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Zehn Jahre in Deutschland - University of Macau Library

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106 <strong>Zehn</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>und den Doktortitel erwerben. Dieses Motiv war zwar lächerlich, aberehrlich. Der Doktortitel lag wie e<strong>in</strong> Schatten vor me<strong>in</strong>en Augen, mal nah,mal fern, mal dunkel, mal klar, manchmal zum Greifen nahe, manchmalso weit entfernt wie der Horizont, den man sehen, aber nicht erreichenkann. Dieser Doktortitel leuchtete vor mir auf und verdunkelte sich. Ichwar manchmal niedergeschlagen, manchmal außerordentlich fröhlich.Stimmungen e<strong>in</strong>es ganz normalen Menschen eben.Me<strong>in</strong> lang gehegter Wunsch war also endlich <strong>in</strong> Erfüllung gegangen. Ichdachte gleich an die Heimat und an me<strong>in</strong>e Familie. E<strong>in</strong> fremdes Land,und wenn es noch so schön ist, ist doch nicht de<strong>in</strong> Land. Treibst du dichauch weit <strong>in</strong> der Ferne herum, e<strong>in</strong>es Tages wirst du heimkehren. 1942erkannte die deutsche Regierung die verräterische Regierung von WangJ<strong>in</strong>gwei <strong>in</strong> Nanj<strong>in</strong>g an. Die Guom<strong>in</strong>gdang-Regierung sah sich gezwungen,ihre Gesandtschaft aus <strong>Deutschland</strong> abzuziehen und <strong>in</strong> die Schweiz zuverlegen. Zu diesem Zeitpunkt war me<strong>in</strong> Entschluss gereift, <strong>Deutschland</strong>zu verlassen. Ich wollte über die Schweiz nach Ch<strong>in</strong>a zurückkehren. Dochzunächst plante ich, me<strong>in</strong>en Schulkameraden Zhang Tianl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>zu besuchen, um mich bei ihm über die Möglichkeiten dieser Reise zu<strong>in</strong>formieren. Nachdem me<strong>in</strong> Entschluss feststand, verabschiedete ichmich von Lehrern und Freunden. Alle bedauerten me<strong>in</strong>e Entscheidungund waren beim Abschied sehr traurig, vor allem Frau Oppel, me<strong>in</strong>eVermieter<strong>in</strong>. Ihr Mann war <strong>in</strong> dieser Zeit gestorben, ihr Sohn hattegeheiratet und wohnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Stadt. Ich war ihr e<strong>in</strong>zigerVertrauter. Sie behandelte mich wie ihren leiblichen Sohn. Ich er<strong>in</strong>neremich noch, dass ich <strong>in</strong> der Nacht, <strong>in</strong> der ihr Mann starb, den Arzt holte.Im Haus hielten wir beide die Totenwache am Sarg. Nun würde sie alle<strong>in</strong><strong>in</strong> ihren fünf Räumen zurückbleiben, trostlos und tragisch. Wie sollte siedas ertragen! Als sie von me<strong>in</strong>en Plänen hörte, jammerte und we<strong>in</strong>te sie.

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