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MIT ANGEZOGENER HANDBREMSE - Sport-reha.com

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<strong>MIT</strong> <strong>ANGEZOGENER</strong><strong>HANDBREMSE</strong>Kleiner Muskel, großes Problem:Wer unter dem Piriformis-Syndromleidet, ist in entscheidendenBewegungen eingeschränkt. WieSie es schnell loswerden – oder garnicht erst bekommen. Edo HemarDas ist Ihnen sicher auch schonpassiert: Sie steigen ins Auto,fahren los – und haben vergessen,die Handbremse richtigzu lösen. Das Auto fährt. Wahrscheinlichmeldet sich ein Licht- oder Tonsignal:hier stimmt etwas nicht. Sie fahrenweiter, Kilometer um Kilometer. Mitschwerwiegenden Folgen: Materialschäden,erhöhtem Energieverbrauch und geringererLeistungsfähigkeit.Die Handbremse des <strong>Sport</strong>lers heißtMusculus Piriformis, ein kleiner, birnenförmigerMuskel in der tiefen Schichtder Hüftmuskulatur. Er verläuft von derInnenseite des Beckens zum Oberschenkel.<strong>Sport</strong>ler, die unter dem Piriformis-Syndrom leiden, klagen über teilweisestarke Schmerzen im Gesäßbereich, dieoft in den hinteren Oberschenkel ausstrahlenund Lauf- und Triathlontraining unmöglichmachen können. Triathleten sind relativ oft betroffen,allerdings ist das Beschwerdebild oft nur schwerzu diagnostizieren.NACHBARSCHAFTSKRIEGIhren Piriformis-Muskel benötigen Sie auf Schrittund Tritt, an jeder Treppe und bei jedem Aufstehen.Er rotiert beim Gehen Ihr Bein nach außenund hält Sie aufrecht; hätten Sie ihn nicht, hättenSie starke X-Beine. Direkt unter ihm – in der Tiefedes Gesäßes zur Beinrückseite – verläuft der stärksteNerv des menschlichen Körpers, der Ischiasnerv.Eine verhängnisvolle Nachbarschaft: Der Nerv passiertzwischen dem Beckenknochen und dem Piriformis-Muskeleine Engstelle. Ist der Muskel verhärtetoder aufgrund entzündlicher Prozesse verdickt,drückt er schmerzhaft auf den Ischias.Becken und Hüfte gehören zu den komplexestenBereichen Ihres Körpers. Sie verbinden Ober- undUnterkörper und müssen gleichzeitig stabil und beweglichsein.22 Science Fotos: dreamstime.<strong>com</strong> (Dirima), Carola Felchner


