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spektrum der augenheilkunde - 150 Jahre Augenklinik Graz

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originalarbeitsontherapie schließlich abgesetzt. Bis heute kam es bei<strong>der</strong> Patientin zu keiner neuen Krankheitsprogressionund es zeigt sich ein seit <strong>Jahre</strong>n stabiler ophthalmologischerBefund.DiskussionDas Susac-Syndrom, benannt nach seinem ErstbeschreiberJohn Susac (1940–2012) [ 29 ], ist gekennzeichnetdurch die Trias Enzephalopathie, retinale Astarterienverschlüsseund Hörstörungen. Er beschrieb 1979 zweiFälle mit subakuten paranoid-psychotischen Symptomen,Innenohrschwerhörigkeit, kognitiven und persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ndenneurologischen Symptomenund Verschlüssen retinaler Astarterien. Als Folge deswachsenden Bewusstseins für die Erkrankung wurdesie in den darauffolgenden <strong>Jahre</strong>n zunehmend häufigdiagnostiziert. Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Erstvorstellung <strong>der</strong>Patientin (Fall Nr. 3) war das Susac-Syndrom eine fastgänzlich unbekannte Erkrankung, von <strong>der</strong> es 2001 kaum20 bekannte Erkrankungen weltweit gab. Heute gibt esmehr als 200 publizierte Fälle [ 7 ].Erschwert wird die Diagnosefindung auch dadurch,dass das Vollbild <strong>der</strong> klassischen Trias (Sehstörungen,Innenohrschwerhörigkeit, Enzephalopathie) sich nurselten gleichzeitig zeigt; meist dauert es <strong>Jahre</strong> bis sichalle drei manifestiert haben. Auch forme fruste Varianteneines Susac-Syndroms werden diskutiert. Häufig findetman initial nur Schädigungen des ZNS und <strong>der</strong> Netzhaut[ 1 , 23 , 24 ]. So zeigte auch nur einer unserer drei Fälle (FallNr. 1) das Vollbild <strong>der</strong> Erkrankung, sowohl bei Fall Nr. 2als auch Fall Nr. 3 konnten Schädigungen des Innenohresdurch ein Audiogramm nie bewiesen werden.Zu den häufigsten zerebralen Symptomen zählenunter an<strong>der</strong>em Kopfschmerzen, Sensibilitätsstörungenund Störungen <strong>der</strong> Konzentration, des Gedächtnisses,des Affektes, <strong>der</strong> Persönlichkeit und des Gleichgewichtssinnes[ 1 , 6 , 23 ]. Der neurologische Status kann durchausunauffällig sein, eine elektrophysiologische Untersuchung(EEG) ist meistens nicht zielführend [ 20 ]. Im Liquorkann sich eine mäßige Pleozytose zeigen, sehr selten findetman eine intrathekale Immunglobulinsynthese undoligoklonale Banden. Spezifische Laborparameter kenntman bis dato für das Susac-Syndrom nicht, sind aber ausdifferentialdiagnostischen Gründen wichtig [1 , 13 , 20 , 23 ,24 , 32 ]. Unsere Erkenntnisse decken sich mit dem bisherbeschriebenen, auch wir fanden zweimal eine lymphozytärePleozytose im Liquor (Fall Nr. 1 + 3).Das diagnostische Mittel <strong>der</strong> Wahl ist aus neurologischerSicht die Magnetresonanztomographie (MRT– T1w, T2w, FLAIR), welche typische zerebrale, multifokaleLäsionen (Durchmesser 3–7 mm) vorwiegend in<strong>der</strong> weißen Substanz und vor allem aber im Corpus callosumdarstellen kann. Sogenannte Snowballs sind größere,leicht unscharfe, sehr typische Läsionen. Streifigimponierende Läsionen des Corpus callosum werdenSpokes, Speichen genannt, welche erst im Verlauf <strong>der</strong>Erkrankung zu finden sind. Die MRT ist vor allem für denVerlauf, das Therapiemonitoring und für die Differentialdiagnosegegenüber an<strong>der</strong>en