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FinanzenAuf dem Weg zur InklusionJahrgangsübergreifende KlassenBerufliche Bildung als NeulandZuschüsse für freie Schulen weiter strittigMediennutzung als Raubbau am ErlebenExperten bestätigen WaldorfpädagogikÖffentlichkeitsarbeitWOW-DaySchule in Krisengebieten12.-Klass-Spiel: <strong>der</strong> ganze „Faust“Aus den Regionen


J A H R E S B E R I C H T 2 0 1 3Erziehung ist zwecklos – die Kin<strong>der</strong>machen sowieso nur alles nach.K A R L VA L E N T I N


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Editorial| 1Liebe Leserinnen und Leser,die <strong>Waldorfschulen</strong> verstehen sich mit vielen an<strong>der</strong>en Schulen in freierTrägerschaft als Pioniere eines Schulwesens, das sich nicht mehr staatlichen,ökonomischen o<strong>der</strong> ideologischen For<strong>der</strong>ungen beugt, son<strong>der</strong>n immer dieFähigkeiten jedes einzelnen Kindes in den Mittelpunkt aller pädagogischenMaßnahmen stellt.Der Vorstand des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> nahm daher die<strong>Bund</strong>estagswahl 2013 zum Anlass, aus <strong>der</strong> langen Erfahrung <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>mit <strong>der</strong> Schulautonomie „sieben Kernfor<strong>der</strong>ungen“ abzuleiten, dieauf einen entsprechenden Paradigmenwechsel im Bildungswesen hinzielen.Sie finden diese „Kernfor<strong>der</strong>ungen“ auf den Seiten 14/15 dieses Hefts.Gestaltungen im Bildungswesen sind aber nicht unabhängig von <strong>der</strong> gesamtgesellschaftlichenEntwicklung: Seit 1917 engagierte sich Rudolf Steinerintensiv für die von vielen Intellektuellen unterstützte Bewegung für eine„Dreiglie<strong>der</strong>ung des Sozialen Organismus“. Im Kern ging es um kulturelleVielfalt im Geistesleben, um demokratische Teilhabe aller Bürger am politischenGeschehen und dem Rechtsleben sowie um einen assoziativ strukturiertenWirtschaftsbereich. Diese Ideen leben bis heute in <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong>.Henning Kullak-UblickVorstandsmitglied des BdFWSDie sieben Kernfor<strong>der</strong>ungen mit ihrer Vision einer „Schule in <strong>der</strong> Zivilgesellschaft“behalten so ihre Gültigkeit auch über die <strong>Bund</strong>estagswahlhinaus. Und sie können als großer Einleitungsbogen für den ganzen Jahresbericht2013 gelesen werden: von den neuen Entwicklungen in <strong>der</strong> Waldorfschulbewegungunter dem Stichwort „Innovationen“ bis hin zum Engagementfür die Schulen in an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Welt, wie es beim WOW-Day inimmer größerem Maß zum Ausdruck kommt.Viel Freude beim Lesen in diesem Sinn wünscht Ihnen Ihr


B I L D U N G S Ö K O N O BM EI RE I C2 H0 T1 E12 |Sozialökonomische Analyseim freien BildungswesenGesamtjahresabschluss <strong>der</strong> deutschen <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>und Rudolf-Steiner-Schulen 1 2011Der Dachverband <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>und Rudolf-Steiner-Schulen in Deutschland –<strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> e.V. (BdFWS)– hat das Institut für Bildungsökonomie in Alftermit <strong>der</strong> Erstellung eines alljährlichen Gesamtjahresabschlussesseiner Mitgliedsschulen beauftragt.Im Folgenden werden aus dem Gesamtjahresabschluss<strong>der</strong> deutschen <strong>Waldorfschulen</strong>für das Jahr 2011 wesentliche Eckwerteund einige beson<strong>der</strong>e Auswertungsaspekteexemplarisch vorgestellt und erläutert.Dokumentation und TransparenzDie <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> sind die einzigenSchulen, die jedes Jahr über eine solche Präsentationeines Gesamtjahresabschlusses nahezualler ihrer Schulen ihren Haushalt komplett offenlegen;damit übernehmen sie bereits seit Jahrzehnteneine beson<strong>der</strong>e Vorbildfunktion in <strong>der</strong>Bildungslandschaft. Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dassdie <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> öffentliche Mittel erhalten,entspricht die Offenlegung ihrer wirtschaftlichenVerhältnisse auch dem Anspruch<strong>der</strong> Öffentlichkeit auf Dokumentation und Transparenzöffentlicher Mittelempfänger. Zwar wirdjede einzelne Schule bereits von <strong>der</strong> für sie zuständigenöffentlichen Stelle im Sinne eines Verwendungsnachweiseseingehend geprüft, aberein konsolidierter Jahresabschluss aller Mitgliedsschulenkommt dieser gesamtgesellschaftlichenVerpflichtung nach Transparenz noch darüberhinausgehend nach.Einblicke und TendenzenMit <strong>der</strong> Zusammenstellung von Kennzahlenaus Bilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnungsowie <strong>der</strong> Darstellung einiger ausgewählter Auswertungsaspektewird vom Institut für Bildungsökonomiezudem einerseits das Ziel verfolgt, <strong>der</strong>Waldorfschulgemeinschaft einen Einblick in ihre1) Im Folgenden nur noch <strong>Waldorfschulen</strong> genannt2) Statistisches <strong>Bund</strong>esamt:https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Schulen/AktuellGröße und (ökonomische) Struktur zu verschaffen,an<strong>der</strong>erseits mögliche gesamtschulische Entwicklungstendenzenzu entdecken, aufzuzeigenund zu thematisieren. Gleichzeitig soll mit dieserAnalyse auch versucht werden, Antworten zugeben. Vor allem aber sollen hieraus die vermeintlich„richtigen“ Fragen für die Waldorfschulgemeinschaftentdeckt werden, aus denenheraus sie ihre Entwicklung aktiv gestalten kann.Die Bemühungen um die Schaffung eines Gesamtbewusstseinsinnerhalb <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>haben letztendlich die Stärkung <strong>der</strong> einzelnenSchule vor Ort zum Ziel.Einige <strong>der</strong> nachfolgend angesprochenen Aspektesind dem Bereich „unumstößliche Tatsachen“zuzuordnen, an<strong>der</strong>e Aspekte sollen Anregungengeben, den jeweils spezifisch aufgezeigtenZusammenhang zu reflektieren; im Austausch,im Diskurs darüber mag sich dann herausstellen,wie gewichtig sie möglicherweise sind und zuwelchen Maßnahmen sie die Schulbewegungherausfor<strong>der</strong>n.LesehinweiseDie folgenden Zahlenwerte und Tabellen lassensich zum einen „rein technisch" lesen und bewerten,sie lassen zum an<strong>der</strong>en aber auch zu,dass sie vor dem Hintergrund einer bestimmtenFragehaltung auch „inhaltsbezogen" betrachtetwerden. So erhalten die Zahlen einen an<strong>der</strong>enBezug, wenn sie etwa in Beziehung zur Frage„Wie viel ist unserer Gesellschaft Bildung wert?"betrachtet werden. Die Höhe öffentlicher Zuschüsseauf <strong>der</strong> einen Seite o<strong>der</strong> etwa die finanziellenLeistungen <strong>der</strong> Eltern auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enSeite dürfen durchaus auch im Sinne einer solchenWertschätzung angesehen werden.Zur VorgehensweiseDer Gesamtjahresabschluss wird auf Grundlage<strong>der</strong> von den Schulen vorgelegten und in <strong>der</strong>Regel von externen Abschlussprüfern erstelltenbzw. geprüften Jahresabschlüsse aufgestellt. In<strong>der</strong> Abteilung für Bildungsdaten und -analysendes <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> erfolgtendie umfängliche und sorgfältige Erfassung <strong>der</strong>


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Jahresabschlüsse sowie die entsprechende Datenaufbereitungals Grundlage für die nachfolgendeAuswertung; Erfassung und Datenaufbereitungwurden durch das Institut für Bildungsökonomiebegleitet. Im Rahmen <strong>der</strong> Auswertungunterstützte die Abteilung für Bildungsdaten und-analysen (BdFWS) das Institut mit sachkundigerKenntnis aus <strong>der</strong> Verbandstätigkeit heraus.In den Konsolidierungskreis für den Jahresabschluss2011 sind 179 <strong>Waldorfschulen</strong> mit 78.458Schülern (von insgesamt 224 Schulen mit 84.048Schülern im <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>)einbezogen. Damit ist <strong>der</strong> vorgelegte Gesamtjahresabschlussaussagekräftig für die Gesamtheit<strong>der</strong> bundesdeutschen <strong>Waldorfschulen</strong>.Schüler und ElternIm Wechsel vom Schuljahr 2010/2011 zumSchuljahr 2011/2012 hatte die Schulbewegungmit 84.865 Schülern eine Zunahme von 817 Schülernzu verzeichnen. Inzwischen gibt es im Schuljahr2012/2013 in <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esrepublik 233 Schulen,die von 84.716 Schülern besucht werden –mithin erstmalig eine Abnahme um 149 Schüler!Dieser Umstand darf durchaus mit einer zunehmendenWettbewerbssituation zwischen denSchulen insgesamt in Zusammenhang gebrachtwerden – seien es Schulen in freier Trägerschafto<strong>der</strong> auch öffentliche Schulen, die sich zunehmendum ein attraktives Bildungsangebot bemühen.Darüber hinaus mag es auch erster Ausdruckdes demografischen Wandels sein, <strong>der</strong> auch fürdie <strong>Waldorfschulen</strong> seine Relevanz zeigt: immerhinwird für die öffentlichen Schulen einSchülerrückgang in diesem Zeitraum in Höhevon 1,5 % ausgewiesen 2 .Die Schulbewegung wird von etwa 58.000Elternhäuser getragen – mithin eine Gesamt-Elternschaft von etwa 115.000 Menschen. Zusammenmit dem sozialen Umfeld (Großelternund Freunde) vervielfältigt sich diese Zahl. DieseElternschaft ist neben den Lehrern diejenigeGruppe, die die Schulbewegung existenziellträgt; und sie transportiert das Bild <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>auch in die Öffentlichkeit.Lehrer und StudierendeDerzeit sind etwa 8.800 Lehrerinnen undLehrer an den deutschen <strong>Waldorfschulen</strong> tätig;auf das Kalen<strong>der</strong>jahr 2011 gemittelt erfüllendiese zusammen knapp 6.600 Volldeputate. DieSchüler-Lehrer-Relation <strong>der</strong> vollausgebauten <strong>Waldorfschulen</strong>ohne För<strong>der</strong>klassen lag im Durchschnittbei 13,8:1 (alle Schulen: 13,3:1).Die uns von den Seminaren gemeldete Zahl<strong>der</strong> Studierenden mit Vorbereitung auf eine Waldorflehrertätigkeitbeläuft sich im laufenden Studienjahrauf ca. 920 Studierende (im Vorjahr980) verteilt auf zwei bis fünf Studienjahre aneiner <strong>der</strong> elf Ausbildungsstätten in Deutschland,in denen Waldorflehrer ausgebildet werden.Hinzu kommen noch etwa 600 weitere „Umschulungs-Studenten“in (ein- bis dreijährigen)berufsbegleitenden Seminaren. Die Schulbewegungmuss nach <strong>der</strong>zeitigen Verhältnissen jährlich600 bis 700 neue Lehrer einstellen. Daraus folgt:Die Gewinnung qualifizierter Lehrer ist nach wievor eine <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben <strong>der</strong> Waldorfschulbewegung.Aus diesem Bewusstsein heraus brachten diedeutschen <strong>Waldorfschulen</strong> im Jahr 2011 für dieFinanzierung ihrer Lehrerausbildung in den Ausbildungsstättenund Eurythmieschulen 8,2 Mio.€ auf. Setzt man diesen Mitteleinsatz zu <strong>der</strong>Wertschöpfung <strong>der</strong> Schulen in Beziehung, sozeigt sich, dass die deutschen <strong>Waldorfschulen</strong>ca. 1,8 % ihrer Wertschöpfung für die eigeneLehrerausbildung aufwenden.Zu dieser Betrachtung hinzuzufügen sind dieAufwendungen, die von den Schulen selbst zurAus- und Fortbildung von Lehrern geleistet werden.Hierüber liegen <strong>der</strong>zeit keine gesichertenDaten vor. Aus Angaben bei einzelnen Schulensowie aus an<strong>der</strong>en Erhebungsquellen herauskann aber ein Betrag von ca. 10 T€ p. a. je Schulegeschätzt werden. Mithin wäre hier ein zusätzlicherBeitrag <strong>der</strong> Schulen für ihre Lehrerqualifikationin Höhe von ca. 2,0 Mio. € anzusetzen.Vermögen und VerschuldungIn 2011 ist die Bilanzsumme um ca. 19 Mio. €(1,7 %) auf ca. 1.151 Mio. € angewachsen. Wesentlichbeeinflusst wurde dieses Wachstum durcheine Zunahme des Anlagevermögens um 11 Mio.€ (nach Abschreibungen) auf nunmehr 988 Mio.€. Unterstützt wurden die sich dahinter verbergendenBauaktivitäten durch die fortgeführtenFör<strong>der</strong>ungen aus dem „InvestitionsprogrammZukunft, Bildung und Betreuung“ (IZBB).Das Bild <strong>der</strong> Gesamtbilanz <strong>der</strong> Waldorfschulbewegung2011 zeigt gegenüber dem Vorjahreine geringfügig verbesserte Eigenkapitalquote(auf 46,6 % gegenüber 46,4 %); die liquidenMittel haben zugenommen – sie erreichen indiesem Jahr 10,1 % (im Vorjahr 9,6 %) <strong>der</strong> Bilanzsummeund belaufen sich damit auf annähernd116 Mio. €.| 3


B I L D U N G S Ö K O N O M I E 2 0 1 14 |Bedenkt man, dass die Schulen <strong>der</strong> öffentlichenHand stets zu 100 % von dieser finanziert werden,so zeigt die langfristige Verschuldung mit rund410 Mio. € das Finanzierungswagnis <strong>der</strong> Waldorfschulbewegung.O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrücktist es das Zukunftsvertrauen, das die Schulendazu veranlasst, sich mit rund 65 % ihrer Jahreseinnahmen(in Höhe von ca. 630 Mio. € in 2011einschließlich Bauzuschüssen) für ihre Schulgebäudezu verschulden. Sie kommen dadurchauch für eine jährliche Zinslast von 19,5 Mio. €zusätzlich auf.Erträge und AufwendungenDie regelmäßigen Erträge <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>ergeben sich aus <strong>der</strong> öffentlichen Finanzhilfe<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> einerseits und den Elternbeiträgenan<strong>der</strong>erseits. Sie verhalten sich zueinan<strong>der</strong> wieca. 2,7:1. Dabei haben in diesem Jahr die Erträgeaus öffentlicher Finanzhilfe (Län<strong>der</strong> und Kommunen)absolut betrachtet um 3,9 % zugenommen,die Erträge aus Elternleistungen gleichzeitigum 2,0 %. Für die Aufwendungen für Mitarbeitereinkommenwerden 81,4 % <strong>der</strong> Regelerträgeverwandt – das verdeutlicht den dienstleistendenCharakter einer Schule.Unter den laufenden Aufwendungen sind insbeson<strong>der</strong>edie Bau- und Baufolgeaufwendungen(Gebäudeaufwand, Abschreibungen, Zinsen) vonBedeutung, die insgesamt rund 108 Mio. € ausmachen.Das Zwischenergebnis des laufenden Betriebs,das zunächst eine Unterdeckung von rund 35 Mio.€ ausweist, wird letztendlich durch Beiträge, Spendenund Bauzuschüsse zu einem positiven En<strong>der</strong>gebnisgeführt, das mit ca. 11,1 Mio. € um rund 17Mio. € deutlich unter dem Ergebnis des Vorjahresliegt. Diese Mittel stehen den Schulen dann fürTilgungen bzw. zur Rücklagenbildung für zukünftigeInvestitionen in Gebäude o<strong>der</strong> pädagogischeEntwicklungsvorhaben zur Verfügung.Blickt man auf die Ergebnissituationen <strong>der</strong>einzelnen Schulen, so zeigt sich, dass 115 Schulen(im Vorjahr 137) mit einem positiven Ergebnis,das sich (in dieser Gruppe) auf +20 Mio. € (imVorjahr +35 Mio. €) summiert, abgeschlossen haben!Dagegen haben 64 Schulen (im Vorjahr 44)ein Verlustergebnis aufzuweisen. Diese Verlustelaufen zu einer Gesamtsumme (in dieser Gruppe)von ca. -9 Mio. € auf (im Vorjahr -5,8 Mio. €).Die Wertschöpfung <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>Mit dem Begriff <strong>der</strong> „Wertschöpfung“ ist insAuge gefasst, was vom zugeflossenen Ertrag imWertschöpfung 2011 <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>Unternehmensbereich selbst – hier <strong>der</strong> Schulen– verantwortet wird. Er schließt ein ganzesGebilde sozialer Beziehungen mit ein. Rein rechnerischergibt sich diese Wertschöpfung aus Einnahmenund Erträgen („Zuflüssen“) abzüglich<strong>der</strong> Ausgaben und Aufwendungen („Abflüsse“)für Leistungen Dritter („Sachausgaben“). Leistungabzüglich Vorleistung ist dafür die Kurzformel.Das Schaubild oben über die ökonomischeWertschöpfung <strong>der</strong> deutschen <strong>Waldorfschulen</strong>zeigt die Geldströme in grafischer Form.Staatliche Finanzhilfe und ElternbeiträgeDie Entwicklung <strong>der</strong> staatlichen Finanzhilfein den <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n zeigt deutlich, wie seitens<strong>der</strong> öffentlichen Hand das Verfassungsgebot vonArt. 7 Abs. 4 GG, das die Sicherung des Lebensraumesfreier Schulen in den einzelnen Län<strong>der</strong>nzum Ziel hat, gehandhabt wird. So zeigt sich,dass die laufenden Schulbetriebskosten (personelleAufwendungen und Sachmittelausgaben,ohne Zinsen und Aufwendungen für Abschreibungen)in Höhe von 545 Mio. € nur zu ca. 72 %durch die regelmäßige Finanzhilfeleistung <strong>der</strong>öffentlichen Hand ausgeglichen werden. Die De-Regelfinanzhilfe395 Mio. €Elternleistungen162 Mio. €Ertragsvolumen 597 Mio. €SonstigeErträge40 Mio. €abzüglich Sachausgaben an Dritte 127 Mio. €Mitarbeitereinkommen440 Mio. €Wertschöpfung 470 Mio. €Investitionen19 Mio. €Lehrerbildung<strong>Bund</strong>11 Mio. €


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Eckwerte <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> 2007– 2011 3Deutsche <strong>Waldorfschulen</strong>2007 2008 2009 2010 2011Schüler 81.275 82.038 82.617 84.048 84.865Schulen 208 208 211 218 224Mitarbeiter (Schätzung) 9.400 9.500 9.600 9.800 9.900<strong>Waldorfschulen</strong> im Konsolidierungskreis in Mio. nBilanzsumme 1.007,6 1.056,5 1.091,8 1.125,8 1.131,7Grundstücke/Gebäude 828,7 860,4 879,3 891,9 884,2Eigenmittel 462,5 481,9 493,4 520,9 527,9Verbindlichkeiten 465,9 486,6 490,5 484,7 473,2Öffentliche Zuschüsse 375,8 385,9 403,0 425,3 424,4Elternbeiträge 128,6 133,3 136,1 140,7 145,1Spenden 18,8 17,8 17,7 19,1 16,7Mitarbeitereinkommen 382,2 398,4 421,4 424,8 439,7Sach-/Gebäudeaufwend. 81,9 88,8 98,1 102,3 105,3Zinsaufwand 19,6 20,5 20,8 20,7 19,5Lehrerbildung 7,6 7,9 7,9 8,2 8,2Kennwerte pro Schüler im Konsolidierungskreis in nVerbindlichkeiten 5.883 6.115 6.164 6.155 6.031Öffentliche Zuschüsse 4.746 4.850 5.064 5.399 5.410Elternbeiträge 1.624 1.675 1.717 1.787 1.850Spenden 238 224 223 243 213Mitarbeitereinkommen 4.827 5.015 5.295 5.395 5.605Sach-/Gebäudeaufwend. 1.034 1.118 1.233 1.298 1.343Zinsaufwand 248 258 261 262 248Lehrerbildung 94 97 97 99 98ckung des Restetats <strong>der</strong> Schulen muss durch Elternbeiträgein Höhe von 145 Mio. € und Spendenin Höhe von 17 Mio. € geleistet werden.Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Unentgeltlichkeitdes öffentlichen Schulwesens für <strong>der</strong>en Nutzerist das finanzielle Engagement <strong>der</strong> Eltern beson<strong>der</strong>seindrucksvoll; insoweit dürfen diese Beiträgedurchaus als „Kernfinanzierung“ <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>gesehen werden. Sie sind Ausdruck dafür,dass die Eltern in diesen Schulen eine für ihreKin<strong>der</strong> wesentliche Alternative sehen, für die sieauch zu ungewöhnlichen Leistungen bereit sind.Eckwerte <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> 2001–2011Erneut hat das Institut für Bildungsökonomieeine Zeitreihenanalyse für Bilanz und Gewinnund-Verlust-Rechnung<strong>der</strong> vergangenen zehnJahre vorgenommen. Aus dieser Analyse werdenunter an<strong>der</strong>em wie folgt deutlich:• Der Anteil <strong>der</strong> Landeszuschüsse an den Regelerträgenist von 71 % im Jahr 2002 kontinuierlichauf aktuell 68 % gesunken.• Im Gegenzug ist im gleichen Zeitraum <strong>der</strong>Anteil <strong>der</strong> Elternbeiträge – quasi zwangsläufig –gestiegen (von 26 % auf 27 %).• Die Betrachtung <strong>der</strong> Entwicklung<strong>der</strong> Mitarbeitereinkommenzeigt auf, dass in den Jahren2002–2011 ihr Anteil an <strong>der</strong> Ergebnisrechnung(trotz absolutemWachstum) laufend kleiner wurde– lediglich 2008, 2009 und2011 gab es relative kleine Steigerungen.• Eine Analyse des Liquiditätsergebnisses(Jahresergebnis +Abschreibungen + ZuführungPensionsrückstellungen) <strong>der</strong>deutschen <strong>Waldorfschulen</strong> zeigt,dass sich in den Jahren seit 2002,mit Ausnahme von dem Jahr2008, die Liquidität kontinuierlichverbesserte (von seinerzeitknapp 37 Mio. € auf ca. 78 Mio.€ in 2010), in 2011 jedoch auf58 Mio. € zurückging. Die verbesserteLiquidität hat es in denvergangenen Jahren den einzelnenSchulen ermöglicht, unteran<strong>der</strong>em Investitionen für Schulbautenund sonstige Bedarfe zutätigen, ohne ihre Verschuldungzu erhöhen – o<strong>der</strong> aber ihre Verschuldungdurch Tilgung abzubauen. Damit wirdzugleich verdeutlicht, wie eine tragfähige Schulfinanzierungidealiter gestaltet sein müsste: ganzalleine aus den eigenen Erträgnissen heraus undohne Verschuldung bei Dritten.In diesem Jahr haben wir erneut in erweiterterForm Eckdaten je Schüler im Zeitverlauf <strong>der</strong> vergangenenzehn Jahre erfasst. Neben den absolutenWertän<strong>der</strong>ungen sind hier vor allem dierelativen Verän<strong>der</strong>ungen – bezogen auf die Bilanzsummebzw. den laufenden Ertrag – für dieAnalyse <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung <strong>der</strong>Schulen interessant. In einer ausgewählten Einzelbetrachtungzeigt sich z. B., dass auf einenSchüler bezogen:• <strong>der</strong> Bilanzanteil <strong>der</strong> langfristigen Verbindlichkeiteninsgesamt die größte Verän<strong>der</strong>ung erfährt(er reduziert sich um 10 Prozentpunkte),• dennoch eine schülerbezogene Verschuldungin Höhe von 6 T€ besteht, die sich in den vergangenenzehn Jahren kaum verän<strong>der</strong>t hat,3) Die Tabelle gibt – im Sinne eines Überblicks – ausgewählteEckwerte <strong>der</strong> deutschen <strong>Waldorfschulen</strong> vonfünf Jahren wie<strong>der</strong>.| 5


