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Einsatz für den Einzelnen - Amnesty International

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AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V.Postfach 58 01 61 . 10411 BerlinHAUSANSCHRIFT Greifswalder Straße 4 . 10405 BerlinKONTAKT Pressestelle . T: +49 30 420248-306 . E: presse@amnesty.deF: +49 30 420248-330 . W: www.amnesty.dePRESSEINFORMATIONEINSATZ FÜR DEN EINZELNENSeit Beginn steht die Hilfe <strong>für</strong> verfolgte und bedrohte Menschen im Mittelpunkt derArbeit von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>. Bereits der erste Appell zeigt, dass mit Stift undPapier Gefangene befreit wer<strong>den</strong> können.Die Unabhängigkeit <strong>für</strong> sein Heimatland – da<strong>für</strong> setzte sich Angolas bekanntester DichterAgostinho Neto jahrelang ein. Mehrmals war er deswegen schon inhaftiert wor<strong>den</strong>, alsdie Kolonialmacht Portugal mit aller Gewalt zuschlug: Im Juni 1960 stürmte die Polizeiin Netos Haus, peitschte ihn vor <strong>den</strong> Augen seiner Familie aus und verschleppte ihn.Monatelang wurde er in einem Gefängnis auf <strong>den</strong> Kapverdischen Inseln ohne Anklagefestgehalten. <strong>International</strong>er Druck zwang Portugal dazu, Neto 1962 aus dem Gefängniszu holen und in Lissabon unter Hausarrest zu stellen, von wo der zukünftige Präsi<strong>den</strong>tAngolas später fliehen konnte.Mitverantwortlich <strong>für</strong> <strong>den</strong> internationalen Druck war <strong>Amnesty</strong>-Gründer Peter Benenson.Denn in seinem am 28. Mai 1961 veröffentlichten Artikel „Die vergessenenGefangenen“, in dem er die Freilassung von politischen Gefangenen forderte, hatte erauch Netos Fall geschildert. Prominent platziert prangte dessen Porträt neben <strong>den</strong> Fotosfünf weiterer Verfolgter über dem Artikel. Das war kein Zufall: Benenson und seineMitstreiter stellten bewusst <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> <strong>für</strong> Einzelne in <strong>den</strong> Mittelpunkt der neuenBewegung. Um Menschenrechtsverletzungen nachhaltig einzudämmen, müssenStrukturen geändert wer<strong>den</strong>. Aber erst Einzelschicksale machen das Ausmaß und diezerstörerische Wirkung von Menschenrechtsverletzungen sichtbar.DER DRUCK DER ÖFFENTLICHKEITUnd wie dies am Besten zu erreichen war, beschrieb Benenson bereits in dem Artikel:durch Öffentlichkeitsarbeit. Denn Diktatoren sorgen sich zwar nicht um dieMenschenrechte, aber umso mehr um ihr Ansehen im Ausland. „Die Erfahrung lehrt,dass Regierungen nur dann bereit sind mitzumachen, wenn sich die öffentliche Meinungda<strong>für</strong> stark engagiert. Der Druck der öffentlichen Meinung führte vor hundert Jahren zurBefreiung der Sklaven. Jetzt ist <strong>für</strong> die Menschen der Zeitpunkt gekommen, darauf zubestehen, dass die Freiheit des Geistes, der Meinung und der Rede durchgesetzt wer<strong>den</strong>,so wie einst die Fesseln von <strong>den</strong> Körpern abgestreift wur<strong>den</strong>.“Grundlage der Arbeit von <strong>Amnesty</strong> war und ist die Allgemeine Erklärung derMenschenrechte, die 1948 von <strong>den</strong> Vereinten Nationen verabschiedet wurde. JederMitgliedstaat der UNO hat sich verpflichtet, die Erklärung einzuhalten. <strong>Amnesty</strong> fordertsomit von <strong>den</strong> Staaten nur ein, wozu sie sich selbst bekannt haben. Seit 50 Jahren istSeit 50 Jahren leisten gewöhnliche Menschen Außergewöhnliches. <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>, die größte Menschenrechtsorganisation der Welt,kämpft gegen Unterdrückung, Gewalt und Folter. Zum 50jährigen Jubiläum lädt <strong>Amnesty</strong> zum Mitmachen ein. So heißt es am 28. Mai und am10. Dezember 2011 in Berlin und das ganze Jahr bei etwa 200 Veranstaltungen bundesweit: Sei dabei. Mit Deiner Unterschrift. Deiner Spende.Deinem <strong>Einsatz</strong>. www.50Jahre.amnesty.de


