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Hohe und niedere Literatur. Tendenzen zu Ausgrenzung ...

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M.A. Chiara Maria Buglioni, Università degli Studi, Mailand (Italien) / Ludwigs-Maximilians-Universität, München (Deutschland)Von der Narrativität <strong>zu</strong>r dramatischen Gestalt: <strong>Hohe</strong> <strong>und</strong> <strong>niedere</strong> <strong>Literatur</strong> auf der Bühne derWeimarer RepublikAm 25. April 1926 findet die Uraufführung von Fegefeuer in Ingolstadt statt, als Sonntagsmatinéeder Jungen Bühne Moriz Seelers unter der Regie von Paul Bildt/Bertolt Brecht. Kaum vier Jahrespäter debütiert Vicki Baums Menschen im Hotel unter der Regie von Gustav Gründgens amTheater am Nollendorfplatz, als Gastspiel vom Deutschen Theater Max Reinhardts. Dieberühmtesten Theatermenschen der Weimarer Republik haben sich also eingesetzt, um zwei Stückeauf<strong>zu</strong>führen, die von Frauen verfasst wurden. Im literarischen Feld der 1920er Jahre sind beideBühnenstücke das prominenteste Beispiel für eine weibliche Dramaturgie, deren Zuordnung <strong>zu</strong>rhohen/<strong>niedere</strong>n <strong>Literatur</strong> durch männlichen Einfluss bekräftigt wurde.Marieluise Fleißers Drama wurde von Herbert Ihering sowie von Alfred Kerr als einegelungene theatralische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit vorgefassten Darstellungen <strong>und</strong> vorbestimmtenMöglichkeiten einer Provinzgesellschaft betrachtet <strong>und</strong> gilt noch heute als Vorbild des kritischenVolksstücks. Die Berliner Aufführung von Vicki Baums Werk wurde hingegen 1930 von vielen alsbloß leichtsinnige Unterhaltung angesehen, mit welcher der weitblickende Reinhardt denVergnügungsnerv seiner Generation noch <strong>zu</strong> treffen versuchte. Heut<strong>zu</strong>tage findet sie in der Vicki-Baum-Forschung kaum Beachtung, obwohl sie eine regelrechte Triumphgeschichte in Gang setzte,<strong>und</strong> zwar den Welterfolg vom Grand Hotel betitelten Broadway-Musical <strong>und</strong> vom späterengleichnamigen Hollywood-Film.Trotz ihrer andersartigen Rezeption spielten Fegefeuer in Ingolstadt <strong>und</strong> Menschen im Hoteleine gleichermaßen bemerkenswerte Rolle in der Theatergeschichte der zwanziger Jahre: Einerseitslöste Fleißers Stück einen heftigen Medienrummel aus, welcher als Anzeichen für die Aufnahmeavantgardistischen Theaters in den 1920er Jahren betrachtet werden kann, andererseits diente VickiBaums Bühnenfassung des eigenen Romans einem Theaterbetrieb, der sich notwendigerweisepopulären bzw. kommerziellen Formen öffnete. Auch die Prätexte beider Dramen bezeugen voneiner unterschiedlichen Position im literarischen Feld der Weimarer Republik: Gehört das Urbildvon Marieluise Fleißers Drama, die 1923 in der Zeitschrift „Das Tagebuch von Stefan Grossmann“veröffentlichte Erzählung Meine Zwillingsschwester Olga, zweifellos <strong>zu</strong>r Hochliteratur, so nimmtder erstmals in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ als Fortset<strong>zu</strong>ngsroman gedrückte Bestseller VickiBaums eine eher umstrittene Position im <strong>Literatur</strong>kanon ein – die <strong>Literatur</strong>wissenschaft der letztenJahrzehnte hat sich ja bemüht, den Wert des Romans auf<strong>zu</strong>decken, aber das Etikett U-Kunst wird

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