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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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1 Schwärmerei vom Auslandsstudium 13attraktiv war. Zu den Kollegen pflegte ich e<strong>in</strong> ebenso gutes Verhältnis.Fast jede Woche suchten wir e<strong>in</strong>mal geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> Wirtshaus auf. UnserGehalt war hoch, die Preise niedrig und unsere Freundschaft erlaubteke<strong>in</strong>e Knausrigkeit. Von außen betrachtet führte ich augensche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>göttliches Leben.Im Innern aber war ich tief bedrückt. Ich musste fort.Fort von hier! Me<strong>in</strong>e heiligen Träume aus dieser Zeit kreisten um das„sich im Ausland vergolden lassen“. Oft h<strong>in</strong>g ich im Gartenpavillon mitse<strong>in</strong>en künstlichen Felsen und blühenden Rosenstöcken me<strong>in</strong>en Auslands-Träumereien nach. Im Neonlicht und bei e<strong>in</strong>em Glas We<strong>in</strong> hatte ichzudem das Gefühl, dass me<strong>in</strong>e Reisschüssel wackelte. In me<strong>in</strong>em nochjugendlichen Alter wuchsen mir vor lauter Sorgen bereits graue Haare.Ich konnte mich beim besten Willen nicht zusammenreißen. So manchesMal dachte ich: Du solltest e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> den Tag h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>leben, denn du bistratlos, und Illusionen helfen dir gar nichts. E<strong>in</strong> Sprichwort lautet: „DerWagen f<strong>in</strong>det schon se<strong>in</strong>en Weg über den Berg, wenn er erst e<strong>in</strong>mal dortangekommen ist.“ Also warten wir e<strong>in</strong>fach ab, bis me<strong>in</strong> Wagen se<strong>in</strong> Zielgefunden hat.Doch so e<strong>in</strong>fach g<strong>in</strong>g das leider nicht. Die Nachrichten über dasAuslandsstudium anderer drangen immer häufiger an me<strong>in</strong> Ohr. Auchich zitterte am ganzen Körper, wenn ich diese Nachrichten hörte.Weit entfernt sah ich die erhabenen Berge und die mächtigen StrömeEuropas und stellte mir das göttliche Leben der anderen vor. Ich, e<strong>in</strong>Normalsterblicher, getrennt b<strong>in</strong> ich durch tausend Berge.So verbrachte ich e<strong>in</strong> ganzes Jahr.

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