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LIEBE, Menschsein und Sexualität - Befah e.V.

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Begrüßung <strong>und</strong> EröffnungBegrüßung <strong>und</strong> EröffnungBegrüßung durch die B<strong>und</strong>esvorsitzendedes BEFAH e.V., Gudrun HeldLiebe Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e,sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,haben eigentlich alle schon ihren Koffer gef<strong>und</strong>en?Also, wenn ich nach Berlin fahre, dann fällt mir immerHildegard Knef mit ihrem Chanson ein: ich hab’noch einen Koffer in Berlin. Der Vorstand hat seinenBerlin-Koffer jedenfalls gef<strong>und</strong>en. Und wenn ich ihnjetzt öffne, dann sehe ich als Erstes Euch <strong>und</strong> Sie alle,die sich zum BET 2011 angemeldet haben.So ausgebucht waren wir noch nie! Wir freuen uns,dass sich Menschen aus der Nähe <strong>und</strong> aus der Ferneauf den Weg hierher nach Berlin gemacht haben.Aus jedem B<strong>und</strong>esland sind Menschen hier - aberauch aus dem Ausland: aus Island, Schottland, derSchweiz <strong>und</strong> Italien.Herzlich Willkommen - wir freuen uns, dass Sie <strong>und</strong>Ihr alle da seid!Manche sind zum ersten Mal bei einem B<strong>und</strong>eselterntreffen<strong>und</strong> weil das ja bekanntlich nie ganz einfachist in eine große Gruppe zu kommen, bitte ich Sie,die Sie zum ersten Mal hier sind, eben aufzustehen,damit wir Sie wahrnehmen können <strong>und</strong> hoffentlichschnell auf Sie zugehen.Und weiter in meinem Koffer befindet sich der sehnsüchtigerwartete rote Flyer.Und darauf steht: BET 2011:„Liebe, <strong>Menschsein</strong> <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong> - sich verbündengegen Homophobie“<strong>Sexualität</strong> - da möchten ja manche gleich denKofferdeckel wieder zuklappen. Darüber spricht mannicht! Muss man darüber sprechen? <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong>dann auch noch mit Homo davor! Ja die Diskussiondarüber ging auch im Vorbereitungskreis hoch her.Doch nun sind wir gespannt, wie die Referenten <strong>und</strong>die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer der Podiumsdiskussiondie verschiedenen Facetten unseres Themasbeleuchten werden.Und an dieser Stelle begrüße ich die Referenten <strong>und</strong>Referentinnen, soweit sie schon anwesend sind.Also, der Kofferdeckel bleibt auf! Wir wollen genauerhinschauen. Wollen den Spuren nachgehen <strong>und</strong>herausfinden, wie es dazu kam, dass <strong>Sexualität</strong> nichtmit Liebe dafür mit Angst <strong>und</strong> Sünde gepaart <strong>und</strong>verb<strong>und</strong>en wurde, woraus dann Phobie <strong>und</strong> Homophobieerwuchsen. Gleich zu Beginn wird uns HerrUrban berichten, wie sie sich anfühlt - die Homophobie,wenn sie erlebt werden muss. Danke, HerrUrban, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben!Und da finde ich in meinem Koffer noch einen Theologen<strong>und</strong> zwei Mediziner, die uns morgen Vormittaghoffentlich den Blick weiten für neue Einsichten <strong>und</strong>Einstellungen. Damit wir von überholten VorstellungenAbschied nehmen können <strong>und</strong> sie zurücklassen.Dann wird der Koffer auch leichter!Mein Koffer ist noch nicht leer. Ich packe weiter aus:Hoffentlich nach dem Samstagmorgen eine Sichtauf <strong>Sexualität</strong> - auch auf Homosexualität - dieMenschen beglückt <strong>und</strong> zu ihrer Lebenswonne beiträgt.Die nicht von Angst geprägt ist sondern ihreSchöpferkraft <strong>und</strong> Lebenslust zeigt. Ja, <strong>und</strong> die mussdann an die nächsten Generationen weitergegebenwerden. Wie <strong>und</strong> wo das in den verschiedenen Bildungseinrichtungengeschieht, <strong>und</strong> wo die Schwierigkeitenliegen, werden wir am Samstagnachmittag erfahren.Und zum Schluss packe ich noch unsere Elternforderung<strong>und</strong> unseren Elternauftrag aus meinem Koffer.Im Kinderbuch sagt der kleine Bär zum kleinen Tiger:ich will alles <strong>und</strong> von allem das größte Stück! Daswollen wir Eltern auch! Das größte Stück!Nicht mehr nur kleine Brocken, die gutwilligeErzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher den ihnen anvertrautenKindern schon geben. Wir wollen kompetenteErzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher, Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer,für die es verbindlich ist, den nächsten Generationeneine Sicht auf Liebe <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong> zu vermitteln, diedem Glück der Menschen dient. Die schöpferischeLebenskraft von Liebe <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong> erschöpft sichnicht nur in einem oder vielen Kindern! Sie ist weiter<strong>und</strong> vielfältiger. Es gibt viele Spielarten der Liebe.Diese Elternforderungen sollen am Sonntag bei derPodiumsdiskussion verhandelt werden.4 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 5


Begrüßung <strong>und</strong> EröffnungBegrüßung <strong>und</strong> EröffnungGrußwort der B<strong>und</strong>esministerin fürFamilie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend,Dr. Kristina SchröderGrußwort desRegierenden Bürgermeistersvon Berlin, Klaus WowereitZum B<strong>und</strong>eselterntreffen des B<strong>und</strong>esverbandes der Eltern, Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e von HomosexuellenBEFAH e.V. heiße ich alle Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer herzlich willkommen. Es freut mich sehr, dass Siemit Ihrer Veranstaltung in diesem Jahr erneut zu uns in die deutsche Hauptstadt gekommen sind.Berlin ist gewiss ein guter Ort für Ihr Treffen. In unserer Stadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eineMenge bewegt: Berlin gilt heute als eine der Gay-Metropolen in Europa. Und auch als Hauptstadt repräsentierenwir ein Land, das in Sachen Emanzipation <strong>und</strong> rechtlicher Gleichstellung viele Fortschritte gemacht hat.Dennoch gehören homophobes Denken <strong>und</strong> Handeln auch in Berlin leider nicht der Vergangenheit an. ZahlreicheStereotype <strong>und</strong> Vorurteile über Lesben <strong>und</strong> Schwule sind in vielen Köpfen nach wie vor fest verankert.Um so mehr begrüße ich es, dass Sie sich als Eltern von Homosexuellen dafür stark machen, dass Ihre Kinderin einem weltoffenen <strong>und</strong> toleranten Umfeld leben können – ohne sich mit Vorurteilen, Ausgrenzungen odergar gewalttätigen Übergriffen konfrontiert sehen zu müssen.Dr. Kristina Schröder,B<strong>und</strong>esministerin für Familie, Senioren,Frauen <strong>und</strong> JugendFoto: BMFSFJ, L. ChaperonFest steht: Um Diskriminierung, Ausgrenzung <strong>und</strong> Gewalt gegenüber Schwulen <strong>und</strong> Lesben erfolgreich entgegenzuwirken,bedarf es eines breiten gesellschaftlichen Engagements. Gerade Sie als Eltern, als Angehörigeoder Fre<strong>und</strong>e von Lesben <strong>und</strong> Schwulen können viel dazu betragen, Vorbehalte abzubauen <strong>und</strong> für einrespektvolles Miteinander zu werben.Auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen Engagements verweist auch das Thema Ihres diesjährigen B<strong>und</strong>eselterntreffens.Zugleich unterstreicht das Motto „Liebe, <strong>Menschsein</strong> <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong> – sich verbünden gegenHomophobie“ auch, dass der Kampf gegen Diskriminierung <strong>und</strong> für gleiche Bürgerrechte kein Nischenthemaist. Denn hierbei geht es um die Gr<strong>und</strong>regeln unseres Zusammenlebens. Es geht um zentrale Werte wieMenschlichkeit, Toleranz <strong>und</strong> um die Freiheit, andere anders sein zu lassen.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein r<strong>und</strong>um erfolgreiches B<strong>und</strong>eselterntreffen sowie allen auswärtigenGästen natürlich auch einen angenehmen Aufenthalt in Berlin, der Ihnen noch lange positiv in Erinnerungbleibt. Zugleich danke ich dem BEFAH für sein wichtiges Engagement.Klaus WowereitRegierender Bürgermeister von Berlin6 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 7


Begrüßung <strong>und</strong> EröffnungBegrüßung <strong>und</strong> EröffnungGrußwortvon Renate KünastGrußwort Nikola Schopp,Zukunftsforum Familie (ZFF)Sehr geehrte Eltern <strong>und</strong> Mitglieder des BEFAH,die Volksweisheit „lieben <strong>und</strong> geliebt zu werden ist die schönste Freud auf Erden“ gilt im heutigen Deutschlandnicht für alle. Wenn ein Jugendlicher, eine Jugendliche die Liebe zum gleichen Geschlecht entdeckt,kann das mit großem Leid verb<strong>und</strong>en sein. Denn Schwule, Lesben <strong>und</strong> Transgender werden von manchenallein für die Tatsache, dass sie anders lieben als die Mehrheit, diskriminiert <strong>und</strong> ausgegrenzt.Wir Grüne haben die Vision einer Gesellschaft ohne Diskriminierung, die anerkennt, welche Bereicherung Vielfaltbedeutet. Deswegen freue ich mich sehr über Ihre wichtige Initiative, die bald 15 Jahre besteht. Immermehr Eltern schließen sich zusammen <strong>und</strong> engagieren sich für ihre schwulen <strong>und</strong> lesbischen Kinder, klärenauf <strong>und</strong> bestärken Jugendliche darin, selbstbewusst ihren eigenen Weg zu gehen.Lesben, Schwule <strong>und</strong> Transgender können heute in Deutschland so frei wie nie zuvor leben. Das ist ein großerFortschritt. Dennoch sind homophobe Parolen im Fußballstadion <strong>und</strong> besonders auf dem Schulhof immernoch Alltag. Alarmierend ist, dass Suizidversuche bei homo¬sexuellen Jugendlichen siebenmal häufiger auftretenals bei heterosexuellen. Angesichts dieser Daten halten wir es für skandalös, dass die B<strong>und</strong>esregierunghier „keinen Handlungsbedarf“ sieht.Wir Grüne sagen Nein zu Ausgrenzung <strong>und</strong> Diskriminierung. Homophobie wollen wir keinen Raum geben.Deshalb haben wir Eckpunkte für einen Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie in den B<strong>und</strong>estageingebracht. Dazu gehören: Prävention gegen antihomosexuelle Gewalt, breite gesellschaftliche Bündnissefür Akzeptanz <strong>und</strong> vor allem die selbstverständliche <strong>und</strong> vertiefte Integration des Themas Homosexualitätin Schule <strong>und</strong> Jugendarbeit. Sowohl in Unterrichtsinhalten als auch im Schulalltag muss deutlich werden:Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- <strong>und</strong> intersexuelle Menschen sind Teil der gesellschaftlichen Vielfalt, siesind gleichwertig <strong>und</strong> gleichberechtigt.Mit Ihrer Tagung tragen Sie viel dazu bei, bestehende Vorurteile abzubauen <strong>und</strong> Feindlichkeiten gegenSchwule <strong>und</strong> Lesben zu überwinden. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, im gemeinsamen Verbünden gegenHomophobie kommen wir unserer Vision schneller näher. Als Etappe dahin wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches<strong>und</strong> konstruktives B<strong>und</strong>eselterntreffen in Berlin.Mit herzlichen GrüßenRenate KünastSehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,wir freuen uns sehr, heute bei Ihnen zu sein <strong>und</strong> dieses Grußwort sprechen zu dürfen.Seit 2006 ist der BEFAH Mitglied im ZFF. Das ZFF selbst gibt es seit 2002. Wir wurden damals auf Initiativeder Arbeiterwohlfahrt gegründet <strong>und</strong> sind ein familienpolitischer Fach- <strong>und</strong> Lobbyverband, der sich aufb<strong>und</strong>espolitischer Ebene in die Familienpolitik einbringt. Unser Markenzeichen ist ein weiter <strong>und</strong> gleichzeitigsehr verbindlicher Familienbegriff, denn Familie ist für uns überall dort, wo Menschen dauerhaft füreinanderVerantwortung übernehmen, Sorge tragen <strong>und</strong> Zuwendung schenken.Der Begriff schließt also vor allem auch Regenbogenfamilien sowohl mit als auch ohne Kinder, aber auchderen Beziehungsgeflechte zu Verwandten, Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en ein.Für diese Vielfalt von Familie <strong>und</strong> deren Akzeptanz in der Gesellschaft machen wir uns auf politischer Ebenestark. Denn die noch immer vorherrschenden traditionellen Vorstellungen von Ehe, Familie <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong>in der Gesellschaft beeinflusst nicht nur die Lebensweise vieler Homosexueller, sondern auch deren Eltern,Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Angehörige.In welchem Ausmaß das häufig geschieht <strong>und</strong> mit wie vielen Sorgen dies auch für die Angehörigen einhergeht,dass haben wir u.a. durch den Kontakt mit dem BEFAH näher kennengelernt.Regenbogenfamilien sind, selbst wenn sie in einer eingetragenen Partnerschaft leben, nicht nur mit Vorurteilenkonfrontiert, sondern auch zahlreichen rechtlichen, finanziellen <strong>und</strong> damit sozialen Benachteiligung ausgesetzt.Hierzu zählen zum Beispiel die Realisierung des Kinderwunsches oder die rechtliche <strong>und</strong> finanzielleAbsicherung der Familie.Kinder mit zwei Müttern oder zwei Vätern entwickeln sich genauso prächtig wie Kinder, die in klassischenFamilienformen leben. Als entscheidend für die Lebensqualität erweist sich die Beziehungsqualität in derFamilie, die Sorge <strong>und</strong> Verantwortung, die geschenkt wird, nicht die sexuelle Orientierung der Eltern.Dies hat schon im Jahr 2009 die Studie des Instituts für Familienforschung in Bamberg zur Situation vonKindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften eindrücklich dargestellt.Positiv haben wir auch die aktuelle B<strong>und</strong>esratsinitiative des Landes Berlin zur Gleichstellung eingetragenerLebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht aufgenommen.Wir fordern den Gesetzgeber deshalb ebenfalls dazu auf, im Sinne des Kindeswohls Regenbogenfamilien endlichmit anderen Familienformen gleichzusetzen. Dies bedeutet für uns konkret, dass homosexuellen Paarensowohl die Möglichkeit zur Fremdadoption wie zur Stiefkindadoption gegeben wird.Darüber hinaus muss der freie Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten für Frauen unabhängigvon ihrer sexuellen Orientierung <strong>und</strong> die volle rechtliche <strong>und</strong> steuerliche Gleichstellung von eingetragenerLebenspartnerschaft mit der Ehe endlich angegangen werden.Diese rechtliche Gleichstellung ist längst überfällig, denn sie trägt aus unserer Sicht auch einen wesentlichenTeil dazu bei, traditionelle gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen <strong>und</strong> Akzeptanz für die vielfältigenFamilienformen herzustellen.Täglich erlebte Diskriminierung <strong>und</strong> Ausgrenzung erschöpft. Darum brauchen homosexuelle Menschen, derenAngehörige <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e Akzeptanz, um Familie leben zu können.Wenn ich an meine kleine Tochter zu Hause denke, dann habe ich einen ganz starken Wunsch, den Wunsch,dass sie eine glückliche <strong>und</strong> zufriedene junge Frau wird. Dass ihre Träume in Erfüllung gehen <strong>und</strong> dass sie fürdas, was sie ist <strong>und</strong> liebt weder diskriminiert noch ausgegrenzt wird.Dass dies einmal so kommen wird, davon bin ich überzeugt. Und ich bin mir sicher, dass der BEFAH durchseine Arbeit dazu in großem Maße beitragen wird.Wir freuen uns sehr, dass wir seit 2006 in die Arbeit der BEFAH eingeb<strong>und</strong>en sind.Ich wünsche Ihnen nun eine anregende Tagung mit hilfreichen Vorträgen <strong>und</strong> fruchtbaren Diskussionen.Vielen Dank.8 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 9


Begrüßung <strong>und</strong> EröffnungEinstimmendes ReferatGrußwort Eckhard Löhr,Völklinger Kreis (VK)Marcus Urban:Erlebte HomophobieBiografischesErster Referent des B<strong>und</strong>eselterntreffens 2011 warMarcus Urban, deutscher Amateur- Fußballspieler <strong>und</strong>Buchautor. Marcus Urban wuchs in Thüringen auf.Nach zahlreichen Lehrgängen <strong>und</strong> Tests wechselte ermit 13 Jahren auf das Sportinternat nach Erfurt. Erstand kurz davor, in den bezahlten Fußball zu gehen.Der Druck, sich als Homosexueller in der Fußballweltverstecken zu müssen, wurde zu groß, <strong>und</strong> so beendeteer seine Profikarriere, bevor sie überhaupt richtigbeginnen konnte. Urban ist gegenwärtig Kommunikationsberater<strong>und</strong> hauptsächlich in Hamburg tätig.Coming OutMarcus Urban bedankte sich zunächst für die Einladungdes BEFAH e.V. <strong>und</strong> erinnerte in diesem Zusammenhangan sein Erstaunen, als er erfuhr, dass esüberhaupt einen Verband der Eltern, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong>Angehörigen von Homosexuellen gibt. Er leitetean dieser Stelle direkt zum Profifußball über. Einsolcher Verband sei in diesem Bereich immer noch<strong>und</strong>enkbar, nicht nur, weil es bisher immer nochkeinen geouteten B<strong>und</strong>esligaspieler geben würde.Urban hat sich zuerst bei seiner Mutter geoutet, ihreReaktion sei eher „locker“ gewesen, da wohl gewisseVorahnungen vorhanden waren. Sein Fre<strong>und</strong>eskreissei nach dem Coming Out an seinem Werdegangals schwuler Mann weiterhin interessiert gewesen.Urban betonte, er habe wie viele andere Kinder <strong>und</strong>Jugendliche mit ihm Homosexualität zuerst als etwasgr<strong>und</strong>sätzlich Negatives begriffen. Schon zu einemfrühen Zeitpunkt steht „Homosexualität“ als unsichtbaresMerkmal, das es zunächst zu bekämpfen gilt,im Profisport dann möglichst dauerhaft. So spielt derTitel seines Buches „Versteckspieler“ auf Urbans Internatszeitan. Stets habe er sich verpflichtet gefühlt,Gestik <strong>und</strong> Mimik vor den anderen Jugendlichen zukontrollieren, um herausfinden zu können: „habendie etwas gegen mich?“ Urbans Fazit als Jugendlicherstand fest: Profifußball <strong>und</strong> Coming Out vertragensich nicht, „Ich bin Fußballer, also kann ich gar nichtschwul sein“. Die Qual der Wahl lautete also: macheich Karriere oder kann ich leben? Urban hat sich fürErsteres entschieden <strong>und</strong> sei damit im Rückblick vonseinem sozialen Umfeld wohl stets als „komischerKauz“ betrachtet worden. Dies sei vor allem auf seinVerhalten auf dem Fußballplatz zurückzuführen, woer sich häufig aggressiv, ruppig, fast schon unnahbargegeben habe. Andere Mitspieler seien von ihm garals „Schwule Sau“ beschimpft worden. Hilfe von außensei bei einem möglichen Coming Out kaum zu erwartengewesen. Wer als schwuler Mann Fußball spielte<strong>und</strong> aufsteigen wollte, musste „eben da durch“.Öffentlichkeit <strong>und</strong> MedienpräsenzAls Fußballspieler musste Marcus Urban ein zweitesComing Out in der Gay Szene durchleben. Hierherrschte das gesamtgesellschaftlich übliche Stereotypvor: „Schwule können doch gar kein Fußballspielen.“ Durch das Kennenlernen anderer schwulerFußballer vor allem in Italien (Urban lebte zeitweisedort) wurde die Fußball- Weltmeisterschaft 2006 inDeutschland für ihn zu einem Befreiungsschlag. Erbegann mit der Arbeit an seinem Buch „Versteckspieler“<strong>und</strong> wurde mit dessen Hilfe als Experte zurProblematik „Homophobie im Profisport“ in denMedien präsent. Hierzu gehörte auch die Teilnahmean Akzeptanzkampagnen z.B. des Deutschen Fußballb<strong>und</strong>es(DFB). Im April wird Urban an einer Anhörungim Deutschen B<strong>und</strong>estag zum selben Problemfeldteilnehmen.DiversityUrban vermisst im Profisport den Gedanken von„Diversity“. Dieser habe sich bisher fast ausschließlichin der Wirtschaft etabliert, was zu begrüßen sei,da sich Antidiskriminierungsarbeit als wirtschaftlicherwiesen habe („Diskriminierung kostet Geld“). DerProfisport müsse erkennen, dass soziale Vielfalt konstruktivgenutzt werden kann. Urban wünscht sich fürden Profisport ein „Diversity Management“- Konzept,wie es in einigen Unternehmen in Form von eigenenAbteilungen bereits umgesetzt wird. „DiversityManagement“ toleriere nicht nur die individuelleVerschiedenheit (engl.: diversity) der Mitarbeiter,sondern hebe diese im Sinne einer positiven Wertschätzungbesonders hervor. Der Profifußball bieteaber derzeit einen diametral entgegengesetztenEntwurf zu Verschiedenheit an: das einfältige Bilddes Fußballers als „modernem Krieger“, der sichzuerst durch seine Dominanz <strong>und</strong> Unbesiegbarkeitauszeichnet. Schwulsein werde hierbei zur „Schwäche“,die es zu verdrängen gilt. Auffällige Parallelenzu solch archaischen Bildern seien vor allem bei derkatholischen Kirche zu erkennen, da diese in denoffiziellen Stellungnahmen zum Phänomen der Homosexualität<strong>und</strong> gleichgeschlechtlicher Lebensweiseschwulen Männern stets ein defizitäres Selbstwertgefühl<strong>und</strong> die dadurch bedingte fehlende Eignungz.B. zum Priesteramt unterstellt. Daher w<strong>und</strong>erees Urban nicht, wenn er aus katholischen Kreisen,sogar aus dem Vatikan selbst um Rat in Fragen desComing Out <strong>und</strong> der Diskriminierung im Berufslebenkontaktiert werde. Profisport <strong>und</strong> katholische Kircheseien Systeme, die sich in ihren Machtstrukturenähneln, wo „Diversity“ aber nicht vorkommt. DieAufrechterhaltung von Stereotypen zwecks Sicherung12 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 13


Einstimmendes ReferatTagungsthemaAbschied nehmen von traditionellenSexualvorstellungen in Kirche <strong>und</strong>Gesellschaft – Hinwendung zuveränderten Sexualvorstellungender Macht von Gremien <strong>und</strong> Einzelpersonen sei beibeiden Systemen stärker gewichtet als der immensefinanzielle Schaden, den Diskriminierung anrichte.Abschluss <strong>und</strong> NachfragenAus dem Publikum kam zuerst die Frage, was derDFB konkret vorhabe, Homophobie im Fußball zubekämpfen. Marcus Urban benannte hierzu zweiSchwerpunkte:- Bildung einer „Nachhaltigkeitskommission“ mitdem Ziel der Entwicklung von Nachhaltigkeitsprogrammenfür die einzelnen Vereine- Ergänzung der Vereinsregeln um das Merkmal„sexuelle Orientierung“ als Nichtdiskriminierungsgr<strong>und</strong>Urban räumte künftig konkreter zu benennendenMaßnahmen gute Chancen ein, da die Spieler nichtmehr so seien wie vor 50 Jahren. Zur Bekämpfungvon Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> der verschiedenstenMerkmale verhielten sie sich heute positiver.Ein Vater äußerte die Sorge, seinem Sohn dasComing Out zu empfehlen. Urban gab diese Fragean Wolfgang Köhn weiter, der sie sehr ausführlichbeantwortete. Der erste Schritt vor dem Bekenntniszur eigenen Homosexualität müsse die Sicherheitdes Verstanden- Werdens im Elternhaus sein. Dannsollte idealerweise die Vorbereitung des Kindes durchdie Eltern erfolgen, was ihm als geoutetem Schwulenim Leben möglicherweise an Vorurteilen entgegengebrachtwerden könnte. Für den, der schwulempfindet, sei das Coming Out eine zweite Geburt. Dakönne man als Elternteil nicht einfach sagen: „Okay,dann oute dich mal“.Urban wurde erneut mit der Frage konfrontiert,warum er sich nicht gleich zu Beginn seiner Karrieregeoutet habe. Er verwies hierbei auf seine damaligeBefürchtung, einem ständigen Spießrutenlauf ausgesetztzu sein. Günter Stümpel (Hamburg) wandtean dieser Stelle ein, sein Sohn sei Sportjournalist<strong>und</strong> stets offen mit seiner sexuellen Orientierungumgegangen. Die meisten Schwierigkeiten habees bei der Betreuung einer Fünftligamannschaftgegeben, aber nicht etwa weil dort massiv Diskriminierungaufgetreten sei, sondern weil Spieler <strong>und</strong>Schiedsrichter zu ihm kamen <strong>und</strong> zahlreiche Fragenzu seinem Lebensweg <strong>und</strong> dem richtigen Umgang mitoffen schwul lebenden Sportlern hatten.Aufklärung über Homosexualität <strong>und</strong> gleichgeschlechtlicheLebensweisen habe es in der DDR nichtgegeben, zumindest nicht in der „Erfurter Provinz“,in der Marcus Urban aufgewachsen ist. Auf die Frageeiner Mutter, warum es dann in den späten 1980erFilme wie „Coming Out“ gegeben habe, antworteteneinige Eltern mit dem Zwischenruf „Berlin!“, was aufdie großstädtische Anonymität <strong>und</strong> die speziell imdamaligen Ostteil Berlins existierenden „Schoppenstuben“als bekannter wie geduldeter Treffpunkt fürschwule Männer bezogen war.Weiterführende LinksHomepage von Marcus Urban:www.marcus-urban-souldesign.comBerliner Bündnis gegen Homophobie:http://www.buendnis.lsvd.de/Nach einem reichhaltigen Frühstück im Hotel wartetendie Tagungsgäste gespannt auf den ersten voninsgesamt 5 Referenten an diesem BET- Samstag.Neben dem Referenten Dr. Michael Brinkschröderwaren im Zuhörerraum auch drei Ordensschwestern desHospizvereins TAUWERK e.V. anwesend. Dieser Verein,der sich in Berlin-Pankow aus der Initiative franziskanischerSchwestern <strong>und</strong> Brüder entwickelt hat,verfolgt in seiner Arbeit das Ziel, schwer kranke <strong>und</strong>sterbende Menschen mit AIDS im Sinne der Hospizideezu unterstützen <strong>und</strong> zu begleiten. Vor allem SchwesterJuvenalis <strong>und</strong> Schwester Hannelore sind in Berlin auchdurch ihre Medienpräsenz sehr bekannt, da sie in einerNonnen-WG in Pankow leben <strong>und</strong> ihre Altbau-Wohnungmit Schwester Bernhildis, die als Köchin in einer Suppenküchefür Obdachlose arbeitet, teilen. Die Anwesenheitder Schwestern als Teil der katholischen Kirchewurde von den Zuhörern mit fre<strong>und</strong>licher Zustimmungzur Kenntnis genommen.14 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 15


