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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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23 Me<strong>in</strong>e Vermieter<strong>in</strong> 157über ihren Tagesablauf berichtete, fragte sie plötzlich: „Soll ich ab heute,Herr Doktor‘ sagen?“ Überrascht entgegnete ich ihr, dass sei wirklichnicht nötig. Damit war das Thema erledigt. Sie redete mich nach wie vormit „Herr Ji“ an und ich sie mit „Frau Oppel“.<strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> lebten wir von morgens bis abends unter e<strong>in</strong>em Dachund hatten nie Probleme mite<strong>in</strong>ander. Es gibt so viele wertvolle, guteEr<strong>in</strong>nerungen. Selbst schwierige Situationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung nochsüß.Als ich <strong>Deutschland</strong> verließ und mich <strong>in</strong> der Schweiz aufhielt, schriebich ihr e<strong>in</strong>ige Briefe. Nach me<strong>in</strong>er Rückkehr <strong>in</strong> Beij<strong>in</strong>g fand ich untergroßen Mühen und Anstrengungen e<strong>in</strong>e Dose amerikanischen Kaffee.Ich war hocherfreut, weil ich wusste, dass sie wie alle Deutschen Kaffeewie das eigene Leben liebte. Ich lief s<strong>of</strong>ort zur Post und schickte ihr denKaffee <strong>in</strong> der H<strong>of</strong>fnung, dass er ihr über tausend Berge und zehntausendFlüsse h<strong>in</strong>weg Freude bereiten würde <strong>in</strong> ihrem e<strong>in</strong>samen Leben. Icher<strong>in</strong>nere mich nicht, ob sie mir zurückgeschrieben hat. In den fünfziger<strong>Jahre</strong>n waren Beziehungen zum Ausland gefährlich geworden. Ich hattenicht mehr den Mut, ihr weitere Briefe zu schreiben. Danach war me<strong>in</strong>eH<strong>of</strong>fnung, e<strong>in</strong>en Brief von Frau Oppel zu erhalten, so unerreichbargeworden wie die Wolken und der Himmel, wie <strong>in</strong> Du Fus Gedichtbeschrieben: „Morgen liegen zwischen uns Berge und Flüsse und niemandweiß, wie es weitergeht.“Im Jahr 1980, fast vierzig <strong>Jahre</strong> nach me<strong>in</strong>em Abschied aus <strong>Deutschland</strong>,kehrte ich zu Besuch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e zweite Heimat Gött<strong>in</strong>gen zurück. Me<strong>in</strong>eehemalige Wohnung und das Haus fand ich genau so vor wie früher. Dievergangenen vierzig <strong>Jahre</strong> hatten ke<strong>in</strong>e Spuren h<strong>in</strong>terlassen. Ich g<strong>in</strong>g <strong>in</strong>die zweite Etage. Der Namen auf dem Mess<strong>in</strong>gschild hatte sich geändert.Niemand vermochte mir zu sagen, wo me<strong>in</strong>e frühere Vermieter<strong>in</strong>

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