entzündlichen zerebralenErkrankungen entscheidend [30 , 31 , 33 ]. Alle dreiPatientInnen zeigten typische, wenn auch individuellunterschiedlich ausgeprägte Läsionen, die für das Vorhandenseineines Susac-Syndroms pathognomonischsind. Um eine exakte Verlaufskontrolle zu gewährleistenwurde das MRT wurde als „Biomarker“ eingesetzt, es gibtaber bis dato keine sichere Korrelation zwischen demSchweregrad <strong>der</strong> Enzephalopathie und <strong>der</strong> Anzahl o<strong>der</strong>Größe <strong>der</strong> Läsionen. Patientin Nr. 3 erlitt im Verlauf eineProgression <strong>der</strong> im MRT festgestellten zerebralen Läsionen,was sich aber in keinerlei klinischer Symptomatikwi<strong>der</strong>spiegelte.Die reine HNO-ärztliche Inspektion ergibt keinenBefund, sodass die Audiometrie bei <strong>der</strong> Diagnosefindungobligat ist. Typisch ist eine Hörstörung insbeson<strong>der</strong>e imTieftonbereich. Seltener kann man einen peripher-vestibulärgenerierter Nystagmus und einen Drehschwindelfinden. Alle drei <strong>der</strong> hier beschriebenen PatientInnenberichteten aber über Schwindel, was auf eine Schädigungdes Vestibularorgans hinweisen könnte undmanchmal einen Morbus Meniere vortäuschen kann[ 27 ]. Ein Tinnitus tritt häufig als Begleiterscheinung auf.Ophthalmologischerseits geben Betroffene vor allemunregelmäßige Skotome, irreguläre Gesichtsfeldstörungen,aber auch migräneartige Flimmerskotome an.Seltener werden auch unspezifische Symptome wie verschwommensehen und Lichtblitze berichtet. Alle unserePatientInnen hatten zumindest eines dieser Symptomein <strong>der</strong> Anamnese angegeben. Überprüfungen des Visuskönnen durchaus unauffällig sein, da die pathologischenProzesse vor allem in <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Netzhaut stattfinden.Aus obengenannten Gründen ist eine augenärztlicheRoutineuntersuchung genau so wenig ausreichendwie eine funduskopische Inspektion <strong>der</strong> zentralen Netzhaut.Nur bei einem unserer Fälle mussten wir einendeutlichen Visusabfall feststellen, <strong>der</strong> zentrale Visusblieb bei den beiden an<strong>der</strong>en Fällen immer erhalten, dasich sämtliche Pathologien auch bei unseren PatientInnenvor allem in <strong>der</strong> Peripherie zeigten [ 5 , 14 , 25 ]. Durcheine Perimetrie des Gesichtsfeldes werden häufig bereitsanamnestisch erhobene Skotome verifiziert, was uns nurbei zwei Fällen gelang (Fall Nr. 1 und 3).Die wichtigsten ophthalmologischen Untersuchungsmethodensind aber die genaue Inspektion des Augenhintergrundesin Mydriasis, vor allem <strong>der</strong> Peripherieund die Angiographie mit Fluoreszin (FLA). Einer unsererFälle kam mit einem unauffälligen externer augenfachärztlichenBefund an unsere Klinik (Fall Nr. 1). BeiPatient 2 wurde eine ICG Untersuchung durchgeführt,die keinerlei pathologische Verän<strong>der</strong>ungen zeigte.In <strong>der</strong> FLA kommt es klassisch zu einem Abbruch <strong>der</strong>Verteilung des Fluoreszins in den Astarterien <strong>der</strong> Netzhautund arteriellen Leckagen. Verursacht wird diesdurch die Einengung und Schwellung <strong>der</strong> Gefäßwände,welche eine partielle bis komplette Okklusion <strong>der</strong> Netzhautarteriolennach sich ziehen.316 Das Susac-Syndrom: Fallberichte von 3 PatientInnen mit Susac Syndrom und eine Übersicht über das Krankheitsbild 1 3

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