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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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36 Das Leben auf dem Schiff 227Der ch<strong>in</strong>esische Generalkonsul <strong>in</strong> Marseille hatte uns doch persönliche<strong>in</strong> Ticket Erster Klasse zugesagt. Es war kurz nach Kriegsende. Weildas Schiff nur Soldaten an Bord mitnahm, wurde die Klasse auf demTicket nicht vermerkt. Und wir hatten gedacht, <strong>in</strong> Marseille gesiegt zuhaben. Doch der Generalkonsul, dieser alte Fuchs, hatte uns übers Ohrgehauen. Wir mussten selbst darüber lachen. Aus Fehlern sollte manlernen. Um unser Gesicht als Ch<strong>in</strong>esen allerd<strong>in</strong>gs zu wahren, mussten wirauf das Oberdeck kommen. Selbst wenn wir dazu unser eigenes Geld fürden Kauf e<strong>in</strong>es Tickets der Ersten Klassen ausgeben mussten. Das ware<strong>in</strong>e Frage der Ehre. Darüber verhandelten wir mit dem Kapitän. Undder hatte e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>sehen und erlaubte uns, das Oberdeck zu betreten. Wirfreuten uns, dass wir knapp e<strong>in</strong>en Monat dort verbr<strong>in</strong>gen konnten.Dann tauchte e<strong>in</strong> weiteres Problem auf. Die Briten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e redliche,konservative und ernsthafte Nation, die viel Wert auf Höflichkeit undEtikette legt. Sie erschienen im Frack zum Abendessen. Wir armenStudenten konnten das nicht. Unsere Kleider reichten gerade dazu aus,unsere Blöße zu bedecken. Woher sollten wir e<strong>in</strong>en Frack nehmen? Derwar nun aber mal Vorschrift, und die Vorschrift musste e<strong>in</strong>gehaltenwerden. Was sollten wir machen? Also g<strong>in</strong>gen wir wieder zum Kapitän.Wieder hatte dieser e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>sehen und versicherte uns, dass es e<strong>in</strong>sauberer Anzug mit Krawatte und Lederschuhe auch tun würden. Damitkönnten wir im Speisesaal essen. Wir bedanken uns herzlich für se<strong>in</strong>eUnterstützung. Wir setzten das Menschenmögliche e<strong>in</strong>, um se<strong>in</strong>e Worte zubefolgen, und zogen das Beste an, was wir hatten. Zu der <strong>Jahre</strong>szeit war esnoch nicht so heiß. Ich trug e<strong>in</strong>en geschniegelten und gebügelten Anzug.Von der Decke spürte ich den Luftzug des Ventilators. Ich saß gerade amTisch, aß me<strong>in</strong>e Suppe ohne zu schlürfen und g<strong>in</strong>g vorsichtig mit Messerund Gabel um, so wie sich das hier gehörte. Nach dem Essen aber lief

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