PRESSEINFORMATIONSEITE 2 / 3<strong>Amnesty</strong> das schlechte Gewissen derjenigen Staaten, die die Menschenrechtemissachten. Jeder Brief, jedes Fax und jede E-Mail sagt <strong>den</strong> Regierungen, die Menschenfoltern und sie zu Unrecht ihrer Freiheit berauben: Die Welt beobachtet euch. Sie zeigenaber auch <strong>den</strong> Betroffenen: Ihr seid nicht allein. Der Grundgedanke war simpel: Jemandschreibt einen Brief an jeman<strong>den</strong>, <strong>den</strong> er nicht kennt, um von ihm die Freilassung vonjemandem zu fordern, <strong>den</strong> er noch nie getroffen hat und der nur im Gefängnis sitzt, weiler von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Für dieseGefangenen führte Benenson die Bezeichnung „prisoner of conscience“ ein:Gewissensgefangener. Im deutschprachigen Raum wurde der Begriff später durch dieBezeichnung „gewaltloser politischer Gefangener“ ersetzt.Die Frage der Gewaltlosigkeit wurde vor allem in der deutschen <strong>Amnesty</strong>-Sektion bis indie siebziger Jahre hinein teilweise heftig diskutiert. Denn die Gründung von <strong>Amnesty</strong>fiel in eine Zeit, die von antikolonialistischen Bewegungen in Afrika und Asien geprägtwurde. Der Kampf gegen die Unterdrückung war selten friedlich. Das Mandat von<strong>Amnesty</strong> verbot es jedoch, die bedingungslose Freilassung eines Gefangenen zu fordern,der Gewalt anwandte oder propagierte. So wurde dem Anti-Apartheidskämpfer NelsonMandela 1964 der Status »gewaltloser politischer Gefangener« aberkannt, weil er Gewaltals gerechtfertigt ansah. 1991 wurde er aus der Haft entlassen und trug maßgeblichdazu bei, dass der Übergang von der Apartheid hin zu einem demokratischen Staatfriedlich verlief. 1994 wurde er zum ersten schwarzen Präsi<strong>den</strong>ten Südafrikas gewählt.2006 verlieh ihm <strong>Amnesty</strong> <strong>für</strong> seine Verdienste <strong>den</strong> Titel „Botschafter des Gewissens“ –die höchste Auszeichnung, die die Organisation zu vergeben hat.Die Gründung von <strong>Amnesty</strong> fiel aber nicht nur in die Zeit des Antikolonialismus, sondernauch in die Hochphase des Kalten Krieges. Die Menschenrechte wur<strong>den</strong> zum Spielballzwischen <strong>den</strong> Supermächten, die sich gegenseitig mit Vorwürfen diffamierten. Einigkeitherrschte nur darüber, dass eine Menschenrechtsverletzung nichts Positives sei –niemand bekannte sich dazu, Menschenrechtsverletzer waren immer nur die anderen.Um als vertrauenswürdige Organisation wahrgenommen zu wer<strong>den</strong>, war Neutralitätoberstes Gebot <strong>für</strong> <strong>Amnesty</strong>. Jede Gruppe „adoptierte“ drei Gefangene: einen aus demWesten, einen aus dem Ostblock und einen aus der Dritten Welt.Diese »Dreier-Regel« wurde später abgeschafft, doch das Grundprinzip derEinzelfallarbeit hat sich in <strong>den</strong> vergangenen 50 Jahren nicht geändert. Noch immersetzen sich <strong>Amnesty</strong>-Aktivisten <strong>für</strong> Menschen in Gefahr ein: Sie fordern ihre Freilassung,zeigen