ReferateReferateDr. Michael Brinkschröder:„Wer zu seinem Bruder sagt: ‚Schwuchtel‘.Zur Erneuerung der christlichenSexualethik.“BiografischesDr. Michael Brinkschröder, Jahrgang 1967, istkatholischer Theologe <strong>und</strong> Soziologe. Er arbeitet alsReligionslehrer an einer Berufsschule in München.Langjähriger Herausgeber <strong>und</strong> Autor der Zeitschrift„Werkstatt Schwule Theologie“. Seine Dissertation hatden Titel „Sodom als Symptom. Gleichgeschlechtliche<strong>Sexualität</strong> im christlichen Imaginären - eine religionsgeschichtlicheAnamnese“ (Berlin / New York 2006).Zusammen mit Wolfgang Schürger <strong>und</strong> Christian J.Herz Herausgeber des Bandes „Schwule Theologie.Identität - Spiritualität- Kontexte“ (Stuttgart2007).Seine Forschungs- <strong>und</strong> Arbeitsschwerpunkte liegen imBereich Schwule Befreiungstheologie <strong>und</strong> Queer Theologie,die Bibel queer lesen sowie Schwule <strong>und</strong> Lesbenin der katholischen Kirche Europas.Die katholische SituationBrinkschröder betrachtete zunächst seine Zuhörer<strong>und</strong> äußerte die Vermutung, dass auch unter denanwesenden Eltern, Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Angehörigen vonHomosexuellen der gesamtgesellschaftlich üblicheQuerschnitt religiöser Einstellungen vorhandensei: von evangelisch über katholisch bis hin zuatheistisch, „hadernd“ oder „kirchlich engagiert“.Dies wurde von den Zuhörern mit einem fre<strong>und</strong>lichenSchmunzeln kommentiert. Als nächstes grenzte derReferent seinen Vortrag dahingehend ein, andereKirchen <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften weitgehendaus seinem Vortrag auszuschließen, da er als katholischerTheologe spricht.Die katholische Sexualmoral stecke seit der Veröffentlichungder Enzyklika „Humanae Vitae“ 1968durch Papst Paul VI. in einer festgefahrenen Situation.Auf der von „Humanae Vitae“ vorgegebenenLinie bewegten sich bis heute auch die lehramtlichenErklärungen, die näher auf das Phänomender Homosexualität eingehen: Persona Humana,die „Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik“von 1975 <strong>und</strong> die „Erklärung über die Seelsorge anHomosexuellen“ von 1986. GleichgeschlechtlicheHandlungen werden darin als eine objektive Sündebewertet <strong>und</strong> die homosexuelle Neigung als „in sichsittlich ungeordnet“. Auch abweichende Äußerungenzur Frage der Homosexualität hätten Kontrollen <strong>und</strong>repressive Maßnahmen nach sich gezogen. Aufgr<strong>und</strong>der starken Kontrolle des akademischen Feldes derkatholischen Moraltheologie müsse man die 90er<strong>und</strong> die 00er Jahre als zwei verlorene Jahrzehnte betrachten.Die gr<strong>und</strong>legenden Paradigmenwechsel desFaches, z.B. die durch Franz-Josef Böckle vorangetriebeneKritik des katholischen Naturrechtsdenkens,seien so erfolgt, dass ihre Konsequenzen für dieFrage der Homosexualität nicht mitdiskutiert oderhöchstens in Fußnoten versteckt angedeutet wurden.Unterdessen habe Joseph Ratzinger als Präfekt derGlaubenskongregation <strong>und</strong> als Papst die Weichender offiziellen kirchlichen Lehre zur Homosexualitätimmer weiter in die entgegengesetzte Richtungverstellt: Homosexuelle dürfen demnach nicht inerzieherischen Einrichtungen tätig werden (1992)<strong>und</strong> sie dürfen nicht zu Priestern geweiht werden,wenn sie sich nicht mindestens drei Jahre von der„gay culture“ ferngehalten haben (2005). Eine großangelegteKampagne wurde von Ratzinger gegen dierechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichenPartnerschaften angezettelt. Ausgangspunkt dazu seiein Schreiben der Glaubenskongregation von 2003.Die Kampagne wurde flankiert von Ermahnungenan katholische Politiker, gegen entsprechendeGesetzesinitiativen Widerstand zu leisten. Seit demPontifikat von Benedikt XVI. vergehe kaum eine Woche,in der er die Homosexualität nicht auf die eineoder andere Weise öffentlich verurteile. KirchlicheMitarbeiter/-innen <strong>und</strong> Religionslehrer/-innen, diesich „verpartnern“ lassen, werden aus dem Dienstentlassen. Gleichzeitig fände sich auch in Deutschlandselten ein Bischof, der die offizielle Lehre derKirche zur Homosexualität in einer öffentlichen Diskussionvertritt. Dadurch entzögen sich die Bischöfeeiner kritischen Auseinandersetzung. Umso schockierenderhabe deshalb das Statement des EssenerBischofs Franz-Josef Overbeck in der Talkshow „AnneWill“ gewirkt, dass Homosexualität Sünde ist. DieAussage stellt laut Brinkschröder in Wirklichkeit einevon Overbeck offenbar gewünschte Verschärfung derkatholischen Sexualmoral dar. Die Kirche lehre lautihrem eigenen Katechismus nicht, dass homosexuellePersonen Sünder sind, sondern dass homosexuelleHandlungen als Sünde zu betrachten sind.Seit dem Jahr 2010 habe sich die Situation derkatholischen Kirche in Deutschland noch einmalgr<strong>und</strong>legend verändert. Durch die Aufdeckungder zahlreichen Fälle sexuellen Missbrauchs vonInternatsschülern, Messdienern <strong>und</strong> anderen Kindern<strong>und</strong> Jugendlichen aus den Gemeinden, durch die offengelegtenAkte der Vertuschung, des Schutzes derTäter <strong>und</strong> der Einschüchterung der Opfer stehe dieSexualmoral der Kirche als ganze auf dem Prüfstand.Die üblichen Versuche, Formen der Pädosexualität<strong>und</strong> der sexuellen Gewalt ausschließlich den schwulenPriestern in die Schuhe zu schieben, würdenjedoch dieses Mal aus den Reihen des Vatikans selbstzurückgewiesen. „Lichtblicke“ sieht Brinkschröderderzeit lediglich bei der internationalen katholischenKirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“, welche sichdas Thema Homosexualität „nach einigen Jahrendes Zögerns“ mittlerweile zu eigen gemacht hat.Positiv zu verzeichnen sei ebenso, dass einzelnedeutschsprachige Diözesen wie z. B. Freiburg <strong>und</strong>Osnabrück offiziell eine Homosexuellenseelsorgeeingerichtet haben. Doch der Wechsel von einemBischof zu seinem Nachfolger könne das Erreichte inkürzester Zeit wieder vernichten. Der Vorsitzende derkatholischen Deutschen Bischofskonferenz, RobertZollitsch, habe als Reaktion auf die Missbrauchskriseangekündigt, dass die Bischöfe demnächst einen„strukturierten Dialog“ mit der Gesellschaft beginnenwollen. Als die DBK jedoch bei ihrer Frühjahrstagung2011 das genaue Konzept für diesen Dialog bekanntgab, habe Bischof Overbeck erklärt, dass so genannte„lehramtlich geklärte Themen“, also das Priestertumder Frau, die Priesterweihe erprobter, verheirateterMänner <strong>und</strong> natürlich die Frage der Homosexualitätnicht auf der Tagesordnung stünden.Kirchliche Buße für „Sodomiter“ – eine ZeitreiseBrinkschröder hob hervor, dass die katholische Sexualmoralohne eine „Sexualethik“ ist. Bei dieser gehtes darum, die Menschen darauf vorzubereiten, überihre sexuellen Handlungen eigenständig zu reflektieren<strong>und</strong> eigenverantwortlich zu entscheiden.Gleichgeschlechtliche Sexualhandlungen sind inder katholischen Kirche verboten <strong>und</strong> werden alsSünde eingestuft. Der vorgeschriebene Umgang mitdieser Sünde ist der klassische Dreischritt aus Reue,Bekenntnis <strong>und</strong> Buße, die er historisch in mehrereStufen einteilte:- Ausgangspunkt der kirchlichen Morallehre übergleichgeschlechtliche Handlungen sind die Verbotemann-männlichen Beischlafs im Alten Testament Testament( 3. Buch Mose Kap.18, V.22; Kap.20,V.13),eine gleichgeschlechtliche Deutung der SündeSodoms (1. Mose Kap.19) <strong>und</strong> die moralische <strong>und</strong>vorweggenommene Verurteilung des Geschlechtsverkehrszwischen Männern beim Jüngsten Gericht(Römerbrief Kap. 1 Vers27; 1. Korintherbrief kap.6,Vers9f.; 1. Timotheusbrief Kap. 1, Vers10).- Anhand der frühmittelalterlichen Bußbücher, die– aus Irland <strong>und</strong> England kommend – vom 5.–11. Jh.auf dem europäischen Festland in Gebrauch waren,wurde der Geschlechtsverkehr zwischen Männern <strong>und</strong>auch der zwischen Frauen mit einer Buße zwischen3 <strong>und</strong> 10 Jahren Fasten belegt. Fasten bedeutetehier den Verzicht auf Fleisch an 3 Tagen in der Wochesowie in der Fasten- <strong>und</strong> Adventszeit.- In der Zeit der karolingischen Reform, also im 8./9.Jh., verlangten mehrere Stimmen die Anhebung derBuße auf 20 Jahre, verb<strong>und</strong>en mit einer entsprechendenZeit der Exkommunikation.- Die nächste Stufe begann mit dem Begründer desKirchenrechts, Gratian, der im 12. Jh. die Sodomiezur schlimmsten aller Sünden erklärte <strong>und</strong> sie aufeine Stufe mit Mord stellte. Diese so genannte„Graduslehre“ Gratians wurde für das Kirchenrechtmaßgeblich. Freilich seien die Strafen für Angehörigedes Klerus immer deutlich milder gewesen als diefür Laien, die den weltlichen Gerichten ausgeliefertwurden.- Ab der Mitte des 13. Jh. setzte dann, beginnendin den oberitalienischen Städten , zum Teil aufpäpstlichen Druck hin aber auch freiwillig, eineRechtsentwicklung ein, die sodomitische Akte mit derTodesstrafe ahndete. In der Regel wurde die Verbrennungangeordnet.- Erst das Zeitalter der Aufklärung wandte sichvon dieser aus apokalyptischen Ängsten <strong>und</strong> derbiblischen Offenbarung begründeten Strafe ab<strong>und</strong> suchte nach einem rationalen Strafsystem. Dadie Sodomie niemandem einen Schaden zufügte,fanden die fortschrittlichen Juristen des 18. Jh.ihre Bestrafung unbegründet. Eine entscheidendeRolle bei der Abschaffung der Todesstrafe hat jedochdie Pariser Polizei gespielt. Sie schuf ein effektivesNetz von Spitzeln <strong>und</strong> sammelte ihr Wissen in einersystematisch gepflegten Kartei. Die Polizei wolltedemonstrieren, dass sie dieses „Sittlichkeitsproblem“besser beherrschen kann als die Gerichte, die nurKapitalverbrechen ahndeten. Eine Entscheidung derNationalversammlung schaffte schließlich 1791 imZuge der französischen Revolution die Strafbarkeitsodomitischer Handlungen gänzlich ab. Preußensaufgeklärter Monarch, Friedrich II., beendete dieTodesstrafe ebenfalls, ersetzte sie jedoch durchKerkerhaft. Diese Entscheidung habe die Gesetze aufdeutschem Boden bis zur endgültigen Aufhebung des§ 175 im Jahr 1994 geprägt. Zur Begründung dafürwurde von Politikern <strong>und</strong> Richtern immer wieder aufchristliche Sittlichkeitsvorstellungen verwiesen.Sexuelle Orientierung <strong>und</strong> der Kern der PersonLaut Brinkschröder sprechen mittelalterliche Textezwar des Öfteren davon, dass diese Handlungensich bei manchen Sodomitern zu einem „Habitus“,16 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 17


ReferateReferateeiner „sündigen Gewohnheit“, verfestigt haben,aber sie gelangen nicht zu der modernen Vorstellungeiner „sexuellen Orientierung“. Sie verknüpfen diehomosexuelle Handlung lediglich mit einer innerpsychischen„Neigung zum Bösen“, die sich gegen dieSelbstbeherrschung des Willens durchsetzt, wenn eszu dieser Sünde kommt. Um 1900 herum bildete sichdann aber eine neue Selbst- <strong>und</strong> Fremdbeschreibungheraus. Männer <strong>und</strong> später auch Frauen erzähltenvon ihrem Leben so, dass die Anziehung durch Personendes gleichen Geschlechts ein konstante, dasganze Leben prägende Element ihrer Persönlichkeitwar. In der Phase bis zum I. Weltkrieg wurde die sexuelleOrientierung immer deutlicher als eine eigenständigeDimension der Persönlichkeit erkennbar.Durch den Willen oder durch reparative Therapienkann die sexuelle Orientierung nicht mehr dauerhaftrevidiert werden. Die sexuelle Orientierung gehört,so das Fazit dieser Entwicklung, zum Kernbereich derPersönlichkeit. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden homosexuelleHandlungen von Schwulen <strong>und</strong> Lesben nicht alsetwas „Widernatürliches“, sondern als etwas zutiefstNatürliches, der eigenen Persönlichkeit Entsprechendesempf<strong>und</strong>en. Diesen Wandel im Menschenbildhabe die katholische Lehre bis heute nicht oder nursehr zögerlich nachvollzogen. Sichtbar wird das vorallem daran, dass lehramtliche Texte immer nochvielfach von „homosexuellen Neigungen“ sprechen.An Priester <strong>und</strong> an Menschen mit homosexuellenNeigungen stellt sie die gleiche Anforderung dessexuell enthaltsamen Lebens. Auf der einen Seitewird der Zölibat als eine große religiöse Leistungbetrachtet, auf der anderen Seite als Rettung vordem Sturz in den Abgr<strong>und</strong> der Sünde. Das eine istfreiwillig, das andere gewissermaßen notwendig.Trotzdem halte die Kirche hier für beide Gruppenein übereinstimmendes Muster der Lebensführungbereit, das zur Verwechslung einlädt. Obwohl es ihrfür eine moralische Beurteilung auf die homosexuellenHandlungen ankommt, hat die Kirche in ihrerEhegerichtsbarkeit inzwischen anerkannt, dass diehomosexuelle Neigung ein Ehehindernis darstellt<strong>und</strong> die Annullierung einer Ehe rechtfertigt. Damitakzeptiere sie aber logischerweise, dass es so etwaswie eine dauerhafte sexuelle Orientierung gibt.Freiheit, Menschenwürde <strong>und</strong> sexuelle OrientierungDie katholische Kirche verlangt von Menschen miteiner homosexuellen Orientierung, dass sie um dervon Gott geschaffenen Ordnung der Natur willendarauf verzichten, ihre sexuelle Orientierung praktischauszuleben. Homosexuelle Menschen sind zurKeuschheit berufen, wie der Katechismus sagt. Siesollen also ihre Triebstruktur bekämpfen <strong>und</strong> eineEntscheidung gegen die Impulse ihres Leibes treffen.Diese Gr<strong>und</strong>entscheidung folgt einem Gottesbild, beidem Gott eine Spaltung zwischen Körper <strong>und</strong> Seele(Platon) bzw. Fleisch <strong>und</strong> Geist (Paulus) verlangt.Selbstverständlich sei es möglich, dass gläubigeMenschen ihre Identität auf der Gr<strong>und</strong>lage einer solchen,frei getroffenen Wertentscheidung definieren.Doch die negativen Folgen einer solchen Entscheidunglägen auf der Hand. Da eine h<strong>und</strong>ertprozentigeUnterdrückung oder „Sublimierung“ der <strong>Sexualität</strong>nicht möglich ist, komme es notwendigerweise immerwieder zu „Sünden“, <strong>und</strong> sei es nur in der Phantasie.Daraus entspringen Schuldgefühle, von denen mansich durch die Beichte entlasten muss. Auf dieseWeise wächst eine pathologische Abhängigkeit vomkirchlichen Heilsangebot. Zugleich laufen diesePersonen Gefahr, ihre homosexuelle Orientierungzu verleugnen <strong>und</strong> die empf<strong>und</strong>enen Versuchungen<strong>und</strong> Gefährdungen auf andere zu projizieren, indemsie z.B. Schwule <strong>und</strong> Lesben dämonisieren oder eineVerführungstheorie entwickeln, wie sie in den 50erJahren weit verbreitet war. Die Alternative zu diesemkatholischen „Teufelskreis“ liegt in der Akzeptanzder homosexuellen Orientierung, verb<strong>und</strong>en mitder Entscheidung für ein Leben im Einklang mit denBedürfnissen des eigenen Leibes <strong>und</strong> für die Möglichkeiterfüllender <strong>und</strong> glücklicher Liebesbeziehungen.Menschenwürde <strong>und</strong> die Botschaft JesuWichtig für die innerkirchliche Debatte ist laut Brinkschröderein Verständnis, das die Menschenwürde als„verkörperte Selbstachtung“ auffasst. Als Mitgliederder menschlichen Spezies hat jeder Mensch einenAnspruch darauf als ebenbürtig behandelt zu werden.Damit jeder Mensch Selbstachtung entwickeln<strong>und</strong> sich als ein solches ebenbürtiges Mitglied derMenschheit aus Fleisch <strong>und</strong> Blut ansehen kann, habedie Gesellschaft die Aufgabe, für jede <strong>und</strong> jeden einenSchutzraum zu gewährleisten. Dies bedeute zumeinen, dass die Befriedigung der Gr<strong>und</strong>bedürfnissesichergestellt, zum anderen, dass der Mensch durchgesellschaftliche Institutionen vor Demütigungen<strong>und</strong> Diskriminierungen geschützt werden muss. Demütigungenkönnen die Entfaltung <strong>und</strong> Ausbildungseiner Selbstachtung angreifen <strong>und</strong> sogar zerstören.Brinkschröder erläuterte anhand der Bergpredigt,dass Jesus in Mt. 5,22 eine solche Forderung erhebt.Der Referent registrierte die erstaunten Blicke ausdem Zuhörerraum <strong>und</strong> merkte heiter an, dass dieZuhörer natürlich von diesem Vers aus der Bibel nochnichts gehört haben, da er erstens textkritisch <strong>und</strong>zweitens philologisch umstritten sei. Dem gr<strong>und</strong>legendenGesetz: „Du sollst nicht morden!“ gibt Jesuseine Deutung, die auch den Schutz vor Schimpfwörtern<strong>und</strong> verbalen Demütigungen umfasst:„21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt wordenist: ‚Du sollst nicht morden!’ Wer aber jemandenmordet, wird vor Gericht gestellt werden.22 Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auchnur zürnt, wird vor Gericht gestellt werden;wer aber zu seinem Bruder sagt: ‚Schwuchtel!’, wirdvor den Hohen Rat (=Synedrion) gestellt werden;wer aber zu ihm sagt: ‚(Samen-)Schleuder!’, wird indie Hölle des Feuers übergeben werden.“Bei der Textkritik geht es um die Frage, anhand dererhaltenen Manuskripte zu definieren, welchenWortlaut der Urtext der Bibel hatte <strong>und</strong> zu rekonstruieren,wie die Abweichungen davon zu erklärensind. Bei der Philologie geht es in diesem Fall um dieFragen, aus welcher Sprache ein Wort stammt, welchegrammatische Form es hat <strong>und</strong> wie es zu übersetzenist. In Mt 5,22 geht es zunächst darum, ob daserste Schimpfwort „raka“ oder „racha“ heißt. Rakabedeutet so viel wie „hohl, leer“ <strong>und</strong> wird meist mitHohlkopf oder Dummkopf übersetzt: „Wer zu seinemBruder sagt: Du Dummkopf, wird vor den HohenRat gestellt werden“. Das aramäische Wort „racha“dagegen kommt von „weich“ <strong>und</strong> hat eine weiblicheEndung. Es bedeutet daher so viel wie Weichlingoder, um die Schärfe der Beleidigung <strong>und</strong> die Verweiblichungdeutlich zu machen, „Schwuchtel“. „Werzu seinem Bruder sagt: ‚Schwuchtel’, wird vor denHohen Rat gestellt werden.“ Die Lesart „racha“, alsoSchwuchtel, sei im sogenannten „westlichen Texttyp“bezeugt. Sie stehe in drei griechischen Codices ausdem 4. <strong>und</strong> 5. Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>und</strong> fast alle alten lateinischenÜbersetzungen bringen das hebräische oderaramäische Wort „racha“.Das zweite Wort „more“ stellt den Ausleger vor dieFrage, ob das ein griechisches Schimpfwort ist. Dannwürde es parallel zu „raka“ ebenfalls „Dummkopf“oder „Idiot“ bedeuten. Das hebräische „more“ wiederumkann zwei Bedeutungen haben. Entweder ist esein „Rebell“, der sich störrisch gegen den Willen derEltern verhält oder der die Existenz Gottes leugnet.Dieser Rebell soll aus der Familie oder der Synagogeausgeschlossen werden. Oder „more“ ist das PartizipAktiv Hiphil des Verbs yarah, das „schleudern,(Bogen) schießen oder (Steine) werfen“ bedeutet.Als Gegenstück zu „racha“ könnte das wiederum einesexuelle Bedeutung haben so wie das Wort „ejakulieren“,das ja auch „auswerfen“ bedeutet. Herauskomme dann ein Paar von Beschimpfungen, das sichwie die Kombination aus „malakoi“ <strong>und</strong> „arsenokoitai“,„Weichlinge <strong>und</strong> Männerbeschlafer“, von derPaulus in 1 Kor 6,10 spricht, auf die beiden Rollenbeim Analverkehr zwischen Männern bezieht. Dochim Gegensatz zu Paulus, der ihnen ankündigt, vomReich Gottes ausgeschlossen zu werden, vertritt Jesusdie Position, dass diejenigen, die sie beleidigen<strong>und</strong> angreifen, im Feuer der Hölle schmoren werden.Der Referent betonte, er empfinde das Wort„Schwuchtel“ als das erniedrigendste Schimpfwort,das es in der deutschen Sprache gibt, um Schwulezu demütigen oder um jemanden als schwul zubeleidigen, der es vielleicht gar nicht ist. In dieserBeleidigung stecke eine große Portion Hass <strong>und</strong>Aggression. Jesus mache mit seiner Auslegung desGebots „Du sollst nicht morden“ deutlich, dass derAffekt des Zorns <strong>und</strong> die verbale Attacke mit Morddurchaus in einem Zusammenhang stehen. WerMitmenschen auf solche Weise entwürdigt, schafftdie Voraussetzung dafür, dass sie auch zum Spielballfür physische Angriffe werden können. SozialwissenschaftlicheForschungen zeigten, dass die Skala derDiskriminierung bei der Verachtung beginnt, die sichin Beleidigungen äußert, <strong>und</strong> in extremen Fällen beikörperlichen Attacken, Verletzungen oder sogar Mordendet. Wer also das Gebot „Du sollst nicht morden“in seiner ganzen Tiefe befolgen wolle, dürfe auchniemanden diskriminieren. Auch hier liegt ein Ansatzpunktfür eine erneuerte kirchliche Sexualethik.Nachfragen <strong>und</strong> DiskussionAus den Reihen der Teilnehmer kam zuerst dieNachfrage, wie man konkret vorgeht, damit bei derkatholischen Kirche etwas in Bewegung geratenkann. Dialogpartner müssten schon die Bischöfe<strong>und</strong> letztlich auch der Papst als Kirchenoberhauptsein. Brinkschröder wies leicht warnend daraufhin, dass Eltern, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Angehörige sich beimöglichen künftigen Dialogen mit der Amtskirche auftheologische Denkweisen einstellen sollten. Schrift<strong>und</strong> Tradition seien bei der Kirche höher gewichtetals z.B. die persönliche Begegnung mit Eltern homosexuellerKinder.Hinsichtlich eines möglichen Kirchenaustrittsaufgr<strong>und</strong> der offenen Diskriminierung homosexuellliebender Menschen in der katholischen Sexualmoralgestand der Referent, dass die Verlockung, diesenSchritt zu tun, auch für ihn schon groß gewesen sei.Man dürfe aber eine Organisation mit über einer MilliardeMitgliedern weltweit, unter denen auch nichtwenige Schwule <strong>und</strong> Lesben seien, nicht im Stichlassen, auch wenn sie in Fragen der Sexualmoral 40Jahre hinter der evangelischen Kirche herhinkt.Renate Löhr regte an, besser ein gesamtgesellschaftlichesBewusstsein zu schaffen, bei dem Diskriminierunghomosexuell liebender Menschen geächtet<strong>und</strong> bekämpft werden müsse, unabhängig davon,was eine Institution in 2000 Jahren in dieser Frageverkehrt gemacht habe. Brinkschröder hält dies fürschwierig, da in der katholischen Kirche neben einergrößeren Hierarchisierung <strong>und</strong> Zentralisierung imVergleich zu anderen Kirchen <strong>und</strong> Religionen vorallem der Aspekt des „Gehorsams“ eine große Rollespielt. „Erinnern sie sich: die Gründung der evangelischenKirche begann mit einem Akt des Ungehorsams.“Gläubige Katholiken zeigten hier tendenzielleine größere Bereitschaft, sich Dinge „von oben vorsetzenzu lassen“. Trotz steigender Austrittszahlensei der gesellschaftliche Einfluss der katholischenKirche immer noch groß, da müssten solche Detailsin kommenden Auseinandersetzungen beachtetwerden. Trotz dieses „Gehorsams“ befürworten nacheigener Einschätzung des Referenten gut 95% derLaien die Gleichberechtigung von Homosexuellen. Esfehle im System katholische Kirche aber der Gedankeder Nachhaltigkeit, damit aus Forderungen auchVeränderungen werden könntenWeiterführende LinksHospizdienst Tauwerk e.V.:http://www.hospiztauwerk.deWerkstatt schwule Theologie: http://www.westh.de18 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 19


