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Theatertext - Koscher?!

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Alles <strong>Koscher</strong>!?Ein Stück über jüdischeSchicksale in RegensburgEntwickelt von Dr. Peter Spateneder und derTheater-AG der Realschule am JudensteinLiebe und Judentum in Regensburg – darum dreht sichalles im Stück „Alles <strong>Koscher</strong>!?“ Anna liebt Marek - aberliebt Ulrich Sarah? Beider Paare Schicksale sind sounterschiedlich und sich doch ganz ähnlich. Eingebettetin die jüdische Geschichte von Regensburg entfaltensich die Schicksale der Liebenden in manchmaltragischen, manchmal komödiantischen Szenen. Immerwieder werden historische Quellen in das Stückeingeflochten. So erhellen sich die großen jüdischenTragödien aus der Geschichte unserer Stadt gleichsamwie zwei „aufeinander gerichtete Scheinwerfer.“ Liebeund Judentum in Regensburg – Alles <strong>Koscher</strong>?!Alle Rechte am Text bleiben der Theatergruppe vertreten durch Dr.Peter Spateneder vorbehalten.


VorwortDieses Stück ist eine Eigenproduktion. Es entstand wie so oftbei gelungenen Projekten in der Schule aus einemschöpferischen Miteinander von Schülern und ihrer Lehrkraft.Das grobe Handlungsgerüst habe ich vor etwa einem Jahrentwickelt, die Schüler haben dieses Gerüst dann mit Textengefüllt. Dazu wurden sie in den Proben mit szenischenVorgaben konfrontiert, auf die sie durch Improvisationenreagieren mussten. So entstanden lebendige und originäreTexte zu den jeweiligen Szenen (Ausnahme war eineLiebesszene, die sich an Texte aus dem Hohelied anlehnt). Einganzes Jahr, unzählige Nachmittage und viele Samstag undSonntage haben Schüler und Lehrkräfte geopfert, um diesesStück zu entwickeln.Was Sie im Stück lesen können ist keine reine Erfindung,sondern in vielen Teilen historisch belegt. Grundlage desSchauspiels waren historische Quellen zur jüdischen Geschichteaus dem Mittelalter und Quellen aus dem Nationalsozialismus.Wir haben diese Quellen im Staatsarchiv in Amberg, imStadtarchiv Regensburg, im Archiv des Jüdischen Museums inBerlin und in Quelleneditionen gefunden. Einige der Quellenwerden im Stück von den Schauspielern auch vorgelesen. Oftaber waren die Quellen auch nur Ausgangspunkt für szenischeVorgaben. Erfunden sind natürlich die einzelnenPersönlichkeiten sowie die Liebesgeschichte, Namen und Orte.Das Tatsachengerüst der Ereignisse in Regensburg aber ist imKern historisch.Dr. Peter Spateneder für die Theater AGRegensburg im November 2011


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJDie Rollen des StücksZum Verständnis:Das Schauspiel verwebt gleichsam drei unterschiedliche Stücke ineinander:Zum einen geht es um eine fiktive Theatergruppe der Realschule amJudenstein bei den Proben (=Stück 1), die ein Theaterstück über dieReichspogromnacht in Regensburg 1938 aufführen will (=Stück 2). Paralleldazu entfaltet sich zunächst auf einer Nebenbühne ein dritterHandlungsstrang, der den Weg zur Vertreibung der jüdischen Gemeindeaus Regensburg im Jahre 1519 zum Inhalt hat (=Stück 3). Diese dreiHandlungsstränge werden auf der Hauptbühne zusammengeführt.


