Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library
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176 Zehn Jahre in DeutschlandGeschichte jetzt einfach vorbei war. Als ich den Beginn des ZweitenWeltkrieges erwähnte, hatte ich behauptet, nie und nimmer hätte ichmir vorstellen können, dass der größte und in seinem Ausmaß bis dahinbeispiellose Krieg in der Menschheit so unspektakulär anfangen würde.Jetzt war der Weltkrieg zu Ende, aber der Schluss ist genauso wenigspektakulär. Nach Meinung nachfolgender Generationen gab es in derGeschichte viele Ereignisse, die die Welt erschütterten und die Geisterweinen ließen. War deren Anfang und Ende immer so unspektakulär?Obwohl der verlorene Krieg auf die Göttinger wie betäubend wirkte,war er für einige Leute so schmerzhaft, als hätte man ihnen Teile ihresKörpers abgeschnitten. In der Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele,die uns zeigen, dass die Sieger alle Bewohner eines besiegten Gebietesumbrachten. Für China lassen sich einige Beispiele anführen. Doch dieAmerikaner haben nach ihrer Ankunft in der Stadt keinen Einwohnergetötet. Sie schienen sogar sehr zivilisiert. Ich habe nie erlebt, dass einAmerikaner einen Deutschen auf der Straße beleidigt hat. Die Beziehungzwischen Siegern und Besiegten schien sogar harmonisch. Ich habeauch nicht registriert, dass ein Deutscher die amerikanischen Soldatenals Feind behandelt hat. Die Deutschen betrieben auch keine Sabotage.Ich habe gesehen, wie einige deutsche Mädchen amerikanische Soldatenansprachen. Das erweckte den Anschein einer freundlichen Atmosphäre.Doch dieser Schein trügte. Die amerikanischen Soldaten hatten sich aufeine Abrechnung vorbereitet. Sie besaßen eine für uns unbekannte Nazi-Liste, auf der alle führenden Köpfe verschiedener NS-Gruppen standen.Mit Hilfe dieser Liste suchten sie nach diesen Leuten. So tauchten sie aucheines Tages bei meinem Nachbarn, Herrn Schmidt, auf. Dessen Tochterwar Leiterin der NS-Frauengruppe eines Gaues. Herr Schmidt war nichtzu Hause, wohl aber seine etwas korpulente Frau, die fassungslos und
27 Das Ende der Nazis – die Ankunft amerikanischer Soldaten in der Stadt 177erschrocken reagierte. Sie klopfte an meine Tür und bat um Hilfe. Ich gingzu den Amerikanern, die mich überrascht fragten, was ich hier mache. Ichstellte mich als Chinese vor und behauptete, zu den Alliierten zu gehörenund Frau Schmidt als Übersetzer zu helfen. Weitere Fragen an michhatten sie nicht. Also begann ich mit der Übersetzung. Die Vernehmungdauerte nicht sehr lange, ihr Verhalten erlebte ich als fair und angenehm.Sie benahmen sich weder böse noch heimtückisch. Allerdings hatte dieTochter bereits das Weite gesucht und ihre Mutter behauptete, ihrenAufenthaltsort nicht zu kennen. Damit war die Vernehmung beendet.Danach ließen sich die amerikanischen Soldaten nicht mehr blicken.Das US-Militär besetzte außerdem einige Göttinger Privathäuser. Es hatteeine Entfernung von mehr als zehntausend Kilometern mit dem Schiffzurückgelegt, und als es jetzt die Stadt besetzt hatte, da fehlte es ihnen angeeigneten Unterkünften. So konfiszierten die Soldaten die Häuser derdeutschen Bewohner. Sie quartierten sich nur in alleinstehenden Häusernmit Garten ein. Mein Lehrer, Professor Waldschmidt, besass ein solchesHaus. Dieses neue Haus befand sich außerhalb der Stadt am Fuße desBerges. Deshalb konnte er eine Besetzung nicht verhindern. Wohin dasEhepaar vertrieben worden war, habe ich nicht erfahren. Eine Gruppeamerikanischer Soldaten hatte sich erhobenen Hauptes in ihrem Heimeingenistet. Sie blieben dort zwar nur einige Tage, weil sie dann nochan einem anderen Ort ihrem Dienst nachgehen mussten, aber dennochhatten Stücke der prunkvollen Antiquitäten schwer gelitten. Vor allem einpaar alte Stühle, die das Ehepaar besonders schätzte. Diese Stühle hattensie immer sehr vorsichtig behandelt. Jetzt aber waren einige Stuhlbeinekaputt. Nach dem Auszug der amerikanischen Soldaten besuchte ich dasEhepaar. Professor Waldschmidt zeigte mir die Schäden fassungslos undmit bitterer Miene. Sein Zorn war verständlich. Seine Frau konnte sich
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