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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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156 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Zeit <strong>in</strong> Frieden und E<strong>in</strong>tracht gelebt. Nie gab es Streitigkeiten zwischendem Ehepaar. Nach dem Tod ihres Mannes war sie e<strong>in</strong>sam, und derSohn besuchte sie selten. Die Wohnung war wie ausgestorben. Was <strong>in</strong> ihrvorg<strong>in</strong>g, wusste ich nicht. Es schien, dass sie nur mit mir, e<strong>in</strong>em jungenMenschen aus e<strong>in</strong>em fremden Land, zusammen im Haus leben konnte.Als der Krieg zu Ende g<strong>in</strong>g, wurde das Leben zunehmend härter. Esmangelte noch mehr an Lebensmitteln und Heizmaterial. Die StadtGött<strong>in</strong>gen erlaubte ihren E<strong>in</strong>wohnern, Bäume im Wald zu fällen –wieder e<strong>in</strong> Beispiel dafür, wie sorgfältig und ordentlich die Deutschen dieVersorgung organisierten und sich dabei streng an die Gesetze hielten.Die Beamten bezeichneten e<strong>in</strong>en Ort und bestimmten, welche Bäumedort gefällt werden durften. Die mit e<strong>in</strong>em roten Kreis markiertenBäume konnten geschlagen werden. Wer e<strong>in</strong>en nicht markierten Baumgefällt hatte, musste e<strong>in</strong> Bußgeld bezahlen. Da es <strong>in</strong> der Familie me<strong>in</strong>erVermieter<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e männliche Arbeitskraft gab, fühlte ich mich natürlichverpflichtet zu helfen. Das tat ich herzlich gern. Ich begleite sie zumBerg, fällte den ganzen Tag Bäume und transportierte sie zu e<strong>in</strong>emTischler. Der schnitt die Baumstämme mit e<strong>in</strong>er Masch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eStücke. Danach brachten wir das Holz nach Hause und lagerten es imKeller als Heizvorrat. Der Tischler war nicht sehr freundlich. Ich musstemich mit ihm streiten. Später entschuldigte er sich, und ich konnte dieAngelegenheit mit e<strong>in</strong>em Lächeln erledigen.Es gab damals noch e<strong>in</strong>e deutsche Eigenschaft, die Frau Oppel mit denmeisten ihrer Landsleute teilte: den Respekt vor Titeln. Die durften beider Anrede nicht fehlen. E<strong>in</strong> Pr<strong>of</strong>essor wurde mit „Herr Pr<strong>of</strong>essor“angeredet, e<strong>in</strong> Doktor mit „Herr Doktor“. Wer das nicht tat, galt alsunhöflich. Me<strong>in</strong>e Vermieter<strong>in</strong> bildete da ke<strong>in</strong>e Ausnahme. Als ich me<strong>in</strong>emündliche Prüfung bestanden hatte und sie mir an demselben Abend

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