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ganze Ausgabe im pdf-Format - Lehrerinnen

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38PerlenfischenVon Roger von WartburgPerle 1 wurde am 15. Juni 2013 <strong>im</strong> «Tages-Anzeiger» unterdem Titel «Der Bub tut nicht gut: Die Grenzen der Integration»publiziert und sorgt seither allenthalben fürGesprächsstoff.• Perle 1: «Schulpräsident Urs Berger, […] gelernter Sozialarbeiter,wählt seine Worte mit Bedacht. Aber wenn erüber den Konflikt an einer Schule in seinem Schulkreis […]spricht, wird er deutlich: «Was jetzt läuft, ist eine Hetzkampagneeinzelner Eltern!» Das Problem ist der dreizehnjährigeSchüler Sandro*, der eine fünfte Klasse in einem ZürcherSchulhaus besucht. Sandro leide an einer «Störung ausdem Autismusspektrum», an einem Tourettesyndrom undeiner schweren Aufmerksamkeitsstörung, hiess es, als erder Klasse <strong>im</strong> Herbst 2012 vorgestellt wurde. Den Eltern derMitschüler war damals nicht klar, was das genau heisst.Inzwischen aber wissen sie, was Sandros Behinderung bedeutet.Mehr noch: Sandros Betragen gegenüber seinenKlassenkameraden und -kameradinnen hat für sie die Grenzedes Zumutbaren überschritten. […] Zwei Elternabendehaben in den letzten Wochen nur seinetwegen stattgefunden,die Korrespondenz zwischen Eltern und Behördenumfasst einen Ordner. Als Resultat nehmen drei Elternpaareihre Kinder von der Schule, weil sie um deren Wohlbesorgt sind. «Es geht hier nicht nur um Sandro. Es gehtum die sexuelle Integrität unserer Kinder», sagt eine Mutter.Es geht aber auch um die übergeordnete Frage, welchesMass an Toleranz unsere Gesellschaft aufzubringen vermagund welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. IntegrierteFörderung heisst das Konzept, das seit 2009 in ZürcherSchulen umgesetzt wird. Statt Problemschüler zu separieren,soll die Regelschule befähigt werden, diese zu integrieren.Dazu heisst es <strong>im</strong> entsprechenden Evaluationsbericht:«Die Frage heisst nicht mehr: In welche Massnahmekönnen wir das Kind schicken, damit diese Schwierigkeitenbehoben werden?, sondern vielmehr: Was ist an unsererSchule, unserem Unterricht, unserer Zusammenarbeit zuverändern, damit wir diesen Schwierigkeiten begegnenkönnen?» Im Fall von Sandro lief dieser Versuch zunächstunbemerkt, jetzt aber unübersehbar aus dem Ruder. Denprotestierenden Eltern zufolge terrorisierte Sandro dieKlasse in den letzten sieben Monaten aufs Gröbste. Er macheLärm, besch<strong>im</strong>pfe dunkelhäutige Mitschüler rassistisch,bezeichne die Mädchen als Schlampen und den Lehrer alsArschloch. Er lade <strong>im</strong> Unterricht Bilder von Fäkalien undGeschlechtsteilen auf seinen Computer. Er spucke anderenKindern ins Gesicht. Er berühre die Mädchen unsittlich,versuche sie zu küssen und entblösse sein Geschlechtsteil.Er stehle Mitschülern die Kleider und uriniere darauf. Und<strong>im</strong>mer wieder sei es vorgekommen, dass er mit seinen Fäkaliengespielt oder Mitschülerinnen damit beschmierthabe. […] Irgendwann haben die Eltern begonnen, Vorfällezu sammeln, zu datieren und festzuhalten. Sandro selbermachen sie keinen Vorwurf, wohl aber den Lehrpersonenund Schulverantwortlichen, von denen sie sich nicht ernstgenommen fühlen. Schulpräsident Urs Berger relativiert <strong>im</strong>Gespräch die Vorkommnisse. Die Vorwürfe seien «verbalzugespitzt, übertrieben und teilweise unzutreffend», sagter, obwohl der autistische Sandro zuvor bereits von dreiverschiedenen Sonderschulen wegen untragbaren Verhaltensgewiesen worden war. […] Er zeigt sich erstaunt, dassdie Eltern noch <strong>im</strong>mer derart in Aufruhr sind über SchülerSandro. «Ich dachte, die Situation habe sich beruhigt», sagter. Das Gegenteil ist der Fall: Die Eltern haben sich inzwischeneinen Anwalt genommen, um gegen die Schule vorzugehen.Von Sandros Übergriffen auf Mitschülerinnenwill das Lehrpersonal zunächst nichts bemerkt haben. Allenvoran Klassenlehrer Knapp* […]. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» wollte er sich nicht über den Fall äussern. Wiealle anderen Beteiligten, Heil- und Sonderpädagogen, externeExperten und Moderatoren, verweist Knapp aufSchulpräsident Urs Berger. Dabei spielt der Klassenlehrerin dieser Geschichte eine zentrale Rolle. Eltern beschreibenihn als die treibende Kraft hinter dem Versuch, den starkauffälligen Sandro in die Regelschule zu integrieren. Wiederholtwurde den Eltern mitgeteilt, dass Sandro besondersgut auf Klassenlehrer Knapp reagiere. Deshalb unterrichteteKnapp Sandro bald nach dessen Eingliederung undauf dessen Wunsch ohne Unterstützung einer Heilpädagogin.Auf die Nachfrage nach der fachlichen Qualifikationdes Klassenlehrers heisst es, dieser habe «mehrere Bücherzum Thema gelesen» und sich intensiv mit dem Thema Autismusauseinandergesetzt. Ausserdem, beteuert Urs Berger,habe er bereits früher ein autistisches Kind erfolgreichdurch die Regelschule gebracht und interessiere sich auchprivat für das Thema. Doch genau dies beurteilen die Elternals problematisch. Knapp bevorzuge Sandro in absurderWeise, sagen sie. Er zeige jedes Verständnis für SandrosAusfälligkeiten, reagiere aber mit Verärgerung, wenn dieMitschüler sich über Sandros Verhalten beschwerten. FürSandro gälten während des Unterrichts kaum Regeln. DenMädchen habe er empfohlen, Sandros Besch<strong>im</strong>pfungen alsScherz zu betrachten. Man müsse nicht jeden «Schlötterlig»zur sexuellen Belästigung hochreden. Wenn der Junge sieanfassen wolle, könnten sie sich ja wegdrehen. Ausserdem,so versicherte Knapp den besorgten Eltern, geschähen diemeisten sexuellen Übergriffe innerhalb der Familie. Als dieEltern Knapp baten, die Grenzen des Zumutbaren zu definieren,entgegnete er, dass der Integrationsversuch nichtabgebrochen werde. […] Im Januar und Februar 2013 meldensich <strong>im</strong>mer mehr besorgte Eltern be<strong>im</strong> Klassenlehrer.Am 4. März wird deshalb ein Elternabend einberufen. An-

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