Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library
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108 Zehn Jahre in DeutschlandWeber-Gebäude, arbeitete dort bis mittags und aß dann wie gewöhnlichin der Gaststätte. Danach ging ich ins Institut. Ich war jetzt nicht mehrStudent, sondern Lehrer. Ich hatte mich exmatrikuliert. Somit brauchte ichnicht mehr zum Unterricht zu laufen. Stattdessen erteilte ich gelegentlichim Institut für Sinologie den deutschen Studenten Unterricht. Die meisteZeit konzentrierte ich mich aufs Lesen und Schreiben, beschäftige michweiter mit Sanskrit im Zusammenhang mit dem Buddhismus und arbeitetewieder an der Thematik meiner Doktorarbeit. Abgesehen vom Hungeroder gelegentlichen Luftangriffen verlief das Leben regelmäßig und ruhig.Dem Institut gegenüber lag die Universitätsbibliothek. Ich benötigte eineMenge seltene und außergewöhnliche Nachschlagewerke. In der Bibliothekgab es alle. Hier war ein idealer Ort zum Studieren und zum Schreiben.Deshalb waren die Früchtemeines Schreibens beträchtlich.Innerhalb von fünf Jahren nachder Promotion veröffentlichteich einige lange Artikel in der„Universitätszeitschrift derGöttinger-Akademie“. In jedemdieser Artikel, so kann ichsagen, gab es neue Ideen. Siewerden noch heute, beinaheein halbes Jahrhundert später,zitiert. Das war die goldeneZeit meiner wissenschaftlichenArbeit. Sie kehrte später niemehr zurück.SchillerwieseEs ging uns zwar gut, aber
16 Studienabschluss und Rückkehrversuche 109Windungen und Wendungen gab es auch in unserem Leben. Die deutschefaschistische Regierung erkannte das Wang Jingwei-Marionettenregime an.Das beeinträchtigte die Aufenthaltssituation der chinesischen Studenten inDeutschland: Wo konnte man eine Verlängerung des Passes beantragen?Welcher Staat sollte ihn ausstellen? Das war ein entscheidendes Problem,das schnell gelöst werden musste. Ich sprach mit Zhang Wei und anderenchinesischen Studenten darüber, und wir beschlossen, uns im Polizeirevierals Staatenlose zu melden. Nach internationalem Recht ist das möglich.„Staatenlos“ bedeutete, dass man keinem Land gegenüber Pflichten hatte,aber auch von keinem Land geschützt wurde. Das war sicher ein Risiko,aber wenn es nicht anders ging, musste auch dieser Schritt sein. Seitdieser Zeit waren wir völlig frei, frei wie ein Vogel am Himmel, den jederverletzen konnte.Tatsächlich aber verletzte uns niemand. In der Zeit der Bombardementsund der Hungersnot ging es mir recht gut. Ich trat mechanisch auf dieStraße, die ich sieben Jahre lang überquert hatte, kannte jedes Haus, jedenBaum. Selbst mit geschlossenen Augen hätte ich mich nicht verlaufen.Unerträglich indessen waren die Sonntage. Gewöhnlich wanderte ichsehr früh zur Schillerwiese. Die Schritte bewegten sich wie von selbstin jene Richtung. Die Landschaft war unverändert. Rings um die Wieseragten grüne Bäume empor, frische grüne Gräser dufteten. Doch ich warsehr einsam. Meine chinesischen Freunde, die ich fast jede Woche hiergetroffen hatte, lebten jetzt weit voneinander entfernt. Das menschlicheLeben war unergründlich.Ich war traurig und einsam.
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108 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>Weber-Gebäude, arbeitete dort bis mittags und aß dann wie gewöhnlich<strong>in</strong> der Gaststätte. Danach g<strong>in</strong>g ich <strong>in</strong>s Institut. Ich war jetzt nicht mehrStudent, sondern Lehrer. Ich hatte mich exmatrikuliert. Somit brauchte ichnicht mehr zum Unterricht zu laufen. Stattdessen erteilte ich gelegentlichim Institut für S<strong>in</strong>ologie den deutschen Studenten Unterricht. Die meisteZeit konzentrierte ich mich aufs Lesen und Schreiben, beschäftige michweiter mit Sanskrit im Zusammenhang mit dem Buddhismus und arbeitetewieder an der Thematik me<strong>in</strong>er Doktorarbeit. Abgesehen vom Hungeroder gelegentlichen Luftangriffen verlief das Leben regelmäßig und ruhig.Dem Institut gegenüber lag die Universitätsbibliothek. Ich benötigte e<strong>in</strong>eMenge seltene und außergewöhnliche Nachschlagewerke. In der Bibliothekgab es alle. Hier war e<strong>in</strong> idealer Ort zum Studieren und zum Schreiben.Deshalb waren die Früchteme<strong>in</strong>es Schreibens beträchtlich.Innerhalb von fünf <strong>Jahre</strong>n nachder Promotion veröffentlichteich e<strong>in</strong>ige lange Artikel <strong>in</strong> der„Universitätszeitschrift derGött<strong>in</strong>ger-Akademie“. In jedemdieser Artikel, so kann ichsagen, gab es neue Ideen. Siewerden noch heute, be<strong>in</strong>ahee<strong>in</strong> halbes Jahrhundert später,zitiert. Das war die goldeneZeit me<strong>in</strong>er wissenschaftlichenArbeit. Sie kehrte später niemehr zurück.SchillerwieseEs g<strong>in</strong>g uns zwar gut, aber