Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library
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240 Zehn Jahre in Deutschlandals hätte der Affenkönig Sun Wukong das Drachenschloss mit seinerZauber-Nadel herumgedreht und damit das Meer erschüttert. Ich warseekrank und erbrach ständig das Essen. Auch als ich nichts mehr zu mirnehmen konnte, erbrach ich weiter, bis ich nur noch dunkelgrünes Wasserausspuckte. So konnte ich auch nicht mehr in der Kabine bleiben. Ichlegte mich oben auf das Deck mit dem Kopf an der Reling. Noch warich bei Bewusstsein und sah die Schiffsmasten mal hoch über mir undmal tief im 90-Grad-Winkel neben mir. Das Wasser spritzte an Deck. Ichkonnte nichts dagegen tun. Wie benommen lag ich mit halbgeschlossenenAugen da und konnte mich nicht mehr bewegen. Der Sturm dauerte zweiTage. Später berichtete der Kapitän, sein Schiff sei eine ganze Nacht langmit voller Kraft gegen die Wellen gefahren, ohne einen Meter vorwärtszu kommen. Es dampfte einen Meter voran und die Wellen schlugen eseinen Meter zurück.Auch nach dem Sturm konnte ich ganze zwei Tage kein Essen und keinWasser anrühren. Als es mir wieder besser ging, wurde auf dem SchiffHühnerbrühe angeboten. Sie schmeckte mir besonders lecker und vielbesser als alle Schwalbennester und Haifischflossen, ein von Geisterngeschicktes Lebenselixier, ein köstliches Süppchen. Es war die leckersteund schönste Brühe meines Lebens, die ich bis heute in Erinnerunghabe. Jetzt klarte der Himmel auch wieder auf, und die schöne Sonnestand hoch am Firmament. Das Meer zeigte sich ruhig und flach wie einSpiegel. Fische tauchten aus dem Wasser auf wie fliegende Vögel. In derFerne lag verschwommen der Horizont, aber keine Insel war in Sicht. Wirentfernten uns immer weiter vom Festland. Ich schaute mich um undhätte am liebsten einen Freudentanz aufgeführt.Am 25. April 1946 erreichten wir Hongkong. Hier gab es eineaußerordentliche diplomatische Behörde der Nanjing-Regierung,
38 Von Saigon nach Hongkong 241vergleichbar mit einer Botschaft in anderen Ländern. Diese Behördehatte die Aufgabe, uns zu empfangen. Ihre Vertreter holten uns am Hafenab und brachten uns zu einer Pension. Die Einrichtung der Pension waraußergewöhnlich schlicht. Die Zimmer sahen aus wie Hühnerställe aufdem Festland. Wir zogen in zwei kleine Zimmer. Davor lag ein langer Flurvon etwa zwanzig bis dreißig Quadratmetern, der wahrscheinlich auch alsAuffangsraum genutzt wurde. Betten gab es auf diesem Flur nicht. Seineknapp dreißig Bewohner hausten auf dem Fußboden. Einige waren kleineHändler, andere wahrscheinlich arbeitslos. Diese Leute hatten keine Kulturund keine Moral. Sie sprachen laut, spuckten überall hin und rauchtenschlechte Zigaretten. Alles ging drunter und drüber. In Hongkong lebtenviele Menschen auf wenig Platz. Ein Stück Land war so teuer wie Gold.Es war hier auch nicht einfach, überhaupt eine Unterkunft zu finden.Wir warteten auf ein Schiff nach Shanghai. Solange mussten wir uns mitdieser Unterkunft begnügen.Hongkong kannte ich vom Namen her sehr gut, war allerdings noch nieda gewesen. Gleich nach der Ankunft fiel mir einiges auf, das auf michkeinen guten Eindruck machte. Mehr als zehn Jahre hatte ich bereitsin Europa gelebt. Ich hatte die große Welt in der Schweiz, Frankreichund in Deutschland kennen gelernt. Wer das heutige Hongkongmit dem Hongkong Mitte der vierziger Jahre vergleicht, sieht vieleUnterschiede, aber manches hat sich auch bis heute nicht verändert.Es gibt immer noch viele Menschen und wenig Platz. Die Unterschiedezu unserer heutigen Zeit: Damals war Hongkong ländlich. Es fehltedas wissenschaftliche Leben. Es war sehr schwer, einen Buchladen zufinden. Auf den wenigen Straßen drängten sich Menschen Schulter anSchulter. In den Hochhäusern ging es zu wie in einem Taubenschlag. Wieeinen donnernden Wasserfall hörte man überall die umfallenden Steine
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240 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>als hätte der Affenkönig Sun Wukong das Drachenschloss mit se<strong>in</strong>erZauber-Nadel herumgedreht und damit das Meer erschüttert. Ich warseekrank und erbrach ständig das Essen. Auch als ich nichts mehr zu mirnehmen konnte, erbrach ich weiter, bis ich nur noch dunkelgrünes Wasserausspuckte. So konnte ich auch nicht mehr <strong>in</strong> der Kab<strong>in</strong>e bleiben. Ichlegte mich oben auf das Deck mit dem Kopf an der Rel<strong>in</strong>g. Noch warich bei Bewusstse<strong>in</strong> und sah die Schiffsmasten mal hoch über mir undmal tief im 90-Grad-W<strong>in</strong>kel neben mir. Das Wasser spritzte an Deck. Ichkonnte nichts dagegen tun. Wie benommen lag ich mit halbgeschlossenenAugen da und konnte mich nicht mehr bewegen. Der Sturm dauerte zweiTage. Später berichtete der Kapitän, se<strong>in</strong> Schiff sei e<strong>in</strong>e ganze Nacht langmit voller Kraft gegen die Wellen gefahren, ohne e<strong>in</strong>en Meter vorwärtszu kommen. Es dampfte e<strong>in</strong>en Meter voran und die Wellen schlugen ese<strong>in</strong>en Meter zurück.Auch nach dem Sturm konnte ich ganze zwei Tage ke<strong>in</strong> Essen und ke<strong>in</strong>Wasser anrühren. Als es mir wieder besser g<strong>in</strong>g, wurde auf dem SchiffHühnerbrühe angeboten. Sie schmeckte mir besonders lecker und vielbesser als alle Schwalbennester und Haifischflossen, e<strong>in</strong> von Geisterngeschicktes Lebenselixier, e<strong>in</strong> köstliches Süppchen. Es war die leckersteund schönste Brühe me<strong>in</strong>es Lebens, die ich bis heute <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerunghabe. Jetzt klarte der Himmel auch wieder auf, und die schöne Sonnestand hoch am Firmament. Das Meer zeigte sich ruhig und flach wie e<strong>in</strong>Spiegel. Fische tauchten aus dem Wasser auf wie fliegende Vögel. In derFerne lag verschwommen der Horizont, aber ke<strong>in</strong>e Insel war <strong>in</strong> Sicht. Wirentfernten uns immer weiter vom Festland. Ich schaute mich um undhätte am liebsten e<strong>in</strong>en Freudentanz aufgeführt.Am 25. April 1946 erreichten wir Hongkong. Hier gab es e<strong>in</strong>eaußerordentliche diplomatische Behörde der Nanj<strong>in</strong>g-Regierung,