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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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16 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Direktor Song, der mich als zu ruhig beurteilt hatte, sah mich aufe<strong>in</strong>mal mit ganz anderen Augen. Er kam mir sehr freundlich entgegenund begleitete mich persönlich zum Leiter des Erziehungsamtes, <strong>in</strong> derH<strong>of</strong>fnung, etwas Unterstützung zu erhalten. Aber ich versagte wieder:Me<strong>in</strong> Ruhigse<strong>in</strong> hatte mich erneut <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e missliche Situation gebracht undDirektor Song nochmals enttäuscht. Mit leeren Händen kam ich zurück.Er strahlte immer noch vor Begeisterung, ermunterte mich, gab fürmich e<strong>in</strong> Abschiedsessen und versprach, nach me<strong>in</strong>er Rückkehr mit mirzusammenzuarbeiten. Das alles bewegte mich sehr.Unter den Kollegen der Oberschule sah ich e<strong>in</strong>ige ehemalige Lehrer vonmir. Manche gehörten noch me<strong>in</strong>er Generation an, aber alle waren älterals ich. Auch sie betrachteten mich plötzlich mit ganz anderen Augen.Die jüngeren Kollegen litten ohne Ausnahme am „Auslands-Fieber“. Siesehnten sich danach, fanden aber ke<strong>in</strong>en Weg. Und jetzt hatte ich mirplötzlich e<strong>in</strong>e Gelegenheit zur „Vergoldung im Ausland“ geangelt, e<strong>in</strong>ausländischer Hanl<strong>in</strong>-Titel war zum Greifen nahe. Ich fühlte mich wie imsiebten Himmel. Sicher würde ich nach me<strong>in</strong>er Rückkehr aus <strong>Deutschland</strong>nicht mehr <strong>in</strong> der Oberschule <strong>in</strong> Ji‘nan bleiben. Die anderen beneidetenmich übermäßig um me<strong>in</strong> Glück. Und plötzlich dachte ich an Fan J<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>eFigur aus dem alten ch<strong>in</strong>esischen Roman „Geschichten konfuzianischerGelehrter“. 16 Mir fehlten zwar noch dessen Schwiegervater, der FleischerHu, und der Landedelmann Zhang, aber <strong>in</strong> fremden Augen schien ichwohl e<strong>in</strong> besonderer Mann zu se<strong>in</strong>. Lächerlich! Ich geriet vor Freude zwarnicht aus dem Häuschen, <strong>in</strong>nerlich aber war sehr froh.Natürlich kannte ich me<strong>in</strong>e Schwierigkeiten: Die f<strong>in</strong>anziellen Probleme<strong>in</strong> der Familie, dazu kamen die Kosten für Kleidung und für die Reise,16Wu J<strong>in</strong>gzi 吴 敬 梓 (1710 – 1754), Q<strong>in</strong>g-Dynastie, schrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk „Geschichten konfuzianischerGelehrter“ Episoden über Beamtenkreise und das Prüfungssystem.

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