ReferateReferateAxel J. Schmidt, MD MPH:Sexualverhalten Schwuler MännerBiografischesAxel J. Schmidt ist Arzt <strong>und</strong> Epidemiologe <strong>und</strong> arbeitetaktuell als Koordinator des Europäischen MSM InternetSurveys (EMIS) am Robert Koch Institut in Berlin. KlinischeErfahrungen erwarb er von 2001 bis 2004 in denBereichen Infektiologie (HIV, Hepatitis, <strong>und</strong> anderesexuell übertragbare Infektionen) sowie Allgemein<strong>und</strong>Proktochirurgie. Master of Public Health 2005.Seit 2001 Multiplikatorenschulung <strong>und</strong> Erwachsenenbildungfür die Deutsche AIDS-Hilfe („MedizinischeR<strong>und</strong>reise). Seit 2006 führte er gemeinsam mit demEpidemiologen Ulrich Marcus am Robert-Koch-Institut<strong>und</strong> dem Soziologen Michael Bochow am WissenschaftszentrumBerlin für Sozialforschung sozial- <strong>und</strong>infektionsepidemiologische sowie sozialwissenschaftlicheStudien zum Sexualverhalten <strong>und</strong> Präventionsbedarfbei schwulen <strong>und</strong> bisexuellen Männern durch.„Wer spielt den Mann <strong>und</strong> wer die Frau?“Mit dieser etwas provokanten Überschrift eröffneteAxel J. Schmidt seinen Vortrag aus ermittelten Datenzur männlichen Homosexualität in sozialwissenschaftlicher<strong>und</strong> epidemiologischer Perspektive.In Anlehnung an einen Vortrag des SoziologenMichael Bochow (1), mit dem Schmidt in den letztenJahren eng zusammengearbeitet hatte, gliederte sichder Vortrag entlang dreier Fragen, die heterosexuelleMenschen typischerweise einfielen, wenn sie überhomosexuelle Menschen nachdenken.1) Wie entsteht das denn?2) Wie viele gibt’s denn davon?3) Wer spielt den Mann, wer die Frau?Seit Mitte der 1980er Jahre trete zudem eine weitereFrage in den Vordergr<strong>und</strong>, die allerdings etwasverhaltener gestellt werde:4) Sind die nicht alle HIV-infiziert?Dominierende Annahmen zur Genese von Homosexualitätin Europa(„Wie entsteht das denn?“)Die Frage nach der Genese von Homosexualität habebis in die späten 70er Jahre des 20. Jahrh<strong>und</strong>ertsvor allem die Frage impliziert, wie eine als Fehlentwicklungwahrgenommene Homosexualität in eine„ges<strong>und</strong>e“ Heterosexualität überführt werden könne.Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts – der Begriff „Homosexualität“existierte noch nicht – dominierte einechristliche Sichtweise, nach der gleichgeschlechtliche<strong>Sexualität</strong> (Sodomie) sündhaft sei. „Sündermussten im christlichen Europa bestraft werden,<strong>und</strong> die Strafen waren drakonisch. Frankreichslaizistischer Code Civil machte hier eine rühmlicheAusnahme“ (1). In der zweiten Hälfte des 19.Jahrh<strong>und</strong>erts habe sich ein medizinisch-psychiatrischerBlickwinkel durchgesetzt; gleichgeschlechtlicheSexualkontakte wurden als Ausdruck einerbiologisch-krankhaften Entwicklung angesehen,Schlüsselbegriffe dieser Epoche seien „Entartung“oder „Degeneration“. Sigm<strong>und</strong> Freud habe mit demParadigma der angeborenen Degeneration gebrochen<strong>und</strong> das Konzept einer bisexuellen Dispositiondes Menschen entwickelt, jedoch ohne in einerhomosexuellen Entwicklung eine gleichwertigeAlternative zu einer heterosexuellen Entwicklung zusehen. Der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeldsei wiederum, um eine Gleichwertigkeit begründenzu können, davon ausgegangen, Homosexualitätsei angeboren („Drittes Geschlecht“). Im letztenDrittel des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts habe in den westlichenGesellschaften eine zunehmende Liberalisierungstattgef<strong>und</strong>en – der <strong>Sexualität</strong> im Allgemeinen <strong>und</strong>der Homosexualität im Besonderen.Hinsichtlich unterschiedlicher zeitgenössischerAnnahmen zur Genese von Homosexualität verwiesSchmidt exemplarisch auf die PsychoanalytikerReimut Reiche <strong>und</strong> Eva S. Poluda. Reiche vertretedie Hypothese einer frühzeitigen Festlegung derHomosexualität in den ersten Lebensjahren: [Esgibt viele] „gehemmte Männer, die Jahrzehnteihres erwachsenen Lebens damit verbringen, nichthomosexuell zu werden. Oft geschieht es, dass siesich im fünften oder sechsten Jahrzehnt ihres Lebenseingestehen, manchmal erst mit psychoanalytischerHilfe, dass sie homosexuell sind – <strong>und</strong> dann machensie, wenn ihre Lebenskraft dafür noch ausreicht, einedramatische Erkenntnisreise rückwärts durch ihrLeben <strong>und</strong> stellen fest, dass sie immer schon homosexuellgewesen sind.“ Poluda hingehen gehe bei derPolarität „homosexuell-heterosexuell“ weniger voneinem Entweder-Oder aus als von einem individuellen„Mehr oder Weniger innerhalb eines polarisiertenKontinuums humaner Potentialitäten.“ Demnach seiWahl des Liebesobjekts nach dem gleichen oder demanderen Geschlecht kein trennscharfes Kriterium, umhinreichend homogene bzw. konsistente oder charakterlicheGruppen voneinander zu unterscheiden.Als Gedankenspiel dazu konfrontierte Schmidt dievorwiegend heterosexuellen Zuhörer <strong>und</strong> Zuhörerinnenmit der Bitte, sich die Frage zu stellen, ob siesexuell eher Brad Pitt mit einer Vagina oder AngelinaJolie mit einem Penis bevorzugten …Zum Anteil homosexueller Menschen in dererwachsenen Bevölkerung„Wie viele gibt’s denn davon ?“„Kaum eine Zahl wurde so irreführend von Generationenvon Schwulengruppen in der Öffentlichkeitgeschwenkt wie der Anteil von 10 % Homosexuellen,die Kinsey angeblich in den 40er Jahren in den USAermittelt hatte“ (1).Noch bis in die 1960er Jahre, so Schmidt, seien inDeutschland <strong>und</strong> vielen anderen westeuropäischenLändern Männer wegen gleichgeschlechtlicher Sexualkontakteinhaftiert worden. Daraus ergäben sichbis heute Schwierigkeiten, sozial eher unerwünschtesVerhalten abzufragen.Weiterhin verwies er auf die unterschiedlichen Definitionenvon Homosexualität. Dabei unterschied er dreiverschiedene Dimensionen sexueller Orientierung<strong>und</strong> der damit einhergehenden Schwierigkeit, denAnteil homosexueller Menschen in der Bevölkerungzu bestimmen:• Sexuelle Identität (Selbstbezeichnungen wie etwa„schwul“ oder „lesbisch“ seien in hohem Ausmaßzeitlich-kulturellen Einflüssen unterworfen)• Sexuelles Begehren (Wie bei der sexuellen Identitätwerde hier nicht zwischen gelebter <strong>und</strong> nichtgelebter <strong>Sexualität</strong> unterschieden)• Sexuelles Verhalten (unterschiedliche zeitlicheBezugsrahmen: Gleichgeschlechtliche Sexualkontaktez.B. jemals, in den letzten 5 Jahren, oder inden letzten 12 Monaten)Schmidt betonte, dass in Deutschland die meistenForschungsprojekte zu „schwulen Männern“ erstdurch das Auftreten von HIV in den 1980er Jahrenzustande gekommen <strong>und</strong> somit in erster Linie in derEpidemiologie zu verorten seien. Daher gebe es auchdeutlich weniger Forschung zu lesbischen Frauen.Epidemiologische Forschung interessiere sich inerster Linie für sexuelles Verhalten, weshalb inder Epidemiologie weniger von „homosexuellenMännern“ gesprochen werde, sondern vielmehr von„Männern, die Sex mit Männern haben“ (MSM). Mitverschiedenen Folien zeigte Schmidt die Ergebnisserepräsentativer Befragungen der Allgemeinbevölkerungverschiedener Länder. In Deutschland, England,Frankreich, Finnland, Spanien, aber auch in Australien,den USA oder Brasilien lag der Anteil der Männer,die jemals in ihrem Leben sexuelle Kontakte mitMännern hatten, in der Regel unter 5 %. Ein Großteildieser Kontakte sei jedoch eher sporadisch <strong>und</strong> findevor dem zwanzigsten Lebensjahr statt. Werden fürgleichgeschlechtliche Kontakte nur die letzten 12Monate oder die letzten 5 Jahre betrachtet, lag derAnteil der MSM in den unterschiedlichen Studien bei2-3 %. Für Frauen, die Sex mit Frauen haben, wardieser Anteil etwas niedriger.Beim Abschätzen regionaler Häufungen in Deutschlandseien Konzentrationseffekte zu berücksichtigen,da insbesondere als schwul identifizierte Männerzwischen dem 20sten <strong>und</strong> 30sten Lebensjahr inbestimmte Metropolen (vor allem Berlin, Hamburg,Köln, Frankfurt, München) abwanderten.Homosexualität <strong>und</strong> heterozentristische Zuschreibungenzu Geschlechterrollen„Wer spielt den Mann <strong>und</strong> wer die Frau ?“Zur Lebenssituation schwuler Männer in Deutschlandstellte Schmidt vorläufige Ergebnisse aus der bis datogrößten Befragung schwuler <strong>und</strong> bisexueller Männerin Europa vor (European MSM Internet Survey 2010),von denen hier einige wiedergegeben werden (2):• Drei Viertel der knapp 55.000 befragten Männerbezeichneten sich selbst als schwul oder homosexuell<strong>und</strong> 17 % als bisexuell. Der Rest verstandsich als heterosexuell oder lehnte jeden Begriff füreine sexuelle Identität ab.• 11 % gaben an, dass niemand, <strong>und</strong> 16 %, dass nurwenige Menschen in ihrem Umfeld von ihrerHomosexualität wüssten. Dies zeige eindrücklich,dass auch in Deutschland im Jahre 2010 Sexzwischen Männern von einem bedeutenden Anteilverheimlicht wird; vor allem in kleineren Städten<strong>und</strong> auf dem Lande, bei Männern unter 20 oderüber 60 Jahren.• Über homophobe verbale Attacken berichteteein Drittel der Befragten, <strong>und</strong> zwei Drittel derunter 20jährigen MSM, in dieser Altersgruppehätten auch 7 % bereits Erfahrungen mitphysischer, antischwuler Gewalt machen müssen.Im europäischen Vergleich liege Deutschland hiereher im Mittelfeld.Schmidt zeigte auch auf, dass die Mehrheit der20 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 21


ReferateReferatebefragten Männer keine typischen „Szeneorte“schwuler Männer frequentiert habe: Zwei Drittelkönnten als „szenefern“ bezeichnet werden; die übrigenhätten vorwiegend „Orte schwuler Geselligkeit“aufgesucht. Nur 14 % hätten Orte für schnellen Sexunter Männern (Saunen, Darkrooms etc.) besucht.Safere Zeiten: Die Schwulen <strong>und</strong> das HIVSchmidt zeigte Schätzungen für die Häufigkeit(diagnostizierter) HIV-Infektionen bei MSM in dendeutschen B<strong>und</strong>esländern sowie in ausgewähltenGroßstädten. Diese seien je nach B<strong>und</strong>esland rechtunterschiedlich; in den alten B<strong>und</strong>esländern um die5 %, in den neuen B<strong>und</strong>esländern um die 3 %. Inden Städten Berlin, Hamburg, Bremen, Frankfurt,München, Köln um die 10 %.Schmidt betonte, HIV werde zwischen Männern nurdann sexuell übertragen, wenn einer von beidenmit HIV infiziert ist <strong>und</strong> beide miteinander ungeschütztenAnalverkehr hätten; dies mute zwar trivialan, in der Allgemeinbevölkerung werde jedoch häufigdavon ausgegangen, dass jede sexuelle Praktik<strong>und</strong> vor allem jeder ungeschützte Sexualkontaktriskant sei. Auch werde das Risiko einer Ansteckungmit HIV pro (anal-)sexuellem Akt in der Regel weitüberschätzt, betrage jedoch nur etwa 1:100. DerGebrauch von Kondomen senke dieses Risiko um ca.90 %, das heißt auf etwa1:1000.Was brauchen schwule Männer, um sich besserschützen zu können?In Anbetracht der zwischen 2001 <strong>und</strong> 2008 zunehmendenHIV-Neudiagnosen bei MSM <strong>und</strong> entgegender häufig in den Medien verbreiteten Ansicht, beischwulen Männern breite sich eine zunehmende„Sorglosigkeit“ aus, bemerkte Schmidt, dass die empirischenDaten ein anhaltend hohes Schutzverhaltenbei schwulen Männer in Deutschland zeigen. Diemeisten schwulen Männer nehmen Kondome bei denmeisten infektionsrelevanten Kontakten (Analverkehr),zumindest außerhalb fester Partnerschaften.Allerdings sei zu beobachten, dass Analverkehrimmer häufiger praktiziert werde.Zuletzt verwies Schmidt auf die aktuelle Präventionskampagneder Deutschen AIDS-Hilfe (www.iwwit.de),welche darauf abziele, schwule <strong>und</strong> bisexuelle Männerdarin zu bestärken,“ihre Ges<strong>und</strong>heitsinteresseneigenmächtig, selbstverantwortlich <strong>und</strong> selbstbewusst“(Dirk Sander, Dt. AIDS-Hilfe) zu vertreten<strong>und</strong> zu gestalten. Statt subtil mit dem Vorwurf derFahrlässigkeit zu arbeiten, sei es wichtig, die hoheSchutzmotivation der meisten schwulen Männer anzuerkennen.Die Kampagne habe außerdem aktuelleTrends im Verhalten schwuler Männer aufgegriffen<strong>und</strong> sinnvoll integriert, etwa indem mit echten Rollenmodellenfür schwule Männer in unterschiedlichenLebenssituationen gearbeitet werde.Im Anschluss an das Referat ging Schmidt ausführlichauf Fragen aus dem Publikum ein. Diese betrafen inerster Linie die Schätzungen zur Häufigkeit von HIVsowie des Anteils schwuler Männer an der Gesamtbevölkerung.(Beitrag erstellt von Gerhard Schmidt mit Unterstützungdurch den Referenten)(1) Michael Bochow: Sozial- <strong>und</strong> sexualwissenschaftlicheErkenntnisse zur Homosexualität.In: Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaftenin sozialethischer <strong>und</strong> rechtlicher Perspektive,epd-dokumentation, 23-24/2001:42-50;epd: evangelischer Pressedienst(2) http://www.emis-project.euZum Weiterlesen:Ausgewählte öffentlich zugängliche Publikationenvon Axel J Schmidt:• Schwule Männer <strong>und</strong> HIV/AIDS: Lebensstile,Szene, Sex 2007. AIDS Forum DAH Bd 55. Berlin:AIDS Forum Deutsche AIDS Hilfe:http://www.aidshilfe.de/de/shop/forumsbandschwule-maenner-<strong>und</strong>-hivaids-2007-band-55• Self-reported history of sexually transmissibleinfections (STIs) and STI-related utilization ofthe German health care system by men who havesex with men: data from a large convenience sampleBMC Infectious Diseases 2011, 11:132.http://www.biomedcentral.com/1471-2334/11/132• Trouble with Bleeding: Risk Factors for AcuteHepatitis C among HIV-Positive Gay Men fromGermany—A Case-Control Study:http://edoc.rki.de/oa/articles/rec3Bq2yOa5X2/PDF/24AGwdYeiHBpo.pdf• Trends in Risk Taking and Risk Reduction AmongGerman MSM. Results of Follow-Up Surveys ‚GayMen and AIDS‘ 1991-2007. WZB Discussion Paper.Berlin: WZB.http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2009/i09-303.pdf• ‚Das schnelle Date‘. Internetgestützte Sexualkontakte<strong>und</strong> HIV-Infektionsrisiko - Ergebnisse einer2006 durchgeführten Internetbefragung.WZB Discussion Paper. Berlin: WZB.http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2009/i09-301.pdf• Estimating the regional distribution of men whohave sex with men (MSM) based on Internet surveys:http://edoc.rki.de/oa/articles/recHoHdLJgvLE/PDF/2999593sfx2k.pdf• The denominator problem: Estimating MSM-specificincidence of sexually transmitted infectionsand prevalence of HIV using population sizes ofMSM derived from Internet surveys:http://edoc.rki.de/oa/articles/recHoHdLJgvLE/PDF/26LqInUovIeTE.pdf22 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 23


ReferateReferateDr. Dr. Stefan Nagel:Aktuelle Diskurse zu gleichgeschlechtlichenLebensweisen, Problemen desNaturbegriffs <strong>und</strong> zum Stand der medizinisch-psychologischenForschungBiografischesDr. med. Dr. phil. Stefan Nagel ist seit 1993 Facharztfür Psychotherapeutische Medizin <strong>und</strong> Psychoanalytiker.Nach langjähriger Niederlassung in Düsseldorfist er jetzt als leitender Oberarzt in der HELIOS KlinikSchwedenstein, einer Fachklinik für psychosomatischeMedizin, in Pulsnitz bei Dresden tätig. Nach dem Studiumder Medizin mit medizinischem Staatsexamen 1983sowie Promotion zum Dr. med. erfolgte 1986 auch diePromotion zum Dr. phil. in Germanistik <strong>und</strong> Philosophie.Neben einer regen Vortragstätigkeit in diesenFächern liegen spezielle Schwerpunkte seiner Arbeit alsMediziner in der Sexualtherapie <strong>und</strong> der psychotherapeutischenBetreuung von HIV-Patienten.Frager<strong>und</strong>eAufgr<strong>und</strong> der bereits fortgeschrittenen Zeit bot Nagelan, keinen geschlossenen Vortrag zu halten, sondernFragen aus dem Publikum zu beantworten <strong>und</strong> dabeieinige seiner Thesen in die Antworten einzuarbeiten.Dieses Vorgehen wurde von Seiten der Zuhörerbegrüßt.Gibt es eine genetische Veranlagung zur Homosexualität?Nagel verneinte diese Frage. Trotz zahlreicherUntersuchungen sei ein bestimmtes Gen oder ein bestimmtesgenetisches Merkmal, das die Ausprägungeiner homosexuellen Neigung steuere, bisher nichtgef<strong>und</strong>en worden, auch wenn eine entsprechendeNachricht eine Zeit lang durch die Presse gegeistertsei. Dispositionelle Merkmale seien aber auchnicht vollständig auszuschließen (nicht zuletzt imHinblick auf familiäre Häufungen). Unklar sei zudemweiterhin die Rolle familiärer Strukturen <strong>und</strong> Muster(z. B. starke Mutter, schwacher Vater), die einerseitsmit einer gewissen Regelmäßigkeit gef<strong>und</strong>en würden(<strong>und</strong> ebenfalls für familiäre Häufungen verantwortlichsein könnten), andererseits aber auch nicht beiallen Geschwistern denselben Effekt hätten, also zumindestnicht allein ausschlaggebend sein könnten.Hormonelle oder stress bedingte Einflüsse währendder Schwangerschaft würden ebenfalls diskutiert,insbesondere in ihrem Einfluss auf das embryonale<strong>und</strong> fötale Gehirn <strong>und</strong> seine jeweils ‚männliche’ oder‚weibliche’ Ausformung. Im Gr<strong>und</strong>e bliebe aber zukonstatieren, dass ungeachtet vieler kursierenderTheorien wissenschaftlich weder die Entstehung vonHomosexualität noch die von Heterosexualität oderüberhaupt die Genese sexueller Präferenzen sowohlim Hinblick auf die Objektwahl wie im Hinblick aufbestimmte Praktiken tatsächlich geklärt sei.Prinzipiell seien solche Überlegungen natürlichinteressant, allerdings liege in ihnen auch ein erheblichesRisiko, denn oft würden entsprechende Fragenunter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeitgestellt, um über die Klärung der Verursachung vonHomosexualität Mittel <strong>und</strong> Wege zu ihrer Vermeidung<strong>und</strong> Beseitigung zu finden (z. B. in Rahmenvon Präimplantationsdiagnostik oder ‚umpolenden’Psychotherapien). Der Verdacht dazu bestehe vorallem dann, wenn die naheliegende Frage nachder Entstehung von Heterosexualität eben geradenicht gestellt, sondern diese als selbstverständlichoder ‚normal’ vorausgesetzt werde. Neben solchunterschwellig stattfindender Diskriminierung vonHomosexualität bestehe aber zugleich auch dieGefahr einer falschen Form von Legitimierung vonHomosexualität, indem man bemüht sei, sie zu einembiologisch-‚natürlichen’ <strong>und</strong> damit wiederum ‚normalen’Phänomen zu erklären.Diese Überlegungen leiteten zur zweiten Frage über:Wie kann man dem Argument der „Widernatürlichkeit“der Homosexualität begegnen?Nagel erläuterte, dass man diesem Phänomen ebennicht sinnvoll durch die zahlreichen Versuche begegnenkönne, die Natürlichkeit <strong>und</strong> damit ‚Richtigkeit’von Homosexualität beweisen zu wollen. Denn allediese Überlegungen hingen mit einem gr<strong>und</strong>sätzlichenDenkfehler zusammen. Sie seien ein Verstoßgegen das sogenannte ‚Humesche Gesetz’, das schonseit dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert bekannt sei. Es besage,dass aus einer empirischen Beobachtung („Sein“),sei es in den Natur- oder Sozialwissenschaften,keine handlungsleitende Norm („Sollen“) abgeleitetwerden könne. Es sei daher weder wissenschaftlichnoch ethisch legitim, aus einer Deskription einePräskription zu machen. Es handle sich vielmehr umeinen logischen Fehlschluss, in der Philosophie auch„naturalistischer Fehlschluss“ genannt, vom Seinaufs Sollen zu folgern. [Vgl. David HUME (1711-1776): A Treatise of Human Nature (1739-1740),Buch III (Of Morals), Teil 1, Kapitel 1!]. Bezogen aufdie Homosexualität werde dabei regelmäßig von derTatsache, dass <strong>Sexualität</strong> in der Natur weitgehend andie Fortpflanzungsfunktion geb<strong>und</strong>en scheint, aufWidernatürlichkeit geschlossen, da Homosexualitätunmöglich zur Fortpflanzung führen <strong>und</strong> daher ‚vonder Natur nicht gewollt’ sein könne. Allerdings sei esunsinnig, so Nagel, der Natur Absichten zu unterstellen<strong>und</strong> damit aus dem Beobachtbaren eine normativeRegel abzuleiten, da die Natur im Rahmen einesnaturwissenschaftlichen Verständnisses kein Subjektmit willentlichen Intentionen sei. Es sei im Wortsinneunsinnig zu sagen, die Natur ‚wolle’ die Fortpflanzung<strong>und</strong> wolle diese über <strong>Sexualität</strong> realisieren,zumal es eine Reihe weiterer natürlicher Fortpflanzungsmodi(z. B. mittels Teilung) gebe. Außerdemgebe es bei höheren Säugetieren <strong>und</strong> intelligentenPapageien- <strong>und</strong> Rabenvögeln häufig <strong>Sexualität</strong> ohneFortpflanzungsmöglichkeit (bei Menschen z. B.während der unfruchtbaren Tage der Frau).Daraus nun wiederum schließen zu wollen, dass dashäufigere Auftreten von Homosexualität bei ebendiesen Tierarten die Richtigkeit <strong>und</strong> Natürlichkeitvon Homosexualität beweise, sei allerdings derselbeDenkfehler, denn dadurch werde aus dem bloßenVorkommen (empirischen Phänomen) ebenfalls eineWertung <strong>und</strong> Norm (‚richtig’, ‚in Ordnung’) abgeleitet.Das gehe aber nicht, denn sonst müssten z. B.Männer, die eine Frau heirateten, welche ihrerseitsbereits mit einem Vorgänger Nachkommen habe,diese Kinder töten dürfen oder sogar töten müssen,da so etwas z. B. bei Löwen ein ganz ‚natürliches’Verhalten darstelle. So werde rasch deutlich, dassaus biologischen Tatbeständen weder etwas entgegennoch zugunsten der Homosexualität abzuleitensei. Das Argument von der Widernatürlichkeit der Homosexualitätsei unter diesen Umständen allerdingsauf jeden Fall ethischer, logischer <strong>und</strong> naturwissenschaftlicherUnsinn.Wie kann mit der kirchlichen Haltung zur Homosexualitätumgegangen werden?Anders als in den Naturwissenschaften, so erläuterteNagel, werde im kirchlichen Umgang mit der Homosexualitätein intentionales Subjekt hinter der Naturvorausgesetzt, nämlich Gott als Schöpfer der Natur,der mit seiner Schöpfung Absichten verbinde. Hierwerde die Verknüpfung von Fortpflanzung <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong>als Wille Gottes verstanden <strong>und</strong> erhielte damiteine normative Funktion, die zudem mit bestimmtenBibelzitaten begründet werde. Diese Haltung sei vielschwerer zu widerlegen (einer der Vorredner vonNagel, Herr Brinkschröder, hatte dies bereits versucht<strong>und</strong> die entsprechenden theologischen Thesenkontrovers diskutiert), da über den Willen Gottesfast endlos gestritten werden könne. Doch auch hierbezweifelte Nagel, ob es Sinn mache, immer wiederSelbstlegitimierungsstrategien von Homosexuellen<strong>und</strong> ihren Fre<strong>und</strong>en bzw. Angehörigen im Sinneeiner veränderten Bibelauslegung zu erproben. Esmache keinen Sinn, um die Kirche von der DiskriminierungHomosexueller abzubringen, nachzuweisen,dass diese doch gottgefällig seien. Dies ähnele denVersuchen in der Naturwissenschaft, Homosexualitätzu einem ‚natürlichen’ Phänomen zu erklären <strong>und</strong>damit vermeintlich akzeptabler zu machen. Diesejeweils systemimmanenten Versuche hätten denNachteil, dass die verdeckt oder offen angewendetenMaßstäbe des jeweiligen Systems damit immer schonimplizit akzeptiert seien. Hier sei offener Widerstandgegen die entsprechenden normativen Vorgaben bestimmterInstitutionen, insbesondere der Kirche(n),<strong>und</strong> eine gr<strong>und</strong>sätzliche Ablehnung von derenNormen womöglich sinnvoller.Es gab an dieser Stelle einen Einwand von SchwesterJuvenalis, die sich eine solche pauschale Aussageeher verbat <strong>und</strong> einen individuell orientiertenRespekt für ihre persönliche Haltung anmahnte.Nagel versuchte, dies zu würdigen, <strong>und</strong> betonteausdrücklich seine Wertschätzung des Einsatzes vonkirchlichen Laien <strong>und</strong> Amtsträgern, z. B. in der HIV-Arbeit, weltweit. Zugleich bestand er aber auf dergr<strong>und</strong>sätzlichen <strong>und</strong> damit pauschalen Kritik an einerInstitution, die selbst pauschal urteile, wenn sie dieHomosexuellen als sündhaft <strong>und</strong> sittlich ungeordnetHandelnde verdamme. Hier gehe es schließlich umexistentielle Fragen der Betroffenen. Nicht zuletztangesichts der Tatsache, dass Homosexuelle in vielenLändern weiterhin von drakonischen Strafen bis hinzur Todesstrafe bedroht seien, stelle die Haltung derkatholischen Kirche, die dies ohne Gegenrede duldebzw. durch ihre eigenen Thesen sogar fördere, eingravierendes Problem dar, das sie sich als Institutiondurchaus vorhalten lassen müsse. Auch die schwereninneren Konflikte, die die kirchliche Haltung in derseelischen <strong>und</strong> sozialen Entwicklung homosexuellempfindender Menschen <strong>und</strong> ihrer Angehörigen weiterhinauslöse, insbesondere wenn sie sich religiösgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> einer Kirche zugehörig fühlten, könnedurch das überaus anerkennenswerte Engagementeinzelner in der Kirche leider nicht ungeschehengemacht werden.Es folgte eine weitere lebhafte Diskussion, die sichintensiv mit den angestellten Überlegungen Nagels<strong>und</strong> denen seines Vorredners Brinkschröder befasste.Man war sich einig darüber, dass hier weitere Veranstaltungen<strong>und</strong> Gesprächsr<strong>und</strong>en anknüpfen sollten.(Beitrag auf Wunsch von BEFAH rekonstruiert durchden Referenten)24 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 25


