originalarbeitnoch Interesse für die Medizin. 1797 erschien in Wiensein Buch „Etwas über die Ausziehung des grauen Staaresfür den geübten Operateur“, worin er von seiner Anwendung<strong>der</strong> „Wenzel’schen Methode“ berichtet [ 20 – 27 ].Zu Professor Barths Schülern zählten Georg Josef Beer(1763–1821), Lorenz Edler von Vest (1776–1840) und <strong>der</strong>gebürtige <strong>Graz</strong>er Johann Evangelist Stiger (1776–1846).Beer wurde 1786 promoviert, Vest 1798 und Stiger 1799.Bis 1800 hatten sich alle drei als praktische Ärzte nie<strong>der</strong>gelassen– Beer in Wien, Vest in Klagenfurt und Stigerin <strong>Graz</strong> – und betätigten sich in <strong>der</strong> Folge schwerpunktmäßigals Augenärzte. Beer, <strong>der</strong> sieben <strong>Jahre</strong> lang ProfessorBarths Assistent gewesen war, machte sich starkfür die Extraktionsmethode und für die Etablierung <strong>der</strong>Augenheilkunde als akademisches Fach und fand imGegenzug scharfe Worte gegen die Okulisten alter Prägung:„Wollte Gott, dass endlich das Unkraut <strong>der</strong> herumziehendenprivilegierten Starstecher und Starschnei<strong>der</strong>einmal gar ausgejätet würde.“ Beers erste Vorschläge zurErrichtung einer <strong>Augenklinik</strong> in Wien (ab 1797) hatte dieRegierung übrigens abgelehnt. In diesem Zusammenhangerscheint es bemerkenswert, dass Stiger 1806 dieBewilligung zur Errichtung einer <strong>Augenklinik</strong> im allgemeinenKrankenhaus in <strong>Graz</strong> erlangte – jedoch ohneErgebnis. Der Durchbruch gelang letztlich doch in Wien.1812 erhielt Beer ein Extraordinariat für Augenheilkundeund konnte im Jänner 1813 dazu eine stabile <strong>Augenklinik</strong>mit zweimal acht Betten in Betrieb nehmen. Diese weltweiterste <strong>Augenklinik</strong> erfuhr 1818 eine Aufwertung zumOrdinariat, und die Augenheilkunde wurde gleichzeitigfür Mediziner zum Obligatstudium [ 28 – 40 ].österreich gebürtige Mediziner Dr. Joseph FriedrichPiringer (1800–1879). Dekrinis hatte 1815 in <strong>Graz</strong> dasWundarztdiplom erlangt und ging 1819 als ständischerStipendiat nach Wien, wo er Zusatzqualifikationen in<strong>der</strong> Chirurgie, Geburtshilfe und Augenheilkunde erwarb.1824 erfolgte seine Bestellung zum <strong>Graz</strong>er Kreischirurgen.Piringer konzentrierte sich um dieselbe Zeit imRahmen seines Wiener Medizinstudiums auf die Augenheilkundeund assistierte bei Friedrich Jaeger und AntonRosas, zwei Schülern von Professor Beer, wobei Erstererauch dessen Schwiegersohn und Letzterer dessen Nachfolgerwar. Piringer wurde 1826 promoviert und erlangte1828 den Magistergrad <strong>der</strong> Augenheilkunde. Im Mai1828 beantragte er außerordentliche Vorlesungen überAugenheilkunde in <strong>Graz</strong>, woraufhin im Juli desselben<strong>Jahre</strong>s Mathias Dekrinis ebenfalls um Augenheilkunde-Vorlesungen und dazu um die Errichtung einer <strong>Graz</strong>er<strong>Augenklinik</strong> ansuchte [ 45 – 52 ].Der damalige Studiendirektor Dr. Joseph Edler vonSchöller befürwortete die Idee von Augenheilkunde-Vorlesungen, empfahl die neu angekauften Röckenzaun’schenHäuser in <strong>der</strong> Paulustorgasse (Abb. 1 ) alsStandort und plädierte im Übrigen für Dr. Piringer, mitdem Argument, eine Besetzung mit Dekrinis sei mitdessen Tätigkeit als Kreiswundarzt unvereinbar. Während<strong>der</strong> Antrag durch die Instanzen ging, übersiedelteDr. Piringer nach <strong>Graz</strong>. Im Dezember 1828 erhielt erDie <strong>Graz</strong>er AugenabteilungEs ist nicht bekannt geworden, warum Dr. Johann Stigerin <strong>Graz</strong> keine <strong>Augenklinik</strong> eröffnete. Jedenfalls galt er zuBeginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts in <strong>der</strong> Augenheilkunde alserste Autorität im Land. Sein guter Ruf wird auch dazubeigetragen haben, dass Napoleons Bru<strong>der</strong> Louis Bonaparte,<strong>der</strong> nach seiner Abdankung als König von Holland1810 bis 1814 in <strong>Graz</strong> weilte, Dr. Johann Stiger zu seinemArzt erwählte. Unterdessen übersiedelte Dr. Lorenz Edlervon Vest, <strong>der</strong> mittlerweile viel Anerkennung als Botanikergefunden hatte, ebenso nach <strong>Graz</strong>, um hier 1812 denneuen Lehrstuhl für Botanik und Chemie am Joanneumzu übernehmen. Eine ausgedehnte ärztliche Praxis warihm daneben nicht möglich, doch unternahm er vieleerfolgreiche Augenoperationen. Dr. Johann Stiger betätigtesich nebstbei als Augenarzt am Strafhaus Karlau(seit 1815), als Stadtaugenarzt (seit 1817) und zwischendurchals Garnisonsarzt in Klagenfurt zur Bekämpfung<strong>der</strong> dort grassierenden Augenentzündung (1823). AntonRosas publizierte zu dieser mutmaßlichen Trachomepidemie[ 41 – 44 ].Die ungelöste Frage <strong>der</strong> Gründung einer <strong>Graz</strong>er<strong>Augenklinik</strong> beschäftigte auch die nächste Ärztegeneration.1828 konkurrierten darin <strong>der</strong> steirische WundarztMathias Viktor Dekrinis (1791–1859) und <strong>der</strong> aus Ober-Abb. 1 In <strong>der</strong> <strong>Graz</strong>er Paulustorgasse war <strong>der</strong> ursprünglicheStandort des allgemeinen Krankenhauses (rechts) und <strong>der</strong> Augenabteilungauf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Straßenseite (Foto1912). (KAGes-Archiv)260 Augenheilkunde in <strong>Graz</strong> 1 3
originalarbeitkraft allerhöchster Entscheidung eine außerordentliche(unentgeltliche) Professur für Augenheilkunde in <strong>Graz</strong>[ 53 – 56 ].Eine Augenabteilung bzw. provisorische Klinik unter<strong>der</strong> Leitung von Professor Piringer ging mit 1. Mai 1829in einem <strong>der</strong> Röckenzaun’schen Häuser (Paulustorgasse15–17) in Betrieb. Ihr standen da drei Parterrezimmer zurVerfügung. Zwei davon dienten als Krankenzimmer mitjeweils sechs Betten und das dritte als Vorlesungs- undOperationszimmer. Bis zum Ende des <strong>Jahre</strong>s 1832 fandenhier 129 Augenoperationen von grauem Star statt, davon95 mittels Extraktion [57 –63 ].Eine Studienreform für die medizinisch-chirurgischenLehranstalten machte die Ambitionen für einenAusbau <strong>der</strong> <strong>Graz</strong>er Augenabteilung zu einer <strong>Augenklinik</strong>vorerst zunichte. Schon <strong>der</strong> diesbezügliche Organisationsplanvom 7. März 1829 verhieß für die <strong>Graz</strong>erAugenheilkunde nichts Gutes. Dieser Plan sah nämlichim letzten (sechsten) Semester zwar täglich eine StundeAugenheilkunde vor, welche aber nicht durch einen speziellenProfessor für Augenheilkunde vorgetragen werdensollte. Nachdem die Studienreform im März 1833die allerhöchste Genehmigung erfahren hatte, lehntedie Studienhofkommission ein Gesuch für eine eigeneAugenheilkunde-Lehrkanzel in <strong>Graz</strong> ab und beauftragtedie Professoren Ferdinand Edlen von Schöller (InnereMedizin) und Johann Nepomuk Kömm (Chirurgie) mitdem Vortrag des neuen Obligatfaches ab 1835. Dies verursachteeinen raschen Hörerschwund im Vorlesungszimmer<strong>der</strong> Augenabteilung und veranlasste ProfessorPiringer, seine Vorlesungen 1836 aufzugeben. NachträglicheBemühungen von Dr. Lorenz Edlem von Vest (†1840) – seit 1829 steirischer Protomedicus und Studiendirektor– um eine Augenheilkunde-Lehrkanzel für <strong>Graz</strong>blieben erfolglos. Immerhin konnte Piringer, <strong>der</strong> dieAugenabteilung bislang unentgeltlich besorgt hatte, 1841seine Definitivstellung erreichen [64 –69 ].Hinsichtlich <strong>der</strong> räumlichen Unterbringung <strong>der</strong>Augenabteilung konnten nur unzureichende Verbesserungenerzielt werden. 