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJDas Regieteam der Schüler-TheatergruppeKonstanzeAlexSchülerin und die Regisseurin des Stücks über diePogromnacht 1938Schüler und Regieassistenz des Stücks über diePogromnacht 1938, trittauch als Nazi auf, ist sehr besserwisserischSchauspieler der Schüler-TheatergruppeAnnaLennyKimMarekJuliaMariaSchülerin, die die Jüdin Eva im Jahre 1938 spielt, liebtMarekSchüler, der den Juden Adam im Jahre 1938 spieltSchülerin, die die Jüdin Rebekka im Jahre 1938 spieltSchüler, der den Nazi Wilhelm im Jahre 1938 spielt,liebt AnnaSchülerin, die die Nazi-Frau Freya im Jahre 1938 spieltSchülerin, die die Nazi-Frau Edda im Jahre 1938 spieltTechniker der Schüler-TheatergruppeRüdigerThomasSchüler, der sich um den Ton und dieBühnenausstattung kümmertSchüler, der sich um die Beleuchtung kümmert5


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJSzenenfolge1. Probe und Exposition der Handlung „Probe zu 1938 an der RsaJ“ in derTheaterpause2. 1519: Ulrich arbeitet als Handwerker im Hause Aarons, erste Annäherungzwischen Ulrich und Sarah3. 1938: Szene I der Reichspogromnacht: Die Brandis werden nachts aus ihrerWohnung gerissen, ihre Wohnung wird geplündert, Herr Brandis verschleppt4. 1519: Christen lauern Aaron auf, er wird verletzt zu Hause von Judith versorgt5. 1938: Szene II der Reichspogromnacht: Die Ereignisse in der NSKK-Motorsportschule in Regensburg bis zum „Schandmarsch“ durch die Stadt6. Zwischenspiel vor dem Vorhang: Gespräch zwischen Anna und Marek undgleichzeitig Übertritt der Schauspieler von der Nebenbühne (1519) in dieGegenwart der Proben zum Stück über 19387. Die Menschen aus dem Mittelalter beginnen, den Schülern der Theatergruppeihre Geschichte vorzuspielen, sie zeigen zunächst eine Liebesszene zwischen Sarahund Ulrich an der Donau8. Die Menschen aus dem Mittelalter zeigen den Schülern der Theatergruppe, wieLinhard und Wolfgang versuchen, Aaron wegen Sarahs Verhältnis mit einemChristen zu erpressen9. Weil ihr Plan misslungen ist, verbreiten Linhard und Wolfgang Lügen über dieJuden unter den Regensburgern und hetzen sie zum Pogrom von 1519 auf10. Aufgestachelte Regensburger Handwerker erscheinen vor dem Stadtrat undverlangen die Vertreibung der Juden11. Die Juden werden aus Regensburg vertrieben, Sarah wird 1519 vom Moberschlagen, aber das Paar Anna und Marek in der Gegenwart wird gerettet.8


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ1. Probe und Exposition der Handlung „Probe zu 1938 an der RsaJ“ in derTheaterpauseAuf der Bühne dunkles, blaues Licht, der geschundene Lenny wird von Marekund Julia – beide in Nazikostümen – auf die Bühne geschleift und fällt auf dieKnie. Marek zückt seine Pistole, geht mit schweren Tritten langsam auf Lennyzu, er hält ihm die Pistole an die Stirn …. als plötzlich eine Durchsage desSchulleiters die Szene unterbricht, das Spiellicht geht an, alle sind genervt vonder Unterbrechung, wir waren Zeuge einer Theaterprobe ...DurchsageAlleJuliaAlexThomasAlleKonstanzeJuliaKonstanzeJuliaLenny Abedini bitte sofort ins Rektorat kommen!Ohhh, man.Das ist so ein Scheiß.(geht an den Bühnenrand vor und ruft zum Techniker)Thomas! Jetzt mach das Licht wieder an!Ja, ja!(das Bühnenlicht geht an) Danke, Thomas!(springt energisch bis affektiert auf die Bühne) Ah, dasgibt es doch nicht! Jetzt war einmal diese Leidenschaft(macht eine passende Bewegung) und dieses Gefühl daund dann das hier! Womit habe ich, als talentierteRegisseurin, das nur verdient? (geht auf Marek zu) Du,dein fieser Charakