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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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16 Studienabschluss und Rückkehrversuche 107Sieben geme<strong>in</strong>same <strong>Jahre</strong> im gleichen Boot durch Sturm und Regen –und plötzlich mussten wir uns für immer trennen. Wann würden wir unswiedersehen? S<strong>of</strong>ort traten mir Tränen <strong>in</strong> die Augen.In Berl<strong>in</strong> erfuhr ich, dass schon die Reise <strong>in</strong> die Schweiz vollerSchwierigkeiten steckte. Weitaus problematischer aber war, von dort <strong>in</strong>die Heimat zurück zu kehren. Das hieß: Ich musste weiter <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>bleiben. Der Krieg dauerte nun schon drei <strong>Jahre</strong>, kle<strong>in</strong>e Bombardementsgab es ab und zu, aber die großen Bombenangriffe hatten noch nichtbegonnen. Das Leben verlief ruhig, allerd<strong>in</strong>gs wurden die Lebensmittelknapp. Auf den Berl<strong>in</strong>er Straßen herrschte immer noch viel Betrieb,die Passanten kamen und g<strong>in</strong>gen. Sie wirkten nicht ängstlich. Ich nahmmir die Zeit und stattete dem großen Pädagogen, Psychologen undPhilosophen Eduard Spranger e<strong>in</strong>en Besuch ab. Außerdem besuchte ichPr<strong>of</strong>essor Siegl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Preußischen Akademie. Er hätte mit Pr<strong>of</strong>essorSieg geme<strong>in</strong>sam Tocharisch lesen können. Se<strong>in</strong>e Werke kannte ich schonlange, war ihm aber persönlich noch nicht begegnet. Er sah e<strong>in</strong>fach undehrlich aus und war verschlossen und wortkarg. Während des Krieges laser ununterbrochen weiter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Büchern - e<strong>in</strong> typischer deutscherGelehrter. Ich blieb e<strong>in</strong>ige Tage <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, dann fuhr ich am 30. Oktober1942 zurück nach Gött<strong>in</strong>gen.Me<strong>in</strong>e Vermieter<strong>in</strong> freute sich, als hätte sie e<strong>in</strong>en goldenen Phönixbekommen. Auch ich fühlte mich wieder wohl zu Hause, wie e<strong>in</strong>heimgekehrter Wanderer. Es gab ke<strong>in</strong>e H<strong>of</strong>fnung mehr, <strong>in</strong> die Heimatzurückzukehren. Ich musste mich also mit der Situation abf<strong>in</strong>den und alleIllusionen aufgeben. Das bedeutete: Leben oder Sterben <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>,Freud oder Leid mit me<strong>in</strong>er Vermieter<strong>in</strong> zu teilen.So nahm me<strong>in</strong> gleichmäßiges und e<strong>in</strong>töniges Leben wieder se<strong>in</strong>en Lauf.Jeden Tag frühstückte ich zu Hause, anschliessend g<strong>in</strong>g ich zum Gauß-

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