ReferateReferateDetlef Mücke:Sexualerziehung in Kindergarten <strong>und</strong>Schule: „Wunsch <strong>und</strong> Wirklichkeit“ –eine BestandsaufnahmeBiografischesErnst-Detlef Mücke (* 1944) ist Lehrer i.R. in Berlin<strong>und</strong> Träger des Verdienstkreuzes am Bande. Seit Mitteder 70er Jahren engagiert Mücke sich für die Akzeptanzhomosexueller Lehrer <strong>und</strong> Schüler in der Schule. Unteranderem ist er einer der Gründerväter der Arbeitsgemeinschafthomosexueller Lehrer <strong>und</strong> Erzieher in derGewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft Berlin.Bereits in den siebziger Jahren hat er sich als einer derersten Lehrer in seiner Schule in Berlin- Neukölln alsSchwuler geoutet. Seither hat er sich bei Generationenvon Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern für einen selbstverständlichenUmgang mit dem Thema Homosexualitätbemüht. Lesbische Lehrerinnen <strong>und</strong> schwule Lehrer hater u.a. in den Rechtsschutzstellen der GEW mit Rat <strong>und</strong>Hilfe unterstützt.Geschichte der SexualpädagogikEinführungMücke räumte zu Beginn seines Vortrags ein, dass dieGeschichte der Sexualpädagogik bis zum Ende des19. Jahrh<strong>und</strong>erts stets eine Geschichte der Unterdrückunggewesen sei. Die Begriffe „Fortpflanzung“ <strong>und</strong>„Ehezentrierung“ seien hier richtungsweisend gewesen,was im Umkehrschluss bedeutete: Ablehnungaller anderen sexuellen Erfahrungsformen wie Selbstbefriedigung,Homosexualität, Empfinden sexuellerLust um ihrer selbst willen oder auch Empfängnisverhütung<strong>und</strong> Sterilisation. Der Geschlechtsverkehrohne Ehe stellte eine Sünde dar, hierunter fielen z.B. vorehelicher Geschlechtsverkehr, Ehebruch <strong>und</strong>Vergewaltigung. Der Geschlechtsverkehr in der Ehestellte eine Pflicht dar, was paradoxerweise zu einerBilligung der Vergewaltigung in der Ehe führte, dieerst seit 2004 (!) als Straftatbestand verfolgt werdenkann.Historischer AbrissDie Idee der sozialen Befreiung durch sexuelle Befreiungfand erstmals in den Werken von Karl-HeinzUlrichs (1866) <strong>und</strong> Magnus Hirschfeld ihren Niederschlag,letzterer gründete 1897 das wissenschaftlich-humanitäreKomitee <strong>und</strong> damit die Sexualwissenschaft.Wesentliche Forderungen waren dieAbschaffung der Sexualstrafparagrafen § 175 u. §218 RStGB (= Reichsstrafgesetzbuch). Hirschfeldforderte Sexualaufklärung in Schulen, unter anderemauch gegen sexuell übertragbare Krankheiten. DieseIdeen wurden auch von der Reformschulbewegungaufgegriffen. Die angeprangerten Paragraphen wurdenjedoch von der „Reichszentrale zur Bekämpfungder Homosexualität <strong>und</strong> Abtreibung“ am 10.10.1936noch verschärft. Beachtenswert sei hierbei, dass außerehelicherGeschlechtsverkehr unter bestimmtenBedingungen erlaubt wurde, aber nur, wenn er „reinrassig“stattfand, z.B. im Rahmen des „Lebensborn“.B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (west, ab 1990 gesamt)In der Zeit von 1945-1968 existierten laut Mücke nurunbefriedigende <strong>und</strong> unzureichende Erlasse zur Sexualaufklärungan Schulen. Richtlinien hierfür wurdenvon der GEW erstmals 1949 für Hamburg ausgearbeitet,die bis 1962 überprüft <strong>und</strong> veröffentlicht wurden.1959 folgten Berlin <strong>und</strong> später Hessen mit Richtlinienfür die Sexualerziehung bzw. „geschlechtliche Erziehung“.Die Kultusministerkonferenz (KMK) gab am3. Oktober 1968 eine „Empfehlung zur geschlechtlichenErziehung in den Schulen“. Sexualaufklärungstand von nun an nicht mehr im Zwielicht der Verdrängungin einem Umfeld der Lustfeindlichkeit.Sie wurde als Aufgabe des Elternhauses <strong>und</strong> derSchule definiert <strong>und</strong> fächerübergreifend organisiert.In einer Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtsvon 1977 wurde der Erziehungsauftrag der Schuledem Recht der Eltern, Sexualerziehung als integrativenBestandteil der Gesamterziehung anzubieten,gleichgestellt.Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht hat 1979 die Offenheitder Sexualerziehung für verschiedene Wertauffassungenbetont. Es fordert Rücksichtnahme aufdie Verschiedenartigkeit religiös- weltanschaulicherEinstellungen. Nicht jedes elterliche Einzelinteressemüsse berücksichtigt werden.Mit dem Schwangeren- <strong>und</strong> Familienhilfegesetz von1992 (heute „Gesetz zur Vermeidung <strong>und</strong> Bewältigungvon Schwangerschaftskonflikten“) wurde seitens derB<strong>und</strong>esregierung Sexualaufklärung schließlich zurländerübergreifenden öffentlichen Aufgabe erklärt.Wichtige Aspekte des Gesetzes waren die Aufgabender Beratung <strong>und</strong> Aufklärung in §1 Abs. 1 <strong>und</strong> dieBereitstellung von kostenlosem Infomaterial durchdie B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung(BZgA). Das Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtszum §218 StGB vom 28. Mai 1993 ging weit überFragen zu Rechtswidrigkeit bzw. Strafbarkeit einesSchwangerschaftsabbruchs hinaus. Es stellte auch diebis dahin umfangreichsten Forderungen an die Sexualaufklärungauch in der Schule. Sexualaufklärungmuss danach umfassend angelegt sein, verschiedensteAlters- <strong>und</strong> Zielgruppen ansprechen <strong>und</strong> vorallem mehr als Wissensvermittlung über biologischeVorgänge <strong>und</strong> Techniken der Verhütung darstellen.Sie muss emotional ansprechend sein <strong>und</strong> vielfältigeBeziehungsaspekte, Lebensstile, Lebenssituationen<strong>und</strong> Werthaltungen berücksichtigen. Der Beschlussder Kultusministerkonferenz von 1968 wurde imJahr 2002 aufgehoben, da er weder der Lebensrealitätnoch der neuen gesamtdeutschen Rechtslageentsprach.DDRIm Gesetz über das einheitliche sozialistischeBildungssystem der DDR (Verfassung der DDR, 1974)wurden in § 5 Ziele für den Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsprozessdefiniert. Schulkinder sollten, verstehenlernen, dass Hilfsbereitschaft, Fre<strong>und</strong>lichkeit,Höflichkeit <strong>und</strong> Zuvorkommenheit, Achtung gegenüberden Eltern <strong>und</strong> allen älteren Menschen sowieehrliche <strong>und</strong> saubere Beziehungen zwischen denGeschlechtern Charaktereigenschaften sozialistischerPersönlichkeiten sind.“ Aufgabe aller Lehrkräfte inder schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Bildungs- <strong>und</strong>Erziehungsarbeit (§ 4 Familiengesetzbuch) war dieUnterstützung der Eltern bei der Erziehung zu einemspäteren verantwortungsbewussten Verhalten zu Ehe<strong>und</strong> Familie sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeitmit z.B. Elternbeiräten. Tatsächlich habe esin der DDR schon recht früh Unterstützung bei derSexualerziehung durch Angehörige medizinischerBerufe gegeben. Nach Absprache mit der Schulleitungwaren sie als „schulfremde Personen“ berechtigt,zu den Themen Abtreibung, sexuell übertragbareKrankheiten <strong>und</strong> genetische Defekte zu referieren. Esgab keine offizielle Anweisung der SED- Führung zurSexualerziehung von Kindergarten bis Hochschule,lediglich eine mündliche Empfehlung an Kreis- <strong>und</strong>Bezirksschulräte <strong>und</strong> ein Programm zur Geschlechtererziehung.1965 seien neue Lehrpläne eingeführtworden, die genügend Orientierung für Sexualerziehungenthielten, allerdings beschränkt auf dieLehrpläne der Fächer Biologie, Deutsch, Geschichte<strong>und</strong> Staatsbürgerk<strong>und</strong>e. In den 1980er Jahren fandauch in der DDR eine stärkere Thematisierung vonMasturbation, Homosexualität als natürlicher Variantemenschlicher <strong>Sexualität</strong>, Ehen ohne Trauschein<strong>und</strong> Promiskuität statt. Ab 1985 setzte die Diskussionüber AIDS ein. 1988 erschien in der DDR die Broschüre„Die andere Liebe“ für Eltern <strong>und</strong> Erzieher zumThema Homosexualität.Sexualaufklärung auf dem Weg zur pädagogischenAlltagsrealität?Psychosexuelle Entwicklung des KindesBezüglich der Sexualerziehung im Kindergartenkritisierte Mücke, dass nur wenige KindertagesstättengesetzeSexualerziehung konzeptionell verankerthätten. In der Erzieherausbildung werde das ThemaSexualerziehung häufig ausgespart. Viele Einrichtungenhätten zwar ein Konzept, dessen Inhalteseien aber abhängig davon, wer Träger der Einrichtungist (staatlicher, kirchlicher oder freier Träger)<strong>und</strong> welche Auffassung die Leitung hat. Richtungsweisendsei hier Berlin, wo es ein Kita-Förderungs-Gesetz <strong>und</strong> ein Programm für Bildung, Erziehung<strong>und</strong> Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungenbis zu ihrem Schuleintritt gibt. Die psychosexuelleEntwicklung des Kindes sei hierbei besonders gutberücksichtigt. <strong>Sexualität</strong> präge unser individuelles<strong>und</strong> gesellschaftliches Leben von Geburt an.Kinder kommen als sexuelle Wesen auf die Welt,suchen Kontakt, Wärme <strong>und</strong> Zärtlichkeit, probierenUmarmungen, Küsse <strong>und</strong> Berührungen. Kindliche<strong>Sexualität</strong> dürfe aber nicht mit Erwachsenensexualitätgleichgesetzt werden. Vielmehr geht es zunächstum die Ausbildung einer Ich-Kompetenz. Das Kindmuss sich seiner geschlechtlichen Identität als Jungeoder Mädchen bewusst werden. Die zu erwerbendeSachkompetenz bestehe im nächsten Schritt imGr<strong>und</strong>verständnis über das eigene sexuelle Erleben.Auch könnten bei Kindern mit Migrationshintergr<strong>und</strong>kulturelle Unterschiede im Umgang mit <strong>Sexualität</strong>thematisiert werden. Kinder lebten im Umgang mitKörper <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong> in der Spannung zwischenEntdeckungslust <strong>und</strong> Erfahrungsfrust. Dies habeAuswirkungen für den sexualpädagogischen Alltag:soll hier fragend oder provozierend bei Themen wieSelbstbefriedigung, Doktorspielen, Gefühlen vonScham <strong>und</strong> sexuellen Sprüchen vorgegangen werden?<strong>Sexualität</strong> als Thema könne laut Mücke nur imTeam <strong>und</strong> unter Einbeziehung der Eltern vorbereitetwerden. Elternarbeit müsse immer wieder als Elternmitarbeitverstanden werden.„Wirklichkeit heute“Schulische Sexualerziehung wird heute 43 Jahrenach Einführung nicht mehr in Frage gestellt. DerWunsch nach einem erweiterten <strong>und</strong> ganzheitlichenBegriff menschlicher <strong>Sexualität</strong> sei aber erkennbar.Mücke forderte hierzu eine stärkere Akzentuierungder verschiedenen Funktionen <strong>und</strong> Aspekte der Sexu-26 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 27


ReferateReferatealität in der Schulgesetzgebung der Länder. Hierzugehörten neben dem Fruchtbarkeits- sowohl der Beziehungs-als auch der Identitäts- Kommunikations<strong>und</strong>Lustaspekt. In Bayern, Baden-Württemberg <strong>und</strong>Mecklenburg-Vorpommern sei der <strong>Sexualität</strong>sbegriffseitens des Gesetzgebers aber weiterhin nur auf Fortpflanzung,Partnerbezug <strong>und</strong> Persönlichkeitsbildungausgerichtet. Die Richtlinien von Baden-Württemberg,Bayern, Hessen <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz betonenausdrücklich die auf so genannten „christlichen“Werten <strong>und</strong> Normen orientierte Sexualerziehung <strong>und</strong>die Ausrichtung auf Ehe <strong>und</strong> Familie. Der Lustaspektwerde in einigen B<strong>und</strong>esländern bewusst ausgespart.Dabei ist die Sexualerziehung spätestens seit derJahrtausendwende mit immer neuen Herausforderungenkonfrontiert, die in Gesetzen, R<strong>und</strong>schreiben<strong>und</strong> Erlassen aber wenig bis gar nicht aufgegriffenwürden. Dazu zählen vor allem:• Pluralisierung der familiären Lebensformen• Verstärkte Bemühungen um Gleichberechtigungvon Mädchen <strong>und</strong> Frauen in der Gesellschaft• Zunehmende Akzeptanz der sexuellen Selbstbestimmungvon Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen• Zunehmende Akzeptanz bzw. öffentliche Auseinandersetzungmit gleichgeschlechtlichen Liebes--<strong>und</strong> Lebensweisen, auch von Trans- <strong>und</strong> Intersexuellen• Verstärkte Bemühungen um Normalisierung desLebens von Menschen mit Behinderung, zu derauch <strong>Sexualität</strong> als „Tabuthema“ gehört• Die Verbreitung von AIDS• Sexuelle Gewalt gegen Kinder <strong>und</strong> Jugendliche• Aufeinandertreffen unterschiedlicher kulturellerWerte <strong>und</strong> Normen durch MigrationDie immer noch größten Versäumnisse bei derUmsetzung sexualerzieherischer Innovationen siehtMücke in der Lehrerausbildung. Bislang existierenweder im Bachelor- noch im Masterstudiumverpflichtende Module für Sexualpädagogik, auchnicht während des Referendariats. Gleiches gilt fürdie Fachhochschulen. Es sind kaum Lehrstühle fürSexualpädagogik vorhanden, was zur Folge hat, dasssich nur ca. ein Drittel der Lehrkräfte <strong>und</strong> Erzieherzur Sexualerziehung befähigt fühlt. Die Kompetenzmuss also von außerschulischen Projekten in dieSchulen kommen. Für die Lehrerausbildung forderteMücke die Aufnahme von Inhalten der Sexualerziehungin die Studienordnung der verschiedenenLehrämter, die Thematisierung während der 2. Phaseder Lehrerausbildung (Referendariat) <strong>und</strong> geeigneteLehrgänge im Rahmen der Lehrerfortbildung. Beider Übernahme der Lehrinhalte in die Lehrpläne derFächer sei bei der fächerübergreifenden Gestaltungder Sexualerziehung auf die inhaltliche Abstimmungzu achten. Im Fall der Neuen Kerncurricula wirdempfohlen, sich an Kompetenzen <strong>und</strong> nicht an Inhaltenzu orientieren. Zahlreiche bisherige sexualpädagogischeInhalte würden nicht mehr benannt <strong>und</strong>gerieten in fakultative Themenkataloge. Dadurch bestehekeine Gewährleistung, dass sie auch tatsächlichim Unterricht behandelt werden. Die Folge sei eine zugeringe Thematisierung in den Schulbüchern. Praktischbedeute dies, dass ein Lehrer selbst abwägenmüsse, ob er die z.B. Verfolgung der Homosexualitätim Dritten Reich thematisiere oder nicht.Allerdings seien auch fortschrittliche Entwicklungenz.B. bei der Entwicklung von Unterrichtsmaterialienzu beobachten. So stelle mittlerweile auchdie B<strong>und</strong>eszentrale für Politische Bildung (BPB)neben der B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitlicheAufklärung (BZgA) Informationsmaterial kostenloszur Verfügung. Zum Abschluss des Vortrags empfahlMücke dem BEFAH e. V., sich bei der Elternmitarbeitin der schulischen Sexualerziehung mit der GEW,Aufklärungsprojekten vor Ort <strong>und</strong> schwul- lesbischenGruppen in den Parteien zu vernetzen.Den Deutschen B<strong>und</strong>estag forderte er auf, endlicheine b<strong>und</strong>esweite Studie zur Lebenssituation vonlesbischen, schwulen, bi-, inter- <strong>und</strong> transsexuellenJugendlichen in Auftrag zu geben. Die Einzelschulemüsse Antidiskriminierung in das Schulprogrammaufnehmen.Nachfragen <strong>und</strong> DiskussionAuf die Frage, ob ein ganzes Themengebiet „Sexualerziehung“mit dem Engagement des einzelnen Lehrers„stehen <strong>und</strong> fallen“ könne, wies Mücke auf die teilweisefehlende Eigenreflexion der <strong>Sexualität</strong> von Lehrernhin. Die Zuhörer reagierten mit einem zustimmendenLachen, als Mücke auf die Person der Lehrerin <strong>und</strong> desLehrers als gesamtgesellschaftliches Abbild hinwies:hier sei die gesamte Bandbreite von asexuell, heteroüber schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell bis hinzu „lebensfroh“ vorhanden. Lehrer dürften durchausdazu aufgefordert werden, auch eigene Gefühle in dieSexualaufklärung einzubringen. Hierzu sei aber einegefestigte Persönlichkeit des Lehrers erforderlich.Fast in jedem Lehrerleben existierten Situationen, indenen seitens der Schüler plötzlich über das „Anbaggern“junger Kollegen oder die Oberweite der Lehreringetuschelt werde. Die Frage sei dann nicht nur, wieein Lehrer damit professionell umgehe, sondern auch,ob er sich eigentlich selbst als sexuelles Wesen betrachtet.Es gäbe immer Kollegen, die mit der Aufgabeüber Sex zu reden, überfordert seien. Dies könne beieinem schwulen Lehrer beispielsweise bei der Fragenach Analverkehr <strong>und</strong> der Körperhygiene vor dem Sexeintreten. Statt das Thema ganz auszublenden, empfiehltMücke diesen Kollegen, externe Stellen (z.B.Pro Familia, Aidshilfe, schwul- lesbische Aufklärungsprojekte)in den Unterricht einzubeziehen. Nicht zuverschweigen sei auch die Projektion der „Täterrolle“durch Schülerinnen auf männliche Lehrer durchfamiliäre Vorerfahrung (Missbrauch) allein durch ihrePräsenz als Autoritätsperson im Klassenraum. Ein unbefangenesVerhältnis zur eigenen <strong>Sexualität</strong> könnehier möglichen Denunziationen vorbeugen.Eine Mutter befürchtete, dass die Erwartungen an dieSchule möglicherweise zu hoch angesetzt sind, dennauch bei anderen Themen seien die Forderungen derGesellschaft an Eltern, Lehrer <strong>und</strong> Schüler immens.Gleichzeitig werde aber am Gymnasium ein ganzesSchuljahr gekürzt. Mücke ergänzte hierzu, dass sichdas Wissen der letzten Jahre enorm vervielfältigthabe, es könnten in der Schule tatsächlich nurpartielle Ausschnitte vermittelt werden. <strong>Sexualität</strong>sei aber ein „Essential“, schon allein, weil es von unbegründeterGewaltanwendung in der Erziehung bishin zum Missbrauch als Extremform einfach zu vieleKonflikte gibt, die auch durch unterdrückte <strong>Sexualität</strong>entstünden.Aus den Reihen des BEFAH-Vorstands wurde nachkonkreten Ansprechpartnern für eine Thematisierungvon Homosexualität <strong>und</strong> gleichgeschlechtlichenLebensweisen in den Schulbüchern gefragt. Der Referentwies erneut auf die Kerncurricula hin: Schulenkönnen nach diesen sehr wohl entscheiden, welcheInhalte sie im Bereich der Sexualerziehung genauerthematisiert haben möchten. Allerdings würdenBücher von Verlagen hergestellt, für die ein Buchzuerst einmal ein Produkt sei, das verkauft werdenmuss. Zudem orientieren sich Schulbuchverlagean den Rahmenrichtlinien der Länder. Zwar zeigenVerlage durchaus Offenheit für Themen wie Homo-,Bi- oder Transsexualität, die Kommunen bringen aberin der Regel nicht das Geld auf, um neue Schulbücheranzuschaffen. Hier müssten Verbände wie BEFAHimmer wieder Druck machen <strong>und</strong> der Politik vor allemin Wahlkampfzeiten verdeutlichen, dass die Finanzierungvon Schulbüchern mit den neuesten Erkenntnissenzur Sexualerziehung immens wichtig ist.Weiterführende Links:Schwule Lehrer in der GEW Berlin:http://www.schwulelehrer.deBerliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegenDiskriminierung:http://www.berlin.de/lb/ads/In der Berliner Senatsverwaltung für Integration,Arbeit <strong>und</strong> Soziales gibt es die Landesstelle für Gleichbehandlung– gegen Diskriminierung. Dort sind u.a.Anregungen zum Umgang mit dem Thema „gleichgeschlechtlicheLebensweisen“ in der Schule zu finden.28 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 29


ReferateReferateskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben <strong>und</strong>Schwule in NRW <strong>und</strong> dem landesweiten Netzwerk derschwul-lesbischen Aufklärungsgruppen SchLAu NRWgegründet. Seit dem Jahr 2000 arbeiten insgesamt13 regionale Teams im bevölkerungsreichsten B<strong>und</strong>esland<strong>und</strong> bieten Aufklärungsveranstaltungen fürSchülerinnen <strong>und</strong> Schüler zum Thema lesbische <strong>und</strong>schwule Lebensweisen an. SchLAu NRW erhält aktuelleine Sachkostenförderung durch das jetzige Ministeriumfür Ges<strong>und</strong>heit, Emanzipation, Pflege <strong>und</strong>Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Kern der Arbeitsind Workshops mit lesbischen, schwulen <strong>und</strong> bisexuellenTeamerinnen <strong>und</strong> Teamern, die als Rollenmodelle(engl. role models) mit Jugendlichen <strong>und</strong>jungen Erwachsenen arbeiten. Die Landeskoordinationarbeitet seit 2003 auch zum Thema Diskriminierungs-<strong>und</strong> Gewalterfahrungen von lesbischen,schwulen <strong>und</strong> bisexuellen Jugendlichen. Dazu hat esim Jahr 2008 im Rahmen eines Fachtages einen Vortrag<strong>und</strong> eine Arbeitsgruppe gegeben. „Schule ohneHomophobie - Schule der Vielfalt“ wurde 2008 ausMitteln der „Aktion Mensch“ <strong>und</strong> „Jugend in Aktion“mit Sachkosten gefördert. 2010 erhielt das ProjektMittel aus dem nordrhein-westfälischen „Pakt mit derJugend“ zur Durchführung eines Jugendwettbewerbsgegen Homophobie mit dem Titel „Schwule Lesbe!?“Notwendige Ausgaben müssen aus den begrenztenBudgets der Landeskoordination <strong>und</strong> von SchLAuNRW bestritten werden. Mittel- <strong>und</strong> langfristig willdie Kampagne folgende Ziele erreichen:• eine Enttabuisierung des Themas „Homosexualität“in der Schulpolitik• die Förderung <strong>und</strong> Entwicklung von neuen Konzeptenfür den Umgang mit dem Thema „Homosexualitätin der Schule“• die Entwicklung von neuen Unterrichtsmaterialien,die das Thema „unterschiedliche sexuelle Orientierungen“stärker berücksichtigen• die Aufnahme des Themas mit seiner sozialen Komponentein Lehrpläne <strong>und</strong> Materialien• eine stärkere Berücksichtigung des Themas in derAus- <strong>und</strong> Weiterbildung von Lehrerinnen <strong>und</strong>Lehrern• eine Verstärkung der strukturellen <strong>und</strong> finanziellenUnterstützung von Schulaufklärung <strong>und</strong> Schulaufklärungsprojekten<strong>und</strong>• die Förderung von Projekten zur Gewaltprävention<strong>und</strong> Konfliktbewältigung in den Schulen, die dasThema „Homophobie“ berücksichtigenWährend die Arbeit der Kampagne vor allem daraufzielt, die strukturellen Bedingungen zu verändern,die mehr Akzeptanz von unterschiedlichen sexuellenOrientierungen fördern, stellt das Projekt auf derzentralen Homepage Informationen <strong>und</strong> Materialienbereit, die Schulen dabei unterstützen, sich für dieZiele des Projektes einzusetzen.Dazu gehören:• Unterrichtsmodule für den Einsatz im Schulunterricht• Ideenkoffer für Projekte• Kooperation mit SchLAu NRW• „Schwule Lesbe!?“ – Jugendwettbewerb gegenHomophobieWill eine Schule „Schule ohne Homophobie – Schuleder Vielfalt“ werden, ist der erste Schritt die Einbindungdes Projektes in die Schule. Durch Vorstellendes Projektes in der Lehrerinnen- <strong>und</strong> Lehrerkonferenz,durch Informieren der Schülerinnen <strong>und</strong>Schüler <strong>und</strong> durch Einbeziehen der Eltern. Entschließtsich eine Schule zur Teilnahme am Projekt,macht sie dies durch Anbringen eines Aufklebers anprominenter Stelle in der Schule deutlich. Der zweiteSchritt ist die Umsetzung in der Schule, zum einendurch Nutzen der Medien, die in der Film- <strong>und</strong> Literaturdatenbankzur Verfügung gestellt werden, zumanderen durch Nutzen der Unterrichtsmodule. DritterSchritt ist die Kooperation mit SchLAu NRW <strong>und</strong> dieDurchführung von Aufklärungsveranstaltungen miteinem regionalen SchLAu-Team. Vierter Schritt ist dieDurchführung von eigenen Projekten in der Schule.Als fünfter <strong>und</strong> letzter Schritt stehen Dokumentation<strong>und</strong> Evaluation der Aktivitäten. Keine Schule kannheimlich „Schule ohne Homophobie - Schule derVielfalt“ werden oder sein.BeispieleIn Köln beschloss die Stadtarbeitsgemeinschaft fürLesben, Schwule <strong>und</strong> Transgender, dass das Projekt„Schule ohne Homophobie“ durch die Verwaltung zuunterstützen sei. Dies stellte jedoch keine Basis fürdie Zusammenarbeit mit dem zuständigen Schulverwaltungsamtder Bezirksregierung für die StadtKöln dar. Erst in einem zweiten Schritt gelang es,eine enge Kooperation mit dem Schulamt <strong>und</strong> derBildungsdezernentin der Stadt herzustellen. Diesebeinhaltet ein vierteljährliches Kooperationsgespräch,um die Begleitung des Projektes durch dasSchulamt sicherzustellen. Bei jeder der verschiedenenSchulveranstaltungen von SchLAu Köln wurdeim Vorbereitungsgespräch mit den Lehrerinnen <strong>und</strong>Lehrern das Projekt „Schule ohne Homophobie –Schule der Vielfalt“ vorgestellt. Dies sei auf großesInteresse gestoßen. Auch die Unterrichtseinheitender Homepage wurden dankbar entgegen genommen.Den nächsten Schritt, ihrer Schule eine Beteiligungam Projekt „Schule ohne Homophobie- Schuleder Vielfalt“ vorzuschlagen, wollten die meistenjedoch nicht gehen. Es wurde die Befürchtung geäußert,dass sich die Schulleitung gegen das Projektstellen könnte <strong>und</strong> es keine Unterstützung durchdie Schulpflegschaft finden würde. Hier sei deutlichgeworden, dass diejenigen, die sich innerhalb derSchulgemeinschaft aktiv für das Projekt „Schule ohneHomophobie“ einsetzen, immer noch Pionierarbeitleisten. In Köln gab es Veranstaltungen <strong>und</strong> Informationsangebotewie:• die Schul- <strong>und</strong> Abendvorstellung des Theaterstücks„Beautiful Thing“ mit begleitenden Infoständen inder Comedia Köln• die Veranstaltung „Out at school?!“ für lesbischeLehrerinnen <strong>und</strong> schwule Lehrer• die Vorstellung des Jugendbuches <strong>und</strong> der Unterrichtsmaterialien„Bist du schwul, oder was?“ fürLehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer, sowie Schulsozialarbeiterinnen<strong>und</strong> Sozialarbeiter• die Präsentation der Initiative „Schule ohne Homophobie– Schule der Vielfalt“ beim Vernetzungstreffender Schulsozialarbeiterinnen <strong>und</strong> -arbeiterder Stadt Köln.Am Schulzentrum Rodenkirchen, Hauptschule <strong>und</strong>Gymnasium Odenthal gab es vor dem offiziellenStart eine SV-Sitzung, bei der eine Präsentation desProjektes erfolgte. In einer gemeinsamen Diskussioneinigten sich die Schülervertreterinnen <strong>und</strong> -vertreteraus beiden Schulen darauf, mit ihren Schulenam Projekt teilzunehmen. Die Auftaktveranstaltungfand im Rahmen eines Filmnachmittags verpflichtendfür die 9. Klassen beider Schultypen <strong>und</strong> offenzugänglich für alle am 02.02.2010 statt. Es wurdeein britischer Film mit Coming Out-Thematik („GetReal – von Mann zu Mann“) gezeigt. Neben Pfiffen,„Buh“-Rufen <strong>und</strong> Witzen habe es eine Vielzahl vondiskriminierenden <strong>und</strong> abwertenden Äußerungenvon Seiten der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler gegeben.Bei der anschließenden Diskussion thematisiertedas Team von SchLAu Köln die möglichen Gefühleder nicht sichtbar teilnehmenden lesbischen <strong>und</strong>schwulen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler. Auch dieeigene Betroffenheit wurde angesprochen. LautChmielorz sei es in der Praxis nur selten möglich, sokonkret zum Thema „Homophobie“ zu arbeiten. Dieanwesenden Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer seien durch dieReaktionen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler in ihremEngagement gegen Homophobie an der Schulebestärkt worden. Die Beispiele zeigten sehr deutlich,dass „Schule ohne Homophobie - Schule der Vielfalt“noch nicht genügend als ein Projekt wahrgenommenwerde, mit dem gezeigt wird, dass Vielfalt ein Gewinnist. Wenn soziale Dominanzorientierungen abgebautwerden sollen <strong>und</strong> stattdessen der Umgang mitVielfalt als eine Schlüsselkompetenz eingeübt wird,könnten noch mehr Schulen die Chancen nutzen, diedas Projekt dafür bietetNachfragenKurze Nachfragen seitens der Zuhörer gab es u.a. zuden Zahlen der FES- Studie, wonach die gruppenbezogeneMenschenfeindlichkeit in den Niederlandenbesonders niedrig ist. Chmielorz gab diese Frage anDetlef Mücke weiter, der auf die besondere „Antidiskriminierungstradition“der Niederlande hinwies. Indiesem Zusammenhang sei auch zu erwähnen, dassdurch das Eheöffnungsgesetz vom 21. Dezember2000 in den Niederlanden, als dem ersten Land derWelt, die traditionelle Ehe auch für gleichgeschlechtlichePaare zum 1. April 2001 geöffnet wurde.Eine weitere Frage betraf die Bestandsgarantievon Kampagne <strong>und</strong> Projekt im Fall von Regierungswechseln.Chmielorz wies hierbei auf prominenteUnterstützer aus allen großen Parteien hin, u.a.Prof. Dr. Rita Süssmuth (B<strong>und</strong>estagspräsidentina.D., CDU), Dr. Lale Akgün (SPD), Christian Lindner(FDP) <strong>und</strong> Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen).Er übte allerdings Kritik am Schulgesetz des LandesNordrhein-Westfalen, das mit der Mehrheit derkonservativ-liberalen Stimmen im Landtag 2005verabschiedet wurde. Das Gesetz kenne Vielfalt <strong>und</strong>Emanzipation als Erziehungsziel nicht, stattdessenwerde die „Ehrfurcht vor Gott“ <strong>und</strong> „die Liebe zu Volk<strong>und</strong> Heimat“ hervorgehoben, was von vielen Zuhörernmit Kopfschütteln kommentiert wurde.Weiterführende LinksZentrale Homepage des Projekts:http://www.schule-ohne-homophobie.deStudie der Friedrich- Ebert- Stiftung zu gruppenbezogenerMenschenfeindlichkeit:http://library.fes.de/pdf-files/do/07905-20110311.pdfDer von Almut Dietrich verfasste Jahresbericht„Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt.Ansätze, Aktivitäten <strong>und</strong> Ergebnisse 2008 bis 2010“,Köln 2011, kann über die Landeskoordinatorin derAnti-Gewalt-Arbeit für Lesben <strong>und</strong> Schwule in NRW,Rubensstr. 8-10, 50676 Köln, bezogen werden.32 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 33


PodiumskussionPodiumskussionPodiumsdiskussionWir brauchen „Homo-K<strong>und</strong>e“in Kindergarten <strong>und</strong> SchuleDas Podium (v.l.n.r.):Ralf Kletsch, Elisabeth Müller-Heck, Kirstin Fussan,Sabine Fischer, Markus Chmielorz <strong>und</strong> Dr. Jürgen FrankModeration:Kirstin Fussan, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft<strong>und</strong> Forschung, BerlinGäste:Markus Chmielorz, Schulprojekt NRWSabine Fischer, BEFAH- Elterngruppe Hamburg,Mutter schulpflichtiger KinderDr. Jürgen Frank, Oberkirchenrat EKDRalf Kletsch, Mitglied im Vorstand des B<strong>und</strong>eselternratsElisabeth Müller-Heck, Referentin für Ges<strong>und</strong>heitsfragen,Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong>Forschung, BerlinÜberblickHintergr<strong>und</strong>Lesbische Schülerinnen <strong>und</strong> schwule Schüler erlebenihre Schule häufig als einen homophoben Ort. Mitihrer von der Heteronorm abweichenden <strong>Sexualität</strong>begegnen sie oft nicht- respektvollem <strong>und</strong> wenigtolerantem Verhalten. Sie werden als „anders“wahrgenommen, eben nicht als gleichwertig wieihre heterosexuellen Mitschülerinnen <strong>und</strong> Mitschüler.Sie erfahren Mobbing oder sogar körperlicheGewalt. Wie schon in den Vorträgen von Chmielorz<strong>und</strong> Mücke thematisiert, garantiert das Schulsystemder einzelnen B<strong>und</strong>esländer nur wenig Aufklärung<strong>und</strong> Auseinandersetzung mit Homosexualität <strong>und</strong>gleichgeschlechtlichen Lebensweisen. In einzelnenB<strong>und</strong>esländern wird darauf sogar mit Rücksicht aufvermeintlich „christliche“ Werte verzichtet. Brauchtdie Schule „Homo-K<strong>und</strong>e“ in den einzelnen Fächern,um die Lebenssituation schwuler <strong>und</strong> lesbischerJugendlicher in der Schule verbessern zu können, siestärker als bisher vor Anfeindungen <strong>und</strong> Mobbing zuschützen <strong>und</strong> ihnen wie allen anderen Schülern dasRecht auf körperliche Unversehrtheit zu garantieren?Wie kann an Schulen ein Klima entstehen, in dem esleicht <strong>und</strong> selbstverständlich ist, als junge Lesbe,als junger Schwuler, Bisexueller <strong>und</strong> Transgendererwachsen werden zu können? Wie kann das sozialeMiteinander in der Begegnung mit „den anderen“bereichert werden, so dass Schule ein Ort wird, woMenschen lernen, mit Minderheiten ohne Ausgrenzungzu leben?Verlauf der DiskussionBetroffenheitDen Podiumsgästen, die zum Teil homosexuelleKinder haben, wurde zunächst die Möglichkeitgegeben, über die eigene Konfrontation mit demComing Out ihres Kindes in der Schule zu berichten.Schnell war von konkreten Diskriminierungserfahrungender Kinder <strong>und</strong> von „Ratlosigkeit“ die Rede,wenn Lehrer sowohl mit dem Thema „Homosexualität“als auch mit dessen Darstellung vor der Klassekonfrontiert würden. Spätestens seit dem Gesetzzur Eingetragenen Lebenspartnerschaft fühlen sichaber mehr Menschen vom Thema „Homosexualität“angesprochen. Den „Geouteten“ in der Schüler- <strong>und</strong>Lehrerschaft wohne zwar eine gewisse Kraft inne,das Thema zu transportieren. Diese dürften dabeiaber nicht allein gelassen werden, hier bedarf es derbesonderen Unterstützung durch die Eltern, die aucheine entsprechende Weichenstellung in der Schulpolitikder Länder einfordern müssen.KompetenzfragenEin Diskussionsschwerpunkt war der Umgang mitden Themen Homosexualität <strong>und</strong> „Homo-K<strong>und</strong>e“bei Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Aufgr<strong>und</strong>der gleich zu Anfang vorgetragenen Sichtweise vonOberkirchenrat Dr. Frank als „Bildungsminister“ derEvangelischen Kirche in Deutschland (EKD), er könnenicht als Vertreter der gesamten Kirche sowohl zuHomosexualität als auch „Homo-K<strong>und</strong>e“ sprechen,entwickelte sich eine teils hitzige Diskussion über dieRolle der Kirchen bei der Evaluation neuer Lehrinhalte<strong>und</strong> der Stärkung von Antidiskriminierungsarbeitin der Schule. Die Ausrede fehlender Kompetenzseitens der offiziellen Vertreter der Kirchen beimThema gleichgeschlechtliche Lebensweisen, welcheseit nunmehr 50 Jahren bestünde, ließen die Elternebenso wenig gelten wie die permanente Ankündigungeines so genannten „Dialogs“, der letztlichnur darin ende, dass man sich als Eltern „wie H<strong>und</strong>efühlt, die ab <strong>und</strong> zu mal was vom gedeckten Tischabbekommen“ (Inge Breuling, BEFAH e.V.). Auchwurde auf die aktive Behinderung von Aufklärungsmaßnahmenseitens beider großer Kirchen in derVergangenheit hingewiesen, indem z.B. Aufklärungsbroschürenauf Druck von Kirchenvertretern wiedereingestampft werden mussten. Dies sei vor allembei der Gewaltprävention <strong>und</strong> der Prävention vonHIV/AIDS ausgesprochen hinderlich gewesen. Dr.Frank räumte daraufhin ein, dass die Einsicht vonVerschulden seitens der Kirche die Voraussetzung füreine neue Diskussion sei. Die Kirche habe dadurchdie Möglichkeit, das Thema in ihren Bildungseinrichtungenzu thematisieren <strong>und</strong> durch künftige aktiveBeteiligung betroffener Eltern auch zu guten Konzeptenzu gelangen.Ergebnisse• Etablierung. „Homo-K<strong>und</strong>e“ kann in den allgemeinbildenden Schulen sowohl in staatlicher,kirchlicher wie auch privater Trägerschaft nurdurch eine gezielte Vernetzung durchgesetztwerden. Hier könnte z.B. der BEFAH e.V. mit demB<strong>und</strong>eselternrat <strong>und</strong> Projekten wie „Schule ohneHomophobie - Schule der Vielfalt“ zusammenarbeiten.Im Verb<strong>und</strong> mit anderen könne man gestärkt<strong>und</strong> selbstbewusster bei übergeordnetenInstitutionen auftreten.• Praxis. Bei der Verwirklichung von „Homo-K<strong>und</strong>e“in der Schule müssen die Elternvertreter, Lehrer<strong>und</strong> Kollegien in einen Dialog treten. Die Befürchtungvon Eltern, ihr Kind könnte durch „Homo-K<strong>und</strong>e“ zu früh mit Fragen der <strong>Sexualität</strong> (auch dereigenen) konfrontiert werden, muss ausgeräumtwerden. Das übergeordnete Ziel bleibt dieWertschätzung aller Kinder durch ihre Schule,unabhängig von ihrer Hautfarbe, Herkunft <strong>und</strong>eben auch der sexuellen Orientierung.• Sensibilisierung. Erfahrungen aus der Vergangenheithaben gezeigt: sobald vor Ort die Konfrontationmit einem Diskriminierungsfall stattfindet,stehen Eltern auf <strong>und</strong> setzen sich aktiv gegenDiskriminierung ein. Eltern sollten dabei aktivnach Mitstreitern im Elternrat suchen, damitSchule <strong>und</strong> Schulklima nicht allein den Lehrernüberlassen bleiben <strong>und</strong> so gestaltet werden, dassDiskriminierungsfälle erst gar nicht vorkommen.Der Einstieg ins Thema sollte nicht erst über „Problemfälle“vorgenommen werden.• Gesellschaftliche Perspektive: Eltern, Schüler<strong>und</strong> Lehrer müssen die Gesellschaft in verantwortlicherWeise prägen. Bildungseinrichtungensollten auch die Chance wahrnehmen, Empathiezu erzeugen <strong>und</strong> Perspektiven zu übernehmen.Sie müssen gemeinsam zum Erwerb von Fähigkeitenbeitragen, mit denen Schülerinnen <strong>und</strong>Schülern, deren Orientierung von der Heteronormabweicht, das Leben in der Mitte der Gesellschafterleichtert wird.StatementsRatlosigkeit in der Schule – Veränderung?K. Fussan (SenVerw f. Bildung, Wissenschaft u.Forschung, Berlin): Mein Sohn hatte sein ComingOut mit 14 Jahren <strong>und</strong> ich fragte mich, wie ichals Mutter damit umgehe. Ich suchte Rat bei derLehrerin meines Sohnes, sie reagierte verzweifelt<strong>und</strong> fragte mich zurück, was sie denn jetzt machensolle. Hat sich das heute verändert?Sabine Fischer (BEFAH e.V. Hamburg): Ich binMutter von drei Kindern. Mein Sohn outete sichzuerst bei seinen Mitschülern <strong>und</strong> dann zuhause. DieReaktion in unserer Familie bestand zunächst ausTränen <strong>und</strong> Schweigen, auch bei unseren Nachbarn.Als Schulsprecher erlebte mein Sohn dann in der 11.Klasse einen Mobbingfall <strong>und</strong> setzte sich dafür ein,dass im Lehrerkollegium etwas dagegen unternommenwird. Daraufhin gab es an der Schule dasAufklärungsprojekt „Sorum“, bei dem drei Klassenmitmachten. Leider ist nicht garantiert, dass es auchfortgesetzt wird.Frank Chmielorz (Schulprojekt NRW): Die erste Ideefür das Projekt „Schule ohne Homophobie – Schuleder Vielfalt“ kam von einer Elterninitiative <strong>und</strong> dortspeziell von einem Elternvertreter, der selbst schwulist. Der Einstieg in die Aufklärungsarbeit sollte durchbreit angelegte Aufklärung erfolgen, die nicht punktuell,sondern strukturell ausgerichtet ist.K. Fussan: Wie sieht es in Berlin <strong>und</strong> Brandenburgaus? Was passiert in Politik <strong>und</strong> Verwaltung?Elisabeth Müller-Heck (SenVerw f. Bildung,Wissenschaft, Forschung): Die Senatsverwaltungist am Thema. Es gibt seit 2010 eine Senatsinitiative,die wesentlich auf strukturelle Änderungen abzielt.Der Senat will mit Hilfe einer „Top-Down“- Strategievorgehen, d.h. Maßnahmen werden auf den Ebenender Schulaufsicht, dann der Schulleitungen bis in34 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 35


