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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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36 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Asien nach Europa erstreckten. Von jetzt an würden wir noch siebenoder acht Tage im Zug verbr<strong>in</strong>gen. Die Erde dreht sich, und ohne dassder Mensch sich bewegt, legt er jeden Tag tausend Li zurück. Wir fuhrenjeden Tag bestimmt nicht weniger als tausend Li, und die Zeit im Zugwürde wie im Flug vergehen.Das Leben während der Fahrt war e<strong>in</strong>tönig. Essen, tr<strong>in</strong>ken, Toilette,schlafen, für alles war gesorgt, wobei es allerd<strong>in</strong>gs angenehme undunangenehme Aspekte gab. Vorteilhaft war, dass wir nicht zu kochenbrauchten. Streckte man die Hand nach dem Korb aus, fand man etwaszu essen. Kompliziert war dagegen die Wasserversorgung. Im Zug wurdeweder warmes noch kaltes Wasser ausgeschenkt. An jeder Haltestationliefen wir abwechselnd schnell h<strong>in</strong>aus zur Wasserversorgungsstelle,drehten die Wasserleitung auf, füllten die Thermosflaschen und stiegenwieder e<strong>in</strong>. Dann verteilten wir das Wasser unter uns. E<strong>in</strong>e ältereweißhaarige Frau aus Europa hatte Schwierigkeiten beim Gehen und ke<strong>in</strong>eThermosflasche dabei. Selbst wenn sie e<strong>in</strong>e gehabt hätte, sie hätte sie nichtfüllen können. Jedes Mal kam sie zitternd zu uns, zeigte ihre Tasse undsagte auf Ch<strong>in</strong>esisch: „Wasser, Wasser!“ Wir begriffen und füllten ihreTasse. Lächelnd g<strong>in</strong>g sie dann davon. Das geschah jeden Tag m<strong>in</strong>destensdrei Mal, vor jeder Mahlzeit. Diese Ausländer<strong>in</strong>, diese Vertreter<strong>in</strong> derBourgeoisie, schien nicht viel reicher zu se<strong>in</strong> als wir. Auch sie g<strong>in</strong>g nicht<strong>in</strong> den Speisewagen, um Beefsteak oder Russensuppe zu essen. Auch siewollte nicht mit US-Dollar um sich werfen.Was das Beefsteak im Speisewagen betraf – wir konnten es zwar nichtessen, aber wir konnten es sehen und riechen. E<strong>in</strong>mal kam e<strong>in</strong>e russischeKellner<strong>in</strong> aus dem Speisewagen. Sie war von großer, stattlicher Statur,vielleicht e<strong>in</strong> bisschen zu vollschlank, trug e<strong>in</strong>en weißen Kittel und e<strong>in</strong>eweiße hohe Mütze, deren Spitze be<strong>in</strong>ahe die Zugdecke berührte. Die Frau

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