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spektrum der augenheilkunde - 150 Jahre Augenklinik Graz

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originalarbeit„Qui visum dat, dat vitam“Qui visum dat, dat vitam: Diese Worte standen auf <strong>der</strong>eindrucksvoll mit Augen bemalten Kutsche des reisendenenglischen Arztes Dr. John Taylor (1703–1773) zulesen, <strong>der</strong> 1757 in <strong>Graz</strong> eintraf. Der berüchtigte Okulisthatte damals seinen schmerzhaftesten Karriereknick– ein 1750 erteiltes Behandlungsverbot in Preußen –bereits hinter sich und befand sich auf <strong>der</strong> Durchreisevon Italien in den Orient. Trotz seiner akademischenWürden wurde er zum Inbegriff des Scharlatans in <strong>der</strong>Augenheilkunde, <strong>der</strong> zwecks Gewinnmaximierung aufdie Nachsorge seiner Patienten verzichtete. Ehe dieseihren Verband abnehmen durften, war ihr Arzt bereitswie<strong>der</strong> abgereist und nicht mehr zu belangen [ 1 – 4 ].Das Problem reisen<strong>der</strong> Okulisten zieht sich wie einroter Faden durch die frühe Neuzeit. Der WundarztGeorg Bartisch, Verfasser des 1583 in Dresden erschienenenersten deutschen Lehrbuches <strong>der</strong> Augenheilkunde,kritisierte darin auch min<strong>der</strong> qualifizierte Marktschreier,welche nur darauf aus seien, mit dem Starstich Kundenauf sich aufmerksam und schnelles Geld zu machen:„Wenn nu <strong>der</strong> Marckt aus ist/ das sie nicht mehr Geltmarckten/ so ziehen und lauffen sie zum Thor hienaus/lassen die armen Patienten sein und bleiben/ wo undwie sie wollen/ wenn sie nur das Gelt von Leuten haben.Es mögen die armen Patienten sehen o<strong>der</strong> blind werden/dafür sorgen sie nicht viel/ Wie sie denn auch gemeiniglichenblind werden und bleiben müssen/ wie ich solcherLeute sehr viel gesehen und gehöret/ die sich auffdem Marckte haben am Star stechen lassen“ [ 5 ].In <strong>der</strong> Landeshauptstadt <strong>Graz</strong> zeigte sich die Obrigkeitdarauf bedacht, die Bevölkerung nicht <strong>der</strong> zweifelhaftenHeilkunst reisen<strong>der</strong> Okulisten preiszugeben, und schufdaher eine landschaftliche Dienststelle für einen <strong>Graz</strong>erAugenarzt. Zur Zeit von Bartischs Lehrbuch wirktehier Georg Müller (Müllner, Miller) als landschaftlicherFeldscher (Militärwundarzt), welche Funktion auch dieTätigkeiten eines Schnitt-, Wund- und Augenarztes einschloss.Seine Offizin (Wundarztwerkstätte) befand sichin einem Häuschen an <strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> heutigen Andräschule(Ecke Grenadiergasse/Kernstockgasse). NachGeorg Müllers Tod (um 1590) scheinen Niclas Delphin(1598), Jacob Fillinger (1634) und Franz Sigerist (1785) als<strong>Graz</strong>er Okulisten im öffentlichen Dienst auf [ 6 – 10 ].Vom Wirken fahren<strong>der</strong> Augenärzte erfahren wir einerseitsdank <strong>der</strong>en Reklame und an<strong>der</strong>erseits aufgrundbehördlicher Überprüfungen, die <strong>der</strong> ScharlatanerieEinhalt gebieten sollten. 