinem Lebenin der deutsch-christlichen Kultur ist HerrAlabas sehr aufgeschlossen. Der gebürtigeMoslem geht genauso in Kirchen und feiertdeutsche Feiertage und Feste wie andereDeutsche auch. Darüber hinaus habe eineReligion ihm schließlich nicht vorzuschreibenwas man zu essen und zu trinken habe,stellt Herr Alabas entschieden fest und verweistauf seine weltoffene Einstellung. Mitdieser liberalen Einstellung erzieht er auchseinen 8-jährigen Sohn.Er sei auf der anderen Seite auch keinChamäleon und weiß sich durchaus zu integrierenund anzupassen. Seine Integrationwurde hierbei durch das Kennenlernenseiner deutschen Frau unterstützt. Aufdie abschließende Frage, ob er den Wunschhege irgendwann nochmal in die Türkeizurückzukehren, entgegnete er mit einemLachen, dass Deutschland doch seine Heimatsei.4


Geschichte der Zuwanderung1950–1955 Arbeitskräftemangel in der Bundesrepublik Deutschland führt zurBeschäftigung ausländischer Arbeitskräfte. 1955 sind es bereits ca. 80.000.20.12.1955 Abschluß des Anwerbeabkommens mit Italien. Es folgen Abkommen mit Griechenland(1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien(1965) und dem ehemaligen Jugoslawien (1968).1966–1967 Bereits die erste wirtschaftliche Rezession führt zu Debatten über die Verringerungder Ausländerbeschäftigung, die eindeutig Puffercharakter besitzt.23.11.1973 Angesichts der sich abzeichnenden Wirtschafts- und Energiekrise verfügt dieBundesregierung den sogenannten “Anwerbestop”.1974–1982 Der “Anwerbestop” wird zum eigentlichen Beginn des Daueraufenthalts der“Gastarbeiter”. Bestand die ausländische Wohnbevölkerung bisher vor allemaus erwerbstätigen Männern, so ziehen nun Frauen und Kinder nach.01.12.1978 Die Erkenntnis, daß die “Gastarbeiter” zunehmend in Deutschland bleiben,führt zur Gründung des Amtes eines “Beauftragten der Bundesregierung für dieIntegration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen”.Erster Amtsinhaber ist Heinz Kühn (SPD).Sept. 1979Heinz Kühn legt das “Memorandum zu Stand und Entwicklung der Integrationder ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der BundesrepublikDeutschland” vor (Kühn-Memorandum). Zahlreiche seiner Anregungenund Forderungen haben bis heute nichts an Aktualität verloren.1982–1986 Das Leben der ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland verfestigt sichweiter. Versuche der Bundesregierung die Zahl der Ausländer zu reduzieren(etwa durch das 1983 in Kraft getretene Rückkehrförderungsgesetz), erzielennicht die beabsichtigte Wirkung.1982–1989 Das Schwergewicht der Arbeit der Ausländerbeauftragten liegt in derFörderung der gegenseitigen Toleranz und des gegenseitigen Verständnisseszwischen Deutschen und Ausländern.5


