Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library
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160 Zehn Jahre in DeutschlandMädchen hatte es ernst gemeint.Was Hitler innen- und außenpolitisch machte, darüber sahen wirchinesische Studenten hinweg. Seine Rassentheorie aber konnten wirnicht akzeptieren. Sie beleidigte uns Chinesen. Er behauptete, dass nurdie sogenannte „nordische Rasse“ die Kultur der Menschheit geschaffenhabe, Chinesen und alle anderen Rassen dagegen kulturlos seien. Dieseabsurde Behauptung hat die hier studierenden Chinesen zornig gemacht.Doch wir lebten unter einem fremden Dach und hatten nur den Mut zuzürnen, aber nicht den Mut zu kämpfen.Unter den Deutschen, die ich kannte, gab es einige, die wirklich gegenHitler waren. Meistens aber schwiegen sie, um ihr eigenes Leben nichtzu gefährden. Wenn ich deutsche Freunde traf, egal wie gut wir unskannten, hielt ich mich streng an mein Motto: Nicht über Politiksprechen! Nach einiger Zeit fiel das natürlich meinen Freunden auf. Sieäußerten sich offen über Hitler, zunächst noch ruhig, dann aber immerwütender. Am Ende schimpften sie ganz heftig über ihn. Es gab einenRichter im Ruhestand, mehr als doppelt so alt wie ich, der mich tiefbeeindruckte. Kennen gelernt hatte ich ihn durch einen chinesischenStudenten mit geheimnisvoller Herkunft, der großen Respekt vor Hitlerhatte. Wahrscheinlich gehörte er früher der ehemaligen chinesischenGeheimdienstorganisation der Nanjing-Regierung, den „Blauen Kleidern“,an. Keiner von uns wollte etwas mit ihm zu tun haben. Sein Vorgesetzterhatte großen Respekt vor Hitler. Ausgerechnet dieser Student hatte einenRichter als Freund, der gegen Hitler war. Aus chinesischer Sicht galt erdeshalb als ungehorsamer Schüler. Egal, über ihn hatte ich jenen Richterkennengelernt. Der wetterte gegen alles, was Hitler tat. Ich war nie bei
24 Menschen, die gegen Hitler waren 161ihm zu Hause. Wahrscheinlich war er ein einsamer alter Mann. Nur mituns konnte er offen sprechen und schimpfen. Das machte ihm Freude.Einen anderen deutschen Freund, ein Medizin-Student, der gegen HitlerWiderstand leistete, lernte ich durch Long Piyan kennen. Er war nochjung, etwa zwanzig Jahre alt, also ungefähr so alt wie ich. Anders als derRichter verhielt er sich freundlich. Er sprühte vor Energie, hatte schwarzeHaare und Augenbrauen. Seine Geistesgegenwart und Intelligenz warenoffensichtlich. Ich wusste nichts über seine Herkunft und auch nicht,warum er Hitler ablehnte. Die gemeinsame Einstellung hat uns indessenzusammengeschweißt. 42 Wir hatten das gleiche Schicksal. Das verbanduns, auch wenn wir uns noch nicht lange kannten.Es gab sicherlich einige Deutsche an der Universität, die Hitler ablehnten.Doch überwiegend zeigten sich die Deutschen gegenüber seiner Politikgleichgültig. Gut, dass ich die beiden Leute, die Hitler ablehnten, kennengelernt hatte. Das beruhigte mich. Am Wochenende verabredeten wiruns manchmal zu einem Spaziergang im Wald. Nach dem Motto „EinemTrunkenbold geht es nicht um den Wein“ ging es uns dabei natürlich auchnicht nur um den Spaziergang. Ich erinnere mich an einen Spaziergang imFrühling. Die Luft war lau und der Himmel blau, der Wald zeigte frischesGrün, die Vögel zwitscherten und die Blumen dufteten. Es war ruhig. Wirwaren allein, saßen auf einer Bank und schimpften über Hitler. Das warendie kleinen Freuden des damaligen Lebens. Wir befanden uns im tiefenWald, und nur selten kamen Leute vorbei. Angst belauscht zu werdenhatten wir nicht. Wir konnten laut diskutieren und unserem Hass freienLauf lassen. In solchen Momenten hatten wir für die schöne Landschaft42Anspielung auf die „Pipa-Reise“(《 琵 琶 行 》)von Bai Juyi (s. Anm. 8).
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