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SFT 5/84 - Science Fiction Times

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6<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong>denkbar, daß die Zeit nicht kontinuierlichverläuft, sondern diskret, daß es alsonicht mehr teilbare kleinste Zeiteinheitengibt, Zeit-Quanten gewissermaßen. ImRahmen eines solchen Modells wäre derregressus ad infinitum abgeblockt: Achilleskönnte die Schildkröte einholen, derWettlauf käme in abzählbarer Zeit zueinem Ende. Die erlebte Kontinuität derEreignisse widerspricht übrigens nichteiner solchen Vorstellung einer körnigenZeit, erleben wir doch auch die diskretenBilderfolgen eines Zeichentrickfilms alskontinuierliche Bewegung.Die erlebte Kontinuität könnte einTäuschungsphänomen sein, bedingtdurch das begrenzte Auflösungsvermögenunserer Sinnesorgane. (Bezeichnenderweiseverfügen wir nicht über einenpräzisen Zeitsinn, sondern nur über eineher vages Zeitgefühl.) Und dennoch,was für eine Vorstellung: das von Zustandzu Zustand weiterrückende Universum!Es zeigt sich, daß nicht alles, was manmit Zahlen machen kann, in der Natureine Entsprechung haben muß. LEM hatdie Mathematik einmal mit einem wahnsinnigenSchneider verglichen, der allemöglichen Kleider in den absonderlichstenFormen näht, ohne sich zu fragen,ob es jemanden gibt, dem diese Kleiderpassen. In seinem Lagerhaus könntenwir Kleider finden für Kraken, für Bäume,für Schmetterlinge oder Menschen,ja selbst für Zentauren oder Einhörner.Für die überwältigende Mehrheit derKleider bestünde jedoch überhaupt keineVerwendung. Genauso, sagt LEM, gehtdie Mathematik vor. Sie baut Strukturen,exakte Modelle, ohne daß der Mathematikerweiß, von was es Modelle sind.Die Wissenschaftler durchstöbern diesenVorrat an „leeren Kleidern“ in der Hoffnung,„ein Stückehen Welt“ zu finden, zudem diese leere Konstruktion paßt. Dabeibesteht jedoch .die Gefahr, daß gelegentlichEigenschaften des Modells fürsolche der Welt gehalten werden, eineGefahr, der ZENON erlegen ist.Es ist jedoch nach wie vor ein etwasvereinfachtes Modell im Umlauf, dessenSuggestivkraft weit größer ist, da esnicht zu beobachtbaren Ereignissen inWiderspruch steht. Im Rahmen dieserVorstellung wird die Zeit betrachtet alseine Art „mathematischer Doppelgänger“der Zahlenreihe. So wie die Reiheder Zahlen ins Unendliche fortgesetztwerden kann, erstreckt sich die Reihe derZeiten in die Ewigkeit. Man könnte dieVermutung dagegensetzen, daß es in derWirklichkeit nichts gibt, das der unendlichenReihe der Zahlen entspricht. EinEnde der Zeiten ist allerdings so wenigvorstellbar, wie ein Ende der Zahlen.Das muß nicht das letzte Wort sein.Wenn der aus 1001 Witzen bekannteSchlaflose das probate Hausmittel desSchafezählens anwendet, haben solchevorgestellten Schafe die unbezahlbareEigenschaft, beliebig vermehrbar zusein. Der Prozeß des Abzählens imaginärerSchafe kann (theoretisch!) so langefortgesetzt werden, wie die Reihe derZahlen – unendlich. (Man stelle sich dasvor: in einer mentalen Hölle ein Sisyphosdes Kopfes zu einer solchen Aufgabeverdammt!) Nun darf man jedoch nichtvon der unendlichen Zahl vorstellbarerSchafe auf das Vorhandensein unendlichvieler wirklicher Schafe schließen. Mitder vorgestellten und der realen Zeitkönnte es sich genauso verhalten.Und die Ewigkeit? – Die wäre dannnicht aus Zeit gemacht, sondern aus derAbwesenheit von Zeit. Man könnte denAusspruch PLATONs, die Zeit sei einbewegliches Abbild der Ewigkeit, umkehrenzu der Vermutung, die Ewigkeitsei ein starres Abbild der Zeit, ein Film,der stehengeblieben ist wie eine abgelaufeneUhr. Wir kennen eine solchegespenstische · Szene aus dem Dornröschenschloßder Brüder GRIMM, wodem Koch die ohrfeigenschwere Handin der Luft erstarrt. (Daß mir gerade diesesBild von allen am eindringlichstenim Gedächtnis haftet, mag daran liegen,daß diese Szene die größte aggressiveDynamik reflektiert.) Wie gesagt, einegespenstische und absurde Vorstellung,dieses erstarrte Universum, dieses gigantischeMuseum aller wirklichenDinge, das keiner mehr besucht.Wahrscheinlicher, wenn auch vomästhetischen Standpunkt sehr viel wenigerreizvoll, als dieser „Zeit-Tod“ istder dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamikabgefolgerte Wärme-Toddes Universums. Die Zeit endet mitdem Zerfall aller Formen, mit dem Stillstandaller Bewegung. Die Ewigkeit indieser Sichtweise wäre das unveränderlicheChaos, das genaue Gegenbild zuPLATONs unveränderlicher Ordnung.In dieser Version läuft die Zeit jedochGefahr, ihrer geheimnisvollen Autonomieberaubt und zu einem bloßen Epiphänomenanderer Vorgänge degradiertzu werden. BORGES würde das nichtmögen.NEU im CORIAN-VERLAG, dem Fachverlag für phantastische Literatur!BIBLIOGRAPHIE DER UTOPISCH-PHANTASTISCHEN LITERATUR 19<strong>84</strong>292 Seiten. DM 25,00. ISBN 3- 89048-304-6Alle im Jahr 19<strong>84</strong> im deutschsprachigen Raum erschienenen phantastischenTitel: Romane, Collections, Anthologien, Stories.Autor enalphabetische Erfassung.Neu in dieser Ausgabe: Bibliographie der in den Jahren 1983 und 19<strong>84</strong> erschienenenSekundärliteratur zur phantastischen Literatur (zusammengestelltvon Walter Udo Everlien).Weiterhin lieferbar:BIBLIOGRAPHIE DER UTOPISCH-PHANTASTISCHEN LITERATUR 1983112 Seiten. DM 12,00. ISBN 3-89048-303-8CORIAN-VERLAG Heinrich Wimmer, Postfach 11 69, D-8901 Meitingen

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