B I L D U N G S Ö K O N O M I E 2 0 1 16 |• <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> öffentlichen Zuschüsse am laufendenErtrag bis 2008 gesunken ist, seitdem einnur geringer Anstieg feststellbar ist und dieserAnteil weiterhin unter dem Wert von 2002 liegtund• gleichzeitig die Elternbeiträge absolut um ca.36 % gestiegen sind.Resümee und AusblickBemerkenswert für die Analyse des Wirtschaftsjahres2011 <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> war <strong>der</strong>leichte Rückgang <strong>der</strong> Schülerzahlen. Mit dieserEntwicklung stehen die deutschen <strong>Waldorfschulen</strong>im Vergleich mit dem öffentlichen Schulwesennoch gut da; dort ist (mit <strong>der</strong> Begründung des demografischenWandels, des Bildungsverhaltensund <strong>der</strong> Schulstrukturreform) ein deutlich stärkererSchülerrückgang (-1,5 %) zwischen denSchuljahren 2011/12 und 2012/13 zu verzeichnengewesen.Eine signifikante Verän<strong>der</strong>ung hat sich beimwirtschaftlichen Jahresergebnis gezeigt: Ein deutlichverschlechtertes Jahresergebnis gegenüberdem Vorjahr weist auf Verän<strong>der</strong>ungen im laufendenBetrieb <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> im vergangenenJahr hin. Steigerungen bei den Regelerträgenhaben, bei rückläufigem Spendenaufkommen,die um ca. 17 Mio. € erhöhten Aufwendungenzwar finanzieren, aber das Jahresergebnisnicht zu dem positiven Ergebnis wie imJahr zuvor führen können. Auch wenn die wirtschaftlichenVerhältnisse an den <strong>Waldorfschulen</strong>– im Mittel gesehen – gut sind, darf nicht übersehenwerden, dass <strong>der</strong> finanzielle Spielraumknapp ist und dass eine deutlich gestiegene Zahlan Schulen ihr Jahr mit einer Unterdeckung abschließenmussten. Der Verlustausweis dieser 64Schulen hat mit ca. 9 Mio. € die Werte <strong>der</strong>Vorjahre überschritten.Bei all den hier gemachten Ausführung gilt eszu bedenken, dass <strong>der</strong> konsolidierte Jahresabschlussdes Instituts für Bildungsökonomie nichtwie<strong>der</strong>gibt, was an den einzelnen Schulen anehrenamtlicher Arbeit und Leistung verzeichnetwerden kann: Lehrer, Mitarbeiter, Eltern undFreunde bringen sich je nach ihren Möglichkeitenin das Schulganze ein. Dieses Engagement istes, das einen nicht zu erfassenden Mehrwertentstehen lässt, und damit diese spezifischeSchulform letztendlich erst möglich macht.Institut für Bildungsökonomie, AlfterProf. Dr. Steffen Koolmann


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 7Alle öffentlichen Schulen sindauf die mittelmäßigen Natureneingerichtet.F R I E D R I C H W I L H E L M N I E T Z S C H E


F I N A N Z B E R I C H T8 |Verbandsaufgaben und Geschäftsstellewerden gemeinschaftlich finanziertDie deutschen Waldorf- undRudolf-Steiner-Schulen haben2012/13 für Verbandsaufgabenund Lehrerbildung insgesamt12,3 Mio. € (Vorjahr: 11,4Mio. €) aufgebracht. Davonentfallen 9,0 Mio. € (Vorjahr8,5 Mio. €) auf die gemeinschaftlichfinanzierte Lehrerbildung.Für diese Gemeinschaftsaufgabenerhalten die Schulenkeinerlei staatliche För<strong>der</strong>ung.Die Finanzierung insbeson<strong>der</strong>e<strong>der</strong> Lehrerausbildung isteine weitere zusätzliche Leistung,die die Elternschaft <strong>der</strong>Waldorfschulbewegung erbringt– dies ist beson<strong>der</strong>shervorzuheben.Die Aufwendungen von 9,0Mio. € fließen an die neunLehrerseminare und Hochschulenim BdFWS sowie andie vier Ausbildungsstätten fürEurythmielehrer, die sowohlgrundständige als auch postgraduierteAusbildungen zumWaldorflehrer anbieten.Hinzu kommen noch weitereAufwendungen <strong>der</strong> einzelnenSchulen für örtliche und regionaleQualifizierungsmaßnahmenin <strong>der</strong> Größenordnungvon rund 2 Mio. €.Verbandstätigkeit 2012/2013Im Schuljahr 2012/13 hatte <strong>der</strong>BdFWS 232 Mitgliedsschulen,die von rd. 8.500 Schülernbesucht wurden.Die nachfolgende Übersichtzeigt, welche Aufgaben diedeutschen Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulenim Schuljahr2012/2013 zusätzlich zurLehrerbildung auf <strong>Bund</strong>esebenegemeinschaftlich finanzierthaben. Hinzu kommen nochAufgaben, die von den Schulenauf Län<strong>der</strong>ebene über ihreLandesarbeitsgemeinschaftenfinanziert wurden. Hierfürwurden etwa 1,8 Mio. € vonden Schulen aufgebracht, dienachfolgend nicht erfasst sind.Die GeschäftsstelleDie Geschäftsstelle desBdFWS befindet sich inStuttgart, wobei in diesemGeschäftsjahr die AbteilungÖffentlichkeitsarbeit mit allenMitarbeitern nach Hamburgumgesiedelt ist.Die 27 Mitarbeiter <strong>der</strong>Geschäftsstelle des BdFWS inStuttgart/Hamburg sind auffolgenden Arbeitsgebietentätig:- Öffentlichkeitsarbeit mit4 Mitarbeitern(3,2 volle Stellen)- Rechtsberatung mit4 Mitarbeitern(2,5 volle Stellen)- Arbeitsbereich Bildungsdatenund -analysen mit2 Mitarbeitern (1,5 volleStellen)- Koordination <strong>der</strong> Verbandsaufgabenund Dienstleistungenmit 8 Mitarbeitern(7 volle Stellen)- Pädagogische Forschungsstellemit 3 Mitarbeitern(2,4 volle Stellen)- Redaktion <strong>der</strong> ZeitschriftErziehungskunst mit4 Mitarbeitern (3,1 volleStellen)- IAO (För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schul -bewegung in Osteuropa)mit 2 Mitarbeitern (davon1 Stelle im Haushalt desBdFW)Thomas Krauch,Geschäftsführer beim BdFWS


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 9Aufwand für: (Angaben in T€)Geschäftsstelle und fürKoordinationsaufgaben 1.738Projekte (u. a. Gesundheit und Schule,Qualitätsentwicklung) 109Tagungen und Fortbildungen 240Öffentlichkeitsarbeit unddie Zeitschrift Erziehungskunst 941Zuschüsse an:Pädagogische Forschungsstelle 299Fonds für Schulen in denneuen <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n 116Pädagogische Sektion in Dornach 83European Council for SteinerWaldorf Education 83Institut für Bildungsökonomie 24Institut für Bildungsrecht 50Sonstige Zuschüsse und Beiträge 8Summe Zuschüsse und Beiträge 663Aufwendungen insgesamt 3.691Diese Aufwendungen wurdenwie folgt finanziert:Beiträge <strong>der</strong> Schulen(ohne Lehrerbildung) 3.067Sonstige Erträge 624Summe Erträge 3.691<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>bringt Waldorf-Kreditkarte herausStuttgart, 16. April 2013/CMS. Der<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>(BdFWS) bringt in Kooperation mitden Freunden <strong>der</strong> ErziehungskunstRudolf Steiners (Freunde) und <strong>der</strong>GLS-Bank eine Waldorf-Kreditkarteheraus. Bei jedem Zahlungsvorgangmit <strong>der</strong> VISA-Karte fließt ein kleinerGeldbetrag an die zwei gemeinnützigenVerbände, um so die weltweiteWaldorfbewegung zu unterstützen.Dem Verkäufer und damit Zahlungsempfängerwird jeweils ein geringerBetrag (maximal fünf Prozentvom Umsatz) abgezogen, von demein Viertel zu je 50 Prozent an dieFreunde und den BdFWS fließt. DieFreunde verwenden das Geld für dieinternationale Waldorfbewegung, <strong>der</strong>BdFWS für Projekte <strong>der</strong> Lehrerbildungin Deutschland. Der Karteninhaberzahlt hierbei nur den ausgewiesenenBetrag – je höher dieserist, desto mehr Geld kann also fürdie Waldorfbewegung generiert werden.Es handelt sich bei <strong>der</strong> Waldorf-Kreditkarte um eine VISA-Karte, diezu den weltweit am meisten akzeptiertenKreditkarten gehört. AufWunsch kann die bestehende Kontoverbindungbeibehalten werden.


I N K L U S I O N10 |„In <strong>der</strong> Begegnung kann das Urbilddes Menschlichen aufleuchten“Unter dem Motto „Vielfalt gestalten – auf demWeg zur Inklusion“ stand <strong>der</strong> große Inklusionskongress<strong>der</strong> Waldorfschulbewegung in <strong>der</strong><strong>Freien</strong> Waldorfschule Kreuzberg vom 20.–22.September 2013 in Berlin. Rund 600 Erzieher,Lehrer, Heilpädagogen, Eltern und Schüler warenaus dem gesamten <strong>Bund</strong>esgebiet angereist,um sich über die rechtlichen, finanziellen undpädagogischen Auswirkungen <strong>der</strong> Inklusion seit<strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionim Jahre 2009 auszutauschen.Veranstaltet wurde <strong>der</strong> Kongress gemeinsamvon <strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> Waldorfkin<strong>der</strong>gärten,dem <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>, <strong>der</strong> PädagogischenSektion am Goetheanum und von Anthropoi,dem <strong>Bund</strong>esverband anthroposophischesSozialwesen (vorher: Verband für anthroposophischeHeilpädagogik). Über 30 Kurse deckten dieVielfalt <strong>der</strong> Aspekte von Inklusion ab und ermöglichteneine intensive Vertiefung in das Thema.Die UN-Behin<strong>der</strong>tenkonvention läutet einenParadigmenwechsel im Bildungswesen ein, dessenTragweite noch nicht abzusehen ist. Denndie Konvention markiert deutlich die umweltundeinstellungsbedingten Faktoren als die eigentlicheBehin<strong>der</strong>ung, die überwunden werdenmuss, so Johannes Denger von Anthropoi (siehedazu auch Artikel S. 40/41). Inklusion setze Begegnungsfähigkeitvoraus. Wenn eine Begegnungmit dem „Du“ nicht möglich sei, beraube sichDas Vergängliche ist nur ein Gleichnis, denndas Wesen, das in ihm gegenwärtig ist, istunvergänglich. Aber nur in <strong>der</strong> Unzulänglichkeitdes Vergänglichen ist uns das Wesengegenwärtig; die Erfüllung unseres Seins ist,dass dieses Unzulängliche Ereignis wird.C A R L-FRIEDRICH VO N W E I Z S Ä C K E R:E I N I G E B E G R I F F E AU S G O E T H E S NAT U RW I S S E N S C H A F T<strong>der</strong> Mensch <strong>der</strong> Erfahrung, wie am jeweiligenGegenüber das Urbild des Menschlichen aufleuchte.„Ich bin das größte Hin<strong>der</strong>nis“, so FlorianOsswald von <strong>der</strong> Pädagagogischen Sektion amGoetheanum.Die „Botschafterin <strong>der</strong> Integration“ und Begrün<strong>der</strong>indes Jakob-Muth-Preises, die ErziehungswissenschaftlerinJutta Schöler, setzte inihrem Eröffnungsvortrag eine deutliche Zielmarke:Gelungene Inklusion heißt, wenn man nicht mehrdarüber spricht. Sie prognostizierte: In dreißigJahren werde es keine Son<strong>der</strong>schule mehr geben.Schulen und Verwaltung seien aber auf diesengesellschaftlichen Paradigmenwechsel nicht vorbereitetund momentan überfor<strong>der</strong>t. Die Pädagogenhätten dringend Bedarf an Fortbildungund Beratung, auf den <strong>der</strong> BdFWS mit einementsprechenden Angebot reagieren sollte. Stattseparieren<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung müssten alle therapeutischenMaßnahmen innerhalb <strong>der</strong> Lerngruppestattfinden.Das Elternforum zeigte: Es sind viele Fragenoffen, auch wenn die Behin<strong>der</strong>ung eines Kindesan einer Schule heute kein Abweisungsgrundmehr sein darf. Bei dem Umgestaltungsprozesszu einer inklusiven Schule werde die Kompetenz<strong>der</strong> „heimlichen Therapeuten“, wie die Elternvon behin<strong>der</strong>ten Kin<strong>der</strong>n bezeichnet werden,dringend gebraucht, sonst sind die Lehrer schnellüberfor<strong>der</strong>t.Bisher entwickelten sich inklusive Schulkonzepteaus Inklusionsarbeitskreisen, die überwiegendvon Eltern besetzt waren. Ihre Vorschlägestoßen aber nicht immer auf offene Ohren beiden Lehrern, die sich in ihrer „pädagogischenAutonomie“ eingeengt fühlen. Doch ohne praktizierteErziehungspartnerschaft funktioniertInklusion nicht.Unsicherheit kam bei den Eltern auch hinsichtlich<strong>der</strong> Lernziele zum Ausdruck. Spätestensab <strong>der</strong> vierten o<strong>der</strong> fünften Klasse kann die Leistungsscherebei den Kin<strong>der</strong>n stark auseinan<strong>der</strong>gehen– trotz aller Bemühungen <strong>der</strong> Lehrer, durchBinnendifferenzierung dieser Entwicklung ent-


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 11gegenzusteuern. Spätestensbei den staatlichen Abschlüssenbeginnt die Inklusion zuerodieren. Jahresarbeiten,Klassenfahrten, Waldorfabschlüssein Kunst o<strong>der</strong> Eurythmiestellen dagegen keinInklusionshin<strong>der</strong>nis dar. Daszeigte zum Beispiel das Eurythmie-Projekt„Inkludo“von Sabine Brüggemann:Wenn man es <strong>der</strong> Tänzerinnicht mehr ansieht, dass sieein Mädchen mit Down-Syndromist, o<strong>der</strong> wenn Behin<strong>der</strong>te und Nichtbehin<strong>der</strong>tesich gemeinsam in perfekter Harmonie auf<strong>der</strong> Bühne bewegen, geht das dem Zuschauerunter die Haut.Michaela Glöckler, Leiterin <strong>der</strong> MedizinischenSektion am Goetheanum, führte aus, wie die Inklusionvon Anfang an in <strong>der</strong> Waldorfschule angelegtwar und von Karl Schubert praktiziertwurde. Kein Kind wurde abgewiesen. Dieser Impulslagerte sich mit <strong>der</strong> Machtergreifung <strong>der</strong>Nationalsozialisten aus. Die Kin<strong>der</strong> schienendurch das Euthanasieprogramm bedroht, dieSchule von <strong>der</strong> Schließung. Eine RehabilitationSchuberts durch seine Mutterschule ist spätestensmit <strong>der</strong> Inklusionsdebatte überfällig.Glöckler sprach von Chancen und Risiken <strong>der</strong>Inklusion. Es reicht nicht, wenn die zu för<strong>der</strong>ndenKin<strong>der</strong> nur nette Beigabe sind. Um sich einenindividuellen Blick auf jedes einzelne Kind zuerwerben, bedarf es einer inneren Schulung desLehrers. Behin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> nicht – ohne eine anthroposophischvertiefte Schicksals- und Selbsterkenntnis,zu <strong>der</strong> Rudolf Steiner inseinen Werken zahlreiche Übungenund Anregungen gibt, könne einWaldorflehrer nicht unterrichten.Im Jugendforum herrschte zumThema Inklusion eine erfrischendeGewissheit.Behin<strong>der</strong>te, ihre Geschwisterund Mitschüler kamen zu Wort.„Wir kennen es nicht an<strong>der</strong>s unddas ist für uns normal“, so die einhelligeMeinung <strong>der</strong> Schüler. Vielmehrschätzten sie die Geduld, dieOffenheit und Kontaktfreudigkeitihrer behin<strong>der</strong>ten Klassenkameraden. DiesenEindruck bestätigt <strong>der</strong> Jurist und ehemaligeKin<strong>der</strong>beauftragte Reinald Eichholz, für den Voraussetzunggelingen<strong>der</strong> Inklusion das selbstverständliche„Zugehörigkeitsgefühl“ ist. Markus,ehemaliger Schüler <strong>der</strong> Inklusiven WaldorfschuleEmmendingen, profitierte sichtbar davon: „Ichbin stolz auf mich“, schloss er seinen Beitrag.Regionaltreffen boten Gelegenheit, sich kennenzulernen,Informationen auszutauschen undFragen <strong>der</strong> Umsetzung, Genehmigung und Finanzierungzu erörtern. Wünschenswert und inHessen schon eingerichtet: Alle Landesarbeitsgemeinschaftenbieten Inklusionsberatungen an.Um aus dem „Diagnose-Ressourcen-Dilemma“<strong>der</strong> Einzelfälle, das zu einem Flickenteppich vonZuschüssen führte, herauszukommen, sollten siesich für eine generelle staatliche Anerkennungals inklusive Schule und eine einrichtungsgebundeneBezuschussung stark machen.Mathias MaurerRedakteur <strong>der</strong> Zeitschrift „Erziehungskunst“


Ö F F E N T L I C H K E I T S A R B E I T12 |„Gesundheit“ als Themain <strong>der</strong> ÖffentlichkeitsarbeitGesundheitsthemen kommen in <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> PresseundÖffentlichkeitsarbeit des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>immer wie<strong>der</strong> vor – geplant, aber auch ungeplant.Letzteres war <strong>der</strong> Fall, als uns <strong>der</strong> Masernausbruchan <strong>der</strong> Waldorfschule in Erftstadt bei Köln im Juli2013 intensiv beschäftigte. Als die Schulleitung in engerAbstimmung mit dem Gesundheitsamt die Schließung<strong>der</strong> Schule für eine Woche anordnete, bewirkte dies eineVielzahl von Medienanfragen: Lokalzeitungen über Radio-bis hin zu verschiedenen Fernsehsen<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong>ganzen Republik schickten ihre Journalisten nach Erftstadt.Dabei spielte auch eine Rolle, dass GesundheitsministerBahr das Thema in einem Interview aufgegriffenhatte und eine bundesweite Debatte über die Notwendigkeiteiner Impfpflicht auslöste.Vor diesem Hintergrund kam es zueiner intensiven Beratung durch diePresse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sieerfolgte in enger Abstimmung mit <strong>der</strong>Pressestelle des Dachverbands AnthroposophischeMedizin in Deutschland(DAMiD), da es sich bei <strong>der</strong> Impfthematikum eine medizinische Fragestellung handelt.Eine Pressemitteilung wurde herausgegeben,in <strong>der</strong> dieser Zusammenhangbeson<strong>der</strong>s unterstrichen wurde.Der Geschäftsführer <strong>der</strong> Erftstadter Schuleals benannter Ansprechpartner standin ständigem Austausch mit <strong>der</strong> Pressestelledes BdFWS in Hamburg. Er erhieltzusätzliches Material zum Thema undkonnte die Medienvertreter bei allgemeinerenAnfragen weiterverweisen. Allesin allem ergab sich so ein gutes Beispielfür eine gelungene Zusammenarbeitzwischen <strong>der</strong> Pressestelle und einer Waldorfschulein einer nicht ganz einfachzu bewältigenden Situation.Unstrittig bleibt, dass <strong>Waldorfschulen</strong>eben gerade diejenigen Eltern anziehen,die in Gesundheitsfragen und damit auchzum Impfen generell eine an<strong>der</strong>e undteilweise kritischere Haltung haben als<strong>der</strong> Bevölkerungsdurchschnitt. Ebensogibt es aus <strong>der</strong> Anthroposophischen Medizinheraus begründet zahlreiche Ärzte,die nicht uneingeschränkt zu den Mehrfachimpfungengegen die klassischenKin<strong>der</strong>krankheiten raten (siehe auchMerkblatt Masern <strong>der</strong> GAÄD). Vor diesemkomplexen Hintergrund konnte esin <strong>der</strong> Pressemitteilung des BdFWS nurdarum gehen, eine differenzierte undfundierte Entscheidung <strong>der</strong> Eltern zubefürworten, um die langfristige Gesun<strong>der</strong>haltung<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n.In <strong>der</strong> Waldorfpädagogik spielt – unabhängigvon solchen aktuellen Anlässen– das Thema Gesun<strong>der</strong>haltung als Salutogeneseeine große Rolle. Insofern bemühtsich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,dazu immer wie<strong>der</strong> Materialzur Verfügung zu stellen bzw. Veranstaltungendurchzuführen wie z. B. bei<strong>der</strong> Bildungsmesse didacta (siehe dazuPressemitteilung auf <strong>der</strong> Homepage).Die <strong>Waldorfschulen</strong> befinden sich damitin guter Gesellschaft: Nach Expertenmeinungwird „ganzheitliche und psychosozialeGesundheit“ in den nächstenJahrzehnten immer wichtiger werdenund Inhalt des 6. Kondratieff-Zyklus 1sein.Im Unterrichtsalltag an den <strong>Waldorfschulen</strong>wird dieser Gedanke z. B. durchdie starke Berücksichtigung des rhythmischenElements verwirklicht. Das findetseine Entsprechung unter an<strong>der</strong>emin den Jahreszeitenfesten wie Johannio<strong>der</strong> Michaeli, im über mehrere Wochengehenden Epochenunterricht, den Monatsfeiernund im sogenannten rhythmischenTeil des Hauptunterrichtes.Man weiß nicht erst aus <strong>der</strong> Anthroposophieheraus, dass die Beachtung1) Kondratieff-Zyklen sind lange Wellen<strong>der</strong> Konjunktur und beziehen sich auf dieWeltwirtschaft.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 13von Rhythmen im Alltag Kraft spendet:Schon seit Tausenden von Jahren ist aus<strong>der</strong> Traditionellen Chinesischen Medizinheraus eine Gesundheitslehre bekannt,die sich nach den Jahreszeiten richtet.Denn Jahreszeitenqualitäten sind engmit Organtätigkeiten verknüpft, so hatbeispielsweise das Frühjahr mit seinenAufbaukräften einen starken Bezug zurLeber o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herbst steht mit <strong>der</strong>Lunge in Verbindung – im Jahresrhythmuslebt also unser physischer Körper.Der Wochenrhythmus hingegen stärktdie seelischen Kräfte (Astralleib) und<strong>der</strong> Monatsrhythmus die Lebenskräfte(Ätherleib) des Menschen, während unserIch im Tagesrhythmus lebt.In <strong>der</strong> Gegenwart wird es für dieEltern angesichts <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> häuslichenund beruflichen Aufgaben immerschwerer, den Lebensalltag mit den Kin<strong>der</strong>nangemessen zu strukturieren. Hierhat die Waldorfpädagogik weiterführendeLösungsansätze zur Hand, die Hilfestellungleisten können und die es weiterzuentwickelngilt. Darauf möchte auchdie Öffentlichkeitsarbeit immer wie<strong>der</strong>hinweisen.Celia Schönstedt,Pressesprecherin des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong><strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>Heileurythmie o<strong>der</strong> therapeutischeEurythmie wird in<strong>der</strong> Waldorfpädagogik vomKin<strong>der</strong>garten an bis in dieOberstufe als salutogenetischeMaßnahme intensiv gepflegt.