1664 weilten in <strong>Graz</strong> beispielsweisezwei Okulisten aus Venedig. Gasthäuser <strong>der</strong> Murvorstadtdienten in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>tsals Absteigen reisen<strong>der</strong> Okulisten, die hier auch gleichihre Patienten behandelten. Im „Roten Igel“ (Griesgasse11) residierte bei seinen zahlreichen <strong>Graz</strong>aufenthalten<strong>der</strong> oculista et operator Johann Franz Habermann. Im„Schwarzen Elefanten“ (Südtiroler Platz 13) boten 1737gleich zwei Okulisten ihre Augenkuren an und wurdenbehördlich überprüft. Schließlich fanden sich in <strong>Graz</strong>damals oft weit gereiste Okulisten ein, <strong>der</strong>en werbeträchtigeAnnoncen im „Mercurius“ Aufmerksamkeit erregtenund ihre Namen bis heute in Erinnerung halten sollten:Hermann Balthasar Faucon, Michael Schwartz, LampertChristoph Monck und ein gewisser Thilenius aus Amsterdam,„welcher in Ost- und West-Indien gereiset“ war[ 11 – 15 ].„Post tenebras lux“Post tenebras lux , <strong>der</strong> Wahlspruch <strong>der</strong> Stadt Genf, wo1762 <strong>der</strong> französische Wundarzt und Okulist JacquesDaviel verstorben war, wurde später auf dessen Grabsteleangebracht. Seiner Arbeit ist es zu verdanken, dasseine Kernkompetenz <strong>der</strong> Okulisten, die Behandlungdes grauen Stars (Starstich), um 1750 eine revolutionäreWeiterentwicklung erfuhr. Sein Zeit- und ZunftgenosseMichel Brisseau hatte als Militärarzt in <strong>der</strong> damals nordfranzösischenStadt Tournai 1705 erstmalig die Trübung<strong>der</strong> Augenlinse als Ursache für den grauen Star nachweisenkönnen. Der traditionelle Starstich beruhte auf einerReklination des Linsenkerns, d. h. seiner Verschiebunginnerhalb des Auges. Jacques Daviel entschloss sich 1747im Zuge eines komplizierten Starstichs erstmalig dazu,den Linsenkern abweichend von <strong>der</strong> bisherigen Praxisaus dem Auge zu entfernen, welche neue Methode(Extraktion) sich bewährte, 1752 vor <strong>der</strong> französischenChirurgenakademie präsentiert und im Jahr darauf auchpubliziert wurde. In <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>tsfand sie eine weite Verbreitung. John Taylor soll sieab zirka 1765 angewendet haben, also vermutlich nochnicht bei seinem erwähnten <strong>Graz</strong>aufenthalt [ 16 – 18 ].Nach Wien gelangte die Kenntnis von <strong>der</strong> neuartigenExtraktionsmethode in den fünfziger <strong>Jahre</strong>n durch einenBrief von Rémon de Vermale, einen Mannheimer Freunddes Jacques Daviel, an Maria Theresias Leibarzt Gérardvan Swieten. Um 1760 litt Maria Theresia an einer Ptosis,<strong>der</strong>en Behandlung offenbar den Grund dafür lieferte,den europaweit bekannten Pariser Okulisten MichaelBaron von Wenzel nach Wien zu rufen. Erst bei seinemdritten Wienaufenthalt (1778) ließ <strong>der</strong> Baron von Wenzelsich dazu bewegen, sein praktisches Wissen um dieKataraktchirurgie einem gelehrigen Schüler, Dr. JosephBarth, zu vermitteln. Sowohl Maria Theresia als auch Dr.Barth hatten Baron von Wenzel mit verschiedenen Mittelndazu gebracht [ 19 ].Dr. Joseph Barth war auf Malta geboren und 1772 inWien promoviert worden. Er galt als Son<strong>der</strong>ling und gabebenso wie <strong>der</strong> Baron von Wenzel aus Konkurrenzneidsein Wissen nur wi<strong>der</strong>willig an Schüler weiter. SeineErfolge beschieden ihm indes eine beachtliche Karriere.1773 wurde er Lektor für Anatomie und Augenheilkunde,1774 ordentlicher Professor und 1776 Augenarzt KaiserJosephs II. Zum Dank für seine gute Behandlung ließ <strong>der</strong>Kaiser an <strong>der</strong> Universität für Barth ein theatrum anatomicum(einen amphitheaterförmigen Anatomiehörsaal)einrichten. 1789 schloss Barth mit dem Kaiser einen Vertragzur Ausbildung zweier Augenärzte für das Habsburgerreichab, zeigte aber nach dem Tod Josephs II. kaum1 3Augenheilkunde in <strong>Graz</strong> 259

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