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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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6 Über Sibirien 35sowjetischen Zollbeamten kontrollierten uns. Sie kontrollierten so genau,so gewissenhaft und langsam, wie ich es mir nie hätte träumen lassen.Alle unsere Gepäckstücke, große oder kle<strong>in</strong>e, K<strong>of</strong>fer oder Körbe, alleswurde geöffnet und bis <strong>in</strong>s Detail untersucht. Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>facheBlechthermosflasche, die wir im Zug benutzen wollten, um gekochtesWasser zu holen, blieb verschont und wurde besonders beäugt. Eswar <strong>of</strong>fensichtlich, was das für e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g war, doch die sowjetischenZollbeamten hielten sie <strong>of</strong>fenbar für e<strong>in</strong> Wunder. Sie klopften, prüftenund betasteten sie e<strong>in</strong>ige Male und wollten wissen, ob es <strong>in</strong> der Flaschenoch e<strong>in</strong>e Zwischenwand gebe. Eigentlich fehlte nur noch e<strong>in</strong> Mikroskop,und sie hätten sie damit geprüft. Ich war wütend und konnte mich kaumbeherrschen. E<strong>in</strong> mitreisender Ausländer mittleren Alters klopfte mir aufdie Schulter und sagte: „Patience is the great virtue.“ Ich wusste, dass eres gut me<strong>in</strong>te. Unsere Blicke begegneten sich freundlich. Ich unterdrückteme<strong>in</strong>en Zorn und wartete respektvoll die weitere Kontrolle ab. Vielleichtbetrachtete die Sowjetunion alle Ausländer als „Verdächtige“, die die böseAbsicht hatten, die sowjetische Macht zu stürzen. Daher das Misstrauen.Nach der Kontrolle verraucht me<strong>in</strong>e Wut schnell. Wir verließen denBahnh<strong>of</strong> und g<strong>in</strong>gen auf der Straße spazieren. Manzhouli war nur e<strong>in</strong>ekle<strong>in</strong>e Grenzgeme<strong>in</strong>de und konnte sicher nicht als Stadt gelten. E<strong>in</strong>igeschmale Straßen führten durch den Ort. Die Häuser bestanden ausHolzbrettern, wie man sie <strong>in</strong> Sibirien häufig sehen konnte. Die Bewohnerbenutzten das Material, das <strong>in</strong> der Gegend reichlich vorhanden war:Holz, ke<strong>in</strong>e Ziegelste<strong>in</strong>e. Wir kauften für die weitere Zugreise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emBretterladen e<strong>in</strong> paar <strong>in</strong> Japan hergestellte Zuckerrüben-Konserven.Wieder <strong>in</strong> den Zug e<strong>in</strong>gestiegen, kamen wir zur Ruhe. Wir glaubten, eswürde ke<strong>in</strong>e Störung mehr geben. Unter dem Schlafwagen lagen dieSchienen der riesigen Transsibirischen Eisenbahn, die sich quer durch

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