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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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30 Ch<strong>in</strong>esen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 191wählten sie nach den Pässen aus, die sie gerade besaßen. Daher hießen sieheute Zhang und morgen Wang. Sie hatten ke<strong>in</strong>e feste Unterkunft undke<strong>in</strong>en festen Namen. Wenn jemand starb oder fortg<strong>in</strong>g, wurde der Passvererbt. Staatsgrenzen überschritten sie nicht durch den Zoll, sondernüber heimliche Wege. E<strong>in</strong>ige sollen dabei von der Grenzschutzpolizeierschossen worden se<strong>in</strong>. Ihr hartes und genügsames Leben ermöglichtees ihnen, e<strong>in</strong> bisschen Geld zu sparen, das sie auf allen möglichen Wegennach Q<strong>in</strong>gtian schickten, denn trotz aller Leiden und Entbehrungenhatten sie ihre Heimat nicht vergessen.Ich hatte noch ke<strong>in</strong>en Q<strong>in</strong>gtian-Händler kennengelernt, nur hier und daetwas über sie gehört – bis ich vom Amtsgericht <strong>in</strong> Kassel, e<strong>in</strong>er relativgroßen Stadt <strong>in</strong> der Nähe von Gött<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>e Vorladung erhielt. Ichsollte als Dolmetscher zu e<strong>in</strong>em Term<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>en. Bei Nichtersche<strong>in</strong>endrohte mir e<strong>in</strong> Bußgeld von e<strong>in</strong>hundert Reichsmark. Das Honorar solltefünfzig Reichsmark betragen. Es war merkwürdig, aber da ich wusste, dassdie Deutschen ihre Rechtsvorschriften sehr streng e<strong>in</strong>hielten, erschienich natürlich pünktlich. Vor Gericht erfuhr ich dann, dass es sich bei demBeklagten um e<strong>in</strong>en Q<strong>in</strong>gtian-Händler handelte. Die Verhandlung mussteüber zwei Sprachen gedolmetscht werden, denn der Beklagte konnteweder Deutsch noch Hochch<strong>in</strong>esisch. Das Gericht machte noch e<strong>in</strong>enweiteren Übersetzer ausf<strong>in</strong>dig, der Hochch<strong>in</strong>esisch und den Dialekt derQ<strong>in</strong>gtian-Händler beherrschte. Damit konnte die mündliche Verhandlungzügig durchgeführt werden. Eigentlich war es ke<strong>in</strong>e großartige Sache. DerBeklagte hatte auf der Straße Waren angeboten und dabei gegen deutscheGesetze verstoßen. Die Qualität war mangelhaft und der Preis nichtangemessen. Daher hatten e<strong>in</strong> paar deutsche Frauen e<strong>in</strong>e Klage beimAmtsgericht Kassel e<strong>in</strong>gereicht. E<strong>in</strong>ige der Kläger<strong>in</strong>nen waren bei dermündlichen Verhandlung anwesend und gaben die genaue Zeit und den

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