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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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18 In der Hölle des Hungers 119Hunger sehr schwer zu ertragen sei und deshalb die Bösen <strong>in</strong> der Hölleals Strafe erwarte. Über diese Frage will ich aber momentan nicht weiterdiskutieren. Auf jeden Fall befand ich mich <strong>in</strong> der Hölle des Hungers.Hätte mir jemand glühende Eisenkugeln oder Erde <strong>in</strong> den Mund gesteckt,ich hätte beides ohne zu zögern verschluckt, um den unerträglichenHunger zu stillen. Auch wenn me<strong>in</strong> Bauch verbrannt wäre.Um diese Zeit las ich gerade im Orig<strong>in</strong>al „Der Revisor“ von NikolaiGogol. In der ersten Szene des zweiten Aktes gibt es e<strong>in</strong>en Monolog vonAuclipu, der im Bett des Gastgebers liegt:„Der Hotelbesitzer sagt, wenn die alten Schulden nicht beglichen werden,würde er uns ke<strong>in</strong> Essen anbieten. Woher bekommen wir aber das Geld?Oh, me<strong>in</strong> Gott, wie schön wäre es, wenn wir nur etwas Suppe hätten. Ichkönnte jetzt die ganze Welt verspeisen.“Wie anschaulich! Gogol hat sicher den Hunger gekannt, sonst hätte ernicht schreiben können, dass man die ganze Welt verschlucken wollte.Durch langes Hungern werden die Menschen mager. Manche Menschenfürchten heute Fettleibigkeit. Sie essen weniger, um schlank zu werden. Siegeben sich viel Mühe dabei, aber es hilft nicht viel. E<strong>in</strong>ige sagen: „Schon,wenn ich Wasser tr<strong>in</strong>ke, werde ich dicker.“ Das mag heute stimmen, aberdamals traf es nicht zu. Me<strong>in</strong> Vermieter ist während des schweren Kriegesan e<strong>in</strong>er Herzkrankheit gestorben. Er war ehemals dick. Kurz vor se<strong>in</strong>emTod wog er zwanzig bis dreißig Kilo weniger als vorher. Er war hagergeworden. Ich selbst war nicht dick, mir fehlte e<strong>in</strong>fach die Basis zumAbnehmen. Aber der Hunger h<strong>in</strong>terließ Wunden. Ich hatte das Gefühlder Sättigung verloren. Dieser Zustand dauerte etwa acht <strong>Jahre</strong>. Erst <strong>in</strong>der Schweiz erholte ich mich langsam. Doch dazu später mehr.

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