B I L D U N G S P O L I T I K14 |Sieben Kernfor<strong>der</strong>ungenan die Bildungspolitik 11Recht auf umfassendeBildung für jedes Kind 2Das Recht auf Bildung ist einMenschenrecht, an dem sichalle schulpolitischen Entscheidungenzu orientieren haben.Der BdFWS (<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong>) for<strong>der</strong>t, dasRecht auf selektionsfreie Bildungim deutschen Grundgesetzausdrücklich zu verankern.Der Schulpflicht ist <strong>der</strong>Anspruch eines jeden Kindesgegenüberzustellen.Das Recht auf Bildung heißt:• kulturelle undmusische Angebote• mehr als ein Prüfungs- undBerechtigungswesen• Recht auf die Entfaltung<strong>der</strong> Persönlichkeit.Das Recht auf Bildung istdie Antwort <strong>der</strong> Zivilgesellschaftauf staatliche Schul -monopole. – Daraus folgt:2Freiheit in <strong>der</strong>BildungWer handelt, übernimmt Verantwortung.Wer pädagogischhandelt, erhält diese Verantwortungvon den Eltern, <strong>der</strong>Gesellschaft und dem Staatübertragen, übernimmt sie abervor allem gegenüber den konkretenKin<strong>der</strong>n und Jugend -lichen, mit denen er arbeitet.Lebendige Pädagogik entstehtnur, wenn sich die Lehrer alsGestalter und Begleiter einesaktiven Lernprozesses verstehen,nicht als Ausführende externvorgegebener Standardso<strong>der</strong> Curricula.Der BdFWS for<strong>der</strong>t deshalbAutonomie aller Schulen in <strong>der</strong>Gestaltung ihrer Profile und<strong>der</strong>en Umsetzung, ihrer personellenAusstattung sowie <strong>der</strong>Verwendung <strong>der</strong> ihnen zuzuweisendenBudgets.3Qualitätsentwicklungstatt BildungsstandardsGuter Unterricht braucht guteLehrer. Bildungsstandards könnenpädagogische Qualität we<strong>der</strong>erzeugen noch ersetzen. In<strong>der</strong> Praxis sind sie längst zumheimlichen Lehrplan geworden(„Teaching for the test“).Der BdFWS for<strong>der</strong>t daher dieAblösung <strong>der</strong> pädagogischunproduktiven Regelstandardsdurch Mindeststandards: Werdiese nicht erreichen kann,hat einen Anspruch auf individuelleFör<strong>der</strong>ung. Außerdemsind Verfahren zur fortlaufendenQualitätsentwicklunginnerhalb <strong>der</strong> Kollegien zuför<strong>der</strong>n (Intervisionsgruppen,pädagogische Grundlagenarbeit).4Chancengleichheitdurch freie SchulwahlChancengleichheit entstehtdurch Chancenvielfalt – alleFamilien sollen eine Wahlzwischen unterschiedlichenSchulen für ihre Kin<strong>der</strong> haben.Diese Wahl muss unabhängigvon <strong>der</strong> Finanzkraft <strong>der</strong> Elterngetroffen werden können. DieSchulgesetzgebung <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>för<strong>der</strong>t ein Zwei -klassensystem, indem sie diefreien Schulen durch unzureichendeFinanzhilfen zur Erhebungvon Schulgeld zwingtund sie damit in eine privateNische abdrängt. Die Lehrerleisten teils erhebliche Gehaltsverzichte,um auch einkommensschwächerenKin<strong>der</strong>nden Zugang zu ihrer Schuleoffen halten zu können. Dieinnovativen Ideen <strong>der</strong> freienSchulen werden gerne undoft kopiert, Eltern und Lehrerdieser Schulen werden jedochfür ihr gesellschaftliches Engagementabgestraft.Der BdFWS for<strong>der</strong>t: DieFinanzmittel folgen demElternwillen durch die Aus -zahlung einer Schülerkopf -pauschale an die Schule ihrerWahl. Durch variable Anteile<strong>der</strong> Pauschalen können pädagogischeInitiativen auch insozial benachteiligten Gebietenentstehen und einen produktiven,aber gerade nichtkommerziell ausgerichtetenWettbewerb beflügeln.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013linear<strong>Bund</strong><strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong><strong>Bund</strong><strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong><strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong>| 15mit weißer Innenlinie<strong>Bund</strong><strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong>zum korrigieren5Inklusion –kein SparmodellInklusion ist eine gesellschaftlicheIdee, die einen Prozessdes Umdenkens, „Umfühlens“und Umlernens notwendigmacht. Sie lässt sich nicht verordnen,aber um sich überhauptentfalten zu können,braucht sie eine infrastrukturelleBasis, die das auf Selek -tion aufgebaute Schulwesenvollständig überwindet.Der BdFWS for<strong>der</strong>t zusätz -liche Finanzhilfen für die Fortbildungaller Lehrer, für therapeutischeFör<strong>der</strong>maßnahmenund für nötige bauliche Investitionen.6Lehrerbildungradikal erneuernLehrer müssen ihr kreativenMöglichkeiten schon während<strong>der</strong> Ausbildung kennen un<strong>der</strong>weitern lernen. Neben <strong>der</strong>Fachlichkeit müssen die angehendenLehrer auch ihre Persönlichkeitsowie ihre Empathie-und diagnostischen Fähigkeitenausbilden. Pädagogikbedarf <strong>der</strong> wissenschaftlichenFundierung und Reflexion,im Vollzug ist sie aber eineKunst, die nur übend erworbenwerden kann.Der BdFWS for<strong>der</strong>t ein Umdenkenin <strong>der</strong> Lehrerbildung.7Vielfalt för<strong>der</strong>n <strong>Bund</strong> –<strong>der</strong> <strong>Freien</strong>Kulturmonopole <strong>Waldorfschulen</strong> abbauenMonokulturen führen zur Verarmung,Vielfalt hingegen zueiner lebendigen Entwicklung– in <strong>der</strong> Kultur nicht wenigerals in <strong>der</strong> Natur. Trotz dieseroffensichtlichen Tatsache wirdim deutschen Schulwesen<strong>Bund</strong><strong>der</strong> <strong>Freien</strong>noch häufig <strong>der</strong> Vereinheitlichungund Standardisierung<strong>Waldorfschulen</strong>das Wort geredet.Der BdFWS for<strong>der</strong>t einengrundlegenden Paradigmenwechselim hierarchischenVerhältnis von staatlicherSchulaufsicht und einzelnerSchule. Dem Verständnis <strong>der</strong>staatlichen Schule als „Regelschule“setzt er die Idee einesgestalteten Pluralismus ent -gegen. „Gestaltet“ heißt hier,dass die staatlichen Organesich auf die Rechtsaufsichtkonzentrieren und die inhalt -liche Ausgestaltung des Schullebens– einschließlich <strong>der</strong>schulübergreifenden Absprachen(Mindeststandards, gemeinsamecurriculare Zielefür bestimmte Klassenstufen,Leistungsnachweise etc.) –den Handelnden vor Ort überlassen.Das oft gerühmte Innovationspotenzial<strong>der</strong> Schulenin freier Trägerschaft gehtunmittelbar auf die Praxis undErfahrung mit dem gestaltetenPluralismus zurück. Von denErfahrungen <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>in <strong>der</strong> Selbstorganisationsollten alle Schulen profitierenkönnen.zweifarbig mit Übergriff<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong>mit weißer umlinieVorstand <strong>Bund</strong> <strong>der</strong><strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>Birgitt BeckersErika Blass-LossDr. Albrechtmit weißerHüttigumliniefür Blickpunkt 3Hans-Georg HutzelHenning Kullak-UblickDr. Richard LandlWalter Riethmüller1) „Eigenverantwortung ist gegenwärtig ein zwar fachlichund bildungspolitisch gewünschtes, von den vorliegendenrechtlichen Rahmenbedingungen und Kompetenzzuweisungenher jedoch nur nachrangig zugelassenesbzw. toleriertes Element. Verantwortung im Schulbereichist weitestgehend zentral bei Regierung undAufsichtsbehörden konzentriert ... Das öffentlicheSchulwesen leidet darunter, dass es mit weitgehendstandardisierten Modellen betrieben wird und einerHerausfor<strong>der</strong>ung durch alternative und konkurrierendepädagogische und organisatorische Modelle kaum ausgesetztist. Qualitätsverbessernde Impulse, die sich auseinem Wettbewerb unterschiedlicher Konzepte ergebenkönnten, spielen bisher kaum eine Rolle im Steuerungssystem.Mit <strong>der</strong> primär zentralen Steuerung gehteine Dominanz von Verwaltungs- und Organisationsbelangengegenüber pädagogischen Zielen einher,weshalb <strong>der</strong>zeit solche pädagogischen Innovationenam ehesten Realisierungschancen haben, die mit dentradierten Organisationsstrukturen vereinbar sind. Begünstigtwerden also nicht das Experimentieren unddas Entdecken neuer Problemlösungen. Das Systemtendiert vielmehr zur Stabilisierung vorhandener Strukturenund Verfahren. Es ist nicht auf Entwicklung undkontinuierliche Qualitätsverbesserung ausgerichtet,son<strong>der</strong>n auf Fehlersuche und Fehlervermeidung. Es behin<strong>der</strong>tso oft Eigeninitiative, lähmt Risikobereitschaftund Selbstverantwortung ... Das Schulsystem än<strong>der</strong>tsich zu langsam, um mit den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> gesellschaftlichenWirklichkeit Schritt halten zu können.“Diese Analyse stammt aus dem Jahr 1995, nachzulesenin <strong>der</strong> Denkschrift „Zukunft <strong>der</strong> Bildung – Schule<strong>der</strong> Zukunft“, die vom späteren <strong>Bund</strong>espräsidentenJohannes Rau in Auftrag gegeben worden war.2) Artikel 26 (Recht auf Bildung), Absatz 1 <strong>der</strong> AllgemeinenErklärung <strong>der</strong> Menschenrechte: Je<strong>der</strong> Menschhat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstensin den Elementar- und Grundschulen unentgeltlichsein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch.Fachlicher und beruflicher Unterricht soll allgemeinzugänglich sein; die höheren Schulen sollen allen nachMaßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen in gleicherWeise offen stehen. Absatz 3: In erster Linie habendie Eltern das Recht, die Art <strong>der</strong> ihren Kin<strong>der</strong>n zuteilwerdenden Bildung zu bestimmen.


I N N O V A T I O N16 |Jahrgangsübergreifende Klasseneine Notlösung o<strong>der</strong> Innovation?In mindestens zehn <strong>Waldorfschulen</strong> gibt es zurzeitjahrgangsübergreifende Klassen (JÜK), in<strong>der</strong> Schüler aus zwei o<strong>der</strong> sogar mehr Jahrgängengemeinsam unterrichtet werden. Während siebisher aber eher als Notlösung aufgefasst wurden,geht man beim BdFWS jetzt <strong>der</strong> Fragenach, ob hier nicht auch ein neues pädagogischesKonzept im Werden begriffen ist.Wurden bisher <strong>Waldorfschulen</strong> eher in bevölkerungsreicherenGebieten gegründet, so bildensich jetzt auch in dünn besiedelten, ländlichenRegionen zunehmend Elterninitiativen, die eineneue Waldorfschule gründen wollen.In den betreffenden Gebieten ist es von vornhereinabzusehen, dass keine Schülerzahlen von25 und darüber pro Jahrgang zu erreichen sind– eine Zahl, bei <strong>der</strong> eine Schule noch finanzierbarist. Bisher konnte dann von einer Gründung nurabgeraten werden. Demgegenüber steht jedochdas Selbstverständnis <strong>der</strong> Waldorfpädagogik,dass nicht die Besiedelungsdichte über ihre Verwirklichungentscheiden darf. Hierfür sind aberneue Formen <strong>der</strong> Realisierung zu entwickeln.Erweitert man den Blick auf die über 1000<strong>Waldorfschulen</strong> weltweit in circa 60 Län<strong>der</strong>n undauf allen Kontinenten, so findet man dort je nachden örtlichen Bedingungen und den kulturellenTraditionen bereits heute sehr unterschiedlicheFormen <strong>der</strong> Gestaltung von Waldorfunterricht.Darunter sind auch solche, bei denen altersinhomogeneGruppen gemeinsam unterrichtet werden.Auch in Europa existieren bereits solcheSchulen mit jahrgangsübergreifenden Klassenzum Beispiel in Holland und in <strong>der</strong> Schweiz.In Deutschland tut man sich damit noch schwer.Das liegt auch daran, dass die menschenkundlich-pädagogischenFragen, die durch diese Unterrichtsformunmittelbar aufgeworfen werden,bisher kaum bearbeitet worden sind. So ist dieZurückhaltung gegenüber dieser Schulform verständlich,da entscheidende qualitative Grundsätze<strong>der</strong> Waldorfpädagogik dabei berührt werden.Bisher galt <strong>der</strong> jahrgangsübergreifende Unterrichtnur als eine Notlösung, die aus waldorfpädagogischerSicht nicht wirklich vertretbar istund daher so schnell wie möglich überwundenwerden sollte. So wurden zum Beispiel bei mancherNeugründung aufgrund zu kleiner SchülerzahlenDoppelklassen gebildet mit dem Ziel,diese so bald wie möglich wie<strong>der</strong> zu trennen.Angeregt durch die Neugründungen in bevölkerungsarmenGebieten hat sich im BdFWSjetzt ein Arbeitskreis für die Bearbeitung <strong>der</strong>damit aufgeworfenen Fragen gebildet. Dieserwurde als Initiativkreis zusammengestellt. Es arbeitenLehrer mit, die zunächst eine langjährigeErfahrung in einer Regel-Waldorfschule gemachtund dann den Unterricht in einer Schule mitDoppelklassen aufgenommen haben. So sollte<strong>der</strong> Zielsetzung entsprochen werden, die Erfahrungenvon jahrgangshomogenen Klassen mitdenen jahrgangsübergreifen<strong>der</strong> Klassen vergleichenzu können. Auch handelt es sich bei dieserGruppe um Lehrer aus solchen Schulen, die dasKonzept <strong>der</strong> jahrgangsübergreifenden Klassenausdrücklich als ihr Schulprofil gewählt haben.Notwendig ist zunächst, die Grundfragen herauszuarbeiten,die es vorbehaltlos zu untersuchengilt. Die Aufgabenstellung wurde zunächst eingeschränktauf den Bereich <strong>der</strong> Hauptunterrichtsepochenin <strong>der</strong> Klassenlehrerzeit. Im Blickfeldstanden dabei die zentralen Epochen, die die beson<strong>der</strong>enEntwicklungsschritte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aufgreifen.Als weiteres Thema trat gerade für dieunteren Klassen die Frage nach <strong>der</strong> Zuwendungdes Lehrers zu den Kin<strong>der</strong>n auf. Dieser schafftdie emotionale Hülle für eine freudige und vonInteresse getragene Lernatmosphäre. Jedes Kind


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 17soll sich wie selbstverständlich eingebettet undvom Lehrer wahrgenommen fühlen.Auch wurde die Situation bei zwei Lerngruppenin <strong>der</strong> Klasse untersucht, die neben gemeinsamenUnterrichtsteilen auch unterschiedlicheAufgabenstellungen bearbeiten sollen o<strong>der</strong> anverschiedenen Inhalten (Epocheninhalten) arbeiten.Für die eine Gruppe kann <strong>der</strong> Lehrer geradedie Lernatmosphäre zum Beispiel durchentsprechende Bil<strong>der</strong> und vorbereitende Unterrichtsgesprächeschaffen; doch was bedeutet dasfür die an<strong>der</strong>en? O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s formuliert: Wie erlebtsich eine Gruppe Erstklässler, wenn ihr geliebterLehrer sich von ihnen ab- und seine ganzeAufmerksamkeit den Zweitklässlern zuwendet?Eine weitere Herausfor<strong>der</strong>ung stellt <strong>der</strong> Umgangmit Unterrichtsmaterialien dar. Eine Schülergruppemuss in die Lage versetzt werden,über einen gewissen Zeitraum selbstständig aneiner Aufgabe zu arbeiten, ohne dass <strong>der</strong> Lehrerje<strong>der</strong>zeit als Helfer und Ermutiger zur Verfügungsteht. Hier tritt die Spannung auf zwischen demAnspruch, dass die Kin<strong>der</strong> die Welt kennenlernensollen durch die Persönlichkeit des Lehrers, überseine Darstellung und das von ihm geführte Unterrichtsgesprächauf <strong>der</strong> einen und dem Arbeitenanhand von vorbereiteten Aufgaben und Materialienauf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.Diese Fragen lenken den Blick jedoch nur aufdie neu entstandenen pädagogischen Herausfor<strong>der</strong>ungen.Der altersinhomogene Unterrichtbietet aber auch Vorteile und neue Möglichkeitenim Vergleich zur Regel-Waldorfschule. Zum einenist die viel intensivere soziale Gemeinschaft anzuschauen,die sich durch die deutlich geringereSchülerzahl (zwischen 100 und 150 Kin<strong>der</strong> proSchule) herausbildet, und zum an<strong>der</strong>en die deutlichgrößere Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeitfür ihr Lernen, die die Schüler schonfrüh entwickeln müssen.Betrachtet man die bisher existierende Literaturzu diesem Thema aus dem Bereich <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>,so kann man nur auf wenige Darstellungenzurückgreifen. Fundierte Darstellungen <strong>der</strong>neuen Fragestellungen sucht man bisher vergeblich.In diesem Mangel spiegelt sich das bisherigeVerhältnis zu dieser Schulform wi<strong>der</strong>, die nur alsZwischenstadium angesehen worden ist.Angesichts dieser Ausgangslage hat es sich<strong>der</strong> Arbeitskreis zur Aufgabe gemacht, zunächstmit einem systematischen Erfahrungsaustauschzu beginnen, diesen zu dokumentieren unddaraus Forschungsfragen zu formulieren. ImHerbst 2013 soll ein Thementag eine Darstellung<strong>der</strong> bisherigen Ergebnisse <strong>der</strong> Arbeitsgruppe ermöglichen.Geplant ist auch ein Forschungsprojektan <strong>der</strong> Alanus Hochschule, das vom BdFWSbegleitet und finanziell geför<strong>der</strong>t wird. Die vorhandenenErgebnisse bilden die Grundlage fürdie Entwicklung eines entsprechenden qualitativ-empirischenForschungsdesigns.Eine beson<strong>der</strong>e Forschungsaufgabe wird sein,die neuen Möglichkeiten, die eine solche Schulformbietet, als eine eigene Qualität zu ermittelnund die dafür notwendigen Bedingungen herauszufinden.Dies setzt voraus, dass man sichintensiv mit den Fragen nach den essenziellenGrundlagen <strong>der</strong> Waldorfpädagogik beschäftigtund diese aus den gewachsenen und gewohntenFormen löst und neu formuliert.Dr. Richard LandlMitglied des <strong>Bund</strong>esvorstandsdes BdFWS


I N N O V A T I O N18 |Berufliche Bildung als Neulandfür die WaldorfpädagogikMit <strong>der</strong> Emil-Molt-Akademie (EMA) in Berlin istwaldorfpädagogisches Neuland betreten wordenin verschiedener Hinsicht: Zum einen handeltes sich um die Frage, was junge Menschen im 3.Jahrsiebt brauchen, zum an<strong>der</strong>n ist das Umfeldeine Großstadt mit ihren beson<strong>der</strong>en Bedingungen,die auf Dienstleistungsunternehmen undmo<strong>der</strong>nen Berufsformen basiert.Zu den pädagogischen Notwendigkeiten im3. Jahrsiebt findet sich im Werk von RudolfSteiner <strong>der</strong> allgemeine Hinweis: „Und diese Kraft<strong>der</strong> allgemeinen Menschenliebe, die sollte in <strong>der</strong>Zeit, wenn die Kin<strong>der</strong> die Schule verlassen unddann in an<strong>der</strong>e Anstalten kommen o<strong>der</strong> in dieLehre kommen o<strong>der</strong> so etwas, da beson<strong>der</strong>s gepflegtwerden.“ Steiner begründet dies mit demallgemeinen Gedanken <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit imWirtschaftsleben: „Denn niemals wird diejenigeKonfiguration des Wirtschaftslebens, welche einehistorische For<strong>der</strong>ung ist, durchglüht sein könnenvon dem sie durchglüht sein soll, von Brü<strong>der</strong>lichkeit,das heißt von allgemeiner Menschenliebe,wenn nicht in diesen Jahren die allgemeine Menschenliebeentwickelt wird.(1)Aber wie ist dies konkret umzusetzen?Am Beispiel <strong>der</strong> EMA lassen sich wesentlichePhänomene und Herausfor<strong>der</strong>ungen des Jugendaltersaufzeigen, die für die Oberstufe insgesamtzutreffen, aber hier wie im Brennglas fokussiertwerden: Die Orientierung von Jugendlichen in<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen unübersichtlichen Welt des „anythinggoes“, außerdem <strong>der</strong> Umgang mit problematischenbis gescheiterten Schul- und Sozialisationsprozessen.Dazu gehört auch die Persönlichkeitsentwicklungvon Jugendlichen, die nichtdas Glück hatten, auf <strong>der</strong> „Geraden“ von Klasse1 zum Abitur zu kommen, son<strong>der</strong>n die den Weg„<strong>der</strong> Krummen“ gehen.1) Erziehungsfrage als soziale Frage,1. Vortrag Dornach, 10. August 1919, S. 21In alle diese Punkte müsste man tiefer einsteigenund sorgfältig die überfällige Waldorf-Oberstufen-Debatteführen, die mit Sicherheit aufstreitbare Themenfel<strong>der</strong> führt. Das kann hiernicht intendiert sein. Diese Skizze dient <strong>der</strong> Einführungin die Arbeit <strong>der</strong> EMA und macht dieseunglaublich spannende und befeuernde Arbeitvielleicht etwas plastischer.Herausfor<strong>der</strong>nd dabei ist nicht nur die Defini-


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013tion <strong>der</strong> inneren Arbeit als Erziehungskunst, son<strong>der</strong>nauch die Aufgabe, diese mit den Rahmenbedingungenund Richtlinien für berufsbildendeEinrichtungen zu verbinden. Ein gutes Stück Arbeit!Wenn man von einer Regelwaldorfschulekommt, wird einem schnell deutlich, was füreinen soliden Status die Berliner <strong>Waldorfschulen</strong>sich innerhalb <strong>der</strong> Schuladministration und in<strong>der</strong> Politik erkämpft haben.Denn in den Abteilungen <strong>der</strong> Berufsbildungstoßen wir immer wie<strong>der</strong> auf fragende Gesichter:Kunst im Stundenplan? Und gar noch Eurythmie?Epochenunterricht und Darstellendes Spiel nichtnur als AG?Elemente, die an <strong>Waldorfschulen</strong> als anerkanntgelten, müssen hier beson<strong>der</strong>s begründet undbelegt werden. Das strengt an, hilft aber, diefraglos integrierten Traditionen nun nochmals


I N N O V A T I O N20 |Wie lassen sich Fächer wie Datenverarbeitungund Betriebspraxis erziehungskünstlerischso durchdringen, dass daraus waldorfpädagogischeFächer werden?auf ihre Bedeutung und Begründung im pädagogischenProzess abzuklopfen und teilweise zutransformieren. Natürlich kommen dabei bisweilenungeliebte Kompromisse heraus. Wir arbeiten jedochan <strong>der</strong> von Rudolf Steiner gefor<strong>der</strong>ten„Schmiegsamkeit“ in <strong>der</strong> konkreten Realisierungund im Verhandlungsprozess.Welche Jugendlichen kommen an die EMA?Die EMA begreift sich als WaldorfpädagogischeOberstufe und Berufsbildungsstufe, die nicht nurWaldorfschülern offensteht. Für eine wirtschaftlichtragfähige Auslastung günstig ist natürlich, dasses in Berlin und im näheren Umfeld über 10 <strong>Waldorfschulen</strong>gibt, die nach anfänglicher Skepsismittlerweile entsprechenden SchülerInnen dieAkademie empfehlen. Wenn diese nach einemersten erreichten Abschluss die Schule verlassenwollen, so wäre es doch sehr schade, wenn siemangels Optionen den Waldorfbereich ganz verlassenmüssten.Daher kommen die SchülerInnen <strong>der</strong> EMAsowohl aus den Oberstufen <strong>der</strong> nahen <strong>Waldorfschulen</strong>als auch von <strong>Waldorfschulen</strong> aus dem<strong>Bund</strong>esgebiet, mehr als die Hälfte aus an<strong>der</strong>enSchulsystemen. Natürlich stellt sich dann dieFrage, ob und wie Waldorfpädagogik in diesemAbschnitt <strong>der</strong> Biografie noch greifen kann. Insgesamtist <strong>der</strong> Anteil von SchülerInnen mit brüchigenund auch gescheiterten Schulkarrierensehr hoch.Der Anteil <strong>der</strong> SchülerInnen mit nicht deutscherHerkunft liegt insgesamt bei ca. 50 % wobei wirerleben, dass dieses Kriterium oft missinterpretiertwird. Die Frage <strong>der</strong> Herkunft ist weniger dasEntscheidende, son<strong>der</strong>n viel gravieren<strong>der</strong> sindFragen des sozialen Milieus, aus dem die Schülerkommen. Und hier erleben wir sehr große Verwerfungenund Klüfte, mit denen wir als Kollegiumaktiv kreativ umgehen müssen. Auf alleFälle ist dies eine Frage eines beson<strong>der</strong>s individualisiertenUnterrichts, seien es nun Wahlmöglichkeiten,individuelle Angebote o<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit in<strong>der</strong> Bearbeitung Lernbüros mit <strong>der</strong> Möglichkeit,individuell Zusatzqualifikationen samt Bescheinigungen– in Richtung Portfolio – zu erlangen.Beson<strong>der</strong>s wichtig dabei ist die Einbettung ingeeignete Praktika, die relativ lange sind. Hierstehen wir vor schwierigen Aufgaben <strong>der</strong> Auswahlsinnvoller Stellen, <strong>der</strong> Betreuung und <strong>der</strong> permanentenBegleitung durch Besuche und Lernbriefe,denn ein gelungenes Praktikum ist fürdie Entwicklung <strong>der</strong> SchülerInnen von entscheiden<strong>der</strong>Bedeutung und kann mehr vermitteln alsmanche schulische Trockenübung.Unser Ziel ist es jedoch, neben <strong>der</strong> Berufsvorbereitungund <strong>der</strong> Persönlichkeitsbildung generellden Schülern deutlich zu machen, dass sie wahrun<strong>der</strong>nst genommen werden und dass wir einechtes Interesse an je<strong>der</strong> Individualität haben.Für ihr Engagement muss den KollegInnen einäußerst großer Dank ausgesprochen werden.„Was bitte ist denn Eurythmie und weshalbsoll ich hier auch noch singen?“ Diese Frageweist auf ein großes Forschungsfeld hin. Wirsind eine berufsbildende Schule und konfrontierenunsere Schüler mit Fächern, die aus ihrer Erfahrungsperspektivekeine Verbindung zur Berufswelthaben. Unser Forschen in diesen Fragenorientiert sich an den Sätzen Steiners im VortragMenschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung:„Der Geschichtslehrer lebt eigentlich von demMusiklehrer, von dem Gesanglehrer, und umgekehrt.“Wie kann das für die Kollegen und fürdie Schüler auch im 3. Jahrsiebt Realität werden?Wie können wir die Künste – und damit ein Umgangmit ästhetischen Fragen und Erkenntnisperspektiven– so in den berufsbildenden Unter-


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 21richtsablauf einglie<strong>der</strong>n, dass am praktischenTun <strong>der</strong> Sinn erlebt werden kann? Viele SchülerInnenhaben mit diesen Fächern im günstigenFall keine Erfahrungen gemacht, bei vielenstehen die Erfahrungen dabei im Weg, sich aufdiese Arbeit einzulassen.Hier muss stets ein neuer Griff gelingen, <strong>der</strong>sowohl inhaltliche (künstlerischer Ausdruck vonThemen) als auch methodische Bezüge (Rhetorikund Kunst) herstellt, aber vor allem für die Persönlichkeitals bedeutsam wahrgenommen wird.Dabei spielen Fel<strong>der</strong> wie Erfahrung von Selbstwirksamkeit,Erlebnis eines erfolgreichen Übprozesses,Ausdrucksfähigkeit und nicht zuletztBegeisterungsfähigkeit und das Erlernen <strong>der</strong>selbeneine wesentliche Rolle. Zugegebenermaßenscheitern wir an diesen hehren Zielen bisweilen,doch aus dem Gelingen – wie aus dem Misslingen– versuchen wir zu lernen durch forschendePraxis. Dabei haben diese Prozesse eine unglaublich„verlebendigende“ Auswirkung aufein Kollegium.Ein weiteres Feld: Wie lassen sich Fächer wieDatenverarbeitung und Betriebspraxis erziehungskünstlerischso durchdringen, dass darauswaldorfpädagogische Fächer werden? Über diereine möglichst gute Vorbereitung auf den Berufund auf die notgedrungen vorgeschaltete Prüfungsollen sie auf menschenkundlicher Basis denMehrwert bieten, <strong>der</strong> den Schülern einen Zugangzur „allgemeinen Menschenliebe“ eröffnet unddamit auch den Umgang mit ihrer Freiheit undihrem Schicksal.An unseren SchülerInnen erleben wir oft indiesen Dingen das Phänomen <strong>der</strong> Weltferne,eine Distanz zur Welt, eine eigentümliche Abgeschnittenheitvon ihrer konkreten Lebenswelt,die wie eine Mauer wirkt und ihre Willensimpulseins Leere laufen lässt o<strong>der</strong> sogar verhin<strong>der</strong>t, dasssich <strong>der</strong> Willen mit <strong>der</strong> Welt verbindet. Um die


