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20bliebe nur ein sehr oberflächliches Urteilüber verschiedene ‹Kompetenzen›,das noch angreifbarer wäre als die jetzigeNotengebung.» 9Dass die von Georg Lind beschriebeneErhebung vermeintlich angeeigneterKompetenzen mit Hilfe von Rastern anmanchen Schulen bereits praktiziertwird, dokumentierte die «NZZ» in einemBericht über die Privatschule«Theresianum Ingenbohl» in Brunnen:«Für den Deutschunterricht der 1. bis3. Sekundarklasse […] hat die Sekundarschuleein Raster mit insgesamt 49Kompetenzen ausgearbeitet. Das Papierist in 7 Niveaus unterteilt. Zudemunterscheidet es zwischen «Verstehen»,«Sprechen», «Schreiben» und«Wissen». Bei «Verstehen» heisst esunter anderem: «Ich kann einfachepersönliche Mitteilungen verstehen»(mittlere Stufe) beziehungsweise «Ichkann literarische Prosatexte verstehen.Ich kann Fach- und Fremdwörter nachschlagen»(höchste Stufe). […] Lehrmeistererhalten bei Bewerbungenanstatt eines Zeugnisses mit Noten einendetaillierten Bericht darüber, wasdie Kandidatin aufgrund ihrer Schulbildungalles kann. Für Aussenstehendeseien solche Gutachten nicht immersofort zu verstehen […]. Bei Bedarfwerde daher ein Begleitschreiben beigefügt.Am besten sei es jedoch, wennBewerbende ihre Unterlagen selbererläutern.» 10 Soll so also die Zukunftder Volksschule aussehen?Kompetenzorientierung undindividuelle FörderungAls zweite Grossreform – neben derFokussierung auf «Kompetenzen» –ist bekanntermassen die so genannte«individuelle Förderung» im Gange,von welcher – wie bei der «Kompetenz»– ebenfalls keine allgemeinverbindlicheDefinition existiert, sodassim Prinzip jedermann hineininterpretierenkann, was ihm beliebt und entsprechendviele «individuelle» Konzeptedarüber existieren.Biologiedidaktiker Hans Peter Kleinbeschreibt eines dieser Konzepte: «JederSchüler erhält […] einen eigenenBildungsplan. Lediglich die intraindividuellenLernfortschritte dürfen beurteiltwerden. […] ‹Der eine Schüler hatdie Mathematikaufgabe verstandenund beherrscht den Stoff, er bekommtdie Note ‹gut›, ein ‹sehr gut› wäre ungerechtgegenüber den Schülern miteventuell schlechteren Lernvoraussetzungen.Der zweite Schüler hat dieAufgabe zwar nur halb verstandenund kann auch nur Teillösungen anbieten,er hat sich aber bemüht und aufseinem deutlich niedrigeren Leistungsniveaugewisse Lernfortschritte erzielt,dafür erhält auch er ein ‹gut›. Der dritteSchüler weiss letztlich gar nicht, wo-
2013/14-0121rum es eigentlich geht, er hat wederdie Aufgabe verstanden und kommt zukeinerlei brauchbaren Ergebnissen, erist extrem überfordert, er hat sich aberin der Gruppe zumindest teilweise beteiligt,was unter Berücksichtigung seinerungünstigen Lern- und sozialökonomischenVoraussetzungen aus Gerechtigkeitsgründenim Rahmen seinerMöglichkeiten ebenfalls mit ‹gut› bewertetwird›, so ein Schulleiter auf derTagung ‹Sackgassen der Bildungsreform›in Wien.» 11 Satire oder ernst gemeinteZukunftsvision?Kompetenzen, Individualisierungplus InklusionIn Hans Peter Kleins zitiertem Beispiel,in welchem am Ende alle Schüler, ungeachtetihrer fachlich erbrachtenLeistung, mit «gut» beurteilt werden,schwingt natürlich das dritte grossePuzzle-Teil