Unsere EUPaneldiskussion zur Ökonomie (v. l. n. r.): Prof. Dr. Berthold U. Wigger (Karlsruher Institut für Technologie), Prof. Mag.Dr. Karl Aiginger (Wifo), Mag. Dr. h. c. Monika Kircher (Infineon Technologies Austria AG Villach), Andreas Botsch(ETUI Brüssel). Gemeinsame Ziele: die Sozialpartnerpräsidenten bei der Pressekonferenz.20euZum Thema Sanierung der Staatshauhalte stellen dieSozialpartner eines klar: Sparen ist nur „der halbeWeg“. Sparen allein bewirke in etlichen Fällen sogareine Verschärfung der ökonomischen Probleme. Stattdessenmüssten wachstumsdämpfende Effekte bei derHaushaltskonsolidierung vermieden werden. Löhneseien ein zentraler Nachfragefaktor, betont das Positionspapier.Zum Forderungskatalog gehören unteranderem die Verbesserung der Erwerbschancen ältererMenschen, die Sensibilisierung der Bevölkerunghinsichtlich der Notwendigkeit eines höheren faktischenPensionsantrittsalters und die Bekämpfung vonSozial- und Lohndumping.Barrieren und bürokratische Belastungen im innergemeinschaftlichenHandel sollen weiter abgebautund damit die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs undEuropas gestärkt werden. Um „differierende Umsetzungsmaßnahmenzu vermeiden und vorhandenesEinsparungspotenzial im Bereich der Legislative zuheben“, solle geprüft werden, wo vermehrt Verordnungenstatt Richtlinien zum Einsatz kommen sollten.Verordnungen sind EU-„Gesetze“, die in denUnionsstaaten unmittelbar gelten. Anders ist es beiRichtlinien: Sie bilden nur die Grundlage für nationaleGesetze, die von den nationalen Parlamenten zubeschließen sind.Mehr Mobilität undgegenseitiges KennenlernenEinen besonderen Fokus in puncto Arbeitsmarkt legtdas Papier auf die Jugend. Österreichs duale Berufsausbildungwird darin als Best-Practice-Modell gesehen– zumal die Jugendarbeitslosigkeit hierzulandemit 8,9 Prozent (Juli <strong>2012</strong>) wesentlich geringer istals in vielen anderen EU-Staaten. Zur Senkung derJugendarbeitslosigkeit in der EU sollen nach Meinungder Sozialpartner „bisher nicht verbrauchte Strukturfondsmittel“herangezogen werden. Außerdemplädieren sie für eine „Reform der Erstausbildungin Pflichtschulen und der Hochschulen“ sowie dieVerwirklichung eines in Europa vergleichbaren unddurchlässigen Bildungs- und Qualifikationssystems.Hohen Stellenwert räumt das Dokument der Mobilitätjunger Menschen ein. Erfahrungen, die diese inanderen Ländern machen, „prägen wesentlich europäischesBewusstsein und Identität“. So würden kulturellerAustausch sowie sprachliche, fachliche undsoziale Kompetenz gefördert – was wiederum dieJobchancen steigere. Europäische Integration solleauch stärker Eingang in die politische Bildung an denSchulen finden.Mehrwert durch Stärkungdes sozialstaatlichen ModellsDie öffentlichen Dienste sehen die Sozialpartner inder Rolle eines „sozialen Puffers und Stoßdämpfers“für die Auswirkungen der Krise. Eine erhöhte Nachfragenach diesen Leistungen sowie rigide Sparvorgabenhätten den Druck auf die öffentliche Hand jedochnoch einmal erhöht. „Auch hat die Krise Fehler vormaligerLiberalisierungs- und Privatisierungsprojekteverdeutlicht. Vor diesem Hintergrund sprechen sichdie Sozialpartner für die Stärkung des sozialstaatlichenModells in Europa und dessen entsprechendefinanzielle Ausstattung aus.“Die öffentlichen Dienstleistungen sollen, so forderndie Sozialpartner, „nicht im Korsett von Binnenmarkt,Vergabe- und Beihilfenrecht gefangen bleiben“.Stattdessen sollten auf EU-Ebene die „Bestrebungenzur Verankerung von Qualitätskriterien“ für Nutzer undBeschäftigte sowie Programme zu deren Um setzungvorangebracht werden. Als „erklärtes Ziel“ sehendie Sozialpartner den „allgemeinen, diskriminierungsfreien, flächendeckenden und erschwinglichenZu gang zu Leistungen der Daseinsvorsorge“ für dieBürger Europas.Das vollständige Papier finden Sie im Internet unterwww.sozialpartner.at.
