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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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224 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>unser Zug schon abgefahren se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>er von uns geriet <strong>in</strong> Panik. Ihm fiele<strong>in</strong>e Schweizer Münze aus se<strong>in</strong>er Tasche, e<strong>in</strong> Schweizer Franken, nichtsWertvolles. Ich hatte entsetzliche Angst, dass der Kontrolleur aufbrausenwürde. Da passierte etwas Erstaunliches. Der Beamte nahm die Münzeund steckte sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e eigene Tasche. Danach kritzelte er etwas aufunsere K<strong>of</strong>fer. Wir hatten es geschafft.Wir erreichten unser Ziel Marseille. Das erste Mal <strong>in</strong> Frankreich! Alles warneu für mich. Etwas fiel mir gleich auf der Straße auf, das ganz anderswar als <strong>in</strong> der Schweiz: Die Rassendiskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> Frankreich schiennicht so schlimm zu se<strong>in</strong> wie <strong>in</strong> Amerika und England. In den zehn<strong>Jahre</strong>n <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> habe ich niemals auf der Straße e<strong>in</strong>e deutscheFrau Arm <strong>in</strong> Arm mit e<strong>in</strong>em Schwarzen gesehen, unter der Herrschaftder Faschisten wäre das undenkbar gewesen. In der Schweiz gab es dasauch nicht. In Marseille aber sah ich überall schwarz-weiße Paare Arm <strong>in</strong>Arm auf der Straße. Wenn man nicht genau h<strong>in</strong>schaute, sahen sie aus wieweiße Birnenblüten gepaart mit Holzkohle. In Frankreich schien das gangund gebe zu se<strong>in</strong>. Die Menschen machten e<strong>in</strong>en frohen und zufriedenenE<strong>in</strong>druck.Hier erblickte ich zum ersten Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben das Meer. Ich lachteüber mich. Wahrsche<strong>in</strong>lich war ich der E<strong>in</strong>zige, der auf der Halb<strong>in</strong>selShandong geboren worden war, über zehn <strong>Jahre</strong> im Ausland gelebt undnoch nie e<strong>in</strong> Meer gesehen hatte. Jetzt hatte ich endlich e<strong>in</strong>e Gelegenheit,mich von dieser lächerlichen Tatsache zu befreien. Ich war begeistertvon den grenzenlosen brausenden Wellen des Meeres. „Himmel undErde spiegeln sich Tag und Nacht auf dem Dongt<strong>in</strong>g-See wider.“ 58Wahrsche<strong>in</strong>lich hatte auch dieser große Dichter nie e<strong>in</strong> Meer gesehen,58aus: „Betreten des Yueyang – Gebäudes“ (《 登 岳 阳 楼 》)von Du Fu (s.Anm. 9).

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