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Goethe aus Goethe gedeutet - im Shop von Narr Francke Attempto

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Und weiter:[…] die Natur des Weltalls bildet mit wunderbarer Kunst alle Wesen nach demBilde der Begriffe, die sie besitzt, in jedem ihrer Werke ist der Begriff vereinigtmit der Materie, da er das Abbild des Begriffes ist, welcher vor der Materie war,mit dem göttlichen Geist verknüpft, nach welchem er erzeugt wurde und aufwelchen die Weltseele blickte bei ihrem Schaffen. 30In Quintessenz bringt Franz Koch Plotins Konzept unserer Erfassung der wahrnehmbarenWelt:Nach Plotin ist die Sinnenwelt nichts anders als die Welt der Ideen <strong>im</strong> Spiegeldes Stoffes, der Materie, an der sich das Licht des Geistes bricht und <strong>von</strong> der esreflektiert wird. Dabei liegt besonderes Gewicht auf dem Umstande, daß dieseSpiegelung zugleich Weltschöpfung ist, und daß erst das Dasein dieser Spiegelwand,der Materie, […] Ursache der Entstehung dieser Welt wird […]. 31Die Kunst nun vollzieht das kosmische Geschehen <strong>im</strong> kleinen. In Zusammenfassungeiner These zur Kunsttheorie <strong>von</strong> Carl Philipp Moritz formuliert <strong>Goethe</strong>:„Jedes schöne Ganze der Kunst ist <strong>im</strong> Kleinen ein Abdruck des höchsten Schönen,<strong>im</strong> Ganzen der Natur.“ (WA I, 47, S. 86) 32Während der Renaissance entwickelte, in Nachfolge <strong>von</strong> Plotins Lehre, MarsilioFicino (1433–1499) das Konzept weiter und entwarf eine ganze Stufenfolge<strong>von</strong> Phasen, in welchen der „Geist“ für den Menschen wahrnehmbar wird: so alswürde ein Künstler zuerst eine lebensähnliche Statue seiner selbst verfertigen,diese dann in einem Gemälde porträtieren, dieses Bild wieder in einem Spiegelauffangen und projizieren 33 , wobei diese letzte Stufe normaler Wahrnehmungentspräche. Aber während bei Platon, Plotin und Ficino das dem Menschen Vorbehaltenestufenweise <strong>im</strong>mer mehr verblaßt, läßt <strong>Goethe</strong>s Konzept durch<strong>aus</strong> aucheine Steigerung zu 34 . <strong>Goethe</strong>s Vertrautheit mit Ficinos Werken hat BernhardBuschendorf in seiner Interpretation der Wahlverwandtschaften entlang derenHandlung und mit vielen Zitaten nachgewiesen. 35Die Form, in der <strong>Goethe</strong> solche ‚Spiegelung’ Ficinos als eigene Schaffensmethodeübernahm 36 , bekundet sich darin, daß er Konstellationen <strong>aus</strong> Mythos und30 Enn. IV. 3. 11; Franz Koch, <strong>Goethe</strong> und Plotin. Leipzig 1925, S. 83 f.31 Ebd., S. 84 mit Nachweis der zusammengefaßten Plotin-Stellen, S. 241, Anm. 4.32 Vgl. Karl Pestalozzi, „…dieses Ganze // ist nur für einen Gott gemacht“ in Von der Pansophie zur Weltweisheit,hrsg. <strong>von</strong> Hans-Jürgen Schrader und Katharine Weder in Zusammenarbeit mit JohannesAnderegg, Tübingen 2004. S. 120.33 Ebd., S. 117.34 Vgl. Aus Makariens Archiv, Aphorismen 17–25 (FA 10, S. 748 f.), welche eine in einem Brief anZelter vom 29. 8. 1805 gesandte Übersetzung <strong>Goethe</strong>s <strong>aus</strong> Ficinos lateinischer Plotin-Übertragung<strong>aus</strong> Enn. V. 8. 1 (Basel 1515) darstellen, während die drei folgenden Aphorismen 26–28 (FA 10,S. 749) Plotins Aussage modifizieren, indem statt einer <strong>von</strong> Plotin angenommenen Abschwächungder Bilderfolge auch eine Steigerung gewährleistet ist. Vgl. Kommentar FA 10, S. 1257.35 Bernhard Buschendorf, <strong>Goethe</strong>s mythische Denkform. Zur Ikonographie der „Wahlverwandtschaften“,Frankfurt a. M. 1986.36 Ein Hinweis auf Ficino expressis verbis findet sich bei <strong>Goethe</strong> in diesem Zusammenhang nicht,doch scheint der Name bereits in den Ephemerides (1770–1771) auf. Der junge <strong>Goethe</strong>, neu bearbeiteteAusgabe in fünf Bänden, hrsg. <strong>von</strong> Hanna Fischer-Lamberg, Berlin 1963. Bd. 1, S. 426–440.Zu <strong>Goethe</strong>s Vertrautheit mit Ficinos Lehre vgl. auch Franz Koch a. a. O., S. 23 f.12

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