PodiumskussionPodiumskussiondie Lehrerkollegien <strong>und</strong> zu den Elternvertreternumgesetzt. In Schulbüchern sollen Lebensweisenvon homosexuellen Menschen dargestellt werden.Für die Lehrerausbildung sind reguläre Seminarevorgesehen, ebenso für die Referendarausbildung.Der Einsatz gegen Homophobie soll in die allgemeineGewaltprävention eingeb<strong>und</strong>en werden. Strategienin der Jugendhilfe sollen ähnlich wie in der Schuleablaufen.Ralf Kletsch (B<strong>und</strong>eselternrat): Auf den Seiten desB<strong>und</strong>eselternrates steht als Leitmotiv aus der UN-Kinderkonvention von 1978: jeder soll sich so entwickeln,wie es seinen Bedürfnissen entspricht. In denRahmenrichtlinien des Landes Brandenburg wurdedieses Motiv aufgegriffen, das Thema Homosexualitätwird im Fach Biologie der Klasse 5/6 <strong>und</strong> in Klasse 8angesprochen. Die Behandlung des Themas liegt inder Hand der einzelnen Lehrer.K. Fussan: Unsere Gesellschaft wird durch verschiedeneOrganisationen geprägt. Welche Rolle spieltdabei die evangelische Kirche? Die Theologen sindsich nicht einig. Warum?Dr. Frank (EKD): Ich wünsche mir hierbei eine differenziertereBetrachtungsweise. Ein Gr<strong>und</strong>problembei der Lehrerausbildung besteht doch darin, dassvon der Aufklärung zur Haltung der einzelnen Personein langer Weg ist. Es braucht Ruhe <strong>und</strong> Gelassenheit.Das Meinungsbild auch eines Theologen istgeprägt von persönlichen Erfahrungen. Die Theorieentspricht häufig dem, was man selbst gelebt hat.Wichtig ist auch, dass Theologen einen gemeinsamenSprachgebrauch finden.K. Fussan: Wie soll es konkret bei der Kirche weitergehen?Dr. Frank: <strong>Sexualität</strong> ist eine Gestaltungsaufgabeder Erwachsenenbildung. Geeignet wäre z.B. einWorkshop für Biografiearbeit, bei dem Mitarbeiter,Gruppenleiter <strong>und</strong> Ehrenamtliche für das Thema <strong>Sexualität</strong>sensibilisiert werden, sie <strong>Sexualität</strong> in ihrerKörperlichkeit erfassen lernen.Kirche, Schule <strong>und</strong> homophobe EinstellungenK. Fussan: Homosexualität darf nicht auf Sexreduziert werden. Beginnt nicht die Gr<strong>und</strong>abscheuim Kopf?Klaus Köhn (BEFAH e.V.): Viele evangelischePastorinnen <strong>und</strong> Pastoren haben verschiedene Lebensmöglichkeitenfür sich entdeckt. Das könnte fürdie gesamte evangelische Kirche gelten <strong>und</strong> einigeserleichtern, z.B. in der Konfirmandenarbeit, wo mandie Gr<strong>und</strong>abscheu überwinden kann. Würden Sie (Dr.Frank) das mit Ihrem Personal verändern wollen?Dr. Frank: Ich kann nicht für die Gesamtheit derevangelischen Kirche sprechen. Den Gr<strong>und</strong>satz, denwir in unseren evangelischen Schulen vertreten ist,dass keiner verloren gehen darf! Sie begegnen beiLehrern oft Unbeholfenheit <strong>und</strong> Verklemmtheit. Persönlichkeitsstrukturenwerden trotz Studium nichtverändert. Sexualerziehung ist immer eine Bildungsaufgabe,die Persönlichkeitsbildung einschließt.Wolfgang Köhn (BEFAH e.V.): Vertreter der Kirchesind immer Vertreter der gesamten Kirche. Sie repräsentierendas Wort <strong>und</strong> die Macht der evangelischenKirche! Ich erinnere an die Pastoren Brinker <strong>und</strong>Meyer, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Homosexualität vom Dienstsuspendiert wurden. Auch das Lebenspartnerschaftsgesetzmusste gegen den Widerstand beider Kirchendurchgesetzt werden.Ralf Kletsch: Die Kirche hat eine Riesenchance! Dakann sie sich einbringen! Ethik- wie Religionsunterrichtsind bei Schülern sehr stark gefragt. Elternverweisen den B<strong>und</strong>eselternrat immer darauf, wasSchule denn noch alles leisten soll. Das war beiFragen zu den Integrationsklassen (Einbeziehungvon Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergr<strong>und</strong>)auch schon der Fall.Sören Landmann (Student): Es kann nicht daraufgewartet werden, bis alle Biografien aufgearbeitetsind. Bei einem Notfall kann ein Notarzt, sollteer eine lesbische Patientin oder einen schwulenPatienten auf der Trage liegen haben, sich auch nichterst mit seiner eigenen <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> der Haltung zuder der anderen beschäftigen.Renate Löhr (BEFAH e.V.): Ich habe zwar keinehomosexuellen Kinder, aber schon in den 1970erJahren Sexualk<strong>und</strong>eunterricht gegeben. Als evangelischePfarrerin haben sich Schwule mir gegenübergeoutet. Was sich nicht verändert hat, ist dieDiskriminierung dieser Menschen durch die Kirchen,sie läuft weiter. Das Verständnis vom „guten Jesus“mit seiner Individualethik hilft Betroffenen <strong>und</strong> ihrenEltern nicht weiter! Wir haben ein Problem mit der<strong>Sexualität</strong> im Ganzen, bei der Kirche hat der Menschkeinen Unterleib. Ich fordere Sie (Dr. Frank) auf,die Themen <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> Homosexualität endlichzum Normalthema zu machen, Unterrichtsplänezu entwickeln <strong>und</strong> in der Lehrerausbildung daraufeinzugehen!K. Fussan: Wie steht die Amtskirche generell zurHomosexualität?Dr. Frank: Entscheidungen fallen bei der EKD aufder Synode der Landeskirchen. Der Rat der EKDhat 1996 eine Orientierungshilfe zu Homosexualität<strong>und</strong> Kirche herausgegeben. Darin ist auch zulesen: Spott, Verachtung <strong>und</strong> Ablehnung bis hin zurphysischen Vernichtung haben den Leidensweg vonHomosexuellen bis heute mitgeprägt. Christinnen<strong>und</strong> Christen haben sich mitschuldig gemacht! In derLehrerbildung muss der Aspekt der Persönlichkeitsentwicklungberücksichtigt werden. Auch die Fragen,inwieweit das Thema Homosexualität Teil unserer gedanklichenKultur ist <strong>und</strong> inwieweit Lehrer persönlichdamit befasst sind.Familienbilder <strong>und</strong> HeteronormativitätK. Fussan: Die Menschen sind, was den Begriff„Familie“ angeht, häufig weiter als die betreffendenInstitutionen. Besteht die Chance, dass dieevangelische Kirche in 10 Jahren so weit ist wie ihreMitglieder?Dr. Frank: Es gibt Gründe dafür, dass Ehe <strong>und</strong>Familie so geschützt sind. Eine gleichgeschlechtlichePartnerschaft kann nicht offen sein für Kinder, dasgilt nicht für die Frage der Adoption! Die Familie alspositives Leitbild wird bleiben. Die Frage heute istdoch: wie schaffen wir es, dass es mehr Familiengründungengibt.Klaus Köhn: Andere Lebensformen sind auchFamilie, sie verdienen den gleichen Schutz. Es ist nunwirklich an der Zeit, den Begriff neu zu fassen <strong>und</strong> zuverändern.Sören Landmann: Warum sollen Menschen vomFamilienbegriff ausgeschlossen werden, die eine Eheeingehen wollen? So z.B. Lebenspartnerschaften,in denen Verantwortung übernommen wird. Warumsollen homosexuelle Paare nicht die gleichen Rechtebekommen, wie sie ältere Ehepaare nach der Kinderzeitoder ganze ohne Kinder auch haben?Verpflichtung zu „Homo-K<strong>und</strong>e“ in Kindergarten<strong>und</strong> Schule?Frank Chmielorz: Es muss an den Schulen zuerst„K<strong>und</strong>ige“ für bestimmte Themen geben. Die Offenheit,zunächst fremden Welten zu begegnen <strong>und</strong>die eigene emotionale Abwehr gegenüber anderenEmotionen abzubauen, steht vor einer möglichen„Verpflichtung zur Homo-K<strong>und</strong>e“.Sabine Fischer: Eltern wollen immer eine Idealsituationfür ihre Kinder. Ist es für uns nicht langsam Zeit,den Kindern zu kommunizieren, dass es die heile Weltda draußen nicht gibt?Ralf Kletsch: Nun, die Themen der Elternversammlungbestimmen die Eltern! Die AG der Ländervertretungenbeim B<strong>und</strong>eselternrat vertritt ca. 10Millionen Eltern. Da kann man das Thema einbringen.Einzelne werden natürlich immer sagen: wir brauchendas nicht.E. Müller- Heck: Das Berliner Schulgesetz besagt,dass jeder seine <strong>Sexualität</strong> so leben soll, wie es ihmgegeben ist. Dahingehend werden auch die Lehrerzur Begleitung der Kinder ausgebildet. Informationallein schafft es nicht, eine bestimmte Haltung zugewinnen, Biografiearbeit oder Therapie kann dieSenatsverwaltung nicht vermitteln. Sie kann aberdie Lehrerschaft dazu auffordern, ins Gespräch zukommen <strong>und</strong> das Thema in den Schulen zu verwirklichen.Dazu gehört es auch, Orte in den einzelnenFächern zu finden, wo über <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> Homosexualitätgesprochen wird. Je offener mit dem Themaumgegangen wird, desto leichter wird der Weg zurVeränderung!Schlussr<strong>und</strong>eK. Fussan: Was möchten Sie hier auf dem Podiumbesonders den Eltern noch mit auf den Weg geben?Ralf Kletsch: Haben Sie Vertrauen in sich <strong>und</strong>bleiben Sie streitbar für Ihre Rechte. Hören Sie nichtauf, „Homo- K<strong>und</strong>e“ einzufordern, wenden Sie sichan die Elternvertreter Ihrer Schulen! Mein Angebotan BEFAH: wir werden Sie auf unserer Internetseitevorstellen!E. Müller- Heck: Wir müssen dafür sorgen, dassKinder gestärkt <strong>und</strong> nicht diskriminiert werden.Sabine Fischer: Wir sind dankbar für das Angebot desB<strong>und</strong>eselternrates, erwarten aber schon Unterstützungaus der Politik.Dr. Frank: Die Kirche muss aushalten, dass mansie bei ihrer Ehre packt. Sie verliert ihre Glaubwürdigkeit,wenn sie von Christus abrückt. Die Kinderbleiben der Maßstab. Wenn man etwas verändernwill, dann muss es hier sein!Frank Chmielorz: Danke <strong>und</strong> machen Sie weiter so!K. Fussan: Möge uns die Kraft für neue Impulse nochlange erhalten bleiben!Gudrun Held: Im Namen von uns allen bedanke ichmich bei diesem Podium! Wir gehen nun aus Berlinzurück an unsere jeweiligen Orte. Und das, was geradein der Welt passiert – in Libyen <strong>und</strong> in Fukushima,das bewegt mich so, dass es mir die Sprache verschlägt.Die Welt ist ziemlich kaputt. Trotzdem wünscheich allen eine gute Rückreise <strong>und</strong> bedanke michdafür, dass dies so austauschende, lebendige, schöneTage waren! Ich glaube, wir brauchen tatsächlich 2Jahre, bis wir das alles gut verarbeitet haben! Wirsehen uns wieder beim B<strong>und</strong>eselterntreffen 2013!36 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 37


PodiumskussionPodiumskussionDank der TeilnehmerInnenan den VorstandGedanken zur Podiumsdiskussion<strong>und</strong> AusblickLiebe Vorstandsmitglieder!Zum Koffer hat es nicht gereicht.Dafür ist dieses Täschchen leicht.Und sehr gut von Berlin wegzutragen,nach diesen für Euch harten Tagen!Anerkennung <strong>und</strong> Dankbarkeit kann man nichtwiegen -Doch sollt Ihr sie zu sehen kriegen.Zu sehen genügt nicht: Ihr sollt sie auch schmecken.Nehmt Platz am r<strong>und</strong>en Tisch oder an einem mitEckenUnd labt Euch ein wenig auf unsere Kosten.Und in Gedanken mögt Ihr uns zuprosten.Aufs Wiedersehen beim nächsten MalFreuen sich alle hier im Saal.Inge BreulingIm Namen des Vorstandes <strong>und</strong> Beirates bedankt sichGudrun Held ganz herzlich für diese Überraschungstaschebei Inge Breuling <strong>und</strong> allen Teilnehmenden derTagung!Es wurde noch einmal deutlich, wie sehr das ThemaLiebe – <strong>Sexualität</strong> – Homosexualität immer nochunter Tabuisierung leidet. Es ist viel guter Wille da,die Gesellschaft ist offener geworden auch gegenüberSchwulen <strong>und</strong> Lesben. Dennoch gibt es wenigVerbindliches im Bildungsbereich in den einzelnenB<strong>und</strong>esländern.Wegweisend erlebte ich die Initiativen <strong>und</strong> Maßnahmender Berliner Senatsverwaltung für Bildung,Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung. Hier liegt ein durchgängiges,verbindliches Konzept vor, Kinder, Eltern, Lehrer/Lehreraus- <strong>und</strong> Fortbildung <strong>und</strong> die Gesellschaftin ein Boot zu bekommen. Die Plakatinitiative „Berlinsteht hinter Schwulen/Lesben“ konfrontiert dieÖffentlichkeit ganz allgemein. Und das ist wichtig,soll sich etwas verändern.Und da gibt es für uns alle noch viel zu tun.Was brauchen wir?• Es reicht ja nicht, nur „Homo-K<strong>und</strong>e“ für Kinder zufordern.• Wir alle brauchen eine befreite Sicht auf Liebe <strong>und</strong><strong>Sexualität</strong>, die dem Glück der Menschen dient.<strong>Sexualität</strong> ist eine schöpferische Lebenskraft, diein allen Lebensbereichen der Menschen wirkt.• <strong>Sexualität</strong> muss befreit werden vom Zwang zurZeugung, erst dann kann die Diskriminierung derHomosexualität aufhören. Dann steht sie gleichwertigneben der Heterosexualität. Alle „Spielarten“von <strong>Sexualität</strong>, die gepaart sind mit Liebe<strong>und</strong> Verantwortung für den anderen, dienen demLeben.Aufgaben für BEFAH-Eltern:• Viele kleine Schritte gehen.• Kontakt zu Ausbildungsstätten für LehrerInnen,PfarrerInnen, Priestern knüpfen, um Einsichten(s.o.) zur Weitergabe in der Ausbildung zu fordern.• Kontakte zu örtlichen Bildungseinrichtungenherstellen.• Immer wieder in den verschiedenen Bildungseinrichtungendaran erinnern, dass in allen Klassen<strong>und</strong> Schulen, lesbische <strong>und</strong> schwule Menschensind, die Sicherheit <strong>und</strong> Akzeptanz spüren müssen.• Schwul-lesbisches Leben ins Gespräch bringen– wo auch immer – <strong>und</strong> so das Tabu brechen.Gudrun Held• Diese Einsicht in die Gesellschaft zu tragen, erforderteinen langen Atem. Das ist sicher noch einlanger <strong>und</strong> schwerer Weg. Nicht nur die Kirchenleitungen<strong>und</strong> deren offizielle Vertreter weichenimmer wieder aus ins Ungefähre <strong>und</strong> Unverbindliche,wodurch Diskriminierung verfestigt wird.38 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 39


Berichte aus den ElterngruppenBerichte aus den ElterngruppenBEFAH-Elterngruppe BremenElterngruppe Dortm<strong>und</strong>Kontakt:Elterntreffen jeden dritten Freitag im Monatum 20.00 UhrRat & Tat Zentrum BremenTheodor Körner Straße 1Tel. 0421/700007E-mail: elterngruppe-bremen@befah.deEltern homosexueller Töchter <strong>und</strong> SöhneDie Elterngruppe Bremen wurde am 20. November 1989von Uschi Schulze im Rat & Tat Zentrum für Schwule<strong>und</strong> Lesben in Bremen ins Leben gerufen. Als Muttereines schwulen Sohnes hatte sie das Bedürfnis sichmit anderen Eltern, die auch homosexuelle Kinderhatten, die Sorgen <strong>und</strong> Probleme auszutauschen, diesich vor allem nach dem Coming-Out, das für diemeisten aus heiterem Himmel kommt, einstellten.Die häufigsten Fragen sind:– Wie gehe ich damit um?– Was sagen die anderen?– Warum gerade mein Kind?– Was haben wir falsch gemacht?Im ersten Jahr meldete sich lediglich eine Mutter, diegleiche Probleme hatte. So kam es oft vor, dass UschiSchulze an manchen Abenden allein erschien, so dasssie schon begann zu resignieren. Doch mit der Zeit erschienennach <strong>und</strong> nach immer neue Mütter, die frohwaren, über ihre Sorgen sprechen zu können. Die Väterallerdings kamen erst viel später dazu, da sie meistensdas Thema am liebsten verdrängen wollten. Bald wardie Gruppe auf über 10 Teilnehmer angewachsen. DieseGruppenarbeit führte dazu, dass sich das Verhältniszu den Töchtern <strong>und</strong> Söhnen verbesserte <strong>und</strong> diebetroffenen Eltern wieder Freude daran hatten, inHarmonie mit ihren Kindern weiterleben zu können<strong>und</strong> ein verständnisvolles Miteinander zu erreichen.Durch die Zusammenarbeit mit dem Rat & Tat Zentrum<strong>und</strong> dessen Öffentlichkeitsarbeit kamen immer mehrEltern zu uns, so dass wir zeitweise bis zu 20 Teilnehmerhatten <strong>und</strong> somit immer gut besucht wurden.So haben wir uns auch in den Medien, wie Fernsehen<strong>und</strong> Presse präsentiert. Inzwischen sind wir wie eineFamilie <strong>und</strong> haben auch private Kontakte.Unsere gemeinsamen Ziele waren <strong>und</strong> bleiben:– Die Verständigung zwischen homo- <strong>und</strong> heterosexuellenMitbürgern zu fördern.– Vorurteile (Homophobie) abzubauen <strong>und</strong> dieAkzeptanz zu fördern.– Für sich <strong>und</strong> für die betroffenen Frauen <strong>und</strong> MännerHomosexualität zu akzeptieren <strong>und</strong> beherzt offendamit umzugehen.– Die gesellschaftliche Anerkennung <strong>und</strong> die rechtlichenBedingungen unserer Töchter <strong>und</strong> Söhne zuverbessern.Gemeinsam mit dem Rat & Tat Zentrum haben wir unsan Aktionen für die rechtliche Gleichstellung fürLesben <strong>und</strong> Schwule in der Bremer Innenstadt beteiligt<strong>und</strong> gegen die homofeindliche Einstellung derOrganisatoren des Christivals drei Tage lang protestiert.Es war für uns eine Freude, zusammen mit densehr aktiven jungen Leuten, in der Öffentlichkeit präsentzu sein. Hier hatten wir viel Zuspruch aus der Bevölkerung,so dass es zu fruchtbaren Diskussionen kam.Mitglieder der Elterngruppe Bremen nahmen schonfrüh an überregionalen Treffen von Elterngruppenteil <strong>und</strong> waren aktiv bei der Gründung des B<strong>und</strong>esverbandesvon Eltern, Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> AngehörigenHomosexueller (BEFAH) im Jahre 1997 in Hamburg<strong>und</strong> Hannover. Hier wird b<strong>und</strong>esweit u.a. für eine politische<strong>und</strong> gesellschaftliche Anerkennung unsererlesbischen Töchter / unserer schwulen Söhne durchÜber-zeugungsarbeit gekämpft.Seit dieser Zeit haben wir die große Unterstützungdurch BEFAH schätzen gelernt <strong>und</strong> sind sehr dankbardafür.Hier beteiligen wir uns auch an den Kirchentagen,auf denen BEFAH präsent ist.Alle zwei Jahre findet ein B<strong>und</strong>eselterntreffen statt,bei dem es guter Brauch ist, dass die jeweilige B<strong>und</strong>esfamilienministerindabei ist oder die Schirmherrschaftübernimmt, bzw. ein Grußwort sendet.Lediglich Frau von der Leyen lehnte 1997, anlässlichdes 10jährigen Bestehens von BEFAH in Hamburg,beides ab <strong>und</strong> übernahm aber die Schirmherrschaftbeim Christival in Bremen, eine Vereinigung konservativerChristen, die Homosexuelle heilen wollen.Darüber waren wir sehr enttäuscht. BEFAH schickteihr daraufhin ein scharfes Protestschreiben. ZumB<strong>und</strong>eselterntreffen in Stuttgart sendete sie jedochein Grußwort.Um auch im regionalen Bereich mehr politischen Einflusszu bekommen sind wir Teilnehmer am Lesbisch-Schwulen-R<strong>und</strong>en-Tisch beim Senator für Arbeit, Frauen,Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> Soziales in Bremen beteiligt.Hier beteiligen wir uns im Rahmen des Landesarbeitskreisesfür Lesben <strong>und</strong> Schwulenpolitik an vielenAktivitäten wie Fragebogenaktionen, Filmreihen,Protestschreiben, Eingaben an die Bremische Bürgerschaftusw.Wir wünschen uns mehr Eltern von lesbischen Töchtern<strong>und</strong> schwulen Söhnen, die zu unseren regelmäßigenTreffen kommen. Die Probleme der Eltern bestehentrotz verbesserter rechtlichen Rahmenbedingungennämlich weiterhin <strong>und</strong> wir appellieren analle Betroffenen, sich beim Rat & Tat Zentrum zu melden.Anlässlich des 20jährigen Bestehens der ElterngruppeBremen gab Uschi Schulze ihr Amt als Gruppenleiterinan Werner Steinmeyer als Nachfolger ab.Am 09. März 2011 bekam sie für ihre lange ehrenamtlicheTätigkeit vom B<strong>und</strong>espräsidenten das B<strong>und</strong>esverdienstkreuzam Bande. Es wurde ihr in einerFeierst<strong>und</strong>e durch die amtierende Sozialsenatorin imRathaus überreicht. Wir sind alle sehr stolz! Es gibtnoch viel zu tun <strong>und</strong> wir machen weiter. Hier brauchenwir auch weiterhin die Medien für aufklärendeBerichterstattung.40 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 41


Berichte aus den ElterngruppenBerichte aus den ElterngruppenElterngruppe DresdenElterngruppe FreiburgDie Dresdner Elterngruppe besteht seit 2004 <strong>und</strong> hatgegenwärtig 26 aktive Mitglieder aus ganz Sachsen- Eltern von 2 lesbischen Töchtern, 11 schwulenSöhnen <strong>und</strong> 5 transidenten Töchtern <strong>und</strong> Söhnen.Neben der Gruppenarbeit bieten wir Telefonberatung,durch die im letzten Jahr in 6 Fällen Eltern beratenwerden konnten, die teilweise jetzt in der Gruppemitarbeiten. Mit einigen Eltern aus früheren Jahrenstehen wir noch in telefonischer Verbindung. Für dasJahr 2011 haben wir uns als Hauptaufgabe die Mitarbeitbeim 33.Evangelischen Kirchentag in Dresdengestellt. Dort werden wir u.a. am Stand des BEFAHauf dem Markt der Möglichkeiten vertreten sein. Imschwul – lesbischen Themenzentrum werden wir einenWorkshop zum Thema „Eltern von Transgendern“durchführen, an der Podiumsdiskussion „Coming outder Eltern“ teilnehmen <strong>und</strong> uns beim anschließendenWorkshop beteiligen. Selbstverständlich sind wir –wie fast jedes Jahr – auch auf dem CSD Straßenfestin Dresden mit einem Informationsstand präsent. Beiden monatlichen Elterntreffen, führen wir Gesprächeüber die Probleme <strong>und</strong> Erfahrungen der Mitglieder<strong>und</strong> einschlägige Themen aus Politik <strong>und</strong> Gesellschaft.Daneben steht 2011 unter Anderem auchein Gespräch mit einem älteren Mitglied des schwul- lesbisch - christlichem Stammtisch, ein Treffen mitDresdner Regenbogenfamilien, ein gemeinsamerFilmbesuch, eine Wanderung <strong>und</strong> ein Gartenfest aufdem Programm.Unsere Gruppe besteht aus sieben Eltern. UnsereTreffen finden nach Absprache Donnerstag in einemFreiburger Café <strong>und</strong> Sonntags in privater Atmosphärestatt. Reger Kontakt besteht mit der „Rosa Hilfe“ inFreiburg <strong>und</strong> den „Rainbowstars“ in Lörrach.AktionenApril 2010:CSD Lörrach mit 4000 MenschenInfostand der Gruppe mit Anneliese Körn-Scherb <strong>und</strong>Doris u. Konrad Eisele. Wir stellten die Elternarbeithier <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweit vor. Es ergaben sich viele interessanteGespräche <strong>und</strong> Kontakte. Auf der Hauptbühnesprach Doris über die Situation der Familie nachdem Outing.Juli 2010:Schwul-lesbische Jugendfilmtage.Das CineMax Kino Freiburg bot in Zusammenarbeitmit den Gruppen AidsHilfe, Pro Familia, Jugend- <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsamt, Elterngruppe (<strong>Befah</strong>) <strong>und</strong> Wildwasser2 Tage lang Filme für die Freiburger Schulenan. Judith Wallmann <strong>und</strong> Doris u. Konrad Eiseleübernahmen den gemeinsamen Beratungsstand fürdie Lehrkräfte.September 2010:Einladung zum Pressetermin der O-Gays e.V.OffenburgDer Film „Prayer for Bobby“ wurde von O-Gays alsKinofilm (Erstaufführung in Europa als Kinofilm) aufgeführt.Aus diesen Anlass gab es einen Presseterminmit Dr. R. Bauer <strong>und</strong> dem Ehepaar Eisele (für <strong>Befah</strong>).Frau Schirra aus Sinsheim übernahm den Infostandvor <strong>und</strong> nach der Veranstaltung.Rainbowstars e.V. Lörrach: Mit gut besuchten Infoabenden,Teilnahme am Sommerfest <strong>und</strong> bei Ihrer 10jährigen Jubiläumsfeier vertiefte sich der Kontakt mitder Jugendgruppe. Das Ehepaar Eisele erhielt einenEhrenpreis von den Rainbowstars für Ihre Arbeit mitder Gruppe.November 2010:Studientag an der Katholischen Akademie Freiburg.60 Pastoralreferenten/innen trafen sich zum Thema:„Den Menschen sehen. Seelsorge für homosexuelleMenschen“. Am Nachmittag gaben das EhepaarEisele einen Workshop als christliche Eltern über Ihreigenes Comingout <strong>und</strong> stellten Ihre Arbeit innerhalbder <strong>Befah</strong> vor. Viele Fragen der sehr interessiertenTeilnehmer (20) <strong>und</strong> der Wunsch nach weitererZusammenarbeit folgten.Dezember 2010:Onlinepresse „Fudder“ mit der Badischen Zeitung.Das Ehepaar Eisele gab ein Interview mit einerJournalistin des Jugendmagazins „Fudder“ über dasOuting, die Elterngruppe <strong>und</strong> <strong>Befah</strong>.Februar 2010:Landtagswahlveranstaltung der RainbowstarsLörrach.Auf Einladung der Rainbowstars e.V. trafen sichPolitiker im B<strong>und</strong>estag vertretener Parteien (0hneCDU, mit Piratenpartei) mit Vertretern der örtlichenHomosexuellengruppen <strong>und</strong> Elterngruppe von <strong>Befah</strong>.Nach der Vorstellung aller Politiker zur Situation<strong>und</strong> Rechte der homosexuellen Menschen in inBaden-Württemberg (z.B. eine Verpartnerung istwesentlich teurer als Heirat <strong>und</strong> findet nicht überallim Standesamt statt) gab es eine rege Diskussion mitden Teilnehmern. Mehrere Politiker suchten anschließenddas Gespräch mit uns.42 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 43


