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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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14 Das Institut für S<strong>in</strong>ologie 93Dynastie. E<strong>in</strong>es Tages zeigte er mir e<strong>in</strong> Buch aus der Institutsbibliothekund bat mich, e<strong>in</strong>ige Abschnitte zu übersetzen. Den Titel des Bucheshabe ich vergessen. Soweit ich mich er<strong>in</strong>nere, waren Papier und Drucksehr alt. Das weiße Reispapier war gelblich geworden. Vielleicht handeltees sich um e<strong>in</strong>e Ausgabe aus der M<strong>in</strong>g-Zeit. Ich kannte mich nicht sehrgut aus und hatte Mühe bei der Übersetzung, den Text verstand ich selbstnicht genau. Er aber nickte zustimmend. Von Mänchen-Helfen arbeiteteschon lange an diesem für ihn vertrauten Thema und verstand s<strong>of</strong>ortalles. Danach habe ich ihn nicht mehr getr<strong>of</strong>fen. Später stand se<strong>in</strong> Name<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er englischen Zeitschrift. Wahrsche<strong>in</strong>lich war er nach Amerikaausgewandert und Amerikaner geworden.E<strong>in</strong> oder zwei <strong>Jahre</strong> nach dem Zwischenfall am 7. Juli <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Heimatteilte mir Haloun mit, er würde <strong>Deutschland</strong> verlassen und e<strong>in</strong>e Pr<strong>of</strong>essurfür S<strong>in</strong>ologie an der englischen Universität Cambridge annehmen. In<strong>Deutschland</strong> hatte er lange Zeit an Depressionen gelitten. Die Universitätschätzte ihn nicht. Ich habe nie beobachtet, dass er dort irgendwelcheKontakte hatte. Jeden Tag kam er mit se<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong>s Institut. Währendse<strong>in</strong>e Frau Handarbeiten machte oder Unterhaltungslektüre las, arbeiteteHaloun bis tief <strong>in</strong> die Nacht, dann g<strong>in</strong>gen beide Hand <strong>in</strong> Hand nachHause. In dieser trostlosen E<strong>in</strong>samkeit halfen sie e<strong>in</strong>ander und lebtene<strong>in</strong> ganz isoliertes Leben. Ich hatte Mitleid mit ihnen. Vor ihrer Abreisegaben Tian Dewang und ich für sie im Rathauskeller e<strong>in</strong> Abschiedsessen.Haloun erklärte uns mit sehr leiser Stimme, er habe lange <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong>Gött<strong>in</strong>gen gelebt und dort nur zwei aufrichtige Freunde: zwei Ch<strong>in</strong>esen!Dabei glänzten Tränen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen. Ich konnte ihn gut verstehen.Er war gezwungen, die Heimat zu verlassen, und musste die unterschweren Bed<strong>in</strong>gungen von ihm aufgebaute Bibliothek zurücklassen.

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