durch Briefe ihre Solidarität, halten Kontakt zu <strong>den</strong> Angehörigen und sammelnUnterschriften. Und das zum Teil jahrelang, manchmal gar über mehrere Jahrzehnte.Ohne diesen Durchhaltewillen und das Einfühlungsvermögen der Mitglieder undUnterstützer wäre <strong>Amnesty</strong> nicht möglich.ZWISCHEN ALLEN STÜHLENDie Neutralität von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> stieß in Zeiten des Kalten Krieges nicht überallauf Zustimmung.Sabine Kretzschmar wollte sich <strong>für</strong> politisch Verfolgte einsetzen. Dass sie deswegen inder Bundesrepublik Deutschland Probleme bekommen würde, hatte sie nicht erwartet.Kretzschmar arbeitete als Übersetzerin im Verbindungsbüro der belgischen Armee zu <strong>den</strong>


PRESSEINFORMATIONSEITE 3 / 3deutschen Behör<strong>den</strong>, als sie 1968 die <strong>Amnesty</strong>-Gruppe Bonn/Bad Godesberg gründete.Ein Jahr später erhielt sie die fristlose Kündigung. In ihrem Arbeitszeugnis stand, siehabe die Stelle auf eigenen Wunsch aufgegeben – was nicht stimmte. Sie vermutet, dassdie Kündigung im Zusammenhang mit ihrem Engagement bei <strong>Amnesty</strong> stand.Kretzschmar wurde ihren Angaben zufolge drei Monate lang vomBundesnachrichtendienst (BND) beschattet.Dieser Fall ist außergewöhnlich, doch er verdeutlicht, wie argwöhnisch die Behör<strong>den</strong>teilweise auf die Arbeit von <strong>Amnesty</strong> reagierten – auch in der Bundesrepublik. Als dieOrganisation 1961 gegründet wurde, galt politisches Engagement in weiten Teilen derGesellschaft in der ausgehen<strong>den</strong> A<strong>den</strong>auer-Ära als suspekt. Zumal Neutralität dasoberste Gebot von <strong>Amnesty</strong> war und die Organisation im Kalten Krieg <strong>für</strong> keine SeitePartei ergriff.Grundlage <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> der Mitglieder war kein Parteibuch und keine Ideologie,sondern ausschließlich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die bereits 1948verabschiedet wor<strong>den</strong> war. Die Organisation setzte sich daher nicht nur <strong>für</strong>Meinungsfreiheit in <strong>den</strong> Ländern des ideologischen Gegners ein – sondern auch in <strong>den</strong>westlichen Staaten und mit ihnen verbündeten Diktaturen.In <strong>den</strong> Augen einiger deutscher Politiker und Journalisten galt <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>daher als Verräter beziehungsweise als fünfte Kolonne des Kommunismus. Auf deranderen Seite des Eisernen Vorhangs wiederum bezichtigte man die <strong>Amnesty</strong>-Mitglieder,sie seien imperialistische Handlanger der CIA.Noch bis in die siebziger Jahre hinein bekamen <strong>Amnesty</strong>-Mitglieder in Europa hin undwieder Probleme mit <strong>den</strong> staatlichen Behör<strong>den</strong>. 1975 fand die Jahresversammlung derdeutschen Sektion in Saarbrücken statt. Als einige Teilnehmer einen Ausflug ins nahegelegene Frankreich machen wollten, verweigerte ihnen der französische Zoll wegen dermitgeführten <strong>Amnesty</strong>-Unterlagen die Einreise.1976 wurde bekannt, dass der niedersächsische Verfassungsschutz <strong>Amnesty</strong>beobachtete. Im gleichen Jahr berichteten deutsche <strong>Amnesty</strong>-Mitglieder vonSchwierigkeiten beim Grenzübertritt in die Nachbarländer. Die Kontrollen dauertenungewöhnlich lange. Grund: Die <strong>Amnesty</strong>-Aufkleber auf ihren Autos machten sieverdächtig.

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