der gegenwärtigen Umformungunseres Bildungswesens bereitsdeutlich erkennbar mit: die integrativeSchulung mit ihrem Anspruch aufprofessionellem Umgang mit Heterogenität.In Deutschland wird die integrativeSchulung mehrheitlich als «Inklusion»bezeichnet.Klein schreibt dazu: «Radikale Inklusionbedeutet […] weit mehr als die Integrationbehinderter Schüler in dennormalen Schulalltag und wird als TrojanischesPferd zur Abschaffung einesgegliederten Schulsystems und desLeistungsprinzips in der Schule gleichermassengenutzt: Die Einführungeiner Einheitsschule für alle ohne Ausnahmemit besonderer Stossrichtungauf die abzuschaffenden Gymnasien[…], die Abschaffung vergleichenderNoten, des Sitzenbleibens sowie dergenerelle Verzicht auf jegliche Formvon gültigen Bildungsstandards undLehrplänen.» 12Alles Hirngespinste, Überinterpretationenund Schwarzmalereien konservativer,reformunwilliger Akademiker? DiesesUrteil muss jede Leserin und jederLeser für sich selbst fällen.Wie wird die «Kompetenzorientierung»bei unsimplementiert werden?Womit im Falle einer definitiven Einführungdes Lehrplans 21 mit Sicherheitzu rechnen ist, ist ein Weiterbildungsprogrammbezüglich der Kompetenzorientierungan jeder einzelnenSchule. Die Frage, die in diesem Zusammenhangim Vordergrund stehenwird, ist: Wer mit welcher Vorstellungvon «Kompetenz» und welcher Ideevon «Bildung» wird diese Angebotekonzipieren und durchführen?Die Haltung des LVBDer LVB bekennt sich zu einem humanistisch-aufklärerischgeprägten Bildungssystem,in welchem Wissen undInhalte auch in Zukunft hochgehaltenwerden, weil er davon überzeugt ist,dass sich Kompetenzen – im Sinne vonFähigkeiten und Fertigkeiten – nur daraufbasierend entwickeln lassen, undweil er ein Bildungssystem dieser Prägungals Basis und Garant einer freiheitlich-demokratischenGesellschaftanerkennt. 13 Eine in inhaltliche Beliebigkeitabgleitende Kompetenzorientierungjedoch, eine «Bildung light fürmagere Zeiten» 14 , lehnt der LVB entschiedenab.Die Ansichten eines Leserbriefschreibersder «NZZ», der sich selber als Berufsschullehrerzu erkennen gab, findetdie Unterstützung des LVB: «DieOrientierung in unserer Zeit der totalenInformation braucht mehr denn jedie Basis einer soliden Allgemeinbildung.Ich unterrichte Allgemeinbildungan einer Berufsschule (lauterangehende Informatiker) und stellefest, dass intelligente 18-Jährige zuweilennicht wissen, wie die Weltmeereheissen und vor wie vielen Jahrhundertendas Mittelalter zu Ende ging(geschweige denn, wann es anfing).Und weil viele junge Lehrkräfte so etwasauch nie richtig gelernt haben,verewigt sich dieser Mangel an Überblick– Folge ist ein Ertrinken in Informationenund eine Orientierungslosigkeit,wie es sie seit Erfindung derSchule noch nie gegeben hat.»1http://www.lehrplan.ch2Matthias Burchardt, Kompetenz, Vierteljahrsschriftfür wissenschaftliche Pädagogik, 1/063Mathias Binswanger, Kompetenz ohneWissen, Weltwoche, 27/134«Man glaubt, die Schule könne die Weltverändern», Weltwoche, 27/135«Noch ist nichts bewiesen», NZZ, 29.06.20136«Der Plan der SVP ist in den 60er-Jahren stehengeblieben», Basler Zeitung, 08.07.20137Georg