1836 ermöglichte das Freiwerdenvon Räumen im Hoftrakt des Krankenhauses (Paulustorgasse8) eine Belagserhöhung auf 40 Betten in drei Krankensälenmit zusammen 32 Betten (davon 12 für Kin<strong>der</strong>)und zwei Extrazimmern. Ein Neubau für das Siechenhausim Anschluss an das alte Armenhaus (heute Albert-Schweitzer-Gasse 28–38), welches Professor Piringer seit1834 leitete, ging <strong>der</strong> letztlichen Verlegung <strong>der</strong> Augenabteilungvon <strong>der</strong> Paulustorgasse in die Armenhausgasse(Albert-Schweitzer-Gasse) voraus. Seit 1843 befand sichdie Augenabteilung hier im zweiten Stock im Mitteltraktdes Altbaues. Die vier Krankenzimmer waren verhältnismäßigniedrig und schlecht ventiliert. Der Gesamtbelagbetrug 38 Betten. Die Unterbringung wurde als sehr notdürftigeingestuft [70 –77 ].Dr. Alois Franz Reßl (1822–1865) kam 1858 nach <strong>Graz</strong>,um hier in weiterer Folge Professor Piringers Nachfolgeanzutreten. Reßl hatte in Wien studiert, nach seiner Promotiondas Magisterium <strong>der</strong> Augenheilkunde erworben,anschließend als Assistent bei den ProfessorenAnton von Rosas und Ferdinand Arlt gearbeitet, um sichschließlich 1857 für das Augenfach zu habilitieren undeine Venia legendi für Augenheilkunde in <strong>Graz</strong> zu beantragen.Sein zu Beginn des Wintersemesters 1857/58 vorgelegtesLehrprogramm wurde von <strong>Graz</strong> aus verworfen,die überarbeitete Fassung dann aber noch vor <strong>Jahre</strong>sablaufvom Ministerium genehmigt. Im Feber 1858 zu ProfessorPiringers Vertreter ernannt, konnte Dozent Reßlmit Beginn des Sommersemesters 1858 seine <strong>Graz</strong>erLehrtätigkeit aufnehmen. Nach Piringers Pensionierungund gemäß dessen Empfehlung folgte ihm Reßl 1860 alsLeiter <strong>der</strong> Augenabteilung [78 –83 ].Die <strong>Augenklinik</strong> am PaulustorAls die Gründung einer medizinischen Fakultät in <strong>Graz</strong>um 1860 ernsthaft ins Auge gefasst wurde, zählte dieAugenheilkunde zu jenen Lehrfächern, die plangemäßin Universitätskliniken vermittelt werden sollten. Nach<strong>der</strong> Anordnung zur Errichtung <strong>der</strong> Fakultät (13. Jänner1863) folgte eine Stellenausschreibung für die neue Lehrkanzel[84 –85 ].Studiendirektor Dr. Julius Edler von Vest, ein Sohn des1840 verstorbenen Protomedicus, und <strong>der</strong> PrimarchirurgProfessor Dr. Carl Rzehaczek schlugen von den Bewerbernan erster Stelle Dr. Carl Blodig, an zweiter Stelle Dr.Alois Reßl und an dritter Stelle Dr. Ignaz Meyr zur Besetzung<strong>der</strong> neuen Lehrkanzel für Augenheilkunde vor. CarlBlodig (1820–1891) hatte in Wien Medizin studiert, beiAnton von Rosas assistiert, sich 1849 habilitiert und nachdessen Tod († 1855) die Wiener <strong>Augenklinik</strong> suppliert.Ignaz Meyr, geboren 1819, hatte vermutlich in Wien studiert,danach ebenfalls bei Anton von Rosas assistiertund sich 1852 habilitiert. Seit <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> fünfziger<strong>Jahre</strong> wirkte er als Augenarzt in Kronstadt. Der präsentiertenReihung folgend, erging am 31. August 1863 dieallerhöchste Entschließung zur Verleihung des <strong>Graz</strong>erLehramtes für Augenheilkunde an Blodig. Mit diesemOrdinariat verband sich auch jenes <strong>der</strong> Augenabteilung,<strong>der</strong>en Leitung Blodig Ende 1863 provisorisch und imApril 1864 definitiv übernahm. Reßl wurde Anfang 1865zum Primarius an <strong>der</strong> Wiener Rudolfstiftung ernanntund starb bereits zwei Monate darauf [ 86 – 89 ].Im Siechenhaus hatte um 1860 Dr. Vincenz Steinerdas Ordinariat übernommen, womit die gemeinsameLeitung von Siechenhaus und Augenabteilung endete.Die Unterbringung <strong>der</strong> Augenabteilung im Siechenhausstieß auf allgemeine Kritik. Zur Abhilfe war bereits 1858<strong>der</strong> Vorschlag gemacht worden, Augenkranke ins Herberstein’scheHaus (Paulustorgasse 4) zu verlegen, eineIdee, die erst 1864 durch die teilweise und 1865 schließlichvollständige Anmietung dieses Hauses umgesetztwurde. Von da an gab es hier elf Krankenzimmer mit 75Betten. Im Gegensatz zu Dr. Reßl, <strong>der</strong> sich an <strong>der</strong> Augenabteilungmit <strong>der</strong> Unterstützung durch einen Wundarztbegnügen musste, erhielt Professor Blodig von Anfang aneinen promovierten Arzt als Assistenten [ 90 – 96 ].1 3Augenheilkunde in <strong>Graz</strong> 261