Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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13.07.2015 Aufrufe

56 Zehn Jahre in Deutschlandaber er lag weit weg von Berlin und war mir sehr fremd. Ich wollte nichtdorthin. Nach einigen Rücksprachen einigte man sich dann auf Göttingen.Damit war ich einverstanden. Ein Menschenschicksal ist wirklich sehrkompliziert. Ursache und Wirkung wechseln ständig. Mein Lehrer Wu Mihat das einmal in seinen Versen so formuliert: „In der Welt wird WirkungUrsache, das Falsche das Richtige.“ Das waren scharfsinnige und wahreWorte. Wäre ich damals nach Königsberg gegangen, hätte mein Lebeneinen ganz anderen Verlauf genommen. Ich hätte weder Professor Siegnoch Professor Waldschmidt kennengelernt, weder Sanskrit noch Palistudiert. Aber damals konnte noch niemand wissen, was aus diesem JiXianlin einmal werden sollte.Als die Entscheidung für Göttingen gefallen war, wurde es mir leichterums Herzen. Ich erkundigte mich überall nach Göttingen und traf dabeiglücklicherweise Herrn Le Senxun. Er studierte in Göttingen und hatte inBerlin gerade etwas zu erledigen. Durch ihn wurde jeder Zweifel in mirausgeräumt. Ich war neugierig geworden. Einige Zeit verbrachte ich dannnoch in Berlin und verließ die Stadt vor Semesterbeginn. Es ist kaum zuglauben, dass ich in den kommenden Jahren nie dorthin zurückgekehrtbin. Berlin hatte mir nicht gefallen, ebenso wenig die dort lebendenGruppierungen chinesischer Studenten.

9 Göttingen 579. GöttingenAm 31. Oktober 1935 reiste ich von Berlin nach Göttingen.Ursprünglich wollte ich hier zwei Jahre bleiben. Damals ahnteniemand, dass ich hier rund zehn Jahre wohnen sollte. Das war eine langeZeit in meinem Leben. Neben Ji’nan und Beijing wurde Göttingen zumeiner zweiten Heimat.Göttingen ist eine kleine Stadt mit hunderttausend Einwohnern, derenStudentenzahl zeitweilig zwanzig- bis dreißigtausend erreicht hat. 24 Eswar auch damals eine typische Universitätsstadt. Die Universität hatteeine Jahrhunderte alte Geschichte 25 . Viele hervorragende Namen derdeutschen Wissenschaft und Literatur waren mit dieser Stadt verbunden.Überall gab es Straßen, die die Namen dieser berühmten Gelehrtentrugen. In der Stadt spürte man an jeder Ecke Kultur und Wissenschaft.Ein wahrhaftiges Paradies der Wissenschaften, ein reiner Boden fürKultur.24Die aktuelle Zahl der Studenten liegt zur Zeit bei ca. 24.000; zu Dr. Ji Xianlins Zeiten waren es knapp zweitausendStudierende (Anm. d.Übers.)25Gründungsjahr der Universität Göttingen: 1737

56 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>aber er lag weit weg von Berl<strong>in</strong> und war mir sehr fremd. Ich wollte nichtdorth<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong>igen Rücksprachen e<strong>in</strong>igte man sich dann auf Gött<strong>in</strong>gen.Damit war ich e<strong>in</strong>verstanden. E<strong>in</strong> Menschenschicksal ist wirklich sehrkompliziert. Ursache und Wirkung wechseln ständig. Me<strong>in</strong> Lehrer Wu Mihat das e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Versen so formuliert: „In der Welt wird WirkungUrsache, das Falsche das Richtige.“ Das waren scharfs<strong>in</strong>nige und wahreWorte. Wäre ich damals nach Königsberg gegangen, hätte me<strong>in</strong> Lebene<strong>in</strong>en ganz anderen Verlauf genommen. Ich hätte weder Pr<strong>of</strong>essor Siegnoch Pr<strong>of</strong>essor Waldschmidt kennengelernt, weder Sanskrit noch Palistudiert. Aber damals konnte noch niemand wissen, was aus diesem JiXianl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>mal werden sollte.Als die Entscheidung für Gött<strong>in</strong>gen gefallen war, wurde es mir leichterums Herzen. Ich erkundigte mich überall nach Gött<strong>in</strong>gen und traf dabeiglücklicherweise Herrn Le Senxun. Er studierte <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen und hatte <strong>in</strong>Berl<strong>in</strong> gerade etwas zu erledigen. Durch ihn wurde jeder Zweifel <strong>in</strong> mirausgeräumt. Ich war neugierig geworden. E<strong>in</strong>ige Zeit verbrachte ich dannnoch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und verließ die Stadt vor Semesterbeg<strong>in</strong>n. Es ist kaum zuglauben, dass ich <strong>in</strong> den kommenden <strong>Jahre</strong>n nie dorth<strong>in</strong> zurückgekehrtb<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong> hatte mir nicht gefallen, ebenso wenig die dort lebendenGruppierungen ch<strong>in</strong>esischer Studenten.

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