Lind, Kompetenz, http://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2013/01/Lind-2012_kompetenz.pdf8Hans Peter Klein, Der Bluff der individuellenFörderung, Frankfurter Allgemeine Zeitung,05.07.20139Georg Lind, Kompetenz, http://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2013/01/Lind-2012_kompetenz.pdf10«Punkt für Punkt zur Kompetenz», NZZ,10.04.201311Hans Peter Klein, Der Bluff der individuellenFörderung, Frankfurter Allgemeine Zeitung,05.07.201312Hans Peter Klein, Der Bluff der individuellenFörderung, Frankfurter Allgemeine Zeitung,05.07.201313vgl. dazu auch: Michael Weiss, Auf die Inhaltekommt es an!, lvb.inform 2012/13-0314Matthias Burchardt, Kompetenz, Vierteljahrsschriftfür wissenschaftliche Pädagogik, 1/06
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20bliebe nur ein sehr oberflächliches Urteilüber verschiedene ‹Kompetenzen›,das noch angreifbarer wäre als die jetzigeNotengebung.» 9Dass die von Georg Lind beschriebeneErhebung vermeintlich angeeigneterKompetenzen mit Hilfe von Rastern anmanchen Schulen bereits praktiziertwird, dokumentierte die «NZZ» in einemBericht über die Privatschule«Theresianum Ingenbohl» in Brunnen:«Für den Deutschunterricht der 1. bis3. Sekundarklasse […] hat die Sekundarschuleein Raster mit insgesamt 49Kompetenzen ausgearbeitet. Das Papierist in 7 Niveaus unterteilt. Zudemunterscheidet es zwischen «Verstehen»,«Sprechen», «Schreiben» und«Wissen». Bei «Verstehen» heisst esunter anderem: «Ich kann einfachepersönliche Mitteilungen verstehen»(mittlere Stufe) beziehungsweise «Ichkann literarische Prosatexte verstehen.Ich kann Fach- und Fremdwörter nachschlagen»(höchste Stufe). […] Lehrmeistererhalten bei Bewerbungenanstatt eines Zeugnisses mit Noten einendetaillierten Bericht darüber, wasdie Kandidatin aufgrund ihrer Schulbildungalles kann. Für Aussenstehendeseien solche Gutachten nicht <strong>im</strong>mersofort zu verstehen […]. Bei Bedarfwerde daher ein Begleitschreiben beigefügt.Am besten sei es jedoch, wennBewerbende ihre Unterlagen selbererläutern.» 10 Soll so also die Zukunftder Volksschule aussehen?Kompetenzorientierung undindividuelle FörderungAls zweite Grossreform – neben derFokussierung auf «Kompetenzen» –ist bekanntermassen die so genannte«individuelle Förderung» <strong>im</strong> Gange,von welcher – wie bei der «Kompetenz»– ebenfalls keine allgemeinverbindlicheDefinition existiert, sodass<strong>im</strong> Prinzip jedermann hineininterpretierenkann, was ihm beliebt und entsprechendviele «individuelle» Konzeptedarüber existieren.Biologiedidaktiker Hans Peter Kleinbeschreibt eines dieser Konzepte: «JederSchüler erhält […] einen eigenenBildungsplan. Lediglich die intraindividuellenLernfortschritte dürfen beurteiltwerden. […] ‹Der eine Schüler hatdie Mathematikaufgabe verstandenund beherrscht den Stoff, er bekommtdie Note ‹gut›, ein ‹sehr gut› wäre ungerechtgegenüber den Schülern miteventuell schlechteren Lernvoraussetzungen.Der zweite Schüler hat dieAufgabe zwar nur halb verstandenund kann auch nur Teillösungen anbieten,er hat sich aber bemüht und aufseinem deutlich niedrigeren Leistungsniveaugewisse Lernfortschritte erzielt,dafür erhält auch er ein ‹gut›. Der dritteSchüler weiss letztlich gar nicht, wo-