13.07.2015 Aufrufe

Hohe und niedere Literatur. Tendenzen zu Ausgrenzung ...

Hohe und niedere Literatur. Tendenzen zu Ausgrenzung ...

Hohe und niedere Literatur. Tendenzen zu Ausgrenzung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Genau dies ist die dem so genannten Skandalroman Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einerWienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt (1906) vorangestellte Autofiktion, um ein größtmöglichesMaß an vermeintlicher Authentizität des Erzählten <strong>zu</strong> suggerieren. Doch weder ist eine ehemaligeProstituierte die Autorin des Textes, noch wird hier tatsächlich die Geschichte einer Dirne erzählt,sondern bloß die Erinnerung an vielfältige sexuelle [sic!] Erfahrungen im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalterevoziert.Der Roman Der heilige Skarabäus (1909) von Else Jerusalem hingegen spielt ebenfalls im WienerRotlichtmilieu, hat jedoch einen ganz anderen Anspruch: Die Autorin will besonders ihre weiblicheLeserschaft über das Leben <strong>und</strong> Leiden im Bordell aufklären <strong>und</strong> damit den Erzählungen von Kurtisanen<strong>und</strong> Luxusprostitution, die eine lange literarische Tradition haben, einen realistisch-naturalistischenSpiegel vorhalten. Besonders explizit wird dies anhand der Lebensgeschichte Miladas, einerjungen Frau, die schon im Bordell geboren wurde, der es jedoch durch Fleiß <strong>und</strong> Disziplin gelingt,alphabetisiert <strong>zu</strong> werden <strong>und</strong> sich weit darüber hinaus <strong>zu</strong> bilden. So endet die Erzählung um Milada,als eines von wenigen der im Text dargestellten Hurenschicksale, auch nicht im Bordell, Spital oderArmenhaus, sondern in ländlicher Idylle, da Milada mit der Zeit <strong>zu</strong>r selbstbestimmten Autorin ihresLebens geworden ist.In meinem Vortrag möchte ich verschiedene Dirnenromane der <strong>Literatur</strong> um 1900 kontrastieren <strong>und</strong>ihre zeitgenössische Rezeption wie Klassifizierung durch Wissenschaft <strong>und</strong> Feuilleton untersuchen,um der Frage nach<strong>zu</strong>gehen, ob, <strong>und</strong> wenn ja, inwiefern es sich bei diesen Texten um '<strong>niedere</strong> <strong>Literatur</strong>'handelt.Dr. Gesa Singer, Georg August Universität Göttingen (Deutschland)Ruhm <strong>und</strong> Trivialität: mediale Inszenierung in der <strong>Literatur</strong>Nicht erst seit der zeitgenössischen Abwertung <strong>und</strong> der späteren Nobilitierung von Heinrich Heinedurch die Kritik lässt sich beobachten, wie eng der Verwurf der Trivialität gegenüber Autoren <strong>und</strong>ihren Schriften mit dem sozialen, politischen <strong>und</strong> intellektuellen Gepräge einer Zeit inWechselbeziehung steht <strong>und</strong> ebenso einer späteren Kanonisierung <strong>und</strong> Aufwertung weichen kann.Aber <strong>zu</strong>nehmend ist literarische Produktion auch an den Publikumsgeschmack gekoppelt <strong>und</strong> wirddurch mediale Inszenierungen mitbestimmt.In Daniel Kehlmanns Roman ‚Ruhm‘ (2009), einer Sammlung von neun miteinander verb<strong>und</strong>enenErzählungen, wird das heutige Phänomen literarischer Popularität in Zeiten medientechnischer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!