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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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114 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Auffällig war, dass Liu Xianzhi und Teng Wanjun <strong>in</strong> ihrem Korb wederManuskripte noch Lebensmittel trugen, sondern e<strong>in</strong>e Schildkröte.Um die Geschichte dieser Schildkröte zu erzählen, muss ich etwasausholen. In <strong>Deutschland</strong> herrschte großer Mangel an Nahrungsmitteln.Aus irgende<strong>in</strong>em besetzten Land führten die Faschisten e<strong>in</strong>e MengeSchildkröten als Nahrungsmittel e<strong>in</strong>. Aber die Deutschen waren beim Essenrecht konservativ. Vor diesen Tierchen, die heldenhaft mit Hasen um dieWette zu laufen wagten, hatten sie e<strong>in</strong> bisschen Angst. Ne<strong>in</strong>, sie wollten sichdamit ihren Magen nicht vollstopfen! Die deutsche Regierung propagiertemit großem Aufwand den hohen Nährwert der Schildkröten. Sie zitierteaus klassischen Werken und versuchte mit Statistiken und Tabellen zubeweisen, dass Schildkrötenfleisch sehr nahrhaft sei. Das Ehepaar Liu hatte<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Schildkröte gekauft. Liu und se<strong>in</strong>e Frau betrachteten diesesTierchen mit dem dicken Panzer und den fl<strong>in</strong>ken Äugle<strong>in</strong>. Barmherzigkeitstieg <strong>in</strong> ihnen auf. Sie brachten es nicht übers Herz, die Schildkröte zutöten. Sie zogen sie auf und brachten sie von Berl<strong>in</strong> mit nach Gött<strong>in</strong>gen.Die Schildkröte begleitete uns jeden Tag zum Berg, um den Bomben zuentfliehen. Wir streckten uns auf der Wiese aus und sahen, wie englischeFlugzeuge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Formation über Gött<strong>in</strong>gen flogen. Manchmal lagen wire<strong>in</strong>ige Stunden dort. Im grünen Busch neben uns öffnete die Schildkröteihre kle<strong>in</strong>en Augen. Sie kroch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tempo voran, als wollte sie mitdiesen großen Flugzeugen am Himmel um die Wette laufen. Wir lagen s<strong>of</strong>röhlich auf der Wiese, als befänden wir uns nicht im Chaos, sondern imParadies. Die todbr<strong>in</strong>genden Flugzeuge brummten am Himmel, und dasBrummen verwandelte sich <strong>in</strong> diesem Augenblick zu e<strong>in</strong>er himmlischenMusik. Wir hatten alles um uns herum vergessen!

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