Berichte aus den ElterngruppenBerichte aus den ElterngruppenElterngruppe HamburgElterngruppe HannoverKontakt:Sabine & Hartmut FischerTelefon: 040 2788 7862Web: www.befah-hamburg.deEmail: befah-hamburg@t-online.deTreffen: Gruppentreffen monatlich Sonntags imMagnus-Hirschfeld-Zentrum (MHC) <strong>und</strong>auch monatlich mittwochs im Café inHamburgs Stadtmitte, offener Treff,Termine auf WebseiteDie GruppeEtwa 10 Eltern regelmäßig, plus ca.15 die, nur ab<strong>und</strong> zu dabei sind <strong>und</strong> auf dem e-Mail-Verteiler sind,zusätzlich zu einigen TelefonkontaktZieleErste Hilfe für neue Eltern, Rostocker Radio SenderLOHRO Öffentlichkeitsarbeit zwecks besserer WahrnehmungAktionen• April: Besuch am Tag der offenen Tür imJunglesbenzentrum Hamburg• 4. Mai: KZ Neuengamme: Kranzniederlegung durchSabine für die homosexuellen Opfer desNazi-Regimes.Anlass: 65. Jahrestag der Befreiung des KZ• 6. - 8. August: Christopher Street Day:Teilnahme an 3 Tagen mit eigenem Info-Stand durch Sabine, Margot, Gesine, Ursel<strong>und</strong> Brigitte aus der Elterngruppe Hamburg• Interview mit dem „Pink Channel Hamburg“(Audio Datei auf der Website)• September: Kontakt zum LI (Landesinstitut fürLehrerbildung <strong>und</strong> SchulentwicklungHamburg). Beitrag zur Erstellung vonUnterrichtsmaterial bzgl Homosexualität• November: Teilnahme am Regenbogenfamilientagim mhcAktivitäten, Kontakte, Vernetzungen<strong>und</strong> Projekte in 2010Wir versuchen in unserer Elterngruppe sowohl dieArbeit vor Ort als auch die Arbeit für den B<strong>und</strong>esverbandzu koordinieren, da in unserer Gruppe vierMitglieder dem <strong>Befah</strong>-Vorstand angehören <strong>und</strong> sechsweitere Beiratsmitglieder sind. Das erfordert ebenauch zusätzlichen Einsatz aller Gruppenmitglieder fürden B<strong>und</strong>esverband. Der Vorteil ist, alle bringen ihreIdeen <strong>und</strong> Erfahrungen ein, die der Vorstand für diegesamte Arbeit nutzen kann .So wurde auch die Entstehung des Programms fürdas BET 2011 in der hannoverschen Elterngruppemitentwickelt.Als Vertreter vom BEFAH e. V. an der offiziellenGedenkfeier anlässlich des 65. Jahrestages(18.04.2010) der Befreiung des Kriegsgefangenen<strong>und</strong>Konzentrationslagers Bergen-Belsen hat dieElterngruppe Hannover vor Ort einen BEFAH-Kranzfür die verfolgten Homosexuellen des NS-Regimesniedergelegt.Eltern aus der Gruppe gehen in Schulen (ProjektIlsede) <strong>und</strong> berichten über Homosexualität, sie begleiten<strong>und</strong> beraten Eltern, die den Weg zu BEFAHHannover finden.Mehrere Mitglieder der Elterngruppe waren auchbeim 2. Ökumenischer Kirchentag in München vom12.5. - 16.5.2010 aktiv beteiligt.Die Mitglieder der Elterngruppe haben beim Elternseminar„Mut haben - Mut machen!“ mit Hanna Legatis,NDR Hannover teilgenommen, waren aber auch beider Vorbereitung sowohl des Seminars als auch derMitgliederversammlung 2010 eingeb<strong>und</strong>en.Aktiv haben wir uns beim Fachtag „Bei uns dochnicht?! Homosexualität in der Arbeit mit Kindern<strong>und</strong> Jugendlichen“ am 14. Juni 2010 im NeuesRathaus Hannover mit einem Büchertisch beteiligt.Vorstandsmitglied Christa Bauer hat ein Impulsreferatgehalten.Weiterhin werden wir an den Treffen vom LSVD-Niedersachsen, vom Völklinger Kreis, der HUK Gruppe40plus <strong>und</strong> den anderen in Hannover aktiven Gruppenteilnehmen. Zeit für unsere persönlichen Gespräche,in denen die Sorge um die Zukunft unsererTöchter <strong>und</strong> Söhne im Vordergr<strong>und</strong> stehen, bleibt unsaber immer. Wir freuen uns, wenn wir Berichte übergelungenes schwules <strong>und</strong> lesbisches Leben hören, dawir ja auch wissen, wie schwer eine Identitätsfindungunserer Kinder war <strong>und</strong> ist.Wir pflegen unsere Gemeinschaft auch mit anderenAktivitäten, so ist ein gemeinsames Essen oder einGlas Bier in einem Lokal in der Altstadt ebenfallsBestandteil unserer Treffen <strong>und</strong> tut uns allen gut!Kontakt:Friedrich HimstedtTelefon: 0511 - 39 46 928Mail: befah.hannover@googlemail.comDie Elterngruppe trifft sich jeden ersten Samstag imMonat um 15.00 Uhr in den Räumen der HuK,Schuhstraße 4; HannoverWas läuft gut• Kontaktmanagement über unsere Website, E-Mail,BEFAH-Rufnummer, wer uns sucht findet uns• Kontakte <strong>und</strong> Unterstützung durch KISS• Relevante Hamburger Websites zeigen einen Linkzu www.befah-hamburg.de• Kontakt zum Lesbenzentrum im MHC• Förderung durch KISS (€650/a)• CSD-Teilnahme mit 5 Müttern an 3 Tagen hat vieleKontakte gebracht <strong>und</strong> uns sichtbar gemachtWas könnte noch verbessert werden• Aus dem mhc (Jung-Schwulen Zentrum) kommenso gut wie keine Kontakte• Sabine steht ziemlich alleine da, wenn es um Organisation<strong>und</strong> Initiative geht• Die Aktion S♂♀RUM (Homosexualität als Thema imSchulunterricht) wurde durch konservative Eltern<strong>und</strong> Beratungslehrer blockiert. Dadurch kommt dieaufklärende Information nicht in den Umlauf <strong>und</strong>alles bleibt beim Alten.Vertreter der Elterngruppe nehmen regelmäßig amR<strong>und</strong>en Tisch „Emanzipation <strong>und</strong> Akzeptanz vonLesben <strong>und</strong> Schwulen in der LandeshauptstadtHannover“ der Landeshauptstadt Hannover teil. Hierwerden unter anderem Themen wie „Homophobieim Sport“, „Pflegschaften, Stiefkindadoption <strong>und</strong>gemeinsame Adoption durch gleichgeschlechtlichePaare“ oder auch „Emanzipation <strong>und</strong> Akzeptanzvon Lesben <strong>und</strong> Schwulen in der LandeshauptstadtHannover“ behandelt.Die Elterngruppe ist auch im „AK gleichgeschlechtlicheBeziehungen“ der Landeshauptstadt Hannoververtreten. Der regelmäßig stattfindende Arbeitskreishat das Ziel, in Pflegeeinrichtungen, bei ambulantenPflegediensten, Trägern von Wohnprojekten, beiMitbewohnerinnen <strong>und</strong> Mitbewohnern <strong>und</strong> bei sexuellanders Orientierten ein verbessertes Verständnisfüreinander zu entwickeln, Vorbehalte aufzulösen<strong>und</strong> ein Bewusstwerden der vielfältigen Bedürfnissezur Thematik - <strong>Sexualität</strong> im Alter - zu fördern. Für2011 ist ein Word Café zur Ermittlung eins Bedarfszur Verbesserung der Lebenslagen älterer Schwuler<strong>und</strong> Lesben in der Landeshauptstadt Hannovervorgesehen.44 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 45


Berichte aus den ElterngruppenBerichte aus den ElterngruppenElterngruppe OWL(Ostwestfalen-Lippe)Elterngruppe StuttgartKontakt:0163-7778093, M.u.D. Kerkhoffe-mail: elterngruppe.GT@gmx.de0160-92605311, E. Zeileise-mail: elterngruppe.PB@web.deDie Elterngruppe OWL trifft sich jeden 2. Samstag imMonat um 15:30 Uhr im Gemeindezentrum Matthäus,Auf der Haar 64, 33332 Gütersloh.Motiviert durch das Elterntreffen 2001 startete EddaZeileis den Versuch, eine „Elterngruppe Paderborn“ins Leben zu rufen. Flyer wurden ausgelegt, Kontaktezu zahlreichen Institutionen (Kirche, Psychologen,Jugendorganisationen usw.) aufgenommen <strong>und</strong>monatlich Anzeigen geschaltet. Zweimal wurde einStand auf dem in Paderborns Stadtmitte veranstaltetenSelbsthilfetag aufgebaut, worüber auch in derLokalpresse berichtet wurde. Zu den Elterntreffen inden Räumen der evangelischen Studentengemeindekamen neben der Initiatorin mit Ehemann jedochhöchstens noch 2-3 Interessierte. Aufgr<strong>und</strong> dessentrennte man sich, die Treffen wurden eingestellt. DieTätigkeit der Elterngruppe beschränkte sich fortanauf Telefongespräche mit Ratsuchenden.Im Sommer 2008 ergriffen Marianne <strong>und</strong> DetlefKerkhoff aus Gütersloh eine neue Initiative. Dieoffizielle Gründung wurde im Beisein von Vorstandsmitgliederndes BEFAH am 05. September 2009 inGütersloh vorgenommen. Die neue Gruppe wollte vonAnfang an in einem größeren geografischen RaumBetroffene ansprechen <strong>und</strong> nannte sich deshalb„Elterngruppe OWL“, wobei OWL für die RegionOstwestfalen-Lippe steht. Die ev. Kirchengemeinde,zu der die Familie Kerkhoff gehört, stellte mitUnterstützung des sehr aufgeschlossenen Pfarrersrecht schnell dauerhaft einen Raum für die Elterntreffenzur Verfügung. Ein Zeitungsinterview derInitiatoren im überregionalen Teil der Lokalpresse inverschiedenen Zeitungen brachte eine erstaunlicheResonanz, so dass von Beginn an zwischen 8 <strong>und</strong> 15Teilnehmern zu den Elterntreffen kamen.Erstes Ziel der Elterngruppe OWL ist es, allen, dieeinen schwulen Sohn oder eine lesbische Tochterhaben, eine Anlaufstelle zu bieten, um gemeinsammit ihnen ins Gespräch zu kommen <strong>und</strong> etwaigeProbleme, Missverständnisse oder gr<strong>und</strong>sätzlicheFragen zu diskutieren. Sich gegenseitig stützen, dasist das eine Anliegen.Ein weiteres wichtiges Anliegen ist es, in derÖffentlichkeit dafür zu werben, dass aus Toleranzgegenüber Homosexualität Akzeptanz wird.Bereits kurz nach der Gründungsversammlungnahmen wir dann - gemeinsam mit Gudrun Held - aneinem 2-tägigen Forum der EKvW (EvangelischenKirche von Westfalen) zum Thema „Wir sind offen<strong>und</strong> einladend - Homosexualität als Prüfstein für dieKirche“ teil. Aus den USA berichtete der ConferenceMinister Stephen Gray über die Erfahrungen in derUCC. Es folgten Teilnahmen bei Regionaltreffender HuK Bielefeld <strong>und</strong> an einem Studientag derFachschaft Evangelische Theologie der Uni Münstermit dem Thema „Gay mit Gott - Homosexualität <strong>und</strong>Kirche“ zusammen mit dem damaligen Pressesprecherder HuK - Dr. Reinhold Weicker.Inzwischen hatte sich der Zusammenhalt in der Gruppeweiter gefestigt, so dass auch ein eigener Flyererstellt wurde. Beim CSD 2010 waren nun schon mehrEltern aus unserer Gruppe aktiv dabei. Im Herbst gabes weiteren Austausch <strong>und</strong> Gespräche mit verschiedenenGruppen im ostwestfälischen Raum - z.B.mit der Regionalgruppe OWL vom Völklinger Kreisoder eine Diskussion mit dem Gesprächskreis einerBielefelder Gemeinde zum Thema: „Homosexuelle<strong>und</strong> Kirche - (k)ein Problem für mich!?“Im Lokalsender Radio Bielefeld gab es einen Beitragmit Interview einer unserer Mütter am „InternationalenTag des Coming out“. Schwierig finden wir es,das Thema Homosexualität in die Schulen zu tragen.Daher begrüßen wir ganz besonders das SchLAu-Projekt in NRW, an dem sich nun auch engagierteJugendliche aus dem Raum Bielefeld beteiligen!Unsere Gruppe freut sich auf einen Austausch mitdem hiesigen Gemeindepfarrer, sowie auf den Besucheines schwulen Paares aus der Mindener Region, dasgern Kontakt mit uns aufnehmen möchte.Zudem laufen natürlich wieder die Vorbereitungenfür den diesjährigen Bielefelder CSD mit dem Motto„Geoutet“.Seit Sommer 2010 haben wir an folgenden Veranstaltungen<strong>und</strong> Begegnungen teilgenommen bzw.mitgewirkt:– CSD-Gala-Abend– Parade des CSD durch Stuttgart– Hocketse der Aidshilfe mit eigenem Stand– Sommerfest der Stuttgarter Elterngruppe– Selbsthilfegruppentreffen in Stuttgart– Podiumsdiskussion mit VHS-Tübingen– Treffen mit der Schüler- u. Jugendgruppe imSchwul-lesbischen Zentrum Weissenburg– Verleihung des „Rosa Detlef“ an unsere Gruppedurch die MCC-Kirche– Weihnachtsfeier der Aidshilfe - Infoabend mitPodiumsr<strong>und</strong>e der Aidshilfe– CSD-Neujahrsempfang - Aktionstag des LSVD inStuttgart– Treffen der Elterngruppe mit dem Völklinger Kreis .Bei jedem Treffen lernen wir neue Menschen kennen<strong>und</strong> knüpfen Kontakte für unsere Elterngruppe.So können wir in Schule, Gesellschaft <strong>und</strong> Kirchepräsent sein <strong>und</strong> uns einbringen. Interviews imStuttgarter Wochenblatt, GAB-Magazin, WürttembergischenGemeindeblatt <strong>und</strong> im Radio machen unsbekannt <strong>und</strong> informieren Leser <strong>und</strong> Interessierte.Durch diese Medien, aber auch durch unsere Flyer<strong>und</strong> die Homepage, finden die Menschen zu uns <strong>und</strong>suchen Hilfe bzw. bringen sich in unserer Gruppeein. Die Abende gestalten wir abwechslungsreich mitReferenten zu unterschiedlichen Themen, wobei auchdie persönlichen Gespräche nicht zu kurz kommen.Das Vernetzen unserer Gruppe mit den anderenentsprechenden Organisationen, die sich um dieschwul-lesbische Community bewegen, beschäftigtuns sehr. Durch unsere vielen Aktivitäten sind wirauf regelmäßige Spenden angewiesen. Wir bemühenuns in letzter Zeit verstärkt bei diversen Stellen <strong>und</strong>Stiftungen um finanzielle Unterstützung bei unsererwichtigen Arbeit.Kontakt:Kontakt: Loni Bonifert, Tel. 07156-25483,leitung@elterngruppe-stuttgart.de,www.elterngruppe-Stuttgart.deTreffen: Jeden 4. Freitag des Monats von 19:30 bis21:30 Uhr im KISS-ZentrumJeden 2. Donnerstag des Monats von 15:00-17:00 Uhrim Café Planie, StuttgartNoch vor der Gruppengründung hatten sich bereitsim Sommer 2009 einige der Eltern in Zusammenarbeitmit der Aidshilfe <strong>und</strong> dem Netzwerk L+S Gruppenin Bielefeld an der Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführungdes CSD beteiligt.So konnten erste Kontakte geknüpft <strong>und</strong> die Arbeitdes BEFAH sowie das Vorhaben der Elterngruppen-Gründung in OWL bekannt gemacht werden (Stand/Parade).46 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 47


Treue Gäste – Neue GästeGudrun RögnvaldardottirVorsitzende der isländischenPartnerorganisation FAS.Beatrice Ott <strong>und</strong> Brigitte Schenkervon unserer Partnerorganisation FELSin der SchweizTreue Gäste – Neue GästeInternethttp://www.gayice.is/gay-guide/organizations/68-fas(in isländischer Sprache)Kontaktmöglichkeit in deutscher <strong>und</strong> englischerSprache:http://www.gayice.is/gay-guide/organizations/68-fasDies war das dritte Mal, dass ich zum B<strong>und</strong>eselterntreffendabei gewesen bin. Wie immer habe ich michsehr willkommen gefühlt. Ich empfand ein Gefühl derZusammengehörigkeit. Ich weiß, dass ich bei denB<strong>und</strong>eselterntreffen unter Fre<strong>und</strong>en bin.In Island sind wir weiter vorangekommen als Ihrin Deutschland, was die Rechte von Homosexuellenangeht. Seit 1996 hatten wir die registriertePartnerschaft, <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Rechtewurden allmählich vergrößert (z.B. Adoption), bises eigentlich nur noch eine Formalität war, ein einheitlichesEhegesetz einzuführen. Im Mai 2010 wares dann soweit: ein neues Ehegesetz, gültig sowohlfür Homosexuelle als auch für Heterosexuelle, wurdeohne Gegenstimmen im Parlament angenommen<strong>und</strong> trat am 27. Juni 2010 in Kraft. Paare, die vorherin einer registrierten Partnerschaft lebten, könnenihre Partnerschaft in eine Ehe umregistrieren lassen.Eines der Paare, die dies am ersten Tag taten, warenunsere Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir<strong>und</strong> ihre Frau, die Autorin Jónína Leósdóttir.Beim BET ist mir besonders aufgefallen, welchstarken Einfluß die Kirche(n) in Deutschland aufdas Leben von Homosexuellen <strong>und</strong> deren Familienhaben. Alle Diskussionen, wo immer sie auchbeginnen, scheinen auf die Kirche zu zielen. Es istfür mich etwas merkwürdig, wahrscheinlich weil dieevangelische Kirche in Island (der 80-85% der Bevölkerungangehören) nicht so einflussreich ist, wederin der Politik noch im täglichen Leben. Trotzdem hatdie Kirche immer versucht, die Änderungen in derGesetzgebung zu verzögern - teilweise mit Erfolg,sonst hätten wir seit Jahren das einheitliche Ehegesetz- aber am Ende war der Wille der Politiker <strong>und</strong>der Bevölkerung eben stärker. Ich selbst bin 2007aus der evangelischen Kirche ausgetreten, wegenihrer Stellung gegenüber den Rechten homosexuellerMenschen.Ich war mit dem Hotel sehr zufrieden, <strong>und</strong> Berlin istja eine schöne <strong>und</strong> interessante Stadt.Für das nächste BET wäre es schön, wenn es gelingenwürde, einflussreiche Politiker einzuladen, für eineernsthafte Diskussion über die notwendigen gesetzlichenÄnderungen, damit Homosexuelle die gleichenMenschenrechte bekommen wie Heterosexuelle.(gesendet am 24.04.2011)Beatrice Ott von unserer Partnerorganisation FELS inder Schweiz besuchte das BET zum ersten Mal.Mein Gesamteindruck vom BET ist top: sehr interessanteVorträge, ein dichtes Programm, hervorragendeOrganisation, eine ausgezeichnete Küche <strong>und</strong>FLOTTE MENSCHEN!Besonders gut gefallen hat mir der Freitag-Abend.Die Geschichte von <strong>und</strong> die Begegnung mit MarcusUrban hat mich sehr berührt. SICHTBAR MACHEN istauch mein „Zauberwort“: sich persönlich hinstellen,den Menschen hallo sagen, wir sind hier, es gibt uns<strong>und</strong> wir sind genau so normal wie ihr …„Tatum Tatum Crack“ war urkomisch <strong>und</strong> es tat vonHerzen gut, Tränen lachen zu können. Humor istwichtig, danke, gab es Platz dafür.Am meisten gefallen haben mir die persönlichenBegegnungen – das Bücher lesen kann sie nicht ersetzen!Gleichgesinnte, flotte Eltern aus Deutschlandkennen zu lernen machte mich richtig glücklich. Siehaben mich sehr herzlich empfangen, wir hattenwertvolle Gespräche <strong>und</strong> am Samstag-Abend führtenuns zwei Elternpaare auf einem kleinen Spaziergang„um die Häuserblöcke“, sodass ich einen erstenEindruck von Berlin erhielt.Weniger gut gefallen hat mir meine Konzentrationsfähigkeit<strong>und</strong> Aufmerksamkeitsdauer vor allem amSamstag. Ohne Notizen ist mir von diesen Vorträgenwenig geblieben.Das Hotel war für mich lokal sehr gut gelegen. DieMenschen an der Rezeption <strong>und</strong> im Service zeigtensich sehr zuvorkommend <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich, was ich sehrschätzte. Mein Zimmer war so weit ok; aber in diesemZimmer wurde offensichtlich geraucht, was michetwas störte (es war durchaus auszuhalten, andersdas Zimmer meiner Kollegin!).Der Sitzungsraum ließ (zu) wenig Tageslicht herein<strong>und</strong> die Klimaanlage ließ mich hin <strong>und</strong> wiederfrösteln. Für das nächste BET wünsche ich mir mehrGelegenheit zum persönlichen Austausch unter denAngehörigen, beispielsweise in kleinen Auflockerungsübungenzwischen den Referaten.Die Tagung hat mich, wie schon vor zwei Jahren inStuttgart sehr beeindruckt. Vor allem der Kontaktzu den Eltern mit gleichgeschlechtlich liebendenKindern gibt mir immer wieder sehr viel. Auch dieVerb<strong>und</strong>enheit, dass wir uns alle für die gleichenZiele einsetzen, gibt Kraft zum Weitermachen.Der Kontakt zu den Referenten <strong>und</strong> Teilnehmern warsehr interessant <strong>und</strong> gab Anregungen, um andereMethoden <strong>und</strong> Wege zu probieren.Die Referate waren spannend <strong>und</strong> eindrücklich, fürmich nur etwas zu gedrängt. Die Konzentration liessvor allem am SA merklich nach. Zwischendurch maleine längere Pause, um frische Luft zu tanken, wäresicher sinnvoll. Das Podiumsgespräch am SO war sehrlebendig <strong>und</strong> auffrischend.Vielen Dank an die befah für die Einladung, wir kommengerne wieder. Unterdessen verbindet uns bereitseine Fre<strong>und</strong>schaft.Brigitte Schenker-RietmannBeatrice Ott (links) <strong>und</strong> Brigitte Schenker (rechts)Internethttp://www.fels-eltern.chICH BIN NACHHALTIG FROH, DABEI GEWESEN ZU SEINUND DANKE NOCH EINMAL GANZ GANZ HERZLICH FÜRDIE EINLADUNG!!!Beatrice Ott48 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 49


Treue Gäste – Neue GästeAnhangUta Marziano aus ItalienLiebe sehr geehrte Frau Held,mit Freude denke ich an die erfolgreichen Tage inBerlin. Es tat gut, dabei zu sein.Noch ein großes Danke an Sie <strong>und</strong> Ihre Mitarbeiter.Schöne Ostertage mit viel Sonnenschein wünscht IhnenUta Marziano aus ItalienElisabeth Müller-Heck,Senatsverwaltung für Bildung,Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung, Berlin:Sehr geehrte Frau Held,herzlichen Dank auch von meiner Seite. Mich hat IhrEngagement <strong>und</strong> das der anderen Beteiligten sehrbeeindruckt. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft<strong>und</strong> Energie die begonnene Arbeit fort zu setzen.Mit fre<strong>und</strong>lichen GrüßenElisabeth Müller-HeckKirstin Fussan,Senatsverwaltung für Bildung,Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung, Berlin:Liebe Frau Held,vielen Dank für die „Blumen“. Es hat mir auch wirklichSpaß gemacht <strong>und</strong> die Teilnehmenden im Plenum musstennicht aufgefordert werden, sondern haben schönmitgedacht <strong>und</strong> mitgemacht, da fällt eine Moderationleicht.Wenn Sie wieder mal Bedarf haben, immer gerne.Liebe GrüßeK. Fussan50 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 51


AnhangAnhangKlaus <strong>und</strong> Wolfgang KöhnDorle JohannsenKlaus <strong>und</strong> Wolfgang Köhn, langjährige Mitstreiter fürdie Rechte von Eltern, Fre<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> Angehörigen vonHomosexuellen, meldeten sich ebenfalls per E-Mail:Guten Tag, liebe Mitstreiter,nun ist es mittlerweile schon Donnerstag, dochdie Podiumsdiskusion geht uns einfach nicht ausdem Kopf. Fast jeden Tag sprechen wir über den„Bildungsminister“ der EKD <strong>und</strong> stellen erneut fest,dass sich seit den achtziger Jahren nichts geänderthat. Manfred Bruns hat sich bei der Expertenanhörungzum ELEP im Jahr 2000 von einem GöttingerProfessor immer noch die Krankheitslehre anhörenmüssen. Dabei ist er dann aus der Haut gefahren <strong>und</strong>hat ihn zusammen gestaucht. Am letzten Sonntagwurde nun erneut die Ehe <strong>und</strong> Familie hervorgehoben<strong>und</strong> die Notwendigkeit der Fortpflanzung unterstrichen.Vielleicht merken diese Redner gar nicht, wassie den Familien <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en von Homosexuellendamit antun.Diese totale Ausgrenzung ist doch sicherlich gewollt.Unser Fazit kann nun nur lauten: Veränderungensind nur politisch möglich. Der Kampf innerhalb derKirchen bleibt weiterhin sinnlos. Auf ein Nischendaseinin einigen „schönen“ Gemeinden könnenWolfgang <strong>und</strong> ich gern verzichten.Liebe Grüße aus Hornbostelvon Wolfgang <strong>und</strong> KlausLiebe Gudrun,voll mit positiven <strong>und</strong> bewegenden Eindrücken nach2 „Wohlfühl“ -Tagen <strong>Befah</strong>-Elterntreffen in Berlinmöchte ich dem Vorstand, den Mitgliedern, den Referenten<strong>und</strong> auch den Geldgebern von Herzen danken.Immer wieder bew<strong>und</strong>ere ich, wie viel der Vorstand<strong>und</strong> die Elternvertreter in den Elterngruppen <strong>und</strong>nicht zuletzt die Eltern selbst getan <strong>und</strong> geleistethaben <strong>und</strong> mit welchem Elan weitergearbeitet wird.Die diesjährigen Referate beim Treffen in Berlin warenpräzise, sachorientiert <strong>und</strong> äußerst informativ.Einige Aussagen haben mich dazu angeregt, meineeigenen Denkweisen zu überprüfen. Die kirchlichenThemen schienen besonders viele Teilnehmerinteressiert zu haben. Sie wurden <strong>und</strong> konntenaus Zeitgründen <strong>und</strong> wegen der Thematik nicht zueinem befriedigenden Abschluss gebracht werden.Gerade bei diesem Thema kamen die Emotionen aberbesonders hoch.Schwierig war es für mich dieses Mal, mehr Kontaktzu anderen Eltern <strong>und</strong> Elternteilen zu bekommen.Vielleicht könnte man das noch etwas mehrsteuern. Für eine der nächsten Veranstaltungenwären Themen zu Regenbogenfamilien mit all ihrenAuswirkungen für mich sehr wichtig. Interessant <strong>und</strong>anregend wäre auch ein Überblick über die positivenEntwicklungen der Anerkennung <strong>und</strong> Akzeptanz vonHomosexuellen.Ganz fest habe ich vor, beim nächsten Mal wiederdabei zu sein. Darauf freue ich mich schon heute!Vielen Dank <strong>und</strong> viele Grüße an alle <strong>und</strong> besondersan DichDeine Dorle52 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 53


AnhangAnhangFazit zumB<strong>und</strong>eseltern-TreffenRenate LöhrImpressionen vomB<strong>und</strong>eseltern-TreffenRenate LöhrIch habe viel dazu gelernt über– die historische Entwicklung der Definition, des Umgangs,der Einordnung von <strong>Sexualität</strong> im Allgemeinen<strong>und</strong> von Homosexualität im Besonderen im Kontextanthropologisch-theologischer Erkenntnisse– die Entwicklung kirchlich-theologischer Festschreibungenvor allem in der römisch-katholischenKirche, die Homosexualität als Sünde definiert,wobei sie unterscheidet zwischen homosexuellerDisposition <strong>und</strong> homosexueller Handlung. Diegroßen institutionalisierten Kirchen bewegen sichnicht, außer auf massiven Druck von außen– die Auswirkungen der Tabuisierung des gesamtensexuellen Bereichs <strong>und</strong> der daraus sich ergebendenAusgrenzung von Homosexualität auf die Ges<strong>und</strong>heitdes Einzelnen <strong>und</strong> auf die Volksges<strong>und</strong>heit(Aids, Geschlechtskrankheiten)– Ausgrenzung <strong>und</strong> Diskriminierung als Arbeitsfelderder Erziehungswissenschaften (Pädagogik), indenen die Diskriminierung von Homosexuellenpädagogisch-methodisch zu bearbeiten ist– konkrete Projekte zur Veränderung der Gr<strong>und</strong>einstellungin Kindertagesstätten, Schulen <strong>und</strong>Erwachsenenbildungseinrichtungen in einigenB<strong>und</strong>esländern, wie z.B. NRW <strong>und</strong> Berlin. Es istmehr als gar nichts, aber weniger als alles. Immerhinein Anfang nach dem Motto: ‚Steter Tropfenhöhlt den Stein’– über das Ziel einer Bewusstseinsänderung derGesamtgesellschaft hin zur bedingungslosen Akzeptanzvon Homosexualität, das am Horizont auftaucht,das aber noch einen langen Entwicklungsprozessfordert– über die Tatsache, dass Tabuisierung <strong>und</strong> Diskriminierungzumindest seit Mitte des 19.Jh. sich nichteinfach vom Tisch wischen lassen, sondern dieBemühungen <strong>und</strong> die Visionen hin zu einer offenen,freiheitlichen Zukunft für jedermann <strong>und</strong>jedefrau begleitenWer die Vergangenheit nicht kennt, kann dieZukunft nicht neu gestalten.Was ich in Erinnerung behalten möchte aus demDazwischen.Die Äpfel:Im Foyer des Hotels Sylter Hof lagen sie auf einem silbernenTablett. In 6 Reihen jeweils 8 Äpfel, rotgelb.Wer die Treppe benutzte <strong>und</strong> nicht den Fahrstuhl, liefdirekt auf sie zu. Der Spiegel an der Wand verdoppelteden Eindruck. Eine Dekoration wie ein saftigesSommerensemble. Zum Reinbeißen? Ich habe michgescheut, davon zu nehmen, obwohl Äpfel meinLieblingsobst sind. Das Bild wäre zerstört worden.Lieber auf den Apfel verzichten. Manchmal schien es,als hätte ein Gast nicht widerstehen können. Kurzdarauf war die leere Stelle wieder aufgefüllt. Es warein Stimmungsbild voller Schönheit, Gleichmaß <strong>und</strong>Ruhe, mit Geschmack angeordnet. Ich spürte dasSüßsaure der Früchte auf meiner Zunge, ohne sie zuprobieren. Mitten in dem Kommen <strong>und</strong> Gehen derMenschen mit ihren Koffern voller Geschäftigkeit <strong>und</strong>Business-Gewichtigkeit lag etwas vom Geschmackdes Lebens – einfach so da. Äpfel – an sich nichtsBesonderes <strong>und</strong> doch sehr besonders. LebendigesLeben!! Ich dachte: Dieses Hotel weiß viel vom Leben<strong>und</strong> vom Lebensstil.Die Frau an der Rezeption:Im Laufe der drei Tage wechselten die Angestelltenan der Rezeption. Eine von ihnen hat mir ihr Gesichthinter lassen. Sie lächelte schon von weitem, alsich durch die Eingangstür schritt. Sie lächelte so,als kennte sie mich längst. Sie lächelte so, als hättesie mich schon seit langem erwartet – mit Freudeerwartet. Sie lächelte so, als wären wir alte Vertrauteauf einem Wiedersehensfest. Ich war berührt vondiesem persönlichen Willkommen. Sie regelte dieAnmeldeformalitäten korrekt <strong>und</strong> doch so nebenbei,als wären sie nebensächlich, als wäre nur die Begegnungentscheidend. Sich wie Zuhause fühlen – in derlandläufigen Werbung eine Banalität – wurde durchihre zugewandte Art plötzlich zu einer beglückendenWahrheit. Wann auch immer ich mich in den folgenden3 Tagen bewegte in der Hotelhalle, sie nicktemir aufmunternd zu, grüßte mit meinem Namen <strong>und</strong>machte den Eindruck, als kennte sie meine Wünsche<strong>und</strong> Fragen, noch bevor ich sie ausgesprochen hatte.Sie gab der Durchgangsstation einer großen Hotelhallein einer Großstadt ein menschliches Gesicht.Der großräumige Speisesaal:Es lag diese unverwechselbare Freude an einerguten Mahlzeit mit vielen Fre<strong>und</strong>en/innen in derLuft. Dieser Duft von Freude – wie riecht eigentlichFreude? – vermischte sich mit den typischen Gerüchenvon Gebratenem, Gedünstetem, von frischemGemüse <strong>und</strong> Suppen <strong>und</strong> Nachspeisencremes, vonEspresso <strong>und</strong> Wein <strong>und</strong> Bier <strong>und</strong> Wasser – wie riechteigentlich Wasser? – <strong>und</strong> den Parfums <strong>und</strong> AfterShaves der Gesellschaft. Heiter waren sie alle. Soals fielen zunächst die Anstrengungen des Zuhörens<strong>und</strong> des Mitdenkens <strong>und</strong> Begreifens von ihnen ab.So als hätten sie jetzt frei – Denkpause, Hörpause,Verstehenspause. Essens-Lust-Pause!! Und das,was sich auf den lang gestreckten Buffet-Tischenanbot, weckte in seiner farbig-bunten Vielfalt alleGeschmacksnerven. Und war, wie man so sagt, eineAugenweide. Wie schön, dass gemeinsam zu Tischsitzen einfach beglückend sein kann! Und dabei auchnoch satt macht!Der große Fernsehbildschirm auf dem Flur vor demHörsaal:Er war in den Pausen umlagert. Der Fukushima-Bildschirm!Die grau-schwarzen Explosionsgeschehnissein den Atomreaktoren in Japan trugen das Entsetzen<strong>und</strong> die Furcht in die Tagung. Plötzlich bestimmteein grausames Thema die Gefühle der Menschen mit.Jeder/jede wollte wissen, wie es weiter gehen würde<strong>und</strong> weiter geht. Bis heute wissen wir es nicht. Washaben Atomexplosionen <strong>und</strong> unser <strong>Sexualität</strong>-Themamiteinander zu tun? In Berlin trafen sie aufeinander.Draußen Fukushima, drinnen <strong>Sexualität</strong>. Dazwischendie Tagungsteilnehmer/innen mit ihren Sorgenum ihre schwulen Kinder <strong>und</strong> Enkel <strong>und</strong> mit ihrenÄngsten um die Kinder <strong>und</strong> Enkel der ganzen Welt.So finden wir uns vor: Im Dazwischen! Ein Mutmach-Bonbon des Referenten Chmielorz nahm für einenMoment den Furchtgeschmack – nicht den Fruchtgeschmack- aus dem Herzen.Die Autorin ist Mitglied im Beirat des BEFAH e.V54 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 55


AnhangAnhangVerleihung desB<strong>und</strong>esverdienstkreuzes anUrsula Schulze, Bremen 09. März 2011Wiedergabe der Rede der Vorsitzenden Gudrun Heldzur Verleihung des B<strong>und</strong>esverdienstkreuzes an UrsulaSchulze, Bremen 09. März 2011Sehr geehrte Frau Senatorin Rosenkötter,Liebe Ursula Schulze,liebe Mitfeiernde!Auf, lasst uns nach Bremen gehen!Das habe ich heute Morgen mit großer Freude <strong>und</strong>Spannung getan. Der B<strong>und</strong>esvorstand der Eltern,Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Angehörigen von Homosexuellen freutsich mit Dir, liebe Ursula, über diese öffentlicheWürdigung Deiner Arbeit, <strong>und</strong> wir gratulieren Dirganz herzlich dazu!Und ein bisschen stolz sind wir auch, dass Du zu unsgehörst!Dein Einsatz für die Akzeptanz von schwul-lesbischemLeben ist in der „Belle Etage“ der Gesellschaft angekommen.Wie konnte es dazu kommen?Bremen – da denke ich natürlich sofort an die BremerStadtmusikanten, die mir auf dem Marktplatz hier,<strong>und</strong> auf Postkarten <strong>und</strong> Werbeplakaten begegnen.Sie gehören zu Bremen – <strong>und</strong> sie gehören zu Dir,liebe Ursula Schulze <strong>und</strong> Du gehörst zu den BremerStadtmusikanten. Viel habt ihr gemeinsam.Vier Tiere – ein Esel, ein H<strong>und</strong>, eine Katze <strong>und</strong> einHahn – ziehen hier eines Tages in Bremen ein.So berichtet das Märchen.Kein Rudel marschiert hier auf, bei dem alle gleichaussehen <strong>und</strong> von der gleichen Art sind, alle dasselbedenken, fressen <strong>und</strong> tun. Eher sind es vier Individualisten.Was aber verbindet die Vier? Warum schließensie sich zusammen, diese vier Tiere, die sich docheigentlich gar nicht aufs Fell <strong>und</strong> auf die Federngucken mögen?Der Esel, der H<strong>und</strong>, die Katze <strong>und</strong> der Hahn, sie habenalle das gleiche Urteil gehört. Ein Urteil verbindet sie.Das Urteil lautet: du bist nichts WertDu leistest nichts <strong>und</strong> trägst nichts zur Produktivitätbei. Du bist nicht so, wie wir das wünschen. Dich könnenwir nicht brauchen. Tod dem, der nichts leistet!Tod dem, der nicht unseren Vorstellungen entspricht!Und hier kommst Du, liebe Ursula, in die Geschichte.Als Dein Sohn sich vor über 20 Jahren outete, dakanntest Du das jahrh<strong>und</strong>ertealte Urteil der Heterogesellschaft:Schwule <strong>und</strong> Lesben dürfen nicht sein!Die sind nicht Gottgewollt, die bringen der Gesellschaftkeine Kinder ein. Die sind anders als wir.Die wollen wir nicht! Die sind pervers.Tod dem, der nichts leistet für die Gesellschaft!Tod dem, der anders ist als wir.Die Hetero-Gesellschaft, zu der wir ja auch gehören,bestimmt, wie Liebe, Verantwortung <strong>und</strong> <strong>Sexualität</strong>gelebt werden muss. Im Jahr 1989 gab es in unseremLand noch immer den § 175.Und Deine <strong>und</strong> meine Generation steht ja noch –zumindest mit einem Fuß – im Dritten Reich. Wirwissen um die unsägliche Verfolgung <strong>und</strong> den Mordan Menschen, die anders liebten als die Mehrheit.Da zieht sich eine Blutspur bis in unsere Tage. Auchwenn heute nicht mehr das Leben von Lesben <strong>und</strong>Schwulen ganz direkt – zumindest von Staatswegengefährdet ist.Worte <strong>und</strong> Schweigen können ebenso verletzen <strong>und</strong>töten.Das Urteil aus den Rathäusern damals lautete: diekommen nicht in unsere Standesämter!Unsere Türen bleiben zu. Und aus den Kirchentürenhallte es: die sollen draußen bleiben.Unseren Segen kriegen die nicht!Wie die Tiere im Märchen hast Du dies Urteil nichtgelten lassen. Du hast Dich nicht den Wertvorstellungender herrschenden Meinung gebeugt.Da trautest Du eher dem Märchenruf:„Etwas Besseres als den Tod findest Du überall.Auf, lasst uns nach Bremen gehen“Aber das ist ja zuerst einmal ein sehr einsamer Moment.Und ein sehr einsamer Weg. Das ist ein immenserKampf mit sich selbst. Und es bedarf großen Mut,dem eigenen Urteil, der eigenen Liebe zu seinemKind Recht zu geben <strong>und</strong> sich nicht der herrschendenMeinung in Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft unter zu ordnen.Welch eine Kraft in Dir!Die Tiere im Märchen brechen nach dem Urteilspruchauf <strong>und</strong> brechen aus.Und – sie suchen <strong>und</strong> finden einander. Der Esel,der H<strong>und</strong>, die Katze <strong>und</strong> der Hahn, die ziehen nichttraurig <strong>und</strong> allein durch die Welt. Hätten sie dasgetan, sie stünden ganz sicher heute nicht auf demMarktplatz hier.„Etwas Bessres als den Tod findest du überall.Auf, lasst uns nach Bremen gehen!“Mit diesem Ruf machen sie sich gemeinsam auf denWeg. Sie krallen sich aneinander fest, verbinden <strong>und</strong>verbünden sich gegen den Rest der Welt.Und die, die angeblich nichts leisten, entziehen sichmit Witz <strong>und</strong> unter Einsatz der je eigenen Begabungenden vielfältigen Gefahren, die unterwegs auf sielauern.Begabungen, die ihre Besitzer nicht gelten ließen,von denen sie nicht einmal etwas wissen wollten.Diese Begabungen erweisen sich mit einem Mal alsLeben rettend.Es muss mehr geben für mein Kind! Davon warst Duüberzeugt. In dieser Welt muss Platz <strong>und</strong> Raum seinfür die Vielfalt, auch der Liebe.Und so hast auch Du nach anderen „Tieren“ – nachanderen Menschen Ausschau gehalten.Wo sind die, die sich nicht dem Diktat der Mehrheits-Gesellschaft beugen?Und Du hast Menschen gef<strong>und</strong>en, denen es genausoging wie Dir. Unermüdlich bist Du durch die Landegezogen. Hast andere Mütter <strong>und</strong> Väter gef<strong>und</strong>en,die erst mal über Schwule <strong>und</strong> Lesben überhauptetwas wissen wollten. Und die dann mit dir für Akzeptanz<strong>und</strong> Wertschätzung für schwule <strong>und</strong> lesbischeMenschen sich einsetzten.Das war ein steiniger <strong>und</strong> dorniger Weg, damals 1989– das Partnerschaftsgesetz war noch 12 Jahre entfernt.Die Diskussion über die gleichgeschlechtliche Liebemusste ja überhaupt erst einmal beginnen.Und Sprache musste gef<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> dann auchnoch über die eigenen Lippen kommen.Die Tiere im Märchen sind gegen das Urteil, das übersie gesprochen wurde, aufgestanden. Sie stellen sichsogar aufeinander – also ganz großer Aufstand.So aufständig sind sie hier in Bremen angekommen.Und sofort fangen sie laut an zu singen. Das wargewiss keine Arie oder eine schöne Melodie.Ihr Schreien, Bellen, Miauen <strong>und</strong> Krähen verbindetsich zu einem Lebensgesang gegen das Todeslied!Und dieser Lebensgesang soll gehört werden.Den schreien sie den Menschen in die Ohren.Das hast Du mit den Tieren gemeinsam: Du bisthörbar geworden. Gegen das Todeslied der Hetero-Gesellschaft hast Du ein Lebenslied angestimmt.Akzeptanz <strong>und</strong> Wertschätzung für unsere Kinder!Und Du bist gehört worden.Gott sei Dank!Zuerst hier im Rat <strong>und</strong> Tat-Zentrum. Da habt Ihroffene Ohren <strong>und</strong> eine Anlaufstelle gef<strong>und</strong>en.Dann bist Du unermüdlich nach Nord <strong>und</strong> Süd <strong>und</strong>Ost <strong>und</strong> West gereist <strong>und</strong> hast Dich für andere Mütter<strong>und</strong> Väter, die auch gerade vom Coming-out ihrerKinder erfahren haben, zum Gespräch zur Verfügunggestellt. Und immer wieder für Akzeptanz <strong>und</strong> Wertschätzungauch für diese Liebesart geworben.Und auch wir Eltern haben uns wie die BremerStadtmusikanten aneinander festgehalten. Habenuns Verbündete in der Politik <strong>und</strong> der Kirche gesucht.Gemeinsam sind wir stärker <strong>und</strong> können standfestergegen das Urteil der Hetero-Gesellschaft auftreten.Du hast dafür geworben, die sich gründenden Elterngruppenin den verschiedenen Städten zu vernetzen<strong>und</strong> auch auf Deine Iniative hin wurde 1997 inHamburg der B<strong>und</strong>esverband gegründet.Immer noch müssen wir schreien <strong>und</strong> bellen <strong>und</strong>krähen, damit es uns Hetero-Menschen in den Ohrengellt: Ihr seid nicht allein auf der Welt! Ihr habtschwule <strong>und</strong> lesbische Geschwister.Wir haben von Dir <strong>und</strong> mit Dir gelernt, liebe Uschi,dass es sich lohnt, aufzubrechen, den Aufstand zuwagen.Etwas Besseres als den Tod findest Du überall.Auf, lasst uns nach Bremen gehen!Eine kleine, persönliche Geschichte, soll sichtbarmachen, wie auch durch Deinen Einsatz das Leben fürSchwule <strong>und</strong> Lesben sich hier in Bremen veränderthat.Mein schwuler Sohn, er wollte evangelischer Pastorwerden, hat 2003 hier in der Bremischen Kirche Asylgef<strong>und</strong>en. Denn in der Hannoverschen Kirche, ausder er kam, hätte er nur sehr versteckt leben können.Und das wollte er nicht.Auch er hat sich aufgemacht nach Bremen.Seit vier Jahren ist er Pastor einer Gemeinde <strong>und</strong>wohnt seitdem mit seinem Partner im Pfarrhaus.Und am 1. Juli werden die Beiden hier im Rathaus<strong>und</strong> dann in seiner Kirche getraut werden.Hättest Du das 1989 für möglich gehalten?Hab Dank für Deinen Einsatz!Du hast Menschen verändert.Und dadurch haben Menschen Lebensraum gewonnen.Du hast gegen das Todeslied ein Lebenslied angestimmt.Und wir werden es weiter singen, schreien <strong>und</strong> in dieWelt krähen – solange es nötig ist!56 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 57


KulturprogrammKulturprogrammTatum Tatum Crack– Valter Rado <strong>und</strong> Tim von KietzellEingeteilt in verschiedene Raum-Segmente durftendie Zuschauer abschließend nach einer Übungsphasesich mit erotisch klingenden Geräuschen beteiligen,die von „Ahhh“, „Ohhh“ <strong>und</strong> „Ü“ bis zu einemlustvollen „Meeehr“ reichten. Das Publikum danktemit rauschendem Applaus. Dafür eine Bildfolge zurErinnerung mit einigen Titeln, die jeder für sich nocheinmal zuordnen kann, um sich den schönen Abendin Erinnerung zu rufen.Titel einiger Szenen–Liebe macht blind– Er liebt mich, er liebt mich nicht– Vielleicht bist Du meine Prinzessin– Liebesblitzschlag– Einsamkeit– Lora, ich liebe dich– Videogame love– Wir kommen zusammmen– Frigide Zeiten– Was kostet mich deine Liebe– Ich liebe dich Dolly– 1.April 2038– Perversion– die paradiesische OrgieWeiterführender Link:www.valter-rado.deEine Bühne fanden die Künstler im Hotel Sylter Hofnicht vor, dafür ein erwartungsvolles, aufgeschlossenes,begeisterungsfähiges Publikum. Und allenmachte das Spiel in einfacher Kulisse sichtlichenSpaß. Es lachte über Amors Pfeil, der die Richtungverfehlte, den verzweifelten Liebhaber, der mitder Anzahl der Blütenblätter des GänseblümchensZählprobleme hatte. Auch die Verwendung vonM<strong>und</strong>spray beim Kuss des Froschkönigs machteaus diesem keine Prinzessin. Das Thema „Tierliebe“erfuhr noch eine Steigerung: ein Papagei musstefür jedes Körnchen, das er von Herrchen bekommt,„Ich liebe Dich“ krächzen – bis es dem Vogel zu buntwurde, <strong>und</strong> er den Spieß einfach umdrehte.Herkömmliche Bilder <strong>und</strong> Metaphern der Liebe vonersten zarten Annäherungsversuchen bis hin zu Lust<strong>und</strong> Leidenschaft, Langeweile <strong>und</strong> Letzter Liebe wurdenganz neu <strong>und</strong> ungewöhnlich interpretiert. Fürfast schon überkochende Stimmung im Saal sorgtedie Szene mit Dolly, einer aufblasbaren Liebesdienerin(Rado), die im entscheidenden Moment Luft lässt.(Das Kulturprogramm wurde vom BMFSFJ nicht alsförderfähig anerkannt <strong>und</strong> allein vom BEFAH e.V.finanziert)58 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 59


Impressionen aus BerlinImpressionen aus Berlin60 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 61


BEFAH - ElterngruppenOrt Ansprechpartner/In TelefonBremen Werner Steinmeyer 0421 - 58 04 51Ursula Schulze 04202 - 28 79Dortm<strong>und</strong> Isolde Braun 0231 - 71 12 08Dresden Holger Klotzsche 0351 - 830 23 69Freiburg Doris Eisele 07631 - 59 19Judith Wallmann 07644 - 89 52Gütersloh* Marianne <strong>und</strong> Detlef Kerkhoff 0163 - 777 80 93Hamburg Sabine Fischer 040 - 27 88 78 62Hannover Friedrich Himstedt 0511 - 39 46 928Lorsch Gabriele u. Willibald Schütz 06251 - 52 94 9München Angelika Mayer-Rutz 07931 - 45 93 7Nürnberg Inge Breuling 0911 - 59 14 15Paderborn* Edda Zeileis 0160 - 92605311Stuttgart Loni Bonifert 07156 - 25483Würzburg Angelika Mayer-Rutz 07931 - 45 93 7Raum Nordheide Margot Hübenthal 04184 - 1431Soltau-Fallingbostel Ursula <strong>und</strong> Wolfgang Bunk 05192 - 6666/6665* Gütersloh <strong>und</strong> Paderborn haben sich zusammengeschlossen zur Elterngruppe OWL (Ost-Westfalen-Lippe)62 BET-Reader 2011BET-Reader 2011 63

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