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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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182 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Natürlich entsprach das nicht der Wahrheit. Wir hatten ihm mitgeteilt,dass wir ausländische Studenten waren. Nun hatten wir aufgrund se<strong>in</strong>erBesche<strong>in</strong>igung diesen Status erlangt. Wie er uns tatsächlich e<strong>in</strong>ordnete,war uns nicht klar, aber wir stritten auch nicht mit ihm darüber. Er wiesuns an, mit dieser Besche<strong>in</strong>igung den Vorgesetzten der französischenKriegsgefangenen aufzusuchen. Der S<strong>in</strong>n dieser Aufforderung blieb unszwar verschlossen, dennoch besuchten wir das Lager der französischenKriegsgefangenen. Bislang hatte ich nur russische und polnischeKriegsgefangene auf der Straße gesehen, die verschlissene Uniformentrugen – die e<strong>in</strong>zige Bekleidung, die sie besaßen. Nun tauchten zu unsererÜberraschung plötzlich viele französische Soldaten auf. Ke<strong>in</strong>e Ahnung,woher sie kamen. Mit Händen und Füßen machte uns ihr Vorgesetzterklar, dass wir ab s<strong>of</strong>ort täglich e<strong>in</strong>e Portion R<strong>in</strong>dfleisch bei ihm erhaltenkönnten. Unvorstellbar! Welch e<strong>in</strong> Glück! Konfuzius hörte e<strong>in</strong>mal imStaate Qi Musik und hatte drei Monate lang vergessen, wie Fleischschmeckt. Ich hatte <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> lediglich den Lärm der Bombergehört und drei <strong>Jahre</strong> vergessen, wie Fleisch schmeckt. Heute fiel frischesR<strong>in</strong>dfleisch wie vom Himmel. Ich konnte so viel essen, wie ich wollte!Auf me<strong>in</strong>en täglichen Wegen <strong>in</strong>s französische Lager spielten sich kle<strong>in</strong>eEpisoden ab. E<strong>in</strong> Soldat, der die Fleischrationen austeilte, erklärte mire<strong>in</strong>es Tages: „Dema<strong>in</strong> deux jours.“ Ich hatte seit längerer Zeit ke<strong>in</strong>Französisch gehört und verstand ihn ebenso wenig wie der buddhistischegroße Mönch, dessen Kopf man nicht erreichen kann. 45 Ich konnte ihnnur mit großen Augen anschauen. Er wiederholte se<strong>in</strong>e drei Wörter mitlebhaften Gesten. Plötzlich begriff ich. Morgen gibt es Fleisch für zweiTage! Daher wiederholte ich die drei Wörter auf Französisch: „Dema<strong>in</strong>45E<strong>in</strong> buddhistischer Mönch, dessen Kopf man nicht erreichen kann, steht im übertragenen S<strong>in</strong>ne für jemanden,der von e<strong>in</strong>er bestimmten Sache ke<strong>in</strong>e Ahnung hat.

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