Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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13.07.2015 Aufrufe

90 Zehn Jahre in Deutschlandgeräumige Halle mit einer hohen Treppe aus Holz. Selten traf manhier jemanden. Alles glänzte vor Sauberkeit. Das Institut lag im erstenStock und hatte sieben oder acht Räume: das Büro des Direktors, einenSeminarraum, eine Bücherei und Leseräume. Die stattlichen Bücherregalefüllten das Gebäude vom Boden bis zum Dach. Chinesische Werke, inChina oder in Japan herausgegeben, machten den größten Teil aus. Es gababer auch andere fremdsprachige Bücher. Alles stand in bester Ordnungnebeneinander. Darunter waren Bücher aus alter Zeit, zum BeispielRomane aus der Ming-Dynastie, an die ich mich erinnere. Diese Büchergalten auch in chinesischen Bibliotheken als selten und wertvoll. Dass essich um einzigartige Exemplare in der Welt handelte, kann ich als Laienicht behaupten. Wie diese Bücher nach Göttingen gekommen waren,fragte ich auch nicht. Sehr wahrscheinlich hatten Missionare sie aus Chinamitgebracht.Michaelishaus, Staats- und Universitätsbibliothek

14 Das Institut für Sinologie 91Der Institutsdirektor, Professor Gustav Haloun, stammte aus demSudetenland, war von seiner Mentalität her eher Tscheche als Deutscherund natürlich ein Gegner der Faschisten. Kurz nach meiner Ankunft inGöttingen hatte Zhang Yong zusammen mit mir Gustav Haloun besucht.Seitdem waren wir in einem losen Kontakt geblieben. Als Haloun erfuhr,dass die Zeit meines Austauschaufenthaltes abgelaufen war, fragte ermich, ob ich bleiben wolle – und das gerade zu der Zeit, als mir dieRückkehr in die Heimat versperrt wurde und ich vor Sorgen nicht ausnoch ein wusste. Sein Angebot freute mich über alle Maßen. Nachdem dieFrist meines geförderten Auslandsaufenthaltes abgelaufen war, übernahmich also einen Lehrauftrag für Sinologie. Bislang hatte ich das Institut fürSinologie als Gast besucht, nun tat ich es als Mitarbeiter.Professor Haloun war nett und sympathisch und etwa zwanzig Jahre älterals ich. Neben meiner Arbeit im Institut war ich immer noch Doktorandam Institut für Sanskrit. Jeden Tag ging ich in das Gauß-Weber-Gebäudezum Studium, denn mein Stützpunkt war nach wie vor dort. Weil ich nunaber als Dozent im Institut für Sinologie unterrichten musste, kam ich nunöfter dorthin und traf Herrn Haloun und seine Frau. Nach einiger Zeit wurdenwir trotz des Altersunterschieds vertraute Freunde. Chinesisch konnteHaloun zwar nicht sprechen, er besaß aber ein sehr solides sinologischesWissen. In der chinesischen Klassik kannte er sich sehr gut aus – zumBeispiel mit Lao Zi und Zhuang Zi. Besonders vertraut war er mit denOrakelknocheninschriften. Er sprach darüber kompetent und überzeugendund hatte brillante Interpretationen. Auch mit der Geschichte undGeographie der klassischen westchinesischen Regionen 32 hatte er sichintensiv beschäftigt. Sein Buch „Untersuchung über Indo-Seyths“32Bezeichnung während der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) für die Gebiete westlich von Yumenguan,einschließlich Xinjiangs und eines Teils von Zentralasien.

90 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>geräumige Halle mit e<strong>in</strong>er hohen Treppe aus Holz. Selten traf manhier jemanden. Alles glänzte vor Sauberkeit. Das Institut lag im erstenStock und hatte sieben oder acht Räume: das Büro des Direktors, e<strong>in</strong>enSem<strong>in</strong>arraum, e<strong>in</strong>e Bücherei und Leseräume. Die stattlichen Bücherregalefüllten das Gebäude vom Boden bis zum Dach. Ch<strong>in</strong>esische Werke, <strong>in</strong>Ch<strong>in</strong>a oder <strong>in</strong> Japan herausgegeben, machten den größten Teil aus. Es gababer auch andere fremdsprachige Bücher. Alles stand <strong>in</strong> bester Ordnungnebene<strong>in</strong>ander. Darunter waren Bücher aus alter Zeit, zum BeispielRomane aus der M<strong>in</strong>g-Dynastie, an die ich mich er<strong>in</strong>nere. Diese Büchergalten auch <strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischen Bibliotheken als selten und wertvoll. Dass essich um e<strong>in</strong>zigartige Exemplare <strong>in</strong> der Welt handelte, kann ich als Laienicht behaupten. Wie diese Bücher nach Gött<strong>in</strong>gen gekommen waren,fragte ich auch nicht. Sehr wahrsche<strong>in</strong>lich hatten Missionare sie aus Ch<strong>in</strong>amitgebracht.Michaelishaus, Staats- und Universitätsbibliothek

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