I N N O V A T I O N22 |Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung so zu verknüpfen unduntereinan<strong>der</strong> sinnvoll zu verschränken, damitdiese Weltfremdheit durchbrochen werden kann,ist wie<strong>der</strong> die Arbeit im Kollegium wesentlich.Eine enorme Hilfe ist dabei <strong>der</strong> Austausch mitan<strong>der</strong>en Kollegen, die an solchen Fragen arbeiten,z. B. bei den Treffen <strong>der</strong> Waldorf-Berufs-Kollegs,ausgerichtet durch die Alanus-Hochschule undinitiiert u. a. durch Prof. Peter Schnei<strong>der</strong> und Dr.Dietmar Müller. Dabei konnten Erfahrungen ausgetauscht,wissenschaftlich bearbeitet und dokumentiertwerden und es entstanden Lernzusammenhängeunter Kollegen, die nun in spezifischeLehrerInnen-Fortbildungen für Berufskollegsmünden. Eine erste Fortbildung für KollegInnen,die an diesen Fel<strong>der</strong>n arbeiten, findetmit finanzieller Unterstützung des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong> Anfang 2014 statt. Dies ist jedocherst ein Anfang für ein eigenes System von Weiterbildungenund Praxisforschungen, die initiiertwerden müssen.Derzeit beschäftigt uns die Entwicklung einerfür uns angemessenen Form des „pädagogischenEntwicklungsdialogs“, <strong>der</strong> darauf Rücksichtnimmt, dass wir keine Kin<strong>der</strong> und eigentlichnicht einmal SchülerInnen haben, son<strong>der</strong>n mitJugendlichen arbeiten, für die eigene ihnen gemäßeFormen gefunden und geübt werden müssen.Hier experimentieren wir intensiv und erlebenjedoch in <strong>der</strong> Annäherung an die uns gemäßeForm bereits jetzt die positiven Auswirkungenund Wechselwirkungen auf die Schüler/Auszubildendenund die Kollegen gleichermaßen.Nach unserer Ansicht ist dies ein Feld, dasinsgesamt für Waldorfoberstufen noch stärkerentwickelt und erprobt werden muss. Hoffnungsvollerscheint, dass die EMA in den Waldorfberufskollegs,die fast zeitgleich in NRW entstandensind, und Initiativen wie IBIS in Stuttgart Mitstreiterund Mitentwickler hat. Denn gerade dieOberstufe braucht Innovation und Impulse, sonstdroht sie zum Waldorfgymnasium auszudünnen.Die Vielzahl <strong>der</strong> neu zu entwickelnden Abschlüssekönnte eine überfällige Verbreiterung <strong>der</strong> Waldorfoberstufedarstellen. Das pädagogische Neuland,das die EMA und die Berufskollegs betretenhaben, könnte so eine erfolgreiche Waldorftraditionim Bereich <strong>der</strong> beruflichen Bildung rekonstruieren.Sie stellen sich damit auch in die Traditiondessen, was Emil Molt in seiner Zeit verkörperte:Unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Dreiglie<strong>der</strong>ungwirtschaftliche Kompetenz und sozialesEngagement zur Tat verbinden.Hans-Georg HutzelVorstandsmitglied des BdFWS,Leiter <strong>der</strong> EMA


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 23Zur Geschichte <strong>der</strong>Emil-Molt-AkademieDer Impuls kam eigentlichvon außen an die Emil-Molt-Schule heran, eine alteingesesseneWaldorfschule im BerlinerSüden. Dort gab es fürdie SchülerInnen kein hauseigenesAbitur. Nun sollte eineeigene Fachoberschule (FOS)für Sozialpädagogik eingerichtetwerden, juristisch gabes für die allgemeinbildendeEmil-Molt-Schule jedoch keineMöglichkeit, eine solcheberufsbildende Schulart mitöffentlichen Gel<strong>der</strong>n zu betreiben.Der Senatsverwaltung istes zu danken, dass <strong>der</strong> Kontaktzur privaten Kantschulehergestellt wurde, die ihreProfilbildung in Richtung Exzellenz-Gymnasiumausrichtenwollte und bei <strong>der</strong> dahereine genehmigte – und überdiesfinanzierte – Fachoberschule(FOS) mit Berufsfachschule(BFS) überflüssig gewordenwar. Durch Vermittlungdes Senats konnte dieEmil-Molt-Schule die damaligeKant-Akademie samt Kollegiumübernehmen. DessenEntwicklung wäre eine eigeneGeschichte wert, aber sie sollhier nicht Thema sein.Nun hatte die <strong>Waldorfschulen</strong>icht nur die Genehmigungund das Geld für ihre FOS,son<strong>der</strong>n darüber hinaus auchnoch eine FOS für Wirtschaftund zwei schulische kaufmännischeAusbildungsgänge: einenmit dem Ziel Fremdsprachen-und EuropasekretärInsowie einen weiteren für Daten-und Informationsverarbeitung.Hinzu kam eine einjährigeBerufsfachschule, in<strong>der</strong> man den Realschulabschlussnachmachen kann, <strong>der</strong>in Berlin Mittlerer Schulabschluss(MSA) heißt.Die Akademie wurde imJahr 2011 offiziell in Emil-Molt-Akademie umbenanntund arbeitet seither intensivan <strong>der</strong> Erweiterung ihres Angebotsdurch die Einführung<strong>der</strong> Ausbildung zum Sozialassistenten2011 und den Aufbau<strong>der</strong> Fachschule für Heilerziehungspflege(HEP) 2013(s. Grafik S. 21). Gearbeitetwird auch an <strong>der</strong> waldorfpädagogischenDurchdringungdieser beruflichen Bildungsgänge.Steiners Vortrag „DieErziehung als soziale Frage“(1. Vortrag, 10. August 1919)zum Verhältnis von Arbeit,Ware und Kapital zeigt, wieeng die Potenziale sowie dieRisiken des SpannungsfeldsWirtschaft und Soziales mitden Grundanliegen <strong>der</strong> Erziehungskunstverwoben sind.


V O R S T A N D S B E R I C H T E24 |„Zu erleben, dass das Ganze mehr ist alsdie Summe seiner Teile“Seit fast zwölf Jahren hatBirgitt Beckers, Waldorfklassenlehrerinaus Haan-Gruiten,im <strong>Bund</strong>esvorstand die Geschickedes BdFWS mitgestaltet.Für die Wahl im März 2014wird sie nicht mehr kandidieren.Der Jahresbericht Waldorfhat mit ihr ein Resümee überihre Tätigkeit für die Waldorfschulbewegunggezogen.JW: Frau Beckers, wenn Siemal zurückdenken an all dievielen Stunden, die Sie mit <strong>der</strong>Vorstandsarbeit verbracht haben,an was erinnern Sie sicham liebsten, was waren ausIhrer Sicht die Höhepunkte?Beckers: Es ist ja die Frage,wie so ein Gremium als„Kopf“ des Ganzen dienlichsein kann für die Schulbewegung.Wie kann man das füllen?Wir haben ja keine Hierarchie,die Schulbewegungbesteht aus autonomen Menschen,die persönlich Initiativenergreifen. Wie kann sichvor diesem Hintergrund Gemeinschaftbilden? Auch imletzten Vorstand sind wir ja alssieben Personen gewählt worden,einfach so zusammengewürfelt.Da war es für mich ein wichtigesErlebnis, wie bei unserenZusammenkünften, im Sprechenund gemeinsamen Überlegenimmer wie<strong>der</strong> Momenteentstanden sind, in denen dieGeistesgegenwart so dichtwar, dass man merkte: Hierentsteht jetzt so etwas wiegeistige Substanz. Das hatmich jedesmal tief beeindruckt.JW: Meinen Sie, dass das einewichtige Funktion des Vorstandsist?Beckers: Ich denke, dass dieseoben beschriebene Form <strong>der</strong>gemeinsamen Vertiefung dieEbene ist, auf <strong>der</strong> Menschenzukunftsbildend tätig seinkönnen. Viele Menschen inunseren Zusammenhängenwerden solche Erfahrungengemacht haben. Die Arbeit im<strong>Bund</strong>esvorstand war lediglichdadurch begünstigt, weil hierPersönlichkeiten zusammenkamen,die alle für die Waldorfpädagogiketwas bewegenwollten und sich weitestgehendfrei von persönlichenEgoismen o<strong>der</strong> Ängsten einbrachten.Ich bin aber fest davonüberzeugt: Ohne dieseSubstanzbildung geht es nicht.Und man merkt: das Ganze istdann in einem solchen Momentmehr als die Summe <strong>der</strong>Teile. Diese Erfahrung, dienehme ich mit aus dieser Arbeit.Die Impulse, die so entstehen,wirken über viele Monate,wenn dann je<strong>der</strong> in seinArbeitsfeld zurückgeht unddort tätig ist. Darin liegt fürmich etwas ganz Zukünftiges,in dieser Art <strong>der</strong> Zusammenarbeitund <strong>der</strong> Verantwortlichkeit.Das strahlt dann auchnach außen.JW: Und wenn Sie jetzt mal andie an<strong>der</strong>e Seite denken: Gabes auch dunkle Stunden, indenen Sie dachten, jetzt gehtgar nichts mehr?Beckers: Das war dann <strong>der</strong>Fall, wenn man das Gefühl bekam,in <strong>der</strong> ganzen Verwaltungsarbeitzu ersticken. SoPunkt und Pünktchen abzuarbeitenund von einem Wustvon Details wie ausgehöhlt zusein.JW: Können Sie da Beispielenennen, welche Themen warendas vor allem?Beckers: Das Problem liegtweniger an den Themen als an<strong>der</strong> hygienischen Einteilungeines Arbeitstages. Es ist erstaunlich,dass Waldorfpädagogen,die in Bezug auf ihreSchüler genau wissen, wie einZeitrahmen geplant werdenmuss, damit seelisch geatmetwerden kann, dies völlig außerAcht lassen, wenn sie selbstmiteinan<strong>der</strong> arbeiten. In dieseFalle sind wir in <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esvorstandsarbeitebenfalls regelmäßighereingetappt. Danngab es natürlich auch Themen,die für mich negativ belegtwaren, weil sie sich über Monatehinzogen und alle an<strong>der</strong>enwichtigen Aufgaben beiseitedrängten.Das ging mirvor allem so bei den Finanzierungsfragenbezüglich <strong>der</strong>Hochschulentwicklung unsererSeminare.JW: Bei den Finanzierungsfragenstehen Sie damit ja nichtalleine, das ist ja gerade einWeltproblem und da empfindenviele so ähnlich.Beckers: Sicherlich, das ist so


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 25und bei <strong>der</strong> Lehrerbildungmuss man sich klarmachen,dass es sich um eine völligneue Fragestellung handelt.Wir sind ja zunächst einmaleine Schulbewegung undplötzlich ging es durch denBologna-Prozess darum, dassda auch ganze Hochschulenfinanziert werden müssen. Natürlichmüssen wir ernst nehmen,dass einer Hochschuleganz klar die Freiheit <strong>der</strong> Lehrezugestanden werden mussund dass sie sich selbstständigentwickelt. Als Erstes mussteBewusstsein geschaffen werdenauch für den Prozess anden Hochschulen selbst, z.B.darüber Klarheit zu bekommen,dass es etwas an<strong>der</strong>esist, nicht mehr ein Seminar des<strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>zu sein, son<strong>der</strong>n selbsteine freie Hochschule zu sein.Da mussten alte Fragestellungenüberwunden werden,die keine Lebenswirklichkeitmehr haben. Da gibt es auf<strong>der</strong> einen Seite viel Begeisterung,aber es ist auch klar,dass da ganz an<strong>der</strong>e Kräftegebunden werden als bisher,wenn man in diese Thematikeinsteigt. Es ist eben heuteganz an<strong>der</strong>s als früher: AusTradition geht nichts mehr, esmuss alles durch das wacheBewusstsein, das ist das Kennzeichenunserer Zeit.JW: Wenn wir jetzt nochmalauf die Vorstandstätigkeit zurückkommen:In Ihrem Text imletzten Jahresbericht habenSie dargelegt, dass <strong>der</strong> BdFWSeine subsidiäre Funktion hat,d.h., er wird dort unterstützendtätig, wo die Schulenselbst nicht mehr weiterkommen.Was waren denn IhrerErfahrung nach die wichtigstenThemen?Beckers: Als Vorstandsmitgliedsieht man vieles, was dieSchulen brauchen. Aber dieFrage ist: Erleben die Schulendas auch so und ist es für siezeitgemäß? Aus meiner Sichtgab es einige Bereiche, in denenes gut gelungen ist, daszusammenzubringen. Einmalwar das die Vernetzung, diewir in den letzten Jahren„rund um das Kind“ zustandegebracht haben. Es ist ein großerFortschritt, dass da jetztHeilpädagogen, Lehrer, Eltern,Erzieher, Hortner sowieÄrzte und Juristen an einemTisch sitzen und ihre Sicht -weisen einbringen. Das ist imGrunde wie<strong>der</strong> dasselbe Prinzipwie eben: Man muss zunächstBewusstsein schaffen.JW: War das vorher nichtüblich, sich auf dieser Ebenezusammenzusetzen?Beckers: Es war eine glücklicheSache, dass das so zustandekam, denn früher gab esdoch einige Empfindlichkeiten,da wäre das nicht so gegangen.Da dachte z. B. <strong>der</strong>Lehrer, dass seine Arbeit mehrwert ist als die einer Erzieherino<strong>der</strong> eines Hortners. Nunkommt es zu einem Erfahrungsaustauschauf Augen -Birgitt Beckers, Vorstandsmitglied des BdFWShöhe und es entstehen vielenützliche Hilfestellungen z. B.zum Thema Inklusion: Handreichungen,Überblicke, Publikationenund Fortbildungen.Es ist ja nicht nötig, dass jedeSchule wie<strong>der</strong> von vorn anfängt,wenn Eltern kommenund ein Kind, das mit einerBehin<strong>der</strong>ung lebt, anmeldenwollen.JW: Welche Bereiche gab esnoch außer dem Inklusions -thema?Beckers: Wenn man in den<strong>Bund</strong>esgremien sitzt, siehtman deutlicher, wo es Entwicklungsschübeund wo-hemmnisse gibt. Ein gelungenesBeispiel ist für mich auchtrotz aller Vorbehalte die Arbeitan den Vereinbarungenzur Zusammenarbeit o<strong>der</strong>auch das Qualitätsprojekt, fürdas mein Kollege Herr Dr.Landl steht. Hier holen sichdie Schulen viel Beratung undsie erleben auch, dass <strong>der</strong>Qualitätsentwicklungsprozessihnen hilft. Auch an meiner


V O R S T A N D S B E R I C H T E26 |Kin<strong>der</strong> brauchen mehr denn je Menschen, die sie alsVorbil<strong>der</strong> akzeptieren können, und sie müssen Prozesshafteserleben, Dinge in ihren Zusammenhängen.eigenen Schule ist dadurcheine regelrechte Aufbruchstimmungentstanden. Manmerkt, die Kollegen freuensich, sie gehen gerne zur Intervisionsarbeit,weil sie erleben,wie gut es ist, wenn man auseiner persönlichen Fragestellungheraus arbeitet und lernt,sich gegenseitig zuzuhörenund ernst zu nehmen. Dannbildet sich etwas, das bis hinzu den Kin<strong>der</strong>n im Unterrichtwirkt. Ein weiterer Bereich,<strong>der</strong> während <strong>der</strong> letzten Jahrezum Wohle aller Schulen Aufwindbekommen hat, ist dieÖffentlichkeitsarbeit.JW: Als weiteren wichtigenBereich <strong>der</strong> Vorstandsarbeithatten Sie in Ihrem Textdie Weiterentwicklung <strong>der</strong>Waldorfpädagogik genannt.Worum geht es da genauaus Ihrer Sicht?Beckers: Wir müssen herausfinden,was die Kin<strong>der</strong> heutegenau brauchen, was zu ihnenpasst und wo sich im Vergleichzu früher etwas verän<strong>der</strong>t. Diewaldorfpädagogische Methodikkann nicht einfach so tradiertwerden. Hier kann von<strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esebene aus viel Hilfestellunggeleistet werden. Esist doch gut, wenn man weiß,da setzen sich Leute dran undarbeiten mal was durch, zudem man im Alltag so nichtkommt, und organisieren Thementage,wo alle, die an einerbestimmten Fragestellung Interessehaben, zusammenkommenkönnen.JW: Als langjährige Klassenlehrerinerleben Sie täglich,wie sich Kindheit verän<strong>der</strong>that.Beckers: Kin<strong>der</strong> brauchenmehr denn je Menschen, diesie als Vorbil<strong>der</strong> akzeptierenkönnen, und sie müssen Prozesshafteserleben, Dinge inihren Zusammenhängen. ZumBeispiel gibt es jetzt viel mehrKin<strong>der</strong>, bei denen es nicht ausreicht,sie auditiv o<strong>der</strong> visuellanzusprechen, sie benötigendie kinesthetische Ebene desTuns und <strong>der</strong> Zusammenhängeim Lernprozess. O<strong>der</strong>schauen wir uns den Hort anbeziehungsweise die offeneGanztagsschule, die vor 20Jahren eine Einrichtung fürein paar Kin<strong>der</strong> war. Bei unssind jetzt von 38 Zweitklässlern26 Kin<strong>der</strong> bis nachmittagsum 16 Uhr in <strong>der</strong> Schule. Hinzukommt, dass viele Elternberuflich so beansprucht sind,dass sie abends kaum nochKraft haben, ihre Kin<strong>der</strong> inschulischen Angelegenheitenzu betreuen und zu begleiten.Das sind nur einige Beispieledafür, dass die Schule einenRiesenzuwachs an Aufgabenbekommen hat, mit dem wirumzugehen haben. Die Schulemuss sich wandeln und wir alsWaldorfpädagogen müssendiese Verän<strong>der</strong>ungen ursächlichaus unserer Pädagogik herausentwickeln, indem wir dienotwendige Methodik am Kindeablesen. Auch dafür habenwir eine geniale Methode:den Entwicklungsdialog, auch„Kin<strong>der</strong>besprechung“ genannt.JW: Sehen Sie denn denBdFWS ausreichend gerüstetfür diese Aufgaben? Brauchtman dafür eventuell auch an<strong>der</strong>eStrukturen?Beckers: Zu diesem Thema arbeitenwir momentan mit einemOrganisationsberater vonTrigon. Da wird etwas angestoßen,aber wir sind damitnoch lange nicht fertig. Wasbedeutet z.B. Leitung? WelcheAufgabenverteilung soll eszwischen Vorstand und Geschäftsführunggeben? Ist <strong>der</strong>Begriff „Geschäftsführer“überhaupt noch stimmig? Esist auch so, dass die geistigeSubstanzbildung, von <strong>der</strong> icham Anfang gesprochen habe,durchaus kein Selbstläufer ist.Das kann man nicht konservieren,das muss man immerneu impulsieren.JW: Noch eine an<strong>der</strong>e Fragezum Schluss: Mit Ihnen undFrau Blass-Loss scheiden diebeiden Frauen im <strong>Bund</strong>esvorstandaus. In vielen Organisationengibt es ja eine Gen<strong>der</strong>debatteund Frauenför<strong>der</strong>plä-


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 27ne, damit <strong>der</strong> Frauenanteil inden Gremien erhöht wird. Wiesehen Sie das, braucht <strong>der</strong>BdFWS so etwas nicht auch?Der Frauenanteil in den Gremienist ja nicht hoch ...Beckers: Ein System dafürbrauchen wir nicht, denke ich.Es liegt doch viel bei denFrauen selbst. Es ist ganzwichtig, den Frauen Mut zumachen, sich zu engagieren.Es gibt doch viele, die denken:„Eigentlich reizt mich das, ichwill aus meinem Topf raus, ichhabe eine Flamme, diebrennt.“ Aber sie trauen sichdann doch nicht, auf großenVersammlungen offensiv aufzutretenund sich auf Landeso<strong>der</strong><strong>Bund</strong>esebene zu engagieren.JW: Liegt das nicht daran, dasssie durch die Familienarbeitdoch immer noch viel stärkergefor<strong>der</strong>t sind als die Männer,dass sie denken, sie könnendieses Engagement von dahergar nicht leisten?Beckers: Das ist sicherlich beivielen Frauen so. Mir ergehtes bis heute so. Es muss danneben akzeptiert werden, dassman sich nicht in dem Ausmaßeinbringen kann wie jemand,<strong>der</strong> auf diese Zusammenhängekeine Rücksicht zu nehmenbraucht. Auf jeden Fall wardie Vorstandstätigkeit für micheine unglaubliche Bereicherung.Ich bereue keinen Augenblickdavon!JW: Frau Beckers, vielen Dankfür das interessante Gespräch.Prozesshaftes Erlebenim Gartenbau undbeim Stricken.


V O R S T A N D S B E R I C H T E28 |Zuschüsse für freie Schulenweiter strittigAuf mehreren Ebenen wird <strong>der</strong>zeit auf gerichtlichemWeg um die notwendige finanzielle Basis<strong>der</strong> Arbeit an den <strong>Waldorfschulen</strong> gerungen:Die LAG Baden-Württemberg hat Beschwerdegegen das erneute Urteil des Verwaltungsgerichtshofseingelegt, die inklusive WaldorfschuleEmmendingen streitet vor dem VerwaltungsgerichtFreiburg um angemessene Zuschüsse undin den neuen <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n gibt es mehrereNormenkontrollklagen gegen die Politik <strong>der</strong>jeweiligen Landesregierung. Worum geht es imEinzelnen?Der Prozess, den die Rudolf Steiner SchuleNürtingen stellvertretend für die LAG Baden-Württemberg gegen das Land Baden-Württembergwegen zu geringer Zuschüsse führt, war in <strong>der</strong>Berufungsinstanz vor dem VGH Mannheim teilweiseerfolgreich (9 S 2207/09, 14.7.2010). Das beklagteLand hatte – und als Reaktion darauf auchdie Rudolf Steiner Schule – Revision eingelegt. Sowurde <strong>der</strong> Fall am 21. Dezember 2011 vor dem<strong>Bund</strong>esverwaltungsgericht verhandelt, das eineRückweisung an den VGH Mannheim beschloss,um u.a. die Frage <strong>der</strong> Schulgeldstaffelung, einerGesamtschau etc. erneut beurteilen zu lassen(BVerwG 6c 18.10). Das VGH-Urteil von 2010wurde damit aufgehoben, in dem erstmals eineGrenze für die Zumutbarkeit von Elternbeiträgenan freien Schulen gezogen worden war.Die erneute Verhandlung vor dem VGH am11.4.2013 (9 S 233/12) zeichnete sich dadurchaus, dass das Gericht keine Fragen an die Parteienformulierte und auch nicht zu erkennen gab, wiees mit den Gutachten umzugehen gedenke. Nachkurzer Zeit <strong>der</strong> mündlichen Verhandlung wurdedeutlich, dass es eindeutig zugunsten des beklagtenLandes entscheiden würde, dessen Gutachtenzu einem abstrakten Staffelmodell wohlwollendaufgenommen wurde. Die gutachterlichenEinwände <strong>der</strong> Rudolf Steiner Schule sowie<strong>der</strong>en vier Beweisanträge wurden dagegen abgelehnt.In <strong>der</strong> schriftlichen Urteilsbegründung kommt<strong>der</strong> etatistische Ansatz voll zum Tragen: Alles,was das Land Baden-Württemberg jemals anZuschussregelungen durchgeführt habe, sei rechtlichnicht zu beanstanden.Dazu einige Beispiele: Für das von den Elternaufzubringende Schulgeld werden lediglich dieBetriebskosten von 95 € pro Schüler im Monat,nicht aber die Investitions- und Erhaltungskostenmit 36 € pro Schüler im Monat zugrunde gelegt.Letztere werden nicht bestritten. Da es in Baden-WürttembergZuschüsse für die laufendenKosten gibt und für Schulbauten ein Zuschussvon 35 %, ausbezahlt in 10 Jahren, gewährtwird, schließt <strong>der</strong> VGH, dass diese Kosten unberücksichtigtbleiben können. Rein betriebswirtschaftlichgesehen, ist das ein Unding und vollkommenlebensfremd.Einwände in <strong>der</strong> Gerichtsverhandlung undentsprechende Beweisanträge, welche die Unhaltbarkeiteiner solchen Argumentation darlegten,wurden ignoriert. Damit hat das Gericht explizitkeine Gesamtschau durchgeführt. Ebensoließ es die Frage, wie hoch das Schulgeld seindürfe, um dem Son<strong>der</strong>ungsgebot aus Art 7,4Grundgesetz zu genügen, unbeantwortet, da einStaffelmodell um den Betrag von 95 € pro Monatjedem die Zugänglichkeit zu einer Waldorfschuleermöglichen würde.Das Gericht und das Gutachten haben Hartz-IV-Empfänger ausgeklammert und konnten auchnicht darlegen, was passieren würde, wenn überproportionalviele geringverdienenden Elternihre Kin<strong>der</strong> an einer Waldorfschule anmeldetenund keine besser verdienenden Eltern für einenAusgleich sorgen könnten.Das Gericht hat ferner verfahrenswidrig denGutachter des Landes wie einen unabhängigenGutachter behandelt. Die Gutachten zur Belastungsfähigkeitvon Eltern durch Schulgeld – welchedie Rudolf Steiner Schule Nürtingen vorgelegthatte und die vom VGH in <strong>der</strong> Verhandlung von2010 zur Urteilsfindung herangezogen wurden –hat das Gericht mit dem Hinweis abgetan, beidiesen ginge es um den relativen Erhalt des Lebensstandards.Wer sein Kind auf eine freie


