Mag. Martin Holzinger:Der Autor ist Leiter der AbteilungKollektiv vertrags- und Arbeitsverfassungsrecht.Zweck ist entscheidendDer Anspruch auf Bildungsfreistellung besteht nebendem Anspruch jedes Mandatars auf die notwendige Freizeitzur Erfüllung der BR-Aufgaben gemäß § 116 ArbVG.Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Ansprüchen istdarin zu sehen, dass Freizeit gemäß § 116 ArbVG für dieErledigung unmittelbarer BR-Aufgaben und auch für dieInformation des BR-Mitglieds über unmittelbar betriebsbezogeneAngelegenheiten zusteht, während im Rahmender Bildungsfreistellung allgemeine Kenntnisse und Informationenzur Ausübung der BR-Funktion vermittelt werdensollen. Wenn bei einer Gewerkschaftsveranstaltung denBetrieb betreffende Fragen für den Abschluss eines Kollektivvertragsbesprochen werden sollen, liegt der allgemeineFreistellungsanspruch und eben nicht Bildungsfreistellungvor. Wesentlich für die Abgrenzung ist demnach der Zweckund nicht die Dauer der Informationsveranstaltung. 8Den Anspruch auf diese Freistellung hat nicht das KollegialorganBetriebsrat, sondern er kommt jedem einzelnen BR-Mitglied zu. Der Gesetzgeber hat jedoch bestimmte Form-recht30Freizeit für BildungBildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit sind bei manchen Arbeitgebern nur danngern gesehen, wenn sie unmittelbar dem Betriebszweck dienen. Betriebsrätinnen undBetriebsräte haben jedoch unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruchauf Bildungsfreistellung.Die Erlaubnis einer Teilnahme an Aus- und Fortbildungsmaßnahmenwird von manchen Arbeitgebern (AG) leidernoch immer als Privileg und Geschenk an die auszubildendenArbeitnehmerInnen gesehen. Moderne Personalentwicklungzeigt jedoch, dass gezielte Aus- und Fortbildungfür den Erfolg eines Betriebs einen wesentlichen Beitragleistet. Auch die Tätigkeit als Betriebsratsmandatarin bzw.-mandatar erfordert eine regelmäßige Aus- und Weiterbildungfür die Erfüllung der mit dieser Tätigkeit verbundenenAufgaben. Bereits die Formulierung des § 38 Arbeitsverfassungsgesetz(ArbVG), wonach der Betriebsrat (BR) diewirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellenInteressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer(AN) im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern hat, lässtdas breite Aufgabengebiet des BR erkennen. Noch deutlicherwerden die an den BR gestellten Anforderungen beiBetrachtung der Überwachungsrechte: Der BR hat dasRecht, die Einhaltung der die AN des Betriebs betreffendenRechtsvorschriften zu überwachen. 1 Nach herrschenderAuffassung sind die zuständigen Belegschaftsorgane zurentsprechenden Ausübung der ihnen eingeräumten Überwachungsbefugnissogar verpflichtet. 2 Damit muss derBR Kenntnisse im Bereich arbeitsrechtlicher Gesetze undVerordnungen sowie im Kollektivvertrags- und Betriebsvereinbarungsrechthaben.Damit geht klar aus dem Gesetz hervor, dass Betriebsräte ineinem umfassenden Bereich Kenntnisse erlangen müssen,die sich üblicherweise nicht mit ihrem Berufsfeld decken.Jedes Mitglied des BR hat gemäß § 118 ArbVG Anspruchauf Freistellung von der Arbeitsleistung zur Teilnahme anSchulungs- und Bildungsveranstaltungen bis zu einemHöchstausmaß von drei Wochen innerhalb der Funktionsperiodevon vier Jahren. Dieses Ausmaß kann bei Vorliegeneines Interesses an einer besonderen Ausbildung auf fünfWochen ausgedehnt werden. 3 Während der Inanspruchnahmedieser zweckgebundenen Freizeit besteht Anspruchauf Fortzahlung 4 des Entgelts. Neben dieser Norm ist nochin der Betriebsrats-Geschäftsordnung (BRGO) eine Parallelbestimmungzu finden. 5 Scheidet ein Mandatar aus dem BRaus und rückt somit ein Ersatzmitglied dauerhaft in diesePosition nach, so hat es nur auf jenes Ausmaß 6 BildungsfreistellungAnspruch, welches das ausgeschiedene Mitgliednoch nicht verbraucht hat. 7
1§ 89 ArbVG2 Nach Ansicht des Autors könnte aus der Verletzung dieser Verpflichtungjedoch allenfalls bei vorsätzlicher Missachtung dieser Vorschriftein Haftungsfall entstehen.3§ 118 Abs. 2 ArbVG4 Wenn dauernd weniger als 20 AN im Betrieb beschäftigt sind, bestehtder Anspruch auf Freistellung nur gegen Entfall des Entgelts.5 § 33 BRGO6§ 118 Abs. 6 ArbVG7 Ausnahme: Anspruch auf die gesamten drei Wochen, wenn dasMitglied aufgrund einer Betriebsänderung ausgeschieden ist.8 Arb 95359§ 33 Abs. 2 BRGO10§ 118 Abs. 4 ArbVG, § 33 Abs. 5 BRGO11Arb 10.34912VwGH vom 9. 11. 1988, GZ 86/01/017031GÖD | 8_<strong>2012</strong>Foto: Ideenkoch - Fotolia.comvorschriften damit verbunden, die beachtet werden müssen.Nur als Ordnungsvorschrift betrachtet der OGH dieFormulierung in der BRGO, wonach die Schulungs- undBildungsveranstaltung in zusammenhängenden, mehrtägigenZeiträumen zu erfolgen hat. Damit ist klargestellt, dassauch eintägige Schulungen darunter zu verstehen sind.Zum ProzedereWelche Veranstaltungen können nun unter diesem Titelbesucht werden? Diese müssen von einer kollektivvertragsfähigenKörperschaft der AN (z. B. GÖD) oder AG veranstaltetoder von diesen übereinstimmend als geeignet anerkanntwerden. Weiters müssen diese die Vermittlung vonKenntnissen zum Gegenstand haben, die der Ausübungder Funktion als Mandatar dienen. In einem konkretenFall musste die GÖD zu diesem Thema einschreiten: EinBR-Mandatar wollte einen Rhetorikkurs besuchen. Der AGlehnte mit der Begründung ab, dass eine rhetorische Ausbildunglediglich der Vorsitzende und der Stellvertreter desBR benötigten, nicht jedoch ein „einfaches“ Mitglied desBR. Da der Kurs jedoch bereits von dem Mandatar gebuchtwar und er ihn auch besuchen wollte, wurde seine dienstlicheAbwesenheit vom AG als Erholungsurlaub qualifiziert.Der AG übersah § 33 BRGO, wo ausdrücklich die Rhetorikausbildungals Ausbildungszweck genannt wird. NachIntervention der GÖD unter Klagsdrohung hat der AG dieverbrauchten Urlaubstage wieder gutgeschrieben und dieAbwesenheit als Bildungsfreistellung verbucht.Auch wenn jedes einzelne BR-Mitglied einen eigenenAnspruch auf die Freistellung aus den Rechtsnormen ableitenkann, bedarf es der Einbindung des gesamten KollegialorgansBetriebsrat. Der Mandatar, der sich ausbilden lassenmöchte, hat einen schriftlichen Antrag zu stellen, aus demArt, Gegenstand, Beginn und Dauer der Schulungsveranstaltung(„Kursprogramm“) sowie die in Aussicht gestellte Möglichkeitder Teilnahme hervorgehen. 9 Der so informierte BRhat unverzüglich, spätestens jedoch vier Wochen vor Beginnder beabsichtigten Freistellung, den AG darüber zu informieren.10 Das bedeutet also für die Praxis, dass der Mandatarmöglichst lange vor dem geplanten Schulungstermin denBR darüber informieren sollte. Die erwähnte Frist kann imEinvernehmen mit dem AG jedoch verkürzt werden. Der AGhat innerhalb von zehn Tagen ab Erhalt der Verständigungmit dem BR darüber zu beraten. Der Zeitpunkt der Freistellungist im Einvernehmen zwischen AG und BR festzusetzen,wobei die Interessen sowohl des Betriebs als auch desBR-Mitglieds zu berücksichtigen sind. Im Streitfall könntehier sogar die Entscheidung des Gerichts eingeholt werden.Klagsberechtigt ist hier sowohl das Kollegialorgan BR alsauch der betroffene BR-Mandatar. Die Verletzung der Formvorschriftenkönnte jedenfalls den Anspruch auf Teilnahmean der konkreten Veranstaltung gefährden. 11Der BR könnte den Antrag an den AG nicht weiterleitenoder sich gegen die Teilnahme am Schulungskurs eines seinerMandatare bei den Beratungen mit dem AG etwa dannaussprechen, wenn der Termin für den BR aufgrund bereitsbekannter, zeitgleicher Abwesenheiten mehrerer andererMandatare ungeeignet ist. Die regelmäßige Verweigerungder Teilnahme durch den BR ist jedenfalls unzulässig, das sogeschädigte BR-Mitglied könnte hier entsprechend gerichtlichdie Antragstellung durch den BR verlangen.Internationaler ErfahrungsaustauchDer Verwaltungsgerichtshof hatte zu entscheiden, ob Ausbildungsaufenthalteim Ausland vom Anspruch auf Bildungsfreistellungumfasst sind. Er kam zu dem Ergebnis, dass auchBildungsveranstaltungen zum Zwecke des Erfahrungsaustauschsmit Betriebsräten in Deutschland und des Erwerbsvon Wissen über deren Rechtsstellung unter die Kriteriendes § 118 Abs. 3 ArbVG fallen, weil unter Berücksichtigungder zunehmenden internationalen Verflechtungen (bereits1988!) auch ein Blick über die Bundesgrenzen angezeigtsein kann. 12Die Themenbereiche werden in der Arbeitswelt immerkomplexer, Aus- und Weiterbildung stellen für den BR einessenzielles Element dar. Die GÖD bietet regelmäßig Kursean, beispielsweise zum Thema „Rechte und Pflichten desBetriebsrates“.