Herr Ciarello aus Bella ItaliaHerr Ciarello kam 1968 mit seiner Frau undseinen zwei Kindern zu Besuch der Schwesterseiner Frau aus Napoli nach Deutschland.Während dieses Besuchs entschiedsich das italienische Ehepaar mit den Kindernhier zu bleiben und sich hier ein Lebenund eine Existenz aufzubauen. Dabei gabes keinerlei Probleme durch Behörden oderder Integration. Er konnte eine Ausbildungfür den Job bei Siempelkamp absolvierenund ist mit seinem Beruf sehr zufrieden.Auch seine beiden Kinder sind inDeutschland zur Schule gegangen und habeneine Ausbildung abgeschlossen. Heutelebt nur eines der beiden Kinder, seineTochter, wieder in Italien, so wie auch derRest seiner großen Familie. Herr Ciarellozählt sich zu den wenigen Einwanderern,die in Deutschland mit ihrem alltäglichenLeben und ihrem sozialen Umfeld keinerleiProbleme hatten.Er wurde von seinen Nachbarn sofortakzeptiert, kam gut mit der deutschenEsskultur klar, kennt keine rassistischenÜbergriffe ihm oder seiner Familie gegenüberund ebenso viele deutsche, wie italienischeFreunde. Während er damals sehrgut von seinem sozialen Umfeld aufgenommenwurde, ist er jedoch der Ansicht, dasses Immigranten in der heutigen Zeit nichtmehr so leicht haben in Deutschland Fußzu fassen, wobei dies stark von der Nationalitätabhängig sei.Da Deutschland gleichermaßen wie Italienseine Heimat ist, möchte er auch nachseiner Pensionierung hier bleiben und oftnach Italien reisen, um seine Familie zu besuchen.Das Gespräch mit Herrn Ciarello wareinerseits in Bezug auf die gute Integrationaufschlussreich und positiv, andererseitsaber auch schwierig, da esRechtsextremistische Gewalt — ein Frage der Proportionen?Zahlen von 1999 Gewalttaten je Ausländeranteil in %100000 EinwohnerSachsen-Anhalt 3,0 1,6Mecklenburg-Vorpommern 2,8 1,6Brandenburg 2,4 2,3Thüringen 2,0 1,5Sachsen 1,9 2,3Hamburg 1,4 15,2Niedersachen 1,0 6,6Bremen 0,9 15,0Berlin 0,9 12,7Schleswig-Holstein 0,9 5,4Rheinland-Pfalz 0,6 7,6Baden-Württemberg 0,6 12,5Bayern 0,5 9,2Nordrhein-Westfalen 0,5 11,4Hessen 0,4 12,2Saarland 0,2 8,1Deutschland 0,9 8,9Quelle: FAZ vom 15.08.2000 S.5Verständnisprobleme gab und er teilweiseunsere lockere Art falsch verstanden hat, sodass er uns nicht immer mit der angemessenenSachlichkeit entgegengetreten ist.Sadi Ünals Weg zurIntegrationMan traf sich zur lockeren Gesprächsrundeim Garten des Stadtpark-Restaurants. HerrÜnal erwies sich dabei als Wegbereiterfür weitere Interviews mit pensioniertenausländischen Arbeitskräften im Umfeldder Krefelder Moschee.Im Jahre 2003 belief sich die Anzahl deraus der Türkei nach Deutschland eingewandertenMenschen auf ca. 2 Mio. VieleTürken kamen mit der Einwanderungswelleum die 50–60er Jahre nach Deutschland,mit der Hoffnung hier schnelles Geldzu machen. So kam auch Sadi Ünals Vater1967 zunächst ohne Familie hierher. Dochschon 1972 zog seine Frau mit den drei Kindernnach. Sadi Ünal besuchte gerade die 5.Klasse, brach die Schule jedoch nach der 8.Klasse aus “Unlust” ab.1980 kehrte seine Familie wieder indie Türkei zurück; seitdem besucht erdiese einmal jährlich. Den Kontakt zu6


ge Offenheit von beiden Seiten besteht undwer sich diskriminiert oder als Außenseiterfühlt, ist selber Schuld daran. Man sollteden Schuldigen nicht nicht immer bei Anderensuchen.”Das Interview zeigt, dass Sadi Ünal sichals integrierter Türke in Deutschland sieht.Dennoch scheint sein Wunsch, in die Türkeizurückzukehren, sehr groß zu sein. Abschließendsagt er: “Das Leben in derTürkei ist nicht vergleichbar mit dem Lebenin Deutschland, doch ich bleibe Türke,auch wenn ich mich hier heimisch fühle!.”Die Moschee in derSaumstraße — ein Interview ineiner ungewohnten UmgebungWir wurden sehr freundlich von dertürkischen Gemeinschaft der Moschee ander Saumstraße empfangen und saßenin einer großen Runde. Als Hauptgesprächspartnerbot sich uns unter anderemSamil Safranti an, 56 Jahre alt und geborenin Anatolien. Er war der erste ausländischeArbeitnehmer bei Thyssen.Herr Safranti immigrierte im Alter von23 Jahren aus seinem Heimatort Kaysedein Anatolien nach Krefeld, da sein Vaterihn zum Arbeiten aus der Türkei angeforderthatte. Er arbeitete zunächst für2 Monate auf einer Baustelle und wechseltedanach für 8 Monate zu einer Betonfirma.Anfang 1972 begann er dann seine Arbeitim Stahlwerk Thyssen-Krupp, wo erheute immer noch in der Position des Vorarbeitersarbeitet. Damals hatte er allerdingsnur geplant, für 5 Jahre in Deutschlandzu arbeiten um dann mit dem erarbeitetenGeld in die Türkei zurückzukehren.Sein Hauptgrund hier zu bleiben ist damalswie heute die bessere Bezahlung und diestärkere Kaufkraft, die nicht durch die Inflationgemindert wird. Auf Grund fehlenderDeutschkenntnisse hatte er am AnfangProbleme mit der Verständigung währendder Arbeit (“Die auszuführenden Arbeitenmussten aufgemalt werden.”). DieseVerständigungsprobleme führen auch dazu,dass er seine Freizeit anfangs nur inder Moschee, im türkischen Teehaus undmit seiner Familie verbrachte. Unterfordertfühlte er sich nicht, da er aus seiner Heimatnur einfache Handarbeit kannte undmit den deutschen Maschinen nicht zurechtkam (“Man tat das, was einem aufgetragenwurde.”). Oft half dann nur die “Tarzan-Sprache”, daher die Verständigung mitHänden und Füßen. Herr Safranti empfanddie Offenheit der deutschen Arbeitskollegenzuerst als sehr ungewohnt, zumBeispiel das tägliche gemeinsame Duschennach der Arbeit. Sonst hatte und hat ermit der deutschen Mentalität keine Probleme.Er lebt mit seiner Frau und denvier Kindern im Alter von 17 bis 35Jahre seit seiner Immigration in Krefeldwobei er versucht, die Kinder deutschtürkischzu erziehen. Trotzdem wird zuHause nur türkisch gesprochen. Auf dieNachfrage nach Problemen mit Behördenentstand eine rege Diskussion auch mit anderenMitgliedern des Kulturvereins. Kri-8


Seiten der Aufsichtsbehörde in Düsseldorfausgesetzt. Diese prüfen die gesetzlichesowie grundgesetzliche Beratungspflichtder Abteilung.Auf die Frage wie er seinen Beruf“einstufen” würde, antwortet Herr Thissenmit “Sehr schwierig”. Oftmals werdendie Beamten des Ausländeramtes mitder Enttäuschung oder Wut der Ausländerkonfrontiert, die aufenthaltsrechtliche Problemehaben. Ein typisches Beispiel dafürsieht er in einer immigrierten Familie, derenAsylantrag abgelehnt wurde. Daraufhinklagt diese Familie diese Entscheidungvor dem Oberverwaltungsgericht an, wobeisich dieser Prozess oft 5–6 Jahre hinzieht.Während dieser Zeit lebt sich dieseFamilie ein, so dass ein Gerichtsbeschlussgegen den Asylantrag ein harter Schicksalsschlagfür die Familie sein kann. DieseEntscheidung zu überbringen ist dieAufgabe des Ausländeramtes und die darausentstandene Frustration wird auf dasPersonal übertragen. “Die Botschaft zuüberbringen gestaltet sich auch für uns oftmalssehr schwierig, da wir mit den Leutenmitfühlen und ihre Enttäuschung verstehen.”Auf die Frage, weshalb Ausländer dasVerhalten der Beamten meist als unfreundlichauffassen, gibt der Abteilungsleiterdie Frustration der Ausländer an. “Wennschlechtgelaunte Ausländer ihre Stimmungam Personal auslassen, kommt es vor, dassein ähnliches Verhalten auf unserer Seitedaraus resultiert. Wir sind ja auch nurMenschen”, fügt er hinzu. Die Situationist oftmals sehr gespannt, so dass derAusländerabteilung schon öfter Gewalt angedrohtwurde. Das Gegenteil erleben dieBeamten jedoch auch. “Viele Familien bedankensich persönlich für unsere Hilfe undUnterstützung” freut sich Herr Thissen.Dass er mit Ausländern häufiger Konfrontationenerlebt, bestreitet er vehement: “Esgibt bei Deutschen sowie bei Ausländernkrumme Vögel, da sehe ich keine Unterschiede.”10

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