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 29Schule schicke, müsse finanzielle Opfer bringen.Unbeantwortet bleibt dabei – und das wäre dasentscheidende Kriterium – woran eine zumutbarefinanzielle Einschränkung gemessen wird.Die geringeren Einkommen von Waldorfpädagogenmeint das Gericht mit <strong>der</strong> Aussage legitimierenzu können, es habe die Information,dass es nach einer Ausbildungszeit von wenigerals zwei Jahren möglich sei, Waldorflehrer zuwerden, wohingegen Lehrer an Staatsschuleneine viel längere Ausbildung hätten. Auch andiesem Beispiel ist erkennbar, dass das Gerichtalles an<strong>der</strong>e als eine sorgfältige und inhaltlichkorrekte Tatsachenerhebung durchgeführt hat.Die Ausbildungszeiten sind bei korrekter Anrechnungaller Qualifikationen bekanntlich nichtunterschiedlich lang.Der VGH hat in seinem Urteil keine Revisionzugelassen. Die LAG Baden-Württemberg hatnach ausführlicher Beratung mit <strong>der</strong> Prozessgruppebeschlossen, dass dagegen Beschwerdeeingelegt wird, was auch geschehen ist. Wennihr stattgegeben wird, wird die nächste Verhandlunghöchstwahrscheinlich wie<strong>der</strong> vor dem<strong>Bund</strong>esverwaltungsgericht stattfinden. Wird dieBeschwerde abgelehnt, besteht noch die Möglichkeit,den Staatsgerichtshof des Landes Baden-Württembergo<strong>der</strong> das <strong>Bund</strong>esverfassungsgerichtanzurufen.Die Freie Waldorfschule Emmendingen, dieseit Jahren inklusiv arbeitet, musste ihre Anerkennunggerichtlich gegen das Land Baden-Württemberg durchsetzen. 2009 wurde dann <strong>der</strong>Zuschuss für die sogenannten Inklusionsschülergesenkt. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatdies als unberechtigt bewertet und die Revidierunggefor<strong>der</strong>t.Nun ist es sehr bemerkenswert, dass unter <strong>der</strong>grün-roten Landesregierung das Kultusministeriumgegen dieses Urteil Berufung eingelegt hat,und das wohlgemerkt gegen eine Kürzungsmaßnahme<strong>der</strong> schwarz-gelben Landesregierung von2009 (Näheres dazu: Michael Löser, Inklusion aufbaden-württembergisch, R&B 2/2013,S.21 ff.).Damit nicht genug: Die Normenkontrollverfahrenin Brandenburg, Sachsen und Thüringengegen Gesetzesnovellierungen, welche die Senkung<strong>der</strong> Zuschüsse an freie Schulen zum Inhalthaben, manifestieren, dass es keine Rolle spielt,welche politischen Parteien in den Landtagendie Mehrheit haben – sobald sie die Regierungstellen, ziehen sie mehr o<strong>der</strong> weniger an einemStrang: Gegen das freie Schulwesen, gegen dieUnabhängigkeit des Kulturlebens, gegen diemündigen Bürgerinnen und Bürger, die selbstverantwortlichhandeln, aber dafür vom Staatnicht diskriminiert werden möchten. So ist einEnde des Kampfes um ein freies Schulwesen –auch auf <strong>der</strong> juristischen Ebene – <strong>der</strong>zeit nichtabzusehen.Dr. Albrecht HüttigMitglied des <strong>Bund</strong>esvorstandesdes BdfWS


30 |W A L D O R F S C H U L E


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 31Sie: Guckst du mir denn immer nach,wo du mich findest?Nimm dein Äuglein doch in acht,daß du nicht erblindest!Er: Gucktest du nicht stets herum,würdest mich nicht sehen,nimm dein Hälschen doch in acht!Wirst es noch verdrehen.LU DW I G U H L A N D (1787–1862)


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Konferenzen <strong>der</strong> Lehrer mit Rudolf Steiner vorgenommenund eine Darstellung <strong>der</strong> Impulse<strong>der</strong> ersten sechs Jahre Waldorfpädagogik ausheutiger Sicht versucht.Neben den Projekten, die den Dialog mit <strong>der</strong>Erziehungswissenschaft för<strong>der</strong>n sollen, gibt esin <strong>der</strong> Pädagogischen Forschungsstelle auch einegrößere Zahl von Projekten, die sich entwe<strong>der</strong>um methodische, didaktische o<strong>der</strong> inhaltlicheThemen aus einzelnen Fächern bemühen o<strong>der</strong>allgemein die Arbeit <strong>der</strong> Kollegen an den Schulenunterstützen sollen. Als Beispiel soll ein größeresProjekt zur Eurythmiepädagogik kurz erwähntwerden, das unter <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>führung von Prof.Stefan Hasler von <strong>der</strong> Alanus Hochschule durchgeführtwird. An ihm war auch Prof. CharlotteHeinritz beteiligt, die im Juli 2013 verstorben ist.In dem ersten Projektteil, <strong>der</strong> im Frühjahr 2014als Buch erscheinen wird, haben sieben Eurythmiepädagogenihren eigenen Unterricht unterselbst gewählten Fragestellungen Praxisforschungbetrieben.Alle weiteren Bücher und Neuerscheinungen<strong>der</strong> PäFo findet man unter www.waldorfbuch.de.Christian Boettger,Geschäftsführer des BdFWS1) Zum Netzwerk <strong>der</strong> Forschungsstelle gehören das Waldorfseminarin Kassel, die Freie Hochschule in Stuttgart und außerdemdie Alanus Hochschule in Alfter mit dem An-Institutfür Waldorfpädagogik, Interkulturalität und Inklusion inMannheim sowie das Research Institute for WaldorfEducation in Wilton, NH, USA.| 33Kunst und Geschichte auf <strong>der</strong> Leipziger BuchmesseÄsthetische Erziehung als wichtiges Mittel <strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung und <strong>der</strong> Geschichtsunterrichtan <strong>der</strong> Waldorfschule mit seiner menschheitsgeschichtlichen Ausrichtungsind die beiden Themen, die <strong>der</strong> BdFWS im Fortbildungsprogramm <strong>der</strong> Buchmesse 2013 inLeipzig anbot.Leipzig, 7. März 2013/CU. Die künstlerischen Fächer – in <strong>der</strong> Bildungspolitik lange Zeitstiefmütterlich behandelt – werden <strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong>entdeckt. Dies auch deswegen, weil die mo<strong>der</strong>neHirnforschung ihnen eine wichtige Funktion bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Persönlichkeit zuweist.In <strong>der</strong> Waldorfpädagogik steht die ästhetische Erziehung von Anfang an gleichberechtigtneben <strong>der</strong> Wissensvermittlung. „Je besser wir die Kunst verstehen, desto besser verstehenwir auch den Menschen“, betont Referentin Gabriele Hiller. Im Gespräch mit Christian Boettgererläutert die Waldorflehrerin aus Stuttgart, welche Rolle die Kunstbetrachtung im Unterrichtan <strong>der</strong> Oberstufe <strong>der</strong> Waldorfschule spielt.Bei <strong>der</strong> Veranstaltung zum Thema Geschichtsunterricht erläutert Thomas Voß, Autor undOberstufenlehrer für Geschichte und Russisch in Köln, wie die berühmte AusgrabungsstätteGöbekli Tepe in Ostanatolien Unterrichtsgegenstand in <strong>der</strong> 10. Klasse werden kann und warumFrühgeschichte von <strong>der</strong> Menschenkunde her gerade in diesem Alter thematisiert wird.Der Geschichtsunterricht an <strong>der</strong> Waldorfschule ist von Anfang an auf die gesamte Menschheitbezogen und trägt somit einer For<strong>der</strong>ung Rechnung, die im Zeitalter <strong>der</strong> Globalisierungzunehmend von <strong>der</strong> Geschichtsdidaktik erhoben wird. (Siehe: www.waldorfschule.de/waldorfpaedagogik/forschung/neuerscheinungen,www.waldorfbuch.de)Wolfgang M. Auer (Hrsg.): TrauDeinen Augen – Kunstbetrachtungan <strong>Waldorfschulen</strong>. editionwaldorf 2012Sibylla Hesse, Thomas Voß(Hrsg.): Göbekli Tepe und<strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Sesshaftwerdung.edition waldorf 2011TRAU DEINEN AUGENKunstbetrachtung an <strong>Waldorfschulen</strong>Herausgegeben vonWolfgang-M. AuerChristian Boettger im Gespräch mitGabriele Hilleredition waldorf


F O R S C H U N GL E H R E R B I L D U N G34 |„Das Einmalige eines jedes Menschen lässtsich nicht in Kategorien abbilden“Zum ENASTE-Kongress in Wien trafen sich Waldorfpädagogenaus 28 Län<strong>der</strong>n. Die österreichischeKaiserin Maria Theresia hatte eine Vorliebefür mechanisches Spielzeug. In den WienerMuseen können daher vielfältige Automatenbewun<strong>der</strong>t werden, die aufgezogen und aufKnopfdruck bestimmte Tätigkeiten ausführen.„Das ist nachvollziehbar, denn so eine Figur istschließlich das Abbild eines perfekten Untertanen.“Mit diesem Blick in die Geschichte eröffneteProf. Carlo Willmann den zweiten ENAS-TE-Kongress Anfang Mai 2013 in Wien.ENASTE ist die Abkürzung für European Networkfor Academic Steiner Teacher Education.160 Gäste aus 28 Län<strong>der</strong>n hatten sich auf Einladungvon ENASTE versammelt – die meistenvon ihnen Erziehungswissenschaftler sowie Theoretikerund Praktiker <strong>der</strong> Waldorflehrerbildung.Thema des Kongresses war das Menschenbild in<strong>der</strong> Pädagogik.Prof. Willmann, Leiter des Zentrums für Kulturund Pädagogik in Wien, das inzwischen alsInstitut zur Alanus Hochschule gehört, hatte seinenEinstieg ins Kongressthema nicht zufälliggewählt: „In dieser Epoche nahm es seinen Anfang,den Menschen als eine Art Maschine zubetrachten. Sie ist zwar vorbei, aber die Fragedanach, was es heißt, Mensch zu sein, ist geblieben.Denn heute begegnet uns Technik in vielfältigerForm im Klassenzimmer.“ Mit einfachenAntworten sei allerdings nicht zu rechnen, warnteWillmann.Und so wurde auf dem ENASTE-Kongress dieFrage nach den Auswirkungen des Menschenbildesauf das Schul- und Bildungssystem aufsehr vielfältige Weise in den Vorträgen undWorkshops thematisiert. Die Teilnahme von Wissenschaftlernaus dem akademischen Bereichund von Waldorfpädagogen aus nahezu allenTeilen <strong>der</strong> Welt trug wesentlich bei zum diskursfreudigenund offenen Klima <strong>der</strong> Konferenz. EineRolle dabei spielte sicherlich auch die zweite TagungsspracheEnglisch, in <strong>der</strong> vieles wenigerbedeutungsschwanger und selbstverständlicherklingt als im Deutschen. Dies kam zum Beispielzum Ausdruck, als Prof. Moira von Wright, Vizekanzlerin<strong>der</strong> Sö<strong>der</strong>törn University, Stockholm,in ihrem Vortrag <strong>der</strong> Frage nachging, wie im pädagogischenProzess im Zusammenspiel zwischenLehrer und Schüler wirklich Neues entstehenkann – im Sinn eines echten „pädagogischenMoments“. Dieser sei eben nicht planbar undkeine Frage <strong>der</strong> Methode, denn: „The uniquenessot the subject can not be known by categories“,formulierte sie knapp und überzeugend.Sie nahm damit ein Thema wie<strong>der</strong> auf, dasProf. Jochen Krautz von <strong>der</strong> Alanus Hochschulein seinem Einführungsvortrag am Abend ausführlichin all seinen Ursächlichkeiten und Folgendargestellt hatte: Die kategorial verengte Perspektivedes Bildungsprozesses durch das Vorherrscheneines Menschenbildes, das <strong>der</strong> Ökonomieentnommen ist, dem homo oeconomicus.Dieses Menschenbild habe sich im Gefolge <strong>der</strong>PISA-Studien und des Bologna-Prozesses flächendeckendim Bildungswesen durchgesetzt,


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 35Aufmerksam lauschten die Zuhörer den spannendenVorträgen beim zweiten ENASTE-Kongress in Wien.obwohl es keine genuin pädagogische Sichtweisedes Menschen beinhalte. Bildung werde alsSteuerung begriffen, <strong>der</strong> Lehrer als Managero<strong>der</strong> Lernbegleiter. Ziel sei die Erzeugung vonHumankapital, wie es eine Broschüre <strong>der</strong> OECDformuliere. Krautz wies darauf hin, dass dieseEinschränkung dem Recht auf Bildung, wie esals Ausdruck von Selbstbestimmung und Würdedes Menschen in Verfassung und Schulgesetzenstehe, wi<strong>der</strong>spreche. „Bildung ist ein Menschenrecht“,betonte <strong>der</strong> Wissenschaftler.Mit dem Vortrag von Prof. Thomas Fuchs,Psychiater von <strong>der</strong> Universität Heidelberg, wurdedie Frage nach dem Menschenbild um die Sichtweise<strong>der</strong> Hirnforschung erweitert. Am Beispiel<strong>der</strong> ersten Lebensmonate erläuterte er die Bedeutung<strong>der</strong> Beziehungen für menschliche Lernprozesse.Kein an<strong>der</strong>es Lebewesen verfüge übereine <strong>der</strong>art ausgeprägte Plastizität seines Gehirns.Für seine Entwicklung sei dieses auf passendeAngebote von Bezugspersonen angewiesen. Wieein „Schlüssel zum Schloss“ wirkten Beziehungenauf das Gehirn, prägten das Resonanz- und Empathiesystemdes Kindes und damit auch seineMöglichkeiten im späteren Leben. Der persönlicheKontakt erweise sich so als das Grundmuster desLernens, erläuterte Fuchs und bestätigte damiteine zentrale Sichtweise <strong>der</strong> Waldorfpädagogik.Prof. Harm Paschen, emeritierter Erziehungswissenschaftler<strong>der</strong> Universität Bielefeld, unterzogdie <strong>der</strong>zeitige Inklusionsdebatte einer kritischenPrüfung, indem er die Einbeziehung <strong>der</strong> Gegenargumentezu einem „Dogma Inklusion“ for<strong>der</strong>te.Beispielsweise würden Voraussetzungen, Bedingungenund auch Risiken für die betreffendenKin<strong>der</strong> nicht ausreichend ins Bewusstsein genommen.„Prämissen des Inkaufnehmens“ enthalteje<strong>der</strong> Beipackzettel eines Medikaments. Esüberrasche ihn, dass die Pädagogik dies in <strong>der</strong>Inklusionsdebatte nicht berücksichtige.Am Ende <strong>der</strong> Tagung standen die Ausführungenvon Prof. Peter Lutzker von <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> HochschuleStuttgart zum Thema „attunement“ im pädagogischenProzess, eines vielschichtigen Begriffs.Seine Bedeutung reicht vom Stimmen <strong>der</strong> Instrumenteüber Einstimmung bis hin zum philosophischenBegriff <strong>der</strong> Bestimmtheit im Werk vonHeidegger. Lutzker brachte „attunement“ denZuhörern nahe mit Beispielen aus Musik undTherapie, wo das intensive Hören dazu führe,tiefe Schichten des Unbewussten anzusprechenund den betreffenden Menschen „aus einer Artinnerem Kerker zu befreien“. Im Unterrichtsgeschehenereigne sich dies, wenn Offenheit, Interesseund Empathie zu einer inneren Berührungführten. Hier stehe <strong>der</strong> Begriff auch für „the perceptiveopeness of our existence“, endete Lutzkerund zeigte einmal mehr auf, wie wenig eine lediglichauf den Ertrag gerichtete pädagogischePraxis dem Menschen gerecht wird.Cornelie Unger-LeistnerMitarbeiterin in <strong>der</strong> Presse- undÖffentlichkeitsarbeit des BdFWS


F O R S C H U N GL E H R E R B I L D U N G36 |Lehramtsstudenten jetzt auch in<strong>Waldorfschulen</strong> im PraktikumIn zunehmendem Maße können praktischeBestandteile <strong>der</strong> staatlichen Lehrerbildungauch an <strong>Waldorfschulen</strong> absolviert werden.So gibt es in Hessen ein Pilotprojekt, dasdurch eine Kooperation zwischen dem Seminarfür Waldorfpädagogik und <strong>der</strong> Universitätin Kassel ermöglicht worden ist.Zwölf Lehramtsstudierende wurden dadurchzum fünfwöchigen Schulpraktikum an dieWaldorfschule in Kassel verwiesen.Auch in Hamburg gibt es ein vergleichbaresPilot-Projekt. 17 Masterstudierende <strong>der</strong> Studiengänge„Lehramt an Son<strong>der</strong>schulen“ und„Lehramt in <strong>der</strong> Sekundarstufe I“ absolvierenhier ab April ein fünfmonatiges Kernpraktikuman vier Hamburger Rudolf-Steiner-Schulen.In den Schulen Harburg, Bergstedt undWandsbek sowie in <strong>der</strong> Christophorusschulebetreuen Fachmentoren die Studierenden.Wie Projektkoordinatorin Gisela Bartolain erläuterte,ist die Zahl <strong>der</strong> interessierten Bewerberwesentlich größer als die Zahl <strong>der</strong>angebotenen Plätze. „Projekte dieser Art sindzukunftsweisend, weil die Lehramtsstudierendenso die Gelegenheit haben, die <strong>Waldorfschulen</strong>kennenzulernen. Möglicherweiseschließt sich dann ein Studium <strong>der</strong> Waldorfpädagogikan“, betont die Projektkoordinatorin.Als vierte Schule ist Hamburg-Bergedorfam Projekt beteiligt.Ein zweiter Teil bezogen auf den heilpädagogischenBereich beginnt im Wintersemester2013/14. Hier werden Masterstudentendes Studiengangs Son<strong>der</strong>schullehramt an diebeteiligten Rudolf-Steiner-Schulen kommen.Weitere Projekte in Zusammenarbeit mit demFachbereich Erziehungswissenschaften <strong>der</strong>Universität Hamburg sind geplant.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 37»Für eine valide Beurteilung des Könnensund Wollens <strong>der</strong> Lehrperson taugt die Ausnahmesituationsingulärer Unterrichtsbeurteilungenwenig bis gar nicht. Dass dieNoten <strong>der</strong> Staatsprüfungen dennoch alsGrundlage für die Lehrereinstellung herangezogenwerden, ist riskant. Die tatsächlicheLehrerqualität für die realen Arbeitsbedingungen<strong>der</strong> Schule spiegeln sie nicht.«Johann Beichel, Institut für Berufs- undAllgemeine Pädagogik, Karlsruher Institut fürTechnologie in <strong>der</strong> FAZ


E L T E R N / S C H Ü L E R38 |Mediennutzung als Raubbau am Erleben„Stark fürs Leben – Schule als Entwicklungschance“war <strong>der</strong> Titel <strong>der</strong> 80. <strong>Bund</strong>eselternratstagung(BERT), die für 2013 im Februar in Haan-Gruiten stattfand.Einstimmung und Auftakt <strong>der</strong> Tagung bildeteeine Kombination aus Festvortrag und Rezitation,gemeinsam vorgetragen von den Professoren<strong>der</strong> Alanus Hochschule Jost Schieren (Bildungswissenschaft)und Ulrich Maiwald (PerformativeKunst und Sprache). Die beiden Hochschullehrerzeigten, wie <strong>der</strong> Rhythmus von Verbinden undTrennen, von Tag und Nacht für die Ich-Entwicklungin <strong>der</strong> Biografie bedeutsam wird.Sie legten dar, wie in den unteren Klassen <strong>der</strong>Tagbereich, also das Sich-Verbinden mit <strong>der</strong>Welt, im Fokus des Unterrichtes <strong>der</strong> Schülersteht. Dies sei <strong>der</strong> Grundzug <strong>der</strong> Waldorfpädagogik– die Kin<strong>der</strong> sollen in <strong>der</strong> „Wun<strong>der</strong>herrlichkeit<strong>der</strong> Welt“ (Novalis) beheimatet werden,eine ungebrochene Teilhabe an <strong>der</strong> Welt erleben.Bei Nutzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Medien sei dies wenigergegeben, betonte Prof. Schieren und sahdarin einen Raubbau auf <strong>der</strong> Seite des Erlebensbei den Unterstufenschülern.Als das Neue an <strong>der</strong> von Rudolf Steiner entwickeltenPädagogik wurde das vertiefte schöpferischeHineintreten in die Sinneswahrnehmungbezeichnet. Der gesamte Unterricht baue nichtvorwiegend auf dem Aufnehmen von Wissensinhaltenauf, son<strong>der</strong>n auf einer Ausbildung vonFähigkeiten, es gelte, den „Wahrheitsgrund“ <strong>der</strong>Welt in sich aufzunehmen. Im Gegensatz hierzusah Schieren einen Unterricht, in dem vorwiegendWissens- und Vorstellungsakkumulation mit vorgefertigtenInhalte betrieben würde.In <strong>der</strong> Pubertät gerate dann <strong>der</strong> Nachtbereichin den Fokus, die Jugendlichen hätten eine tiefeAhnung, dass sich tief im Bereich <strong>der</strong> Nachtetwas biete, was es im Licht des Tages nichtgebe. Dann gehe <strong>der</strong> „Weg nach innen“ (Novalis)und ein Bruch mit dem Außen werde empfunden.Dies sei <strong>der</strong> Punkt, an dem <strong>der</strong> innere moralischeGrund erst gefunden werden müsse und sichdie Schüler so erlebten, als würde ihnen <strong>der</strong>Boden unter den Füßen weggezogen.An diesem Punkt arbeitete Schieren die pädagogischeGrundlage Rudolf Steiners heraus, nach<strong>der</strong> Ethik und Moral eine Sache des Ich undnicht allein normativ-gesellschaftlich vorgegebensind. Moral komme danach aus dem Inneren un<strong>der</strong>gebe sich nicht durch ständiges Maßregeln.Der moralische Anspruch des Pubertierenden ansein Gegenüber sei außerordentlich hoch, dieUrteilskraft erwache. Die Schmerzmomente <strong>der</strong>Trennung stellte er als biografisch notwendigdar. Für die Ich-Entwicklung sei es unabdingbar,an einen Punkt zu kommen, an dem sich<strong>der</strong> Mensch dem an<strong>der</strong>en gegenüberstelle. „Ich“bedeute die Fähigkeit zu trennen und dadurchdas Bewusstsein für das eigene Ich zu bekommen.Den Nachtbereich des Ich beschrieb Schierenals denjenigen, in dem sich das Individuum mitseinen originären Idealen verbinde. Der außerordentlicheWert <strong>der</strong> Waldorfpädagogik liegedarin, dem Materialismus einen Idealismus entgegenzustellen,wobei dieser klar von <strong>der</strong> „gutenIdee“ zu trennen sei. Beim Ideal komme zurguten Idee die Kraft des Individuums hinzu, sichmit <strong>der</strong> Idee zu verbinden. Ideale könnten – wiein den Ausführungen dargestellt – nur individuellerworben werden.Am Samstagmorgen wurde dem Plenum <strong>der</strong>BERT dann über die Geschichte <strong>der</strong> gastgebendenWaldorfschule berichtet. Die Waldorfschule Haan-Gruiten wurde 1985 als eine Initiative von Elternund Lehrern aus Wuppertal gegründet und istbis heute geprägt von starkem Elternengagement.Seit 2010 gibt es ein Berufskolleg.Zu Gast an diesem Tag war auch die Bildungsministerinvon Nordrhein-Westfalen, SylviaLöhrmann (Die Grünen/Bündnis 90). In ihremGrußwort an die Anwesenden stellte sie die <strong>Waldorfschulen</strong>als wichtige Ergänzung und Bereicherungin <strong>der</strong> Bildungslandschaft dar. Dabeihob sie beson<strong>der</strong>s zwei Charakteristika <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>hervor: nicht auf die Defizite, son<strong>der</strong>nauf die Potenziale <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zu schauen undden gemeinsamen Erziehungsauftrag von Eltern


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Dialog mit Experten bestätigtWaldorfpädagogen| 39und Lehrern. Beide Themen seienwichtige Ziele auch für die Regelschulenund für die Bildungspolitikinsgesamt.Die Arbeit in den Arbeitsgruppenerlebten die Anwesenden als sehr intensivund bereichernd. 25 unterschiedlicheThemen standen zur Auswahl,sie reichten von „Warum schicktihr uns zur Waldorfschule?“ – geleitetvon Schülerinnen und Schülern <strong>der</strong>Waldorfschule Haan-Gruiten – über„Das Qualitätsprojekt des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong><strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>“ bis hin zu„Schmieden“.Am Samstagnachmittag konntendie Teilnehmer in einem <strong>der</strong> angebotenenForen die Möglichkeit nutzen,über ein Thema miteinan<strong>der</strong> zu diskutieren– hier wurden Themen angebotenwie „Inklusion – ein Thema,das uns alle angeht!“, „Eltern in <strong>der</strong>Selbstverwaltung“ o<strong>der</strong> „Waldorf 2019– Brainstorming zum 100. Geburtstag<strong>der</strong> Waldorfpädagogik“.Der Tag endete mit einem buntenAbend, an dem die WaldorfschuleHaan-Gruiten ein Programm mit Orchester,Schauspiel, Eurythmie, Feuershowund Sketch präsentierte. Nebenall <strong>der</strong> interessanten inhaltlichen Arbeit,die zu Recht als Fortbildung für dieEltern verstanden werden kann, ist dieBERT immer wie<strong>der</strong> ein wun<strong>der</strong>barerOrt, um sich mit den Menschen vieleran<strong>der</strong>er <strong>Waldorfschulen</strong> auszutauschen.Dabei kann man über den eigenenTellerrand schauen, neue Impulse fürdie Schule bekommen und die Eltern-Lehrer-Trägerschaft <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>lebendig werden lassen.Anke Patzelt,Elterndelegierte <strong>der</strong>Rudolf-Steiner-Schule LüneburgDer Gemeinschaftsstand von „Waldorfpädagogikaktuell“ auf <strong>der</strong> didacta 2013 in Köln, <strong>der</strong> weltweitgrößten Bildungsmesse, stand diesmal unter demMotto „Jedes Kind ein Könner“. Diskutiert wurdedarüber mit Experten aus Theorie und Praxis, darunterProf. Dr. Armin Krenz und Dr. Wolfgang Saßmannshausen.Im Gespräch mit <strong>der</strong> Medienpädagogin und AutorinDr. Paula Bleckmann am Gemeinschaftsstand konntensich die Waldorfpädagogen in ihren Auffassungenbestätigt sehen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Vorbeugung gegenMediensucht könne man den <strong>Waldorfschulen</strong> nur zuihrer „Pionierarbeit“ gratulieren, betonte Bleckmann.Dem in <strong>der</strong> bildungspolitischen Debatte kursierendenBegriff <strong>der</strong> Medienkompetenz, den sie als „verbrannt“bezeichnete, stellte sie ihre For<strong>der</strong>ung nach „Medienmündigkeit“entgegen. Es könne nicht darum gehen,den Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen nur technische Fähigkeitenzu vermitteln, Ziel müsse ein selbstbestimmterUmgang mit den Medien sein.Mo<strong>der</strong>ator Henning Kullak-Ublick ergänzte aktuelleZahlen zur Mediennutzung und stellte Bleckmanndie Frage nach Gegenstrategien <strong>der</strong> Eltern. Als wichtigevorbeugende Faktoren im Sinne <strong>der</strong> Resilienzforschungnannte die Medienpädagogin eine umfassendeSinnesentwicklung, soziale Kontakte, ein gutesVerhältnis zu den Eltern, also eine „solide Basis imechten Leben“.Cornelie Unger-Leistner


H E I L P Ä D A G O G I K40 |Behin<strong>der</strong>ung eine individuelleVariante des MenschseinsDer Blick <strong>der</strong> Gesellschaft auf das Thema Behin<strong>der</strong>unghat sich in den vergangen Jahren radikal verän<strong>der</strong>t –für das Leben <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen istdies von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. 650 MillionenMenschen, ca. 10 Prozent <strong>der</strong> Weltbevölkerung, sindbehin<strong>der</strong>t, sie stellen somit die größte Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong>Menschheit dar.Stand früher oft eine Betrachtung imVor<strong>der</strong>grund, die Behin<strong>der</strong>ung als „Defekt“ansah, <strong>der</strong> wenn möglich durch„Reparatur“ o<strong>der</strong> Therapie zu beseitigenwar, so wird Behin<strong>der</strong>ung jetzt zunehmendals Soseins-Form, als individuelleVariation des Menschseins gesehen. Folgerichtigwird danach gefragt, welchenBeitrag Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendurch ihre je individuellen Lebenserfahrungenund ihr Welterleben zur Vielfalt<strong>der</strong> Gesellschaft leisten können. DieserBeitrag wird zunehmend geschätzt.Die Menschheit wäre ärmer ohne ihn!Die Grundlage aller UN-Konventionen,Freiheit, Gleichheit, Brü<strong>der</strong>lichkeit,findet sich wie<strong>der</strong> im Dreiklang <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen: (assistierte)Autonomie, Barrierefreiheit und Inklusion.Die Menschenrechte, die die dreigroßen Ideale <strong>der</strong> Französischen Revolutionbeinhalten, gelten per Definitionfür alle Menschen. In <strong>der</strong> Konventionwird nun danach gefragt, welche Bedingungenerfüllt sein müssen und welcheÄn<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Praxis notwendig sind,um die Menschenrechte für diese größteMin<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Menschheit zu realisieren.In <strong>der</strong> Präambel <strong>der</strong> Konvention heißtes unter Buchstabe e) „... in <strong>der</strong> Erkenntnis,dass das Verständnis von Behin<strong>der</strong>ungsich ständig weiterentwickelt unddass Behin<strong>der</strong>ung aus <strong>der</strong> Wechselwirkungzwischen Menschen mit Beeinträchtigungenund einstellungs- und umweltbedingtenBarrieren entsteht, diesie an <strong>der</strong> vollen, wirksamen und gleichberechtigtenTeilhabe an <strong>der</strong> Gesellschafthin<strong>der</strong>n ...“Die Bedeutung dieses Teilsatzes kanngar nicht hoch genug eingeschätzt werden!Behin<strong>der</strong>ung wird nicht mehr alseine dem Menschen anhaftende Eigenschaftgesehen, son<strong>der</strong>n als Beziehungsphänomen,als soziales Konstrukt. Durchdie Interaktion können also Menschen,beson<strong>der</strong>s auch mit einer sogenanntengeistigen Behin<strong>der</strong>ung, überhaupt erstbehin<strong>der</strong>t werden – und daher ebenauch in <strong>der</strong> Begegnung, durch die Begegnungent-hin<strong>der</strong>t werden. Neu ist diegesellschaftliche Öffnung, die für dieTeilhabe gefor<strong>der</strong>t wird. Hier liegt die eigentlicheHerausfor<strong>der</strong>ung. Auf diesemFelde sind in Deutschland gerade in denletzten Jahren viele Übergangsformengeschaffen worden wie Stadtgemeinschaften,Trainings- und Paarwohnen,ambulant betreutes Wohnen etc.Die UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen bietetdie einmalige Chance, aus schematischenPolarisierungen wie „ambulant o<strong>der</strong> stationär“hinauszukommen. Die Fragewäre dann ganz einfach zu stellen: WelcheWohnform, welche Bildungsform,welcher Arbeitszusammenhang ermöglichtdir, dem je einzelnen Menschenmit Behin<strong>der</strong>ung deine auf den Menschenrechtengründenden Teilhaberechtemöglichst weitgehend zu realisieren?Wahlfreiheit setzt Vielfalt und flexiblenUmgang mit den Möglichkeiten vorausund das Schaffen neuer, noch nicht dagewesener Formen. Wenn jede Mitarbeiterin,je<strong>der</strong> Mitarbeiter – sei es amWohnort o<strong>der</strong> am Arbeitsplatz – jedeLehrerin, je<strong>der</strong> Lehrer in <strong>der</strong> Schule sichfragt: Wie kann ich meine Arbeit mitdem Kind, mit dem Erwachsenen so ge-


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 41stalten, dass die drei Ideale ein Stückmehr, ein wenig besser verwirklicht werden,kann neue Motivation für die Arbeitentstehen.Wesentlich für die schulische Inklusionist die Zusammenarbeit zwischen demBdFWS, <strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> Waldorfkin<strong>der</strong>gärtenund unserem Verband, <strong>der</strong>neu „Anthropoi, <strong>Bund</strong>esverband anthroposophischesSozialwesen“ heißt. Hierhat sich ein erfreuliches Zusammenwirkenauf <strong>Bund</strong>esebene, in den Regionenund durch die gegenseitige Wahrnehmungvieler Waldorf- und <strong>der</strong> heilpädagogischenSchulen vor Ort entwickelt.Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeitwar auch <strong>der</strong> gemeinsam veranstalteteKongress „Vielfalt gestalten – auf demWeg zur Inklusion“ im September 2013in Berlin. (Siehe Bericht auf S. 10/11)Die anthroposophische Heilpädagogik,Sozialtherapie und soziale Arbeit stehtin großen, umwälzenden Herausfor<strong>der</strong>ungen.Aber sie nimmt sie an, indemsie immer neu das Gleichgewicht zwischenguten gewachsenen Traditionenund neuen Entwicklungen sucht!Johannes DengerReferent für Bildung, Ethik,Öffentlichkeit von Anthropoi,<strong>Bund</strong>esverband anthroposophischesSozialwesen(vorher: Verbands für anthroposophischeHeilpädagogik, Sozialtherapieund soziale Arbeit e.V.)Oben: Die neue Bild-Wortmarke– Logo, Name undSlogan –, entworfen von KarlLierl. Das Siegel und <strong>der</strong> NameAnthropoi, griech. die Men -s chen, werden vom <strong>Bund</strong>es -verband anthroposophischesSozialwesen e.V. und <strong>der</strong><strong>Bund</strong>esvereinigung Selbsthilfeim anthroposophischen Sozialwesene.V. verwandt. DasSiegel ist eine künstlerischeUmsetzung <strong>der</strong> „Punkt-Kreis-Meditation“ aus dem Heil -pädagogischen Kurs vonRudolf Steiner.


I N T E R N A T I O N A L42 |WOW-Day: Werkstatt fürzivilgesellschaftliches EngagementDer WOW-Day 2013 fand am 26. September statt mitdem Slogan „Deine Initiative zählt“. Der Erlös sollwie<strong>der</strong> Waldorfeinrichtungen weltweit zugute kommen.Letztes Jahr ist es gelungen, Unterstützung zu leistenfür rund 60 <strong>Waldorfschulen</strong> und -kin<strong>der</strong>gärten sowieheilpädagogische Einrichtungen in 25 Län<strong>der</strong>n (siehedazu auch Seite 45).Inzwischen hat sich <strong>der</strong> WOW-Day, beidem sich Waldorfschüler, Lehrer und Elternengagieren, auch als eine weltweite Kampagne<strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> etabliert. Er istmehr als eine Spendensammelkampagne.Er bewegt Menschen. Und es wurde einZeichen gesetzt für ein beispielhaftes Engagement<strong>der</strong> Zivilgesellschaft!Wenn man als einzelner Mensch heute<strong>der</strong> Welt gegenübersteht, dann scheint eskaum vorstellbar, allein etwas bewegenzu können. Man fühlt sich überwältigtund schnell überfor<strong>der</strong>t von komplexenSystemen, die man kaum überblickt. Dazukommen noch die großen aktuellen Fragenwie die Ausbeutung <strong>der</strong> Erdressourcen,Klimaerwärmung und Naturkatastrophen,die zum Beispiel zu Überschwemmungenführen. Der Mensch wird plötzlich mitden Grenzen seiner Macht gegenüber <strong>der</strong>Gewalt <strong>der</strong> Natur konfrontiert und so dringen<strong>der</strong>denn je dazu aufgefor<strong>der</strong>t, einenan<strong>der</strong>en Umgang mit Natur und Welt zufinden. In vielen Län<strong>der</strong>n lehnen sich Bürgergegen ihre korrupten o<strong>der</strong> diktatorischenRegierungen auf und kritisieren dieMarktwirtschaft, die ein fortwährendesWachstum um jeden Preis verfolgt.Die Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkto<strong>der</strong> durch korrupte Regierungen reduziertdie Menschen auf funktionierende Teileeiner unüberschaubaren Maschine, in <strong>der</strong><strong>der</strong> Einzelne den Bezug zum eigentlichenSinn des Lebens verliert. Das führt zueiner Verödung <strong>der</strong> Seele und einer Ermüdung,zu tiefer Unzufriedenheit. Damitstaut sich auch potenzieller sozialer Zündstoffan, wie zum Beispiel kürzlich die Demonstrationenin Brasilien gezeigt haben.Es ging nicht wirklich um die 20 Cent Erhöhung<strong>der</strong> Fahrkarten im öffentlichenNahverkehr (die immerhin bedeuten, dassein Großteil <strong>der</strong> Bevölkerung monatlichein Drittel des Mindestlohns für Transportkostenausgibt). Diese war vielmehr<strong>der</strong> Auslöser, <strong>der</strong> gezeigt hat, dass die Bevölkerunges satt hat, über Jahre hinwegvon <strong>der</strong> Regierung nicht ernst genommenund ausgenutzt zu werden.Wie kann man heute Kin<strong>der</strong> so erziehen,dass sie Wi<strong>der</strong>stand leisten können gegenüberall diesen Anfor<strong>der</strong>ungen, die ihnendie Welt stellt? Die Waldorfpädagogik bietetin ihrem Ansatz vielfältige Möglichkeiten,soziale Fähigkeiten zu erwerben, sich deman<strong>der</strong>en zuzuwenden, sich seinen Bedürfnissenzu öffnen und ihn verstehen zuwollen. Die Sensibilität für die Bedürfnissedes an<strong>der</strong>en sowie ein Bewusstsein für dasGanze, für das Geschehen in <strong>der</strong> Welt, sindnatürliche Konsequenzen <strong>der</strong> waldorf -pädagogischen Erziehung, die zu einemsozialen Umdenken führen will. Das Bewusstseinfür die heutige Situation in <strong>der</strong>Welt führt die Menschen dazu, initiativ zuwerden, um einen positiven Beitrag in <strong>der</strong>Welt zu leisten. Der erste wesentliche Schrittbesteht darin, in seinem eigenen UmfeldEinfluss zu nehmen. Was tue ich selbst, ummein Umfeld zu än<strong>der</strong>n? Wie gehe ich mitmeinen Mitmenschen um? Was kann ichfür an<strong>der</strong>e tun, die es schwerer haben alsich? Und wie kann ich mich mit an<strong>der</strong>enMenschen zusammentun, damit unser Beitragfür die Welt wirksamer wird? Das sindeinige <strong>der</strong> Fragen, die erwachen, wenn dieSensibilität für das Soziale vorhanden ist.Nichts kann in Bewegung gesetzt werden,wenn es nicht einzelne Menschengibt, die für ein Ideal brennen und an<strong>der</strong>efür ihre Ideen begeistern können!


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 43€ Erlös und teilnehmende Schulen 1994 bis 20122Schulen450.000160350.000Erlös140300.000250.000200.000SchuleninternationalnationalSchulenDeutschland12010080150.00060100.0004050.0002000199419951996 1997 19981999200020012002 20032004 2005 2006200720082009201020112012Es sind Tausende von Menschen aus244 <strong>Waldorfschulen</strong> in 32 Län<strong>der</strong>n, die imletzten Jahr beim WOW-Day dabei waren– ganze Klassen o<strong>der</strong> Schulen – von Kasachstanüber Deutschland bis nach Irland,dann weiter nach Brasilien, Argentinienund dann von Norwegen über Italien bisnach Südafrika, die sich für eine Idee vereintund Initiative ergriffen haben!2012 waren es bis Juli 389.261 Euro(Stand 9/13), die an die Freunde <strong>der</strong> Erziehungskunstüberwiesen wurden. 2,5 MillionenEuro haben Schüler an <strong>Waldorfschulen</strong>seit 1994 gesammelt. Alle Spendenvom WOW-Day werden zu 100 % von denFreunden <strong>der</strong> Erziehungskunst an die Schulen,Kin<strong>der</strong>gärten und heilpädagogischeEinrichtungen weitergeleitet. Wir finanzierenunsere Arbeit durch Mitgliedsbeiträgeund zweckgebundene Spenden, weiles uns ein Anliegen ist, die Spenden, dieüber unsere Konten fließen, vollständig andie internationale Waldorfbewegung weiterzuleiten.Diese Kampagne ermöglicht benachteiligtenKin<strong>der</strong>n nicht nur den Zugangzu einer qualitativen Bildung, son<strong>der</strong>nträgt außerdem zu <strong>der</strong> Entwicklung vonWaldorfeinrichtungen in <strong>der</strong> Welt bei. DerWOW-Day bringt das Bewusstsein für dieweltweite Waldorfschulbewegung in dieeinzelne Schule. Er ist ein wichtiger Bestandteildes sozialen Lebens und desLehrplans in <strong>der</strong> Waldorfschule gewordenund hat vor allem das Ziel, den engagiertenSchülern wichtiges Werkzeug in die Handzu geben für ihr zukünftiges zivilgesellschaftlichesEngagement, ohne das einegesellschaftliche Wandlung heute nichtvorstellbar ist.Olivia GirardKampagnenleitung WOW-Day beiden Freunden <strong>der</strong> ErziehungskunstDer Erlös und die teilnehmendeSchulenim In- und Auslanddes WOW-Daysvon 1994 bis 2012.


I N T E R N A T I O N A L44 |Pionierfunktion <strong>der</strong> guten Schuleauch in KrisengebietenIsrael, Shfar’amPeru, ChinchaDas Interesse von Eltern an einer guten Schule für ihreKin<strong>der</strong> nimmt <strong>der</strong>zeit auf <strong>der</strong> ganzen Welt zu. Hintergrundsind Regelschulen, die abfragbare (und damitauswendig gelernte) intellektuelle Leistung in denVor<strong>der</strong>grund rücken und dies als Voraussetzung fürkünftige Karrieren betrachten. Die Eltern spüren, dassdies unter dem Blickwinkel eines gesunden Aufwachsensihrer Kin<strong>der</strong> nicht sinnvoll ist. So kann man beobachten:Schule befindet sich weltweit in <strong>der</strong> Krise.Für die international tätige OrganisationFreunde <strong>der</strong> Erziehungskunst ist das gesundeAufwachsen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> primäresZiel. Daher setzen wir uns verstärkt für<strong>Waldorfschulen</strong> und Waldorfkin<strong>der</strong>gärtenein, die in ihrem Land eine Pionierfunktionausüben. Guatemala zum Beispiel, einLand, das drei Jahrzehnte lang vom Bürgerkriegruiniert worden ist, hat keine pädagogischenAlternativen und keine pädagogischenAntworten auf die Bedürfnisse<strong>der</strong> Mayakin<strong>der</strong>. Die Waldorfschule in SanMarcos kann dazu einen wichtigen Beitragleisten, muss aber erst einmal so solideaufgebaut sein, dass sie mit ihrer Bildungsarbeitin die Öffentlichkeit des Landestreten kann.Vergleichbar ist die arabische Waldorfschulein Shfar’am, Israel, die durch dasZusammenleben und -lernen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>langsam auch für die Erwachsenen eineintegrative Rolle spielt. Denn nirgendssonst arbeiten christliche, drusische undmuslimische Araber zusammen. Sie lebenin <strong>der</strong> Regel in getrennten Vierteln <strong>der</strong>Stadt in passiver Toleranz und vermeidenjegliche Nähe. In <strong>der</strong> stark auf Wettbewerbausgerichteten Gesellschaft Chinas ist dieWaldorfpädagogik zwar noch eine Ran<strong>der</strong>scheinung,genießt aber immer mehrZuspruch beson<strong>der</strong>s aus <strong>der</strong> aufgeklärtenMittelschicht.Auch für Kin<strong>der</strong> in Ungarn, <strong>der</strong>en Elternoft aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit in tieferSorge leben, bedeuten die <strong>Waldorfschulen</strong>Orte des Friedens. Und dass es jetzt sogarin Athen eine Initiative für eine Waldorfschulegibt, zeigt, dass gerade in Krisenzeitendie so wichtige Frage nach einerguten Schule, nach dem gesunden Aufwachsen<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> – unabhängig vonden Sorgen <strong>der</strong> Erwachsenen – wesentlichwird.So werden die <strong>Waldorfschulen</strong> zu wichtigenInseln, an denen es noch Kindheitgibt, die ja im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t zu verschwindenscheint. An vielen Orten <strong>der</strong>Welt konnten die Freunde <strong>der</strong> Erziehungskunstmit ihren Mitteln dazu beitragen.Nana GoebelVorstandsmitglied <strong>der</strong> „Freunde <strong>der</strong>Erziehungskunst“


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 45Israel, Shfar’am,Waldorfschule TamratEl ZeitounLiebe Freunde,es erwärmt unsere Herzenund Seelen zu erleben,welche bedingungsloseUnterstützungwir von unserentreuen Kollegen an an<strong>der</strong>en<strong>Waldorfschulen</strong>erfahren. Dafür sindwir sehr dankbar. Wirsehen die WOW-Day-Spenden als wichtigeUnterstützung für dasFortbestehen unsererVision. Der Kern dieserVision ist die Hoffnungauf Gleichberechtigungund Verständigunginnerhalb <strong>der</strong>arabischen Gemeinschaftsowie zwischenJuden und Arabern inIsrael, unabhängig vonKultur o<strong>der</strong> sozialemHintergrund. Diese Visionwird an unsererSchule durch eine alternativeErziehung einerneuen Generationumgesetzt, die aufFreiheit, Ehrlichkeitund Liebe basiert.Tamrat El Zeitoun istfür ihre Schüler, Lehrerund Eltern viel mehrals nur eine Waldorfschule.Sie ist einePlattform für sozialenWandel und sozialeMobilität. Unser Erfolghat das Potenzial, weitereSamen in <strong>der</strong> arabischenGemeinschaftin Israel zu säen undsich darüber hinausüber die israelischenGrenzen hinweg inweitere arabischeGemeinden im NahenOsten auszubreiten.Mit den bestenWünschen,Faten TabajaPeru, Chincha, SchuleunterwegsLiebe Schülerinnenund Schüler <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong> inaller Welt:Mit eurem Beitrag, denunser gemeinnützigerVerein Pro Humanuserhalten hat, werdenwir im Rahmen unseresProjekts „Schule unterwegs”in mehreren peruanischenHochandendörfern<strong>der</strong> RegionenHuancavelica undCusco weiterhin regelmäßigKin<strong>der</strong>, Lehrerund Eltern in Kin<strong>der</strong>gärtenund Schulenbegleiten und fortbildensowie Unterrichts-Materialien und Mobiliarzur Verfügung stellenkönnen.Des Weiteren unterstütztihr mit euremBeitrag die Betreuungkrebskranker Kin<strong>der</strong> ineinem öffentlichenKrankenhaus <strong>der</strong>Hauptstadt Lima. Dortbegleiten wir in denZeiten, in denen wirnicht im Hochland imEinsatz sind, die krebskrankenKin<strong>der</strong> mitSpielen, Malen, Musik,Erzählungen und Dingen,die ihnen erlauben,trotz ihrer schwierigenLebenslage einfachKind zu sein undnicht nur als Krankebehandelt zu werden.Ganz herzlichen Dankallen Schülerinnen undSchülern und all denen,die den WOW-Day 2012 ermöglichtund umgesetzt habenund dadurch wie<strong>der</strong>viele Initiativen, wieauch die unsrige, unterstützenkonnten.Mögen zahlreiche positiveRückmeldungenaus den verschiedenstenOrten <strong>der</strong> Welt vieleSchüler motivieren,sich auch dieses Jahrwie<strong>der</strong> am WOW-Dayzu beteiligen.Bettina Vielmetter


I N T E R N A T I O N A L46 |Waldorflehrer aus 15 Län<strong>der</strong>ntrafen sich in RigaÜber 200 Waldorflehrer aus Osteuropa trafen sich imJuli in <strong>der</strong> Waldorfschule in Riga zur Tagung „Balance in<strong>der</strong> Erziehung“, die die Internationale Assoziation fürWaldorfpädagogik in Mittel- und Osteuropa (IAO) veranstaltete.Ihr Ziel war es, Austausch und Begegnung zuermöglichen, aber auch neue Perspektiven für die Weiterentwicklung<strong>der</strong> Waldorfpädagogik in <strong>der</strong> Region zudiskutieren.In Osteuropa ist die Lage <strong>der</strong> Waldorfschulbewegungdurch schwierigepolitische Verhältnisse und finanzielleVoraussetzungen gekennzeichnet. Die<strong>Waldorfschulen</strong> können sich nie auf gewachseneStrukturen verlassen, immerwie<strong>der</strong> werden Verordnungen und Gesetzeso verän<strong>der</strong>t, dass ihre Arbeit erschwertwird. Dies führt zu vielfältigenEnttäuschungen, da die Aufbauarbeitvon Jahren in Gefahr gerät. DieserSituation muss sich <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong>IAO immer wie<strong>der</strong> aufs Neue stellenund nach Lösungsansätzen suchen.Ein unkonventioneller Vorschlag dazuwar, doch einmal eine große, gemeinsameTagung für alle mittel- und osteuropäischen<strong>Waldorfschulen</strong> zu veranstalten.So kam das Treffen zustande, bei demVertreter aus 15 verschiedenen Län<strong>der</strong>nanwesend waren und die Tagungsräumemit einem schier babylonischen Sprachgewirrerfüllten.Claus-Peter Röh von <strong>der</strong> PädagogischenSektion in Dornach führte in täglichenMorgenvorträgen die Teilnehmeran das Tagungsthema heran: „Wie findenwir im Unterricht die richtige Balancezwischen denkerischem und künstlerischemLernen?“. Röh betonte, dass Waldorfpädagogiknie etwas Abgeschlossenes,Fertiges sein könne, son<strong>der</strong>n sichimmer in Bewegung befinde und innereBeweglichkeit erfor<strong>der</strong>e. Diese Beweglichkeitbeson<strong>der</strong>s im Künstlerischen zuüben, wurde zu einem Schwerpunkt <strong>der</strong>gemeinsamen Arbeit, verschiedene Kurseboten die Möglichkeit, Beweglichkeitund Wahrnehmung zu schulen.Eine beson<strong>der</strong>e Note erhielten dieKurse durch die vielfältigen kulturellenHintergründe <strong>der</strong> Teilnehmer. Erlebenkonnte man im gemeinsamen Tun aberauch, welch hohe Kompetenz in vielenBereichen in den Kollegien <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>in Osteuropa vorhanden ist.Als Höhepunkt innerer und äußererBeweglichkeit konnte man die Aufführung<strong>der</strong> Eurythmiebühne Budapest erleben.Unter <strong>der</strong> künstlerischen Leitungvon Maria Scheily boten die Künstlereine hohe Präzision, gepaart mit feinenkünstlerischen Empfinden für Spracheund Musik.Die Schönheit <strong>der</strong> Stadt Riga undihrer Umgebung trug wesentlich dazubei, Brücken zwischen den Kulturen zuschlagen,Verständnis für die jeweils an<strong>der</strong>eSituation zu schaffen und so demZiel <strong>der</strong> Tagung, neue Begegnungsmöglichkeitenzu eröffnen, gerecht zu werden.Nicht möglich gewesen wäre dieseTagung ohne die großzügigen Zuwendungen<strong>der</strong> Software-AG-Stiftung, <strong>der</strong>Mahle-Stiftung und <strong>der</strong> Waldorfstiftung.Hierfür sei im Namen aller Teilnehmerherzlich gedankt.Christoph JohannsenGeschäftsführer <strong>der</strong> IAO


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 47Begegnungen von Waldorflehrern aus15 Län<strong>der</strong>n und künstlerische Übungenprägten die Tagung in Riga –selbstverständlich unterbrochendurch wohlverdiente Pausen.


V O R S C H A U48 |Sechs 12. Klassenspielen den ganzen „Faust“Ein einmaliges Schülerprojekt erwartet Theaterbegeisterteund Goethe-Freunde vom 22.bis 28. Februar 2014 in München: Sechs 12.Klassen von sechs <strong>Waldorfschulen</strong> aus ganzDeutschland bringen Goethes Faust I undFaust II eine Woche lang auf die Bühne.Gespielt wird im großen Festsaal <strong>der</strong> Rudolf-Steiner-SchuleIsmaning, vormittags fürSchulklassen und abends für die Öffentlichkeit.Begleitend gibt es kurze Einführungen unddrei große Themenvorträge. Jede <strong>der</strong> sechsSchulklassen hat jeweils einen Part des Werksübernommen.Bei <strong>der</strong> Inszenierung hatten die Klassenkünstlerischen und interpretatorischen Spielraum,so erwarte die Zuschauer eine „außergewöhnlichinnovative Art <strong>der</strong> Umsetzung“,heißt es auf <strong>der</strong> Homepage des Projekts. Beteiligtsind die <strong>Waldorfschulen</strong> Erftstadt, Halle,Hildesheim, Ismaning, Walhausen und Wendelstein.Die Organisation liegt in den Händen<strong>der</strong> Faust-Festival-Projektgruppe <strong>der</strong> Rudolf-Steiner-Schule Ismaning, in <strong>der</strong> sich Schüler,Eltern und Lehrer engagieren.www.faust-schuelerprojekt.deKartenvorbestellung:mail@faust-schuelerprojekt.de


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013| 49Goethes HandschriftFaust I


A U S D E N R E G I O N E N50 |Baden-WürttembergLandesregierung gestehtErstattung von 80 Prozent<strong>der</strong> Kosten zuVon erfolgreichen Verhandlungenhinsichtlich <strong>der</strong> in Aussicht gestelltenVerbesserung <strong>der</strong> Landeszuschüssekann die Landesarbeitsgemeinschaft<strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> inBaden-Württemberg (LAG) berichten.„Jetzt ist es geschafft, dass 80Prozent <strong>der</strong> Bruttokosten gezahltwerden. Die grün-rote Landesregierunghat ihren Worten nun endlichTaten folgen lassen“, berichtetLAG-Sprecher Matthias Jeuken.Die Erstattung <strong>der</strong> 80 Prozent warbereits Bestandteil <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung<strong>der</strong> grün-roten Landesregierunggewesen.In drei Stufen wird das Bruttokostenmodellumgesetzt, eine Stufewar schon erreicht, wegen <strong>der</strong> zweitenund dritten wurde aufgrund einesHaushaltsvorbehalts noch verhandelt.Im Zuge dieser Erhöhunghabe die Landesregierung Zuschüssebei den Pensionskosten für beurlaubteBeamten, die an freien Schulenunterrichten, abschmelzen unddurch die freien Schulträger refinanzierenwollen, dies habe die Verhandlungensehr kompliziert gemacht.Die <strong>Waldorfschulen</strong> wären vondiesem Vorhaben wenig betroffengewesen, umso mehr aber die an<strong>der</strong>enfreien Schulen, bei denen einTeil <strong>der</strong> Lehrer freigestellte Lehrkräfteaus dem Staatsdienst sind.„Für die AGFS war das eine echteZerreißprobe, aber zum Schluss wurdeein Kompromiss gefunden“, erläutertJeuken. Der Kompromiss bestehtin einem Bestandsschutz fürdie aktuell betroffenen Lehrer, nurfür die neu eingestellten wird dasLand keine Pensionszusagen übernehmen.Durch den Kompromiss werdendie Zuschüsse stufenweise um dreimal 14 Mio. Euro für die freienSchulen erhöht.Ein Dauerthema in Baden-Württembergbleibt nach den WortenJeukens auch die Versorgung <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong> mit Lehrern: „Nachwie vor entlassen die Freie Hochschulein Stuttgart und die Akademiefür Waldorfpädagogik in Mannheimnicht genügend Absolventen,um den Bedarf zu befriedigen.“ DieLehrergewinnung stelle sich allerdingsregional sehr unterschiedlichdar. In ländlichen Gebieten wie <strong>der</strong>Ostalb o<strong>der</strong> dem Schwarzwald zeigensich ganz an<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungenals in großstädtischen Ballungsräumen.Zudem ist lei<strong>der</strong> eine vergleichsweisehohe Immobilität <strong>der</strong>Absolventen festzustellen, die lieberin den Städten bleiben wollten. Entsprechendwichtig ist <strong>der</strong> LAG dieangemessene Berufseinführung. „Esmuss ja nicht sein, dass die jungenLehrer, die endlich gefunden sind,wie<strong>der</strong> das Handtuch werfen“, meintJeuken. Neben Initiativen zur Lehrergewinnung– an <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> HochschuleStuttgart wird es für studieninteressierteWaldorfschüler denStuttgart-Tag geben: Informationenüber das Waldorflehrerstudium plusCity-Action – hat die LAG deshalbSchwerpunkte auf die Ausweitung<strong>der</strong> Mentorenausbildung und dasEinrichten regionaler Einarbeitungskooperationengelegt.Bei <strong>der</strong> Umsetzung des Inklusionsgedankenssei man bei <strong>der</strong> LAGgut vorangekommen durch die Intensivierung<strong>der</strong> Kontakte zu denheilpädagogischen Schulen. Lei<strong>der</strong>setze hier aber auch die FinanzlageGrenzen, wie <strong>der</strong> Rechtsstreit mitdem Land um die Zuschüsse für dieIntegrative Waldorfschule Emmendingenzeige. Obwohl die Schulegenauso viel leiste wie eine heilpädagogischeSchule, bekomme sieweniger Zuschüsse für die Integrationsschüler.„Wie man hier sieht,ist doch zu befürchten, dass Inklusionvon <strong>der</strong> Bildungspolitik alsSparmodell missbraucht wird“,meint Jeuken.Berlin-BrandenburgEntscheid <strong>der</strong> Verfassungsklagelässt auf sich wartenLandesarbeitsgemeinschaften <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong>, die mit verschiedenen<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n zu tun haben,sind oft mit sehr unterschiedlichenbildungspolitischen Vorgaben konfrontiert.Die LandesarbeitsgemeinschaftBerlin-Brandenburg ist eingutes Beispiel dafür. Während inBerlin mit den Kultusbehörden <strong>der</strong>zeitGespräche über ein neues, besseresund transparenteres Finanzierungsmodellmit guter Aussichtauf Erfolg laufen, wartet man inBrandenburg auf einen Entscheiddes Landesverfassungsgerichts hinsichtlich<strong>der</strong> Kürzung <strong>der</strong> Zuschüssefür die freien Schulen.„Die Ministerien in beiden <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>nsind von <strong>der</strong> SPD geführt,die Partei verfolgt hier einenganz an<strong>der</strong>en Kurs in Brandenburg“,betont Dr. Detlef Hardorp, <strong>der</strong> bildungspolitischeSprecher <strong>der</strong> LAGBerlin-Brandenburg. Mit ihremHaushaltsbegleitgesetz wollte dieLandesregierung vor allem aufSchulgründungen reagieren, nachdemstaatliche Schulen aus demografischenGründen geschlossenworden seien. Treffen tut sie dabeiaber in erster Linie bestehende freieSchulen.Nach dem politischen Wechselvon <strong>der</strong> rot-schwarzen zu einer rotrotenLandesregierung in Brandenburgsei <strong>der</strong> restriktive Kurs gegenüberdem freien Schulwesen vollerblüht. „Wir hatten ja gehofft, dassdie Verfassungsklage innerhalb einesJahres entschieden wird“, betontHardorp. Damit sei aber nicht zurechnen. Durch die stufenweise Reduzierung<strong>der</strong> Zuschüsse im Haushaltsbegleitgesetzhielten sich dieAuswirkungen allerdings <strong>der</strong>zeitnoch in Grenzen. Greife das Gesetzaber im Drei-Jahres-Zeitraum voll,seien Existenzprobleme für Schulenvorauszusehen.Nicht nur mit den Finanzen, auchauf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Lehrkräfte gibtes neue Restriktionen, mit denendie freien Schulen in Brandenburgzu kämpfen haben. In einer neuenKlage, die nicht aus dem Waldorfbereichkommt, wehrt sich eine neuzu gründende Schule gegen dieVorgabe des Bildungsministeriums,51 Prozent <strong>der</strong> Lehrer müssten zweiStaatsexamen haben und niemanddürfe mit Honorarvertrag angestellt


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013werden. In erster Instanz hatte dieSchule Erfolg, die Landesregierungging in Revision. „Man kann sichdes Eindrucks nicht erwehren, dasshier auch auf Zeit gespielt wird“,meint Hardorp dazu. Positiver hättensich in Brandenburg allerdings dieBeziehungen zur Verwaltungsebenegestaltet, hier hatten sich beide Seitenum eine bessere Kommunikationbemüht.Auch bei <strong>der</strong> Lehrergewinnunggibt es aus Berlin-Brandenburg ehergute Nachrichten. Vor allem dieKooperation zwischen dem BerlinerLehrerseminar und <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> HochschuleStuttgart führe dazu, dassmehr Studierende in Berlin-BrandenburgPraktika machen und sodie Chance steige, sie später alsLehrer auch zu behalten. In diesemZusammenhang weist Hardorp auchauf die Bestrebungen in <strong>der</strong> LAGhin, die finanziellen Beiträge <strong>der</strong>Schulen für die Lehrerbildungseinrichtungenstärker an die Zahl <strong>der</strong>übernommenen Lehrer zu koppeln.„Es ist einfach ungerecht, wennFrankfurt/O<strong>der</strong> mit seinen knappenMitteln genauso viel zahlt wie einean<strong>der</strong>e Schule, wenn in den Berlin-fernenSchulen kaum Lehrer mitSeminarausbildung verbleiben“,wird <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> LAG diskutiert.BayernAls freie Schulen mehr aneinem Strang ziehenGute Erfahrungen mit dem neuenKonzept zur regionalen Lehrerbildunghat man bei <strong>der</strong> LAG in Bayerngemacht. „Das Wan<strong>der</strong>seminarNordbayern, das im September 2012gestartet ist, arbeitet erfolgreich,das Angebot findet offenbar gutenAnklang“, erläutert ChristophDörsch, einer <strong>der</strong> Sprecher <strong>der</strong>LAG. Bei dem neuen Konzept füreine berufsbegleitende Lehrerbildungverteilen sich die Ausbildungsmoduleauf verschiedeneStandorte an den nordbayrischen<strong>Waldorfschulen</strong>. Ziel ist es, vor allemInteressenten aus Bayern anzusprechenund die Wege für dieStudierenden kurz zu halten.Christoph DörschDie Themen, die die LAG in Bayernin diesem Schuljahr mit ihrenturnusmäßigen LAG-Spezial-Treffenbearbeitet hat, waren Inklusion undSelbstverwaltung. Der Kongress <strong>der</strong>Waldorfschulbewegung in Flensburgim vergangenen Jahr habehier sehr inspirierend gewirkt. Allerdingsstelle sich immer wie<strong>der</strong>die Frage, wie die erarbeiteten Ergebnissedann an den Schulen umgesetztwürden. „Es kommen öfterDelegierte, die nicht zentral insSchulgeschehen eingebunden sind.Lei<strong>der</strong> werden dann Impulse, dievon unseren Treffen ausgehen, nichtso aufgegriffen, wie wir uns daswünschen“, betont Dörsch.Beim Konzept zur Prävention vorMissbrauch an den Schulen habedie LAG beson<strong>der</strong>e Anstrengungenunternommen: „Es war uns wichtig,dass hier eine fachlich gute Beratungsichergestellt ist. Diese Konzeptemüssen nachhaltig verfolgt werdenan den einzelnen Schulen, sonstversanden sie wie<strong>der</strong>. Die LAG hattedie Schulen aufmerksam gemachtvor dem Hintergrund des Missbrauchsfallsan <strong>der</strong> Waldorfschulein München-Schwabing, <strong>der</strong> demnächstin Augsburg vor Gericht verhandeltwird. „Die <strong>Waldorfschulen</strong>müssen zeigen, dass sie Konsequenzenaus diesem Vorfall ziehen undMaßnahmen ergriffen haben, umdas Risiko des Missbrauchs so geringwie möglich zu halten“, betontDörsch.In <strong>der</strong> Veranstaltung zur Inklusionging es vor allem um die rechtlichenRahmenbedingungen. „In Bayernist zwar jetzt die Möglichkeitgegeben, dass man eine Inklusionsschulewerden kann, aber dieBedingungen für die freien Schulensind noch unklar.“ Um in <strong>der</strong> Bildungspolitiknoch mehr zu bewegen,wünscht sich Christoph Dörsch inZukunft eine engere Zusammenarbeit<strong>der</strong> freien Schulen in Bayern.„Die Gründung <strong>der</strong> AGFS zusammenmit dem Montessori-Landesverband2011 war ein erster Schritt.Nun sollten wir versuchen, auchmit den kirchlichen Schulen mehran einem Strang zu ziehen. Nur gemeinsamenschaffen wir es, in Verhandlungenmit den politisch Verantwortlichenetwas durchzusetzen“,betont Christoph Dörsch. Derbayrische LAG-Sprecher wird imHerbst 2013 als Geschäftsführer zumBdFWS nach Stuttgart überwechseln.HamburgAuf <strong>der</strong> Suche nach passendenFormen <strong>der</strong> ZusammenarbeitDie Erarbeitung einer neuen Organisationsstruktursteht für dieLandesarbeitsgemeinschaft (LAG)<strong>der</strong> Rudolf-Steiner-Schulen in Hamburgimmer noch weit oben auf<strong>der</strong> Prioritätenliste. Seit Februar2013 arbeitet die neu gegründeteRegionalversammlung <strong>der</strong> HamburgerSchulen an diesem Thema.„Im Stadtstaat Hamburg habenwir eben beson<strong>der</strong>e Bedingungen“,erläutert dazu Peter Steinle, <strong>der</strong> Leiter<strong>der</strong> Regionalversammlung. Mansehe sich oft und die Wege seienkürzer. Von daher hoffe man, mitweniger formalen Vorgaben undmit einer kollegialen Leitung <strong>der</strong>LAG auszukommen. Angedacht seieine eher projektbezogene Zusammenarbeit.„Wir sind auf <strong>der</strong> Suchenach Formen, die zu uns passen,wir werden sehen, ob die Zusammenarbeitso auf Dauer gelingt“,meint Steinle.Bisher hat die Regionalkonferenzneben diesen strukturellen Über -legungen Vertreter in die Arbeitsgemeinschaft<strong>der</strong> freien Schulendelegiert und drei Personen für dieschulpolitische Vertretung gegenüberden Kultusbehörden bestimmt.| 51


A U S D E N R E G I O N E N52 |Nach den Sommerferien sollen auchdie Delegierten für die <strong>Bund</strong>eskonferenzdes BdFWS gefunden werden.Steinle betont, dass trotz <strong>der</strong>zurzeit offenen Strukturen in deneinzelnen regionalen Gremien einequalifizierte Arbeit geleistet wird.„Die Arbeitskreise zum Thema Abschlüsseund Behördenkontakte arbeitengut, ebenso <strong>der</strong> Elternrat unddie Geschäftsführerkonferenz.“Die nächste Bürgerschaftswahlsteht in Hamburg 2015 an, hier willdie LAG durch ihre inhaltliche ArbeitWeichen stellen für die weitere Zukunft.Als zentrales Thema verfolgtdie LAG <strong>der</strong>zeit eine bessere Berücksichtigung<strong>der</strong> Gebäudekostenin <strong>der</strong> staatlichen Finanzhilfe fürdie Schulen in freier Trägerschaft.Durch die Schaffung einer kommunalenTrägergesellschaft, die denstaatlichen Schulen die Gebäudeüberlasse, sei jetzt Transparenzhinsichtlich <strong>der</strong> Schulgebäudekostengeschaffen worden. Es habe sichgezeigt, dass sie in den Finanzhilfesätzendeutlich zu niedrig angesetztseien. In Gesprächen mit denpolitischen Vertretern will die LAGhier auf eine Anpassung dringen.Der zweite Arbeitsschwerpunktliegt in <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> „GanztägigenBildung und Betreuung anSchulen“ (GBS). Diese offene Formeiner Ganztagsschule hat die HansestadtHamburg inzwischen flächendeckendin ihren Grundschuleneingeführt. Der Kern des Programmsliegt in <strong>der</strong> Verlagerung <strong>der</strong> Hortarbeitin die Räume <strong>der</strong> Schule unterBeibehaltung <strong>der</strong> rechtlich selbstständigenHortträger. Die ZusammenarbeitHort – Schule erfolgt übereinheitliche Kooperationsverträge,die die Stadt mit den freien Jugendhilfeträgernausgehandelt hat. „DieHamburger <strong>Waldorfschulen</strong> habendieses Programm bisher nicht umgesetzt,da das alte Hortsystem ihrenBedürfnissen mehr entspricht“, erläutertPeter Steinle. Bisher sei diegesetzliche Grundlage für die Horteauch noch gegeben. „Wir wissenaber nicht, wie sich das weiterentwickelt.“Der Vorteil für die Stadtliege darin, im GBS-System kostenneutralmehr Betreuungsplätze zuschaffen. Nach neueren Erhebungennutzen inzwischen 2/3 <strong>der</strong> staatlichenGrundschüler die GBS – weitmehr als von <strong>der</strong> Schulbehörde erwartetwurde.HessenInklusionsberatungsstelle inFrankfurt geschaffenMit <strong>der</strong> neu geschaffenen Waldorfinklusionsberatung(WIB) will dieLandesarbeitsgemeinschaft (LAG)<strong>der</strong> hessischen <strong>Waldorfschulen</strong>Eltern und Lehrern den Einstieg indas Thema Inklusion erleichtern.Ab dem 1. August 2013 soll sieihre Tätigkeit aufnehmen, die beidenFachreferentinnen Claudia Bauerund Susanne Hanf stehen fürAnfragen in den Räumen <strong>der</strong> LAGin Frankfurt zur Verfügung. Auf dreiJahre wurde das Projekt zunächstmithilfe von Drittmitteln finanziert,Geldgeber sind u.a. die Michael-Stiftung, die Domus-Donata-Stiftungund <strong>der</strong> BdFWS. Der neue Geschäftsführer<strong>der</strong> LAG, Dr. SteffenBorzner, sieht die LAG hier auf demrichtigen Weg: „Wenn man etwasNeues wagt, sollte man es richtigetablieren. So wird Transparenz geschaffenauch hinsichtlich <strong>der</strong> Mittel,die notwendig sind“, betont Borzner,<strong>der</strong> zum 1. Juli 2013 die Nachfolgedes langjährigen GeschäftsführersNorbert Handwerk angetreten hat.Die WIB soll für die <strong>Waldorfschulen</strong>in Hessen ein Pendant zuden Beratungs- und För<strong>der</strong>zentren(BFZ) im staatlichen Schulbereichbilden. Borzner: „Wir hoffen, dassdie Erfahrungen, die wir damit sammeln,auch den an<strong>der</strong>en LAGs zugutekommen.“Der neue Geschäftsführer inFrankfurt ist Diplombiologie undlangjähriger Waldorfvater. Er warvor seinem Einstieg bei <strong>der</strong> LAGHessen rund 20 Jahre im Projektmanagementin den Organisationen<strong>der</strong> biologisch-dynamischen Landwirtschaft,u.a. beim Forschungsring,tätig. Ein beson<strong>der</strong>es Anliegen inseiner neuen Tätigkeit ist ihm dieAktivierung <strong>der</strong> Waldorfeltern. „DieEltern haben alle basisdemokratischenMöglichkeiten. Sie engagierensich zwar in vielen Dingen, bringensich aber aus meiner Sicht zuwenig bei den qualitativen Themenein.“ Borzner möchte vor allem dasinhaltliche Profil <strong>der</strong> Waldorfschulemehr gestärkt wissen: „Ein Gymnasiummit Waldorf-Touch ist aufDauer nicht konkurrenzfähig“, betonter.Beson<strong>der</strong>s erfreut ist man in Hessen,dass das seit 2009 an einemrunden Tisch mit den Schulen infreier Trägerschaft entwickelte neueModell <strong>der</strong> Ersatzschulfinanzierungnun Gesetzeskraft hat. Ab 2013 werdenin einem zehnjährigen Stufenplandie staatlichen Finanzhilfenauf 85 Prozent (bzw. 90 Prozent fürdie För<strong>der</strong>schulen) <strong>der</strong> vollen staat-Dr. Steffen Borzner (links) trat ab1.7.2013 die Nachfolge von GeschäftsführerNorbert Handwerk an.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013lichen Schulkosten schrittweise angehoben.Erstmals wurden bei <strong>der</strong>Berechnung auch die Kosten <strong>der</strong>kommunalen Schulträger in vollerHöhe einbezogen. Auch wenn diehessischen <strong>Waldorfschulen</strong> in dennächsten Jahren noch nicht wesentlichhöhere Zuschüsse erhalten, steigendie Zuschüsse für die Waldorf-För<strong>der</strong>schulen doch erheblich, dadas neue Gesetz die Verteilungsgerechtigkeitbei Vergabe <strong>der</strong> auch inHessen begrenzten Finanzmitteldeutlich verbessert.Mecklenburg-VorpommernForschung zu jahrgangsübergreifendenKlassen geplantInnovative Impulse für die Waldorfpädagogikerhofft man sich bei<strong>der</strong> Landesarbeitsgemeinschaft(LAG) <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>in Mecklenburg-Vorpommern vondem Schulprojekt Seewalde beiWustrow in <strong>der</strong> MecklenburgischenSeenplatte. Die kleine Waldorfschulehat im Schuljahr 2011/12 denBetrieb aufgenommen.„Die Schule entwickelt sich gut“,berichtet LAG-Sprecher Jürgen Spitzer.Ein wesentliches Kennzeichen<strong>der</strong> Schule ist <strong>der</strong> Unterricht in altersheterogenenKlassen. Um diesesKonzept auf eine bessere Grundlagezu stellen, ist jetzt ein Forschungsprojektin Zusammenarbeit mit <strong>der</strong>Alanus Hochschule/Alfter geplant.„Der jahrgangsübergreifende Unterrichtsteckt noch sehr in den Anfängen.Was wir brauchen, ist einKonzept, das richtig aus <strong>der</strong> Menschenkundeheraus begründetwird“, meint Spitzer. Dies kommedann auch den an<strong>der</strong>en <strong>Waldorfschulen</strong>im ländlichen Raum zugute,die aufgrund ihrer Schülerzahlenebenfalls mit altersübergreifendenKlassen arbeiten. (Siehe dazu auchArtikel von Dr. Richard Landl S.16)Mit Sorge schaut die LAG demgegenüberbei den Finanzen in dieZukunft. „Lei<strong>der</strong> hat sich die Linie<strong>der</strong> Landesregierung gegenüber denfreien Schulen nicht so entwickelt,wie wir uns das erhofft hatten“, erläutert<strong>der</strong> Sprecher <strong>der</strong> LAG. DenHintergrund dieser Besorgnis bildetdas Vorhaben <strong>der</strong> Landesregierung,die Lehrer an den staatlichen Schulenzu verbeamten, um so dem anhaltendenLehrermangel in Mecklenburg-Vorpommernzu begegnen.50 Millionen Euro jährlich seien dafüraufzubringen und es sei zu befürchten,dass sie durch Sparmaßnahmenim Bereich <strong>der</strong> freien Schulenerwirtschaftet werden sollen.Eine Rolle dabei spielt auch ein Urteildes Oberverwaltungsgerichtsaus dem Jahr 2012 zu den Zuschüssenbei Personalkosten an freienSchulen. „Wenn das so umgesetztwird, wissen wir wirklich nicht, wiewir das bewältigen sollen. Die Elternbeiträgemüssten drastisch steigenund das geht gerade in Mecklenburg-Vorpommerngar nicht“,betont Spitzer.An spektakuläre Aktionen ist dabeiaber nicht gedacht. Die LAGsetzt zunächst auf Verhandlungenund hofft, dass sie so etwas erreichenkann in Kooperation mit <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft<strong>der</strong> freien Schulen.Die verän<strong>der</strong>te Linie <strong>der</strong> Landesregierungbringt man bei <strong>der</strong>LAG auch mit dem Kurs im benachbartenBrandenburg in Verbindung.Hier erfolge zunehmend eine Abstimmungunter den Kultusbehördenbzw. Linie <strong>der</strong> SPD gegenüber denfreien Schulen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Lehrergewinnungfür die <strong>Waldorfschulen</strong>sieht LAG-Sprecher Spitzer keinewachsenden Probleme durch diegeplante Verbeamtung <strong>der</strong> Lehreran den staatlichen Schulen: „Wirmüssen es einfach schaffen, dassdie Atmosphäre an den <strong>Waldorfschulen</strong>so ist, dass die Menschengern bei uns arbeiten. Dann spielenauch Geld und Sicherheit nicht diegroße Rolle.“Mitte-OstLehrerfortbildung zuInklusion startet in LeipzigStabile Anmeldezahlen und teilweiseWartelisten bei den meistenihrer Schulen vermeldet die RegionalkonferenzMitte-Ost, in <strong>der</strong>die neuen <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong> Thüringen,Sachsen-Anhalt und Sachsen zusammenarbeiten.„Bei den großen älteren Schulensind die Klassen voll und Magdeburgist zum Beispiel gerade auf demWeg zur Zweizügigkeit mit einerzweiten ersten Klasse“, berichtetLAG-Sprecher Erdmann Hübner. InDresden gebe es so viele Anmeldungen,dass <strong>der</strong>zeit die Gründungeiner zweiten Waldorfschule in eineman<strong>der</strong>en Stadtteil vorbereitetwerde.An<strong>der</strong>s sieht die Situation beiden neuen, kleineren <strong>Waldorfschulen</strong>aus, die sich noch im Aufbaubefinden. „Hier haben wir eine Riesenaufgabevor uns, denn in denbetreffenden Gebieten gehört dasKonzept Waldorf noch nicht zur Kulturlandschaft“,erläutert er. WeiteAnfahrtswege und die Tatsache,dass es immer erst mal ein kleinerKreis von engagierten Eltern sei,machten den Aufbau zu einer echtenPionieraufgabe. Erfahrungsgemäßmüsse man erst mal mehrere Abiturjahrgängehinter sich bringen,bis die Akzeptanz in <strong>der</strong> Öffentlichkeitda sei, meint <strong>der</strong> LAG-Sprecherzu den Bedingungen für den „AufbauOst“ in <strong>der</strong> Waldorfschulbewegung.Ab dem nächsten Jahr müssendie <strong>Waldorfschulen</strong> in Mitte-Ostauch ohne die Mittel aus dem Ostfonds<strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> auskommen,die über viele Jahre eine wichtigeUnterstützung beim Aufbau <strong>der</strong><strong>Waldorfschulen</strong> in Ostdeutschlandwaren.Den Sparkurs <strong>der</strong> Landesregierungenin den neuen <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>nim freien Schulwesen bekommt manauch in <strong>der</strong> Region Mitte-Ost zuspüren: „In Sachsen sind die Pro-Kopf-Sätze zum ersten Mal gesunkenaufgrund <strong>der</strong> Berechnung imneuen Schulgesetz“, berichtet Hübner.Die Fraktionen <strong>der</strong> Grünen/Bündnis 90, <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> Linkenhaben ein Normenkontrollverfahrengegen dieses Gesetz <strong>der</strong> CDU/FDP-Landesregierung eingereicht. Mitdem Urteil des Verfassungsgerichtshofswird im November 2013 gerechnet.Ein solches Normenkontrollverfahrengegen das 2011 neu verabschiedeteSchulgesetz <strong>der</strong> Landes-| 53


A U S D E N R E G I O N E N54 |Der preisgekrönte Neubau <strong>der</strong>Magdeburger Waldorfschuleregierung aus SPD und CDU gibtes inzwischen auch in Thüringen.Hier sind es auch die Grünen/Bündnis90, die es eingereicht haben,weil sie eine Gleichbehandlung <strong>der</strong>freien Schulen bei <strong>der</strong> Kostenberechnungdurchsetzen wollen. ImSchulgesetz seien 80 Prozent Zuschüsseim Vergleich zu den staatlichenSchulen vorgesehen, erläutertHübner. „Heraus kommen aber aufgrund<strong>der</strong> Berechnungsgrundlagenur 65 Prozent. Die Kosten <strong>der</strong> staatlichenSchulen werden einfach nichtvollständig erfasst.“ Bei diesem Themaschaue man bei <strong>der</strong> Region Mitte-Ostmit großem Interesse zu denKollegen in Hessen: „Es müsstedoch möglich sein, das vorbildlicheModell hier auch mal ins Gesprächzu bringen, damit wenigstens beimnächsten Schulgesetz eine an<strong>der</strong>eGrundlage geschaffen wird.“Intern bewegt sich dagegen einigesin <strong>der</strong> Regionalkonferenz: Abnächstem Frühjahr wird es in Leipzigeine Fortbildung für Lehrer an inklusivarbeitenden Schulen gebenin Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Akademiefür Waldorfpädagogik in Mannheim.Seit Sommer 2012 ist <strong>der</strong> neueund erste Internetauftritt <strong>der</strong> Regionalkonferenzonline (Link: http://www.waldorfschulen-sachsenanhalt-thüringen.de).An mehrerenSchulen wurde in größerem Umfanggebaut (z. B. in Erfurt <strong>der</strong> erste eigeneErweiterungsbau, in Magdeburgein neues Unterstufengebäudeund in Chemnitz eine umfassendeSanierung des alten Gebäudebestandes).Beson<strong>der</strong>s erfreut ist manüber die Tatsache, dass die MagdeburgerWaldorfschule für ihren Unterstufenneubaueinen Architekturpreisdes Landes Sachsen-Anhaltbekommen hat.Nie<strong>der</strong>sachsen/Bremen„Lehrerbildung in <strong>der</strong> Praxis“in <strong>der</strong> HeilpädagogikGroße Zufriedenheit herrscht bei<strong>der</strong> Landesarbeitsgemeinschaft(LAG) <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen/Bremennach wie vor mitdem Modell „Lehrerbildung in <strong>der</strong>Praxis“ (LIP), durch das die <strong>Waldorfschulen</strong><strong>der</strong> Region ihren Berufseinstieggeregelt haben.Derzeit befinden sich 23 Lehrerim LIP, sie werden im nächstenSchuljahr an die Schulen gehen.„Vor allem sind wir auch sehr glücklichdarüber, dass sie alle in Nie<strong>der</strong>sachsen/Bremenbleiben“, betontLAG-Sprecher Detlev Schiewe.Wichtig sei auch, dass inzwischendie Hälfte aller <strong>Waldorfschulen</strong> imLAG-Gebiet Ausbildungsschulensind, die die Lehrer im Praktikumaufnehmen können.Mit einem zweiten berufsbegleitendenLehrerseminar in Ottersberg,dem IWO (Institut für Waldorfpädagogik),wurden in Nie<strong>der</strong>sachsen/Bremen außerdem noch weitereWeichen für die Lehrergewinnunggestellt. „Die Absolventen habengerade das erste Jahr hinter sichund von Ottersberg kommen – außervom Lehrerseminar in Hannover –die meisten Lehrer im LIP“, erläutertSchiewe. Demnächst wird es dasLIP auch für Lehrkräfte an heilpädagogischenSchulen o<strong>der</strong> Schulzweigengeben. Ein Konzept dafürist in Arbeit und geht zum nächstenSchuljahr an den Start. Das Vorhabenkonnte mit Umlagen <strong>der</strong> Schulenfinanziert werden, <strong>der</strong> Verbandfür Anthroposophische Heilpädagogik,Sozialtherapie und sozialeArbeit e.V. hat auch einen Zuschussbeigesteuert.Bildungspolitisch gesehen befindetsich die LAG gerade in einereher ruhigen Phase. Da im Januar2013 die schwarz-gelbe Landesregierungnach acht Jahren Amtszeitabgewählt worden ist, wartet manjetzt erst mal den Kurs <strong>der</strong> neuenrot-grünen Landesregierung ab.„Wir möchten die Zuschusslage gernverbessern, aber das hat jetzt keinenSinn. Nach <strong>der</strong> Sommerpause wissenwir mehr“, meint Schiewe.Gespräche mit den Behörden willdie LAG auch über die Verwirklichungdes Inklusionsgedankens führen.Eigentlich sollten in <strong>der</strong> Regionschon Pilotprojekte zur Inklusion aneinzelnen Schulen starten, aber esgab kaum Anmeldungen von Elterndafür. Von 120 Anmeldungen an<strong>der</strong> Waldorfschule in Hannover-Maschsee sei nur ein Inklusionskinddabei gewesen. „Die Eltern zögernnoch, sie möchten wissen, woraufsie sich einlassen. Schließlich möchtekeiner ein Versuchskaninchen ausseinem Kind machen“, betont Schiewe.Zu vieles sei noch ungeklärtund auch unübersichtlich. In den16 <strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n gebe es beispielsweiseunterschiedliche Vorgehensweisenund Regelungen bei <strong>der</strong>Umsetzung <strong>der</strong> Inklusion.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Nordrhein-WestfalenBerufskolleg wird zumMarkenzeichenDie Schulform Berufskolleg entwickeltsich zu einem Markenzeichen<strong>der</strong> nordrhein-westfälischen <strong>Waldorfschulen</strong>.Inzwischen gibt es siebenKollegs mit den SchwerpunktenMedizin und Gesundheit, Gestaltungund Technik.An weiteren <strong>Waldorfschulen</strong> wirddie Einrichtung erwogen: „Das istein großes Thema an vielen Schulen“,erläutert dazu Sabine Henke-Kohl, Mitglied des Sprecherkreises<strong>der</strong> Landesarbeitsgemeinschaft(LAG) <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> in Nordrhein-Westfalen.Hintergrund ist vorallem die zentrale Abschlussprüfungnach <strong>der</strong> 10. Klasse, die in den <strong>Waldorfschulen</strong>nach <strong>der</strong> 11. abgelegtwird und die dazu führt, dass vieleSchüler das 12. Schuljahr und damitden eigentlichen Waldorfabschlussgar nicht mehr machen.„Das ist einerseits schade, weildamit die Zeit an <strong>der</strong> Waldorfschuleabgerundet wird durch das Klassenspielund die Jahresarbeit, an<strong>der</strong>erseitssieht man aber auch, dassdie Schüler etwas an<strong>der</strong>es suchen“,meint Sabine Henke-Kohl. Die praxisorientierteSchulform des Berufskollegsbetrachtet man bei <strong>der</strong> LAGdaher keinesfalls als Notlösung.„Die wissenschaftliche Begleitunghat gezeigt, dass das Berufskollegmehr Gewicht auf die handwerk -lichen, künstlerischen und sozialenInhalte legt als auf die rein kogni -tiven. Es werden mehr Sinne undFähigkeiten angesprochen, insofernist das Berufskolleg sehr waldorfspezifisch“,so Henke-Kohl.Weniger befriedigend ist aus <strong>der</strong>Sicht <strong>der</strong> LAG die Lage bei <strong>der</strong> Umsetzungdes Inklusionsgedankens.Hier sieht man die Landesregierungin <strong>der</strong> Pflicht bei den Vorgaben fürdie Schulen, die entsprechendenGesetzesvorhaben sind verschobenworden. „Wir haben getan, was wirkonnten. Zum Sprecherkreis gehörenauch Vertreter <strong>der</strong> heilpädagogischenSchulen, wir stimmen unsab und es gibt einen intensivenAustausch. Zweimal im Jahr treffensich die Regelschulen und die heilpädagogischenSchulen in <strong>der</strong> Gesamtkonferenz.“Gemeinsam habeman auch mehr Gewicht. Mehr könneman nicht tun, solange die politischenVorgaben unklar seien.Auf politische Vorgaben reagierthat das Institut für Waldorfpädagogikin Witten-Annen. „Hier ist jetztan einem Runden Tisch <strong>der</strong> Beschlussgefasst worden, dass dieduale Lehrerbildung in Witten-Annen fünfjährig sein soll“, berichtetHenke-Kohl. Damit orientiere mansich an <strong>der</strong> staatlichen Lehrerbildung.Es sei geplant, das Praxisjahrnicht ans Ende, son<strong>der</strong>n mitten indas Studium zu legen, damit seineErgebnisse im weiteren Studiumzum Tragen kommen. Inzwischenbeteiligen sich 14 Ausbildungsschulenam Modell <strong>der</strong> dualen Lehrerbildung,bei dem die Schule gleichrangigerLernort für die angehendenLehrer ist. Auch drei heilpädagogischeSchulen sind mit dabei.Rheinland-Pfalz/Saarland/LuxembourgFinanzhilfe zum ersten Malschriftlich geregeltEine neue Vereinbarung über dieLandeszuschüsse ist im rheinlandpfälzischenTeil <strong>der</strong> Regionalen Arbeitsgemeinschaft<strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>(RAG) Rheinland-Pfalz,Saarland und Luxembourg e.V. jetztzustande gekommen.„Es ist das erste Mal seit 35 Jahren,dass wir eine solche schriftlicheVereinbarung haben“, freut sichRAG-Vertreter Götz Döring. Er hebthervor, dass sie für alle drei Schultypengelte: für die Regelschule, dieSchwerpunktschule, die inklusiv arbeite,und für die heilpädagogischeSchule in Heidesheim. Festgeschriebenseien darin auch <strong>der</strong> Berechnungsmodusfür die Finanzhilfenund die Beteiligung <strong>der</strong> Waldorflehreran Tariferhöhungen.Auch hinsichtlich <strong>der</strong> Lehrergewinnungbraucht man sich in diesemTeil <strong>der</strong> RAG nicht viel Sorgen zumachen: „Wir sprechen beson<strong>der</strong>sunsere Elternschaft an und sind damitauch ziemlich erfolgreich“, soDöring weiter. Der Ganztagsbereichhabe so schon abgedeckt werdenkönnen mit Mitarbeitern. Beson<strong>der</strong>eMühe mache man sich auch mit <strong>der</strong>Berufseinführung. Die WaldorfschuleMainz z. B. gebe jährlich 30.000Euro für Berufseinführung, Mentorierung,Supervision und Fortbildungaus. Sie habe auch bereitsden Prozess <strong>der</strong> Zertifizierung desBdFWS für die qualifizierte Berufseinführungdurchlaufen.Götz Döring berichtet außerdemvon vollen Wartelisten und anhaltendhohem Zuspruch für die <strong>Waldorfschulen</strong>in den Ballungsgebieten.„Wir haben hier sogar die Tendenz,dass die Zahl <strong>der</strong> Grundschülerallgemein steigt – ganz im Gegensatzzu den ländlichen Regionen.Schulschließungen sind hier absolutkein Thema.“Dörings Kollege Claude Parentim saarländischen Teil <strong>der</strong> RAG hatebenfalls großen Zuspruch für dieWaldorfpädagogik zu verzeichnen,hier macht er sich vor allem im vorschulischenBereich bemerkbar:„Die Nachfrage nach Plätzen z. B.in Saarbrücken ist vor allem im Bereichvon Kin<strong>der</strong>garten und Krippeanhaltend hoch – wir haben hier sogarWartelisten, das hatten wir nochnie.“Im Bereich <strong>der</strong> Finanzen ist manauch im Saarland ein Stück weitergekommen.„Da haben wir ein kleinesPlus zu verzeichnen dadurch,dass wir die Auseinan<strong>der</strong>setzungmit dem Kultusministerium beendenkonnten“, erläutert Parent. Dabeiging es um die Aufteilung <strong>der</strong> zuschussfähigenLehrerstellen inHauptschul-, Realschul- und Gymnasiallehrerals Grundlage für dieBerechnung <strong>der</strong> Finanzhilfe. DieRAG hat ihre Klage deswegen zurückgenommen,nachdem das Kultusministeriumdie Lehreraufteilunggemäß dem Vorschlag <strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>verän<strong>der</strong>t hat. „Wir sinddabei auch einen Kompromiss eingegangen“,erläutert Parent. DerAusgleich für die älteren Lehrer,wie er bei den staatlichen Schulenüblich sei, habe nicht durchgesetztwerden können.Insgesamt prägt die schlechteHaushaltslage <strong>der</strong> alten IndustrieregionSaar auch die Möglichkeiten<strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>. „Bei <strong>der</strong> Um-| 55


A U S D E N R E G I O N E N56 |Die 1. Klasse <strong>der</strong> WaldorfschulePrenzlauer Berg in Berlinsetzung des Inklusionsgedankenshaben wir den Verdacht, dass eshier vor allem um Einsparungengeht“, meint Parent. Inklusion werdezwar wie überall diskutiert. „Aberdie Mittel dafür fehlen völlig.“ Einenähnlichen Sparkurs sieht Parentauch bei <strong>der</strong> Betreuung <strong>der</strong> Kleinsten.Die Garantie <strong>der</strong> Kitaplätze fürsie erweise sich als Mogelpackung,da <strong>der</strong> Betreuungsschlüssel nichtstimme und die Betreuer oft nur miteinem Crash-Kurs ausgebildet würden.„Hier legen wir größten Wertdarauf, dass unsere Mitarbeiter entsprechendausgebildet sind für dieganz Kleinen.“Schleswig-HolsteinSchülerrückgang vor allem inländlichen GebietenEin eigenes Modell zur Umsetzungdes Inklusionsgedankens hat dieLandesarbeitsgemeinschaft (LAG)<strong>der</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> in Schleswig-Holstein entwickelt.„Wir haben uns zusammengesetztund geschaut, was an denSchulen beim Thema Inklusionschon lebt, und uns eine Strategieüberlegt. Starten möchten wir miteinem Modellversuch“, sagt LAG-Sprecher Thomas Felmy. Die Waldorfschulein Neumünster arbeitetbereits seit etlichen Jahren inklusiv.Nach den Vorstellungen <strong>der</strong> LAGkönnte ein zentrales Kompetenzzentrummit För<strong>der</strong>lehrern, Heilpädagogenund Fachtherapeuten Regelwaldorfschulenunterstützen, dieKin<strong>der</strong> mit För<strong>der</strong>bedarf aufnehmenwollen, sich aber selbst keine eigenenFachleute dafür leisten können.„Über die Erprobung des Konzeptssind wir mit dem Bildungsministeriumim Gespräch. Wir wollen einfachPraxiserfahrung sammeln, dasGanze im Tun voranbringen unddieses Tun evaluieren“, betont Felmy.In diesem Zusammenhang standauch <strong>der</strong> Schulbesuch <strong>der</strong> parteilosenBildungsministerin Prof. WaltraudWara Wende an <strong>der</strong> Schule,die schon Kin<strong>der</strong> mit För<strong>der</strong>bedarfbeschult. Die Ministerin zeigte sichauch in dieser Frage dialogbereit.Auf Gespräche und bewährteAktionen setzt die LAG hinsichtlichdes neuen Referentenentwurfs fürein Haushaltsbegleitgesetz, dasdurch verän<strong>der</strong>te und aktualisierteBerechnungsgrundlagen zu Zuschusskürzungenfür die freienSchulen führen würde. Es ist imparlamentarischen Verfahren undsoll noch in diesem Jahr verabschiedetwerden. 85 % <strong>der</strong> Kosten möchtedie LAG jetzt endlich erstattet sehen.Mit ihrer „Ü-80-Party“ – wobei„Ü80“ für die 85 %-For<strong>der</strong>ung steht– macht die LAG im Herbst auf <strong>der</strong>Freilichtbühne „Krusenkoppel“ gegenüberdes Kieler Landtags aufdie Problematik aufmerksam.Die Argumentation <strong>der</strong> Landesregierungmit gesunkenen Schülerkostenkönne man schon nachvollziehen.„Dann muss aber an <strong>der</strong>Prozentschraube gedreht werden“,meint Felmy. Der Schülerrückgangin Schleswig-Holstein führt vor allemin den ländlichen Gebieten zu neuerlichenSchließungen im staatlichenSchulbereich. „In Städten wie Flensburg,Kiel, Lübeck und in <strong>der</strong> Nähevon Hamburg kann davon jedochkeine Rede sein, da boomt es in denGrundschulen“, erläutert Felmy.Bei <strong>der</strong> Lehrergewinnung setztman im Norden vor allem auf dasKieler Seminar und seine neue Kooperationmit <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> HochschuleStuttgart. Der Vertrag dazu sei jetztunterzeichnet und von diesem Semesteran ist es dadurch möglich,in Kiel ein Masterstudium zum Klassenlehrerund zum Oberstufenlehrerzu absolvieren.Zukunft anerkennen –Gegenwart wagenAn die Tradition <strong>der</strong> großen Begegnungstagungenmit Vertiefungsthemenin Berlin und Greifswaldwill <strong>der</strong> BdFWS vom 1. bis4.10.14 in Dresden mit dem Titel„Zukunft anerkennen – Gegenwartwagen“ anknüpfen. Im Mittelpunktwird <strong>der</strong> künstlerischeAnsatz in allen Bereichen <strong>der</strong> Waldorfpädagogikstehen. Rund umden Kongress wird es Veranstaltungenzu Dresden und seinenKunstschätzen geben. In einemWorkshop mit Zeitzeugen wirddie wechselvolle Geschichte <strong>der</strong>Dresdner Waldorfschule thematisiert.Den Einführungsvortragmit dem Titel „Über die Magie<strong>der</strong> pädagogischen Beziehung –Wie gegenwärtige Beziehungserfahrungendie Zukunft des Kindesbeeinflussen“ wird Prof. JoachimBauer (Uni Freiburg) halten.Weitere Themen sind u.a. „KognitivesLernen als künstlerischerProzess“ (Prof. Wilfried Sommer,Kassel) und „Erziehungskunst –<strong>der</strong> Kunstbegriff in <strong>der</strong> Pädagogik“(Prof. Jost Schieren, Alfter).Im Abschlussvortrag wird es beiClaus-Peter Röh von <strong>der</strong> PädagogischenSektion um die Frage gehen,wie in <strong>der</strong> Begegnung mitSchülern, Kollegen und Eltern Zukünftigeserkannt werden kann.


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong> | Jahresbericht 2013Freundschaft, das isteine Seele in zwei Körpern.A R I S T O T E L E S


<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong><strong>Waldorfschulen</strong>Wagenburgstraße 6, 70184 Stuttgartwww.waldorfschule.de / bund@waldorfschule.deTel. 0711/210 42-0Inhalt Jahresbericht 2013Editorial | 1Sozialökonomische Analyse im freien Bildungswesen | 2Verbandsaufgaben und Geschäftsstelle werden gemeinschaftlich finanziert | 8„In <strong>der</strong> Begegnung kann das Urbild des Menschlichen aufleuchten“ | 10„Gesundheit“ als Thema in <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit | 12Sieben Kernfor<strong>der</strong>ungen an die Bildungspolitik |14Jahrgangsübergreifende Klassen eine Notlösung o<strong>der</strong> Innovation? | 16Berufliche Bildung als Neuland für die Waldorfpädagogik | 18„Zu erleben, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“ | 24Zuschüsse für freie Schulen weiter strittig | 28Forschung blickt auf 100 Jahre Waldorfpädagogik | 32„Das Einmalige eines jedes Menschen lässt sich nicht in Kategorien abbilden“ | 34Lehramtsstudenten jetzt auch in <strong>Waldorfschulen</strong> im Praktikum | 36Mediennutzung als Raubbau am Erleben | 38Dialog mit Experten bestätigt Waldorfpädagogen | 39Behin<strong>der</strong>ung eine individuelle Variante des Menschseins | 40Impressum:Jahresbericht 2013<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>ISSN 2196-0135Herausgeber: Presse- und Öffentlichkeitsarbeitdes BdFWSVerantwortlich: Henning Kullak-UblickRedaktion: Cornelie Unger-LeistnerKaiser-Wilhelm-Straße 89D-20355 HamburgFon +49 (0)40.34107699-0Fax +49 (0)40.34107699-9www.waldorfschule.dewww.facebook.com/waldorfschuleSitz des Vereins:Wagenburgstraße 6, 70184 StuttgartGestaltung und Produktion:Studio Lierl GmbH, www.lierl.deDruck: Renk Druck und Medien24568 KaltenkirchenDer Jahresbericht 2013 wurde aufFSW-zertifiziertem Papier gedruckt.FSC ist ein weltweit anerkanntesZertifikat zur Sicherung nachhaltigerWaldwirtschaft.WOW-Day: Werkstatt für zivilgesellschaftliches Engagement | 42Pionierfunktion <strong>der</strong> guten Schule auch in Krisengebieten | 44Waldorflehrer aus 15 Län<strong>der</strong>n trafen sich in Riga | 46Sechs 12. Klassen spielen den ganzen „Faust“ | 48Berichte aus den Regionen | 50Fotonachweis:Manu HarmsSchlaf, S. 1, S. 25Kerstin Zillmer, S. 10/11Doreen Eschinger, S. 33Christina Ginter, S. 34/35<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Waldorfschulen</strong>, S. 39Archiv <strong>der</strong> Freunde <strong>der</strong> Erziehungskunst, S. 44/45Christoph Johannsen, S. 46/47Angelika Lonnemann, S. 51Heide Wegener, S. 52qbatur Planungsbüro Quedlinburg, S. 54Jo Jankowski, S. 56Alle an<strong>der</strong>en Fotos: Charlotte Fischerwww.charlottefischer.de

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