Haus der <strong>Region</strong>en / 30Donau.VisionenBRÜCKEnummer zweiBrücken bauen – eine beliebte Metapher. Wenn Brücken gebaut werden,dauert das oft Jahrzehnte. Die Donaubrücke zwischen Vidin undCalafat ist ein Beispiel dafür.zu dieser Zeit über die Themse bereits 50Brücken gespannt waren. Die Donau war biszu den Flussregulierungen im 19. Jahrhundertdurch Engen und Strudel, durch Überschwemmungenund Eisgänge ein unberechenbarerStrom. Der Journalist und AutorErnst Trost („Die Donau – Lebenslauf einesStromes“) berichtete beim Kremser Kamingesprächvon seiner Fahrt mit dem DDSG-Schubverband Kamegg, dessen Schiffe beimEisernen Tor (Rumänien/Serbien) einzelndurch die Enge gelotst werden mussten. Erstmit der Staustufe Eisernes Tor I und II wurdedie gefürchtete Strecke entschärft. Allerdingsversanken durch den Bau der Staustufe auchOrtschaften und die sagenumwobene InselAda Kaleh, die bis 1912 eine türkische Enklavewar. Trotz aller Schwierigkeiten, dieDonau zu passieren, war die Donau die wichtigsteVerbindung nach Europa. In Rumänienwird sie die „Straße ohne Staub“ genannt.Der in Ruse an der Donau (Bulgarien) geboreneSchriftsteller Elias Canetti schrieb: „Undwenn jemand die Donau hinauf nach Wienfuhr, sagte man, er fährt nach Europa, Europabegann dort, wo das türkische Reich einmalgeendet hat.“So soll sie aussehen: Die neue Brücke Nr. 2 zwischen Vidin und Calafat. Foto: FCC.Als während des Jugoslawienkriegs dieDonaubrücke in Novi Sad (Serbien) von derNATO bombardierte wurde, beschloss manhunderte Kilometer flussbwärts ein neuesBrückenprojekt: Sie heißt nüchtern „BrückeNr. 2“ und wird ab 2013 Rumänien und Bulgarienmiteinander verbinden. Eigentlich istNr. 2 die dritte Brücke, die die beiden Ländermiteinander verbindet. Die erste wurde im4. Jahrhundert unter dem römischen KaiserKonstantin den Großen gebaut. Die hölzerneKonstruktion erstreckte sich über 2,4 Kilometerund war die längste Brücke desRömischen Imperiums. Ihr waren nur vierJahrzehnte beschieden. Die einzige derzeitbefahrbare „Brücke der Freundschaft“ imunteren Donauabschnitt wurde 1954 aufInitiative von Stalin zwischen der bulgarischenStadt Ruse und der rumänischenGiurgiu errichtet. „Es ist derselbe Fluss unddoch ein anderer“, so Elena Shekerletova, dieBotschafterin Bulgariens bei den Kamingesprächen„Donau.Visionen“ im Haus der<strong>Region</strong>en in Krems. „Hier bei Ihnen wird derFluss in das alltägliche Leben einbezogen.Man sieht, was am anderen Ufer geschieht. Erfließt mitten durch eine Stadt, er ist keineGrenze und kein Hindernis. Bei uns in Bulgarienist die Donau schon immer die Nordgrenzegewesen. Sie hat das Land geschütztund war gleichzeitig eine Hürde.“ 450 KilometerGrenze zwischen den beiden StaatenBulgarien und Rumänien und bis dato nureine Brücke, die beide Länder verbindet.Der deutsche Reiseschriftsteller JohannGeorg Kohl schrieb 1842 vom „brückenärmstenFluss“ Europas. Budapest wurde erst zurGroßstadt als die beiden selbständigen StädteÓbuda (rechtes Donauufer) und Pest durchBrücken miteinander verbunden wurden.Das war Mitte des 19. Jahrhunderts, währendElena Shekerletova: „Die Eröffnung derneuen Brücke ist für uns ein Ausnahmeereignis.Es hätte noch länger gedauert, wären wirnicht in der EU.“ Die Brücke Nr. 2 ist 1.800Meter lang und ein wichtiger Teil des PaneuropäischenVerkehrskorridors IV. Sie istsowohl Eisenbahn- als auch Straßenbrückemit einem eigenen Abschnitt für Fahrräderund Fußgänger. Sie ist im nordwestlichen TeilBulgariens gelegen, der zu den strukturschwächstenTeilen des Landes zählt. Sieist ein Statement für mehr Donau, mehrBrücken, mehr Europa. /Text: Mella WaldsteinKREMSER KAMINGESPRÄCHE———————————————————Mi, 14. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 UhrDonau.RäumeMi, 12. 12. <strong>2012</strong>, 18.00 UhrDonau.SchätzeHaus der <strong>Region</strong>en,3504 Krems-Stein, Donaulände 56Eintritt frei, Anmeldung erbeten!www.volkskultureuropa.orgschaufenster / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>
Mostviertel / 31Handwerkfest gezurrt& GUT VERTÄUTDie Seilerei Eisserer in Amstetten ist eine der letzten Werkstätten, in der Seile in Handarbeit hergestelltwerden. Nicht nur für Pfadfinder und Theaterausstatter ein Geheimtipp.Klaus Eisserer sieht in den Seilen Philosophisches: Spannung aufbauen und in Harmonie entlassen.Es riecht nach Seefahrt und nach Postpaketen,die noch mit Packpapier umwickeltund geschnürt waren. Es riecht nach Strick,Tau und Spagat. „Das Seil schafft Verbindungfürs Leben“, ist Klaus Eisserers Motto. In seinemGeschäft stehen Rollen mit dicken unddünnen Schnüren, grobem und feinem Spagat,Seile aus Hanffasern und Kunststoff.Zwischen allerlei Waren lehnt in einem Eckein altes Schild: Ignatz Eißerer, Ulmerfeld,Seilerei seit 1860. Der Großvater übersiedelte1904 nach Amstetten. Er stellte Seile für dieLandwirtschaft her – vom Kaibelstrick biszum Zugstrang. Seile sind allumfassend einzusetzendeWerkzeuge.Klaus Eisserer verkauft Seile für Kindergärten,auch für Landwirte, für den Hausgebrauch,für Pfadfinder und fürs Theater. Inden Schnürböden sind aus feuertechnischenGründen Hanfseile vorgeschrieben.Wer vor dem Geschäft in Amstetten stehtund in der Auslage Sportbekleidung sieht,würde kaum vermuten, dass sich in den hinterenWerkstätten ein nahezu ausgestorbenesHandwerk fest eingeschnürt hat. Grundsätzlichhat der Familienbetrieb Eisserer mehrereStandbeine. Er verkauft industriell hergestellteSeile, die Eisserer und seine Frau „konfektionieren“– also zuschneiden und verarbeiten.Ein Seil ist nicht ein Seil. Bergsteigerseileaus Kunststoff sind anders zusammengesetztschaufenster / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>