Sozialpartnerschaft mitFriedensnobelpreisSeit fast hundert Jahren bemüht sich die Internationale ArbeitsorganisationILO um weltweite Standards für die Arbeitswelt.Was sich so technisch anhört, hat Einfluss auf die lebensqualitätvieler ArbeitnehmerInnen – und nur allzu oft mit menschlichenSchicksalen zu tun. Text: Emanuel LampertWer heute an „internationale Organisation“ und „Friedensnobelpreis“denkt, dem fällt wahrscheinlich zuerstdie EU ein. Sie ist aber nicht die Einzige: Die InternationaleArbeitsorganisation (International Labour Organization,kurz: ILO) erhielt die Auszeichnung 1969 fürihre Bemühungen um menschenwürdige Arbeitsbedingungenund letztlich sozialen Frieden.Die am 11. April 1919 im Rahmen der Friedenskonferenzvon Versailles auf Gewerkschaftsinitiative gegründeteILO weist mehr als bloß eine Besonderheit auf: Sieist nicht nur Nobelpreisträgerin, sondern die älteste UN-Sonderorganisation und unter diesen die Einzige, die„dreigliedrig“ aufgebaut ist, also Regierungen, Arbeitgeberund Arbeitnehmer in einem globalen Forum zusammenbringt.Aufgabe der ILO, der 185 Staaten der Erdeangehören, ist die Festlegung weltweit gültiger ArbeitsundSozialnormen. Die ILO kooperiert dabei auch mitnichtstaatlichen internationalen Organisationen wieetwa Verbänden von Arbeitgebern, Arbeitnehmern,Landwirten und Genossenschaftern.Ein internationales Arbeitsparlament„In Aktion“ tritt die ILO mittels dreier Organe. Daswichtigste ist die „Internationale Arbeitskonferenz“.Jedes Land entsendet vier Delegierte, wovon zwei diejeweilige Regierung stellt. Arbeitnehmer und Arbeitgebersind mit je einem Delegierten vertreten – undkönnen auch gegen die eigene Regierung stimmen.Jedes Mitglied der Versammlung hat dieselben Rechte.Die Konferenz tagt einmal jährlich am Sitz der ILO inGenf, heuer zum 101. Mal. Dieses „Internationale Parlamentder Arbeit“ ist nicht nur ein Diskussionsforum,seine Hauptaufgabe ist es, internationale Standards fürdie Arbeitswelt zu beschließen. Es wählt außerdemden „Verwaltungsrat“.Letzterer ist das ausführende Organ der ILO. Ihm gehören56 Personen an. Wie die Arbeitskonferenz ist auchder dreimal pro Jahr zusammentretende Verwaltungsratzur Hälfte mit Regierungsvertretern besetzt; zehn vonihnen – darunter Deutschland, Frankreich, die USA,Russland und China – sind aufgrund ihres Wirtschaftsgewichtsständige Mitglieder. Die übrigen Mitgliederwerden durch Wahl ermittelt. Die Vertreter von Arbeitgebernund Arbeitnehmern werden von den jeweiligenDelegierten auf der Konferenz gewählt. Österreich istin der aktuellen Periode (2011 bis 2014) nicht im Verwaltungsratvertreten.Das dritte Organ, das „Internationale Arbeitsamt“, fungiertals Sekretariat. Es sammelt Informationen übersämtliche Fragen, die für die internationale Regelungder Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmervon Bedeutung sind. 2.700 Bedienstete aus mehr als150 Ländern sind hier beschäftigt.Das Themenspektrum der ILO ist breit und umfasstbeispielsweise Mutterschutz, soziale Absicherung,Arbeitszeiten, Mindestaltersgrenzen und Beschäftigungsstrategien.In einer 1998 angenommenen Erklärungüber grundlegende Prinzipien und Rechte beider Arbeit bekennen sich die Mitglieder zur Achtungder Vereinigungsfreiheit, zur Anerkennung des Rechtsauf Kollektivverhandlungen, zur Abschaffung vonKinder- und Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit sowiezur Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigungund Beruf.Aktuell: Kritik am Druckauf GriechenlandDie ILO beobachtet die Implementierung in den Mitgliedsstaaten.Wo sie Nachholbedarf ortet, gibt sieHilfeleistung. So wurden die Sparmaßnahmen inGriechenland in einem Bericht scharf verurteilt. DerAusschuss für Vereinigungsfreiheit stellte wiederholteund beträchtliche Verletzungen der Grundprinzipienvon Kollektivverhandlungen fest, ebenso massive Defiziteim sozialen Dialog. Dies seien Grundrechte, dieeng mit Demokratie und sozialem Frieden zusammenhängen.Um den sozialen Dialog wieder in Gang zubringen, sei die Unterstützung der ILO nötig.Soziale Gerechtigkeit im FokusSeit ihrer Gründung hat die ILO rund 190 Übereinkommenausgearbeitet und etwa 200 Empfehlungenverabschiedet. Die ILO folgt dabei dem Motto, das inder Präambel ihrer Verfassung festgeschrieben ist: „DerWeltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeitaufgebaut werden.“21GÖD | 8_<strong>2012</strong>