Die beiden Os <strong>und</strong> die wie Additionszeichen dazwischen liegenden Ts reizt Elfriede Jelinek inihrem Roman „wir sind lockvögel baby!“, das im Namen Otto bereits angelegte Spiel mitSignifikanten <strong>und</strong> Signifikaten auf<strong>zu</strong>nehmen <strong>und</strong> <strong>zu</strong> erweitern. Erweiternd, weil sich, analog <strong>zu</strong>Charlottes Frage: „Wer spielt nicht gern mit Ähnlichkeiten?“, bereits in Goethes letztem Roman„Wahlverwandtschaften“, ein Spiel mit dem Namen Otto findet, auf das etwa Walter Benjaminverweist. Auffällig an Goethes Figurenkonstellation ist, dass alle Hauptfiguren durch den NamenOtto (sprachlich) verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> somit bereits eine Krise des Subjekts vorausgedacht wird, die<strong>zu</strong>gleich eine Krise der Zeichen <strong>und</strong> der Zeichenhoheiten ist.Das Experiment Goethes wird von Jelinek in ihrem erstpublizierten Roman popkulturell ausgebaut.Die Sprache von Trivialliteratur kopierend, schichten sich Figuren, wie Mickey Mouse, Batmanoder der Weiße Riese, auf Personen wie die Beatles oder Roy Black <strong>und</strong> verändern deren tradiertesBild. Sie alle sind die titelgebenden Lockvögel, die schon längst in die Sprache des Lebens selbsthineinwirken <strong>und</strong> nicht mehr nur <strong>zu</strong>m Kauf von Produkten animieren sollen.In der Idee Otto kulminiert in Jelineks Text sowohl das ambivalente Moment des Collagetextes, alsauch der Verlust von Subjektivität in einer vom Fernsehen bestimmten Spaßgesellschaft. An ihrenimmer wieder im Text auftauchenden Simulakren an Ottos, die sowohl als Konsumenten, als auchals handelnde Figuren, schwangere Frau oder Mörder erscheinen können, zeigt sich der Verlust desIndividuums: Variante ist nicht Reichtum, sondern Ödnis.Verortet die Frankfurter Schule in ihrer kritischen Auseinanderset<strong>zu</strong>ng, ebenso wie vieleJelinekinterpreten, aber fast nur ein konformistisches Moment im Pop, erkennen die späteren,poststrukturalistischen Thesen auch das produktive Moment für eine Gesellschaft, welchesebenfalls bei Jelinek <strong>zu</strong> finden ist <strong>und</strong> bedacht werden muss.Dabei geht es nach Deleuze <strong>und</strong> Guattari nicht um eine postmarxistische Lesart, also um eineÖkonomie des Pop, sondern vielmehr um die Sprache, die Modi <strong>und</strong> gar die Chancen, die der Popofferiert. Um diesem wieder ein Stück seiner verbrauchten Subversivität ab<strong>zu</strong>trotzen, ist eserforderlich, die <strong>zu</strong>handene Sprache einer erneuten Prüfung <strong>zu</strong> unterziehen. Aus einer Sprache derVielen, der Mehrheitssprache, wird infolgedessen ein Minderheitlich-Werden, in dem die Sprachesich selbst <strong>zu</strong> entkommen versucht. Diesem doppelten Spiel der Signifikanten konstatieren beideDenker die Möglichkeit einem diskursiven Kapitalismus; der Foucaultschen Macht, <strong>zu</strong> entgleiten.In der Sprache des Pop sehen sie die Chance, sich der vorherrschenden <strong>und</strong> bestimmenden Sprache<strong>zu</strong> widersetzen. Pop wird von ihnen als Wörterflucht begriffen. Eine Flucht, die es ermöglicht denSprechenden innerdiskursiv <strong>und</strong> <strong>zu</strong>gleich aufbegehrend <strong>zu</strong> verstehen.Meine Untersuchungen möchten somit sowohl eine literarische Anbindung Jelineks <strong>zu</strong> kanonischenTexten beleuchten, als auch die vielschichtige Verwobenheit <strong>zu</strong>r Populärkultur aufzeigen. Denn nurin dieser – bisher kaum beachteten – Symbiose, offeriert sich das subversive Moment der
Jelinekschen Prosa, die zwischen Popkultur <strong>und</strong> Klassik ossziliert.Prof. Dr. Franz Hintereder-Emde, Universität Yamaguchi (Japan)Snow White Reloaded — Grimms Märchen im digitalen ZeitalterMärchen gelten im Blick auf hohe <strong>und</strong> <strong>niedere</strong> <strong>Literatur</strong> als Spezialgattung. Aufgr<strong>und</strong> ihreshybriden Charakters <strong>und</strong> je nach Zielgruppe werden sie der Kinder- <strong>und</strong> Jugendliteratur oder imFalle der Kunstmärchen der hohen <strong>Literatur</strong> <strong>zu</strong>gerechnet. Aber auch die Unterhaltungsindustriemacht sich den hohen Wiedererkennungswert ihrer Motivik <strong>und</strong> der stereotypenFigurenkonstellationen <strong>zu</strong> eigen.Die vergangenen Jahrzehnte brachten einen enormen Fortschritt in der digitalen Filmtechnik. 2012wurden mit „Mirror, mirror“ <strong>und</strong> „Snow White and the Huntsman“ zeitgleich zwei aufwendigeAdaptionen von Schneewittchen in 3D-Technik produziert.Aber auch im traditionellen Kulturbereich spielen Märchenstoffe eine unübersehbare Rolle. ImBlick auf die Adaptionen des Schneewittchen-Stoffes über längere Zeiträume hinweg werden dieVeränderungen bei Übergängen von einem <strong>zu</strong>m anderen Medium (Text, Film, Comic, Drama,Ballett etc.), aber auch zwischen verschiedenen Kulturen <strong>und</strong> Sprachen vorgestellt.Angefangen von Robert Walsers „Schneewittchen-Dramolett“ bis hin <strong>zu</strong>r Comic-Adaption „TheFables“ <strong>und</strong> modernen Filmversionen sollen Fragen des Potentials der Märchen zwischen, bzw.jenseits von hoher <strong>und</strong> niedriger <strong>Literatur</strong> diskutiert werden.Mag. phil. Timon Jakli, Universität Wien (Österreich)Volkspoesie <strong>und</strong> Volk zwischen hoher <strong>und</strong> <strong>niedere</strong>r <strong>Literatur</strong>Die vorgestellten Überlegungen sind Teil eines Dissertationsprojektes, das mit dem DOC-Stipendium der österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert wird <strong>und</strong> sich mitIdentitätsformationen im ausgehenden 18. <strong>und</strong> beginnenden 19. Jahrh<strong>und</strong>erts auseinandersetzt.Die Begriffe Volkspoesie <strong>und</strong> Volk stellen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts in Deutschlandein semantisches Kampffeld verschiedener Diskurse literarischer, ästhetischer <strong>und</strong> politischer Naturdar. Die den Begriffen inhärenten Differenzen, die Koselleck et al. in Geschichtliche Gr<strong>und</strong>begriffefestmachen, werden hier wirkmächtig: Es wird eine Differenz innen/außen konstruiert, jedoch auch