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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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24 Menschen, die gegen Hitler waren 161ihm zu Hause. Wahrsche<strong>in</strong>lich war er e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>samer alter Mann. Nur mituns konnte er <strong>of</strong>fen sprechen und schimpfen. Das machte ihm Freude.E<strong>in</strong>en anderen deutschen Freund, e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>-Student, der gegen HitlerWiderstand leistete, lernte ich durch Long Piyan kennen. Er war nochjung, etwa zwanzig <strong>Jahre</strong> alt, also ungefähr so alt wie ich. Anders als derRichter verhielt er sich freundlich. Er sprühte vor Energie, hatte schwarzeHaare und Augenbrauen. Se<strong>in</strong>e Geistesgegenwart und Intelligenz waren<strong>of</strong>fensichtlich. Ich wusste nichts über se<strong>in</strong>e Herkunft und auch nicht,warum er Hitler ablehnte. Die geme<strong>in</strong>same E<strong>in</strong>stellung hat uns <strong>in</strong>dessenzusammengeschweißt. 42 Wir hatten das gleiche Schicksal. Das verbanduns, auch wenn wir uns noch nicht lange kannten.Es gab sicherlich e<strong>in</strong>ige Deutsche an der Universität, die Hitler ablehnten.Doch überwiegend zeigten sich die Deutschen gegenüber se<strong>in</strong>er Politikgleichgültig. Gut, dass ich die beiden Leute, die Hitler ablehnten, kennengelernt hatte. Das beruhigte mich. Am Wochenende verabredeten wiruns manchmal zu e<strong>in</strong>em Spaziergang im Wald. Nach dem Motto „E<strong>in</strong>emTrunkenbold geht es nicht um den We<strong>in</strong>“ g<strong>in</strong>g es uns dabei natürlich auchnicht nur um den Spaziergang. Ich er<strong>in</strong>nere mich an e<strong>in</strong>en Spaziergang imFrühl<strong>in</strong>g. Die Luft war lau und der Himmel blau, der Wald zeigte frischesGrün, die Vögel zwitscherten und die Blumen dufteten. Es war ruhig. Wirwaren alle<strong>in</strong>, saßen auf e<strong>in</strong>er Bank und schimpften über Hitler. Das warendie kle<strong>in</strong>en Freuden des damaligen Lebens. Wir befanden uns im tiefenWald, und nur selten kamen Leute vorbei. Angst belauscht zu werdenhatten wir nicht. Wir konnten laut diskutieren und unserem Hass freienLauf lassen. In solchen Momenten hatten wir für die schöne Landschaft42Anspielung auf die „Pipa-Reise“(《 琵 琶 行 》)von Bai Juyi (s. Anm. 8).

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