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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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26 Familie Meyer 169auf der Schillerwiese getr<strong>of</strong>fen hatte, waren aus Gött<strong>in</strong>gen weggegangen.Ich fühlte mich alle<strong>in</strong> und war <strong>of</strong>t e<strong>in</strong>sam. Wie schön war es da, dieFreundschaft der Familie Meyer zu genießen und mitten im Krieg etwasRuhe f<strong>in</strong>den zu können. Das war etwas Kostbares. Bis heute er<strong>in</strong>nere ichmich daran, als sei es gestern gewesen.Schließlich verließ ich die Familie Meyer und Irmgard. Was ich dabeiempfand, kann man sich vorstellen. Am 24. September 1945 schrieb ich<strong>in</strong> me<strong>in</strong> Tagebuch:Nach dem Abendessen um 7.30 Uhr g<strong>in</strong>g ich zur Familie Meyer, zu Irmgard, zumTippen. Sie versuchte mich zu überreden, <strong>Deutschland</strong> nicht zu verlassen. HeuteAbend empfand ich sie als besonders liebenswert. Ich konnte mich nur schwer von ihrtrennen. Aber was soll ich tun? E<strong>in</strong> verheirateter Mann wie ich darf sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eso schöne Frau wie sie verlieben!Am 2. Oktober 1945, vier Tage vor me<strong>in</strong>er Abreise, notierte ich <strong>in</strong>me<strong>in</strong>em Tagebuch:Ich g<strong>in</strong>g nach Hause. Nach dem Mittagessen überprüfte ich me<strong>in</strong>en Text. Um dreiUhr war ich bei Familie Meyer und tippte den Text e<strong>in</strong>. Irmgard wollte sich nichttrennen. Ich weiß nicht, was ich machen soll.Me<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungen unterscheiden sich etwas von me<strong>in</strong>en damaligenTagebuchaufzeichnungen. Aus der Schweiz hatte ich ihr noch e<strong>in</strong>igeBriefe geschrieben. Zurück <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a verloren wir den Kontakt. Wennich sage, dass ich sie nicht vermisste, stimmt das nicht. Im Jahr 1980war ich wieder <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen. Ich erkundigte mich nach ihr, aber sie warverschollen, für immer. Wenn sie noch lebt, muss sie fast siebzig <strong>Jahre</strong> altse<strong>in</strong>. Jetzt b<strong>in</strong> ich e<strong>in</strong> hochbetagter Mann. Es gibt sicher nicht mehr vieleMenschen auf der Welt, die sich noch an Irmgard er<strong>in</strong>nern. Nach me<strong>in</strong>emTod wird es wahrsche<strong>in</strong>lich niemanden mehr auf der ganzen Welt geben,der sie noch vermisst.

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