Unfälle oder Stürze auf das Gesäß, Spannungenim Beckenboden, eine muskuläre Dysbalance zwischenAb- und Adduktoren, ein verkantetes Iliosakralgelenkoder auch eine Fehlstellung der Hüfte sinddaher nur eine Auswahl möglicher Ursachen für einengestressten Piriformis-Muskel.Man unterscheidet zwei Arten des Piriformis-Syndroms: das anatomische und das funktionelle.Gegen ein anatomisches Piriformis-Syndrom kannman leider nicht viel machen. Es liegt vor, wenn derIschiasnerv nicht wie bei den meisten Menschen ander Oberfläche des Muskels entlang läuft, sondernden Muskel durchdringt oder diesen teilt. Das trifftaber nur auf etwa 15 Prozent der Betroffenen zu.Bei den anderen haben die Beschwerden eine funktionelleUrsache – und die veränderte Biomechanikbeeinflusst die Spannung des Muskels oder die ihnumgebenden Bänder und Faszien. Das Gute daran:Dagegen kann man etwas unternehmen.VERWECHSLUNGSGEFAHRVom Piriformis-Syndrom sind Triathleten besondersoft betroffen, weil sie den kleinen Muskel übermäßigbeanspruchen: durch eine schlechte Lauftechnik,hohe Laufumfänge oder drastische Steigerungen derRadumfänge. Gefährdet sind vor allem die, die zwarschwimmen, Rad fahren und laufen, darüberhinausaber das allgemeine Athletik- und Krafttraining vernachlässigen.Spätestens wenn die Haupt-Antriebsmuskelnauf langen Strecken ermüden, müssen aberdie tiefer liegenden Muskeln einspringen und mehrarbeiten, um das Tempo aufrecht zu erhalten.Zeigen sich erste Symptome, etwa Schmerzen imGesäß oder unteren Rücken, sollten Sie einen erfahrenen<strong>Sport</strong>mediziner, Physiotherapeuten, Osteopathenoder Chiropraktiker aufsuchen. Oft wird dasPiriformis-Syndrom mit einem Bandscheibenvorfallverwechselt – die Symptome sind ähnlich. Bei derUntersuchung sollte geprüft werden, ob der Piriformis-Muskeldruckschmerzempfindlich oder verhärtetist und ob das Beugen, Innen- und Außenrotierenschmerzhaft ist (FAIR-Test).Gut ausgebildeten Ärzten oder Osteopathen reichtoft schon ein Blick auf die Körperhaltung: Dreht sichdas Bein in Rückenlage nach außen, liegt das meistan einer Hüftrotation, die der angespannte Piriformisverursacht. Wichtig sind, dass schon beim erstenGespräch Unfälle oder Stürze, aber auch Operationenim Bauch-, Genital- oder Hüftbereich erwähntwerden. Denn auch durch Operationen entstehenNarben, die eine Veränderung der Organe oder eineVerklebung der Faszien bewirken können. WeitereRisikofaktoren sind eine Beckeninstabilität, etwanach einer Schwangerschaft, und Beinachsenfehlstellungen;sie sollten in Diagnose und Behandlung einbezogenwerden. Um einen Bandscheibenvorfall auszuschließen,können bildgebende Verfahren (MRToder CT) herangezogen werden. Kraft- und Sensorik-Testssollten die Diagnose stützen.URSACHENFORSCHUNGZu viel Zeit sollte bis zur richtigen Diagnose nichtverstreichen: Liegt ein Piriformis-Syndrom vor,können die Schmerzen schnell den gesamten Rückenbetreffen. Studien bestätigen, dass Betroffeneschneller schmerzfrei sind, je früher die ersteBehandlung erfolgt. Den Muskeltonus kann manmithilfe manueller Therapie und bestimmten Stretching-Übungenreduzieren. Begleitend können vomersten Tag an Eis, antientzündliche Lebensmittelund – nach Absprache mit einem Arzt oder Apotheker– entzündungshemmende Medikamente dieSchmerzen lindern. In schweren Fällen kann auchdie Injektion eines Lokalanästhetikums für eineschnelle Schmerzlinderung sorgen, sofern der Piriformis-Muskelund der angrenzende Ischiasnervsgut erreicht werden. Jedoch ist der Erfolg stark vonden Fähigkeiten des behandelnden Arztes abhängigund birgt das Risiko von Folgeschäden an Nervenund Gefäßen.Entscheidend für die erfolgreiche Behandlungeines Piriformis-Syndroms ist aber die Ursachenforschung:Was sorgt für die verstärkte Spannungim Piriformis-Muskel? Ist zum Beispiel das linkeHüftgelenk fest, verändert sich die Statik, der Körperwird in eine Dysfunktion gezwungen. Die umliegendeMuskulatur versucht das auszugleichen –und verspannt. Löst beispielsweise ein Osteopathdiese Dysfunktion, wirkt sich das entspannend aufdas gesamte System aus.FÜSSE HOCH? AUF KEINEN FALL!Wer unter einem Piriformis-Syndrom leidet, solltenicht jede Aktivität vermeiden, im Gegenteil: Betroffenemüssen versuchen, Lenden, Becken undHüfte zu mobilisieren. Denn je aktiver der Stoffwechsel,desto schneller kann der Körper die Entzündungbekämpfen. Regelmäßige Bewegung beiniedriger Intensität, Stretching und leichtes Kräftigender Hüftmuskulatur sollten deshalb auf demBehandlungsplan stehen. Bis die Schmerzen abgeklungenund die Ursachen erfolgreich behandeltsind, können mehrere Wochen bis Monate vergehen.Konsequenz und Geduld sind für den Behandlungserfolgalso unerlässlich.Zuverlässig vorbeugen können Sie einemPiriformis- Syndrom mit regelmäßigem Stretchingder beckenumgebenden Muskulatur. Vor allem dasDehnen der Hüftmuskeln sollten Sie nicht vernachlässigen.Die Faszien halten Sie mit Übungen auf einerMassagerolle geschmeidig (siehe tt37, Seite 30).Auch Krafttraining ist wichtig: Dass eine schwacheHüftmuskulatur Laufverletzungen begünstigt, istwissenschaftlich bewiesen. Umgekehrt belegen Studien,dass mehr Hüftkraft bessere Laufleistungen ermöglicht.Weil kräftige Muskeln später ermüden –und dann eben nicht so kleine, tiefe Haltemuskelnwie der Piriformis einspringen müssen.EDO HEMARDer leitendeTherapeutder Freiburgersport.<strong>reha</strong>-Praxis betreuteunter anderem die Hockey-Olympiasieger von London.In seiner Praxis gibt er Workshopszum funktionellenFaszientraining.sport-<strong>reha</strong>.<strong>com</strong>Erste Hilfe und Prophylaxezugleich: Die Selbstmassageder Gesäß- und Beinmuskulaturauf einer Massagerolle(z. B. „Fitnessrolle“,inklusive Trainings-DVD,€ 33,50, flexi-sports.<strong>com</strong>)bringt im Akutfall nicht nurschnelle Linderung, sondernbeugt dem Piriformis-Syndrom auch wirksam vortt 38 April–Mai 2013 www.tri-mag.de Science 23

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