Ausgabe 8/2012 - Online Scout
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aktuell8Bei der anschließenden Podiumsdiskussion antworteten Brigadier Mag. Feichtinger, General Entacher, Brigadier MMag.Vodosek und Mag. Hirsch (v. l. n. r.) auf die Fragen aus dem Publikum. GÖD-Vors. Fritz Neugebauer und General Entacher ziehenam selben Strang (Bild rechts).für Stabilität sehen nicht gerade rosig aus: Der Einfluss Europasauf die globale Weltordnung sinkt beständig, der AlteKontinent ist mittlerweile nur ein Spieler neben vielen anderen,beispielsweise China oder das aufstrebende Brasilien.Die Bedrohungen sind vielfältiger Natur: Neben dem internationalenTerrorismus sieht Feichtinger auch im Lahmlegenkritischer Infrastrukturen wie dem Energiebereich oder derInformationstechnologien Gefahrenpotenzial. Auch Unruhenim Zusammenhang mit den Folgen der Finanzkrise sindnicht auszuschließen. Angesichts dieser dezentralen, diffusenRisiken helfe auch die grundsätzlich gute Lage in derMitte Europas nichts, so Feichtinger.Was jetzt gerade nach dem Arabischen Frühling besondersauffällt, ist die Tatsache, dass Umwälzungen wie diese nichtvorhergesehen werden können. „Europa ist an sich sicher,hat aber instabile Nachbarn“, so der Brigadier. Die Sicherungdes zentralen Friedens stellt deshalb die größte Herausforderungunserer Zeit dar.Die herrschende Unsicherheit trägt zudem dazu bei, dasssich Europa in Richtung Renationalisierung entwickelt.Geht’s den Staaten schlechter und wird der Gürtel engergeschnallt, schaut man mehr nach innen, aufs eigene Wohl.Länder wie Österreich, die nicht bei der Nato sind, könnenin Zeiten wie diesen nicht per se mit Unterstützung andererrechnen. Die Neutralität ist laut Feichtinger ein rein österreichischesThema, das international so nicht wahrgenommenwerde, berichtet er von eigenen Erfahrungen. AndereStaaten sind nur insoweit daran interessiert, als das LandNato-Mitglied ist oder nicht.Der Terrorismus auf transnationaler Ebene, aber auch zumBeispiel Cyberattacken sind Szenarien, für die es nur vageAnnahmen hinsichtlich des zur Abwehr benötigten Personalsgibt – einfach weil diese Bedrohungen relativ neu sind.Feichtinger sieht es als Manko in der aktuellen sicherheitspolitischenDiskussion, dass diese Inlandsszenarien nichtmitbedacht werden. Auch die außenpolitischen Ambitionenmüssten abgeklärt werden, um anschließend zu überlegen,welche Instrumente für die Erfüllung der Aufgaben am bestengeeignet sind.Begleitmaßnahmen fehlenAnschließend nahm Mag. Walter Hirsch, Dienstrechtsreferentder GÖD-Bundesheergewerkschaft, die rechtlichenRahmenbedingungen von Wehrpflicht und Berufsheerunter die Lupe. Die 1955 eingeführte Wehrpflicht stehtseit 1975 im Bundesverfassungsgesetz. Aus dem damalsreinen Kadersystem entstand das heutige Prinzip desKaders plus Miliz. Die Wehrpflicht umfasst ein Bündel anPflichten: Stellungs- und Präsenzdienstpflicht, Pflichtendes Reservestandes, Meldepflichten und Verschwiegenheitspflicht.Landesverteidigung wird in diesem Systemals Gemeinschaftsaufgabe betrachtet, die mit einem kurzenGrundwehrdienst und Wiederholungsübungen sowieeinem vergleichsweise kleinen stehenden Heer zur raschenReaktion erfüllt wird. Das österreichische Bundesheer istso aufgebaut, dass es das Grundprinzip des „Verfügbarhaltens“erfüllt.Ein einfacher dienst- und besoldungsrechtlicher Rahmenbesteht bereits für BerufssoldatInnen beim Bundesheer. EinProblem sei allerdings, dass dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlicheBegleitmaßnahmen für die Bedienstetenfehlen, wie schon anno 2004 im Bericht der Bundesheerreformkommissionzu lesen war. Nachdem es heute demBohren härtester Bretter gleichkommt, die kleinste Kleinigkeitim Dienst- und Besoldungsrecht im Bundesheerbereichzu bewegen, ist Hirsch zufolge zu bezweifeln, dass diesbei einer Umstellung auf ein reines Berufsheer rechtzeitigergänzt werden würde.Die Einführung eines Berufsheeres bedeutet rechtlich lautHirsch einen Eingriff in die Verfassungsbestimmungen,selbst wenn es nicht zur Abschaffung, sondern nur zurAussetzung der Wehrpflicht kommt.Berufsheertruppe wäre schwächerBrigadier MMag. Harald Vodosek, Leiter der AbteilungRüstungspolitik im Bundesministerium für Landesverteidigungund Sport, präsentierte in seinem Vortrag Zahlen,Daten und Fakten zum Thema Wehrpflicht versus Berufsarmee.Vodosek warnte, dass mit dem Ende der Wehr
Rund 250 Interessierte folgten der Einladung der GÖD-Bundesheergewerkschaft(Bild links).Willi Waldner, Vors. der GÖD-Bundesheergewerkschaft,zur medialen Debatte: „Es ist fast so, als ob wir uns genierenmüssten, dass wir Soldaten sind!“ (Bild rechts).9GÖD GÖD | 8_2012| 6_20094_2010pflicht nicht nur 11.000 Grundwehrdiener, sondern auch28.000 Milizsoldaten wegfallen. Eine neue Miliz müssteerst rekrutiert werden, wodurch Österreich am 1. Jänner2014 mit einem Schlag nur mehr 16.000 statt 55.000 Soldatenzur Verfügung hätte. Beim Versuch, die fehlendenLeute zu rekrutieren, könnten laut Vodosek Problemeauftauchen. Will man beispielsweise 600 Soldaten fürdrei Pionierbataillone aufstellen und nimmt jeden viertenBewerber, wären 7200 Bewerber vonnöten, 2400 proBataillon. Vodosek zeigte sich skeptisch, ob sich etwa imRaum Villach 2400 Bewerber finden ließen. Er befürchtet,dass mit einem Berufsheer die Zahl der Pioniere am Stichtagvon 1800 auf 180 zurückgehen könnte.Auch bei Auslandseinsätzen könnte es kritisch werden:Derzeit kommen 50 bis 60 Prozent der Soldaten bei Auslandseinsätzenaus der Miliz – wer soll sie ersetzen?Auch das Fehlen der Rekruten würde Österreich schmerzhaftzu spüren bekommen, wenn man zum Beispiel andie starken Murenabgänge in St. Lorenzen denkt. 700Personen waren im Einsatz, 400 davon Grundwehrdiener.Vodosek meinte: „Den Grundwehrdienst muss manoptimieren.“ Präsenzdiener seien „keine billigen Arbeitskräfte.Von den sinnlosen Systemerhaltern müssen wirweg“, so Vodosek.Die Kosten sprechen für sich: Das derzeitige Heeresbudget,das zwei Milliarden Euro ausmacht, würde bei einemBerufsheer erheblich steigen. In Schweden gibt man beispielsweise4,6 Milliarden Euro für das Berufsheer aus.Entscheidung ohne SicherheitsnetzGeneral Edmund Entacher gab zu bedenken, dass es sichbei der Aufgabe der Wehrpflicht um einen „point of noreturn“ handeln würde. „Es muss einem klar sein, realpolitischgibt es dann kein Zurück. Ein bisschen Herumprobierengeht nicht“, stellte der Generalstabschef klar.Man könne nicht nach fünf Jahren sagen, wir überlegenes uns doch wieder anders, so Entacher.Im Fall einer Abschaffung ginge die Leistungsfähigkeitin so wichtigen Bereichen wie Katastrophenhilfe, Terrorschutzund bei Auslandseinsätzen zurück. Die Mannstärkewürde in allen Aufgabenfeldern deutlich abnehmen.Derzeit müssen zum Beispiel 12.500 Mann für den Katastrophenschutzzur Verfügung stehen. Die Zahl wirkthoch, orientiert sich aber an den Spitzeneinsätzen dervergangenen Jahrzehnte. Wie Brigadier Vodosek in seinemVortrag am Beispiel der Pioniere zeigte, gäbe es miteinem Berufsheer ein Kapazitätsproblem.Zudem, bestätigt auch er, werde ein Berufsheer Österreichteuer zu stehen kommen. Ein Blick auf die Niederlandeund Schweden zeigt, dass für ein gut funktionierendesBerufsheer etwa drei Milliarden Euro, für die österreichischeSparvariante mindestens 2,5 Milliarden nötig wären.Woher nehmen? „Unsere Kuh im Stall ist ja schon derartunterernährt, dass sie schwächelt und Schwindelanfällekriegt“, meint Entacher zum geplanten Budget für dienächsten fünf Jahre.Bevor man ein neues System in Betracht zieht, solltenzuerst die Budgetgrundlagen geklärt werden, so derGeneralstabschef und zitierte aus Grillparzers „Bruderzwistin Hamburg“: „Das ist der Fluch von unserem edlenHaus / Auf halben Wegen und zu halber Tat / Mit halbenMitteln zauderhaft zu streben.“Willi Waldner betonte in seinem Schlusswort, dass letztendlichdie Sicherheit unserer Kinder und Enkelkinder aufdem Spiel stehe. Er bedankte sich bei General Entacherfür seine klaren Worte und forderte die ZuhörerInnen auf,am 20. Jänner 2013 an der Volksbefragung teilzunehmenund die richtige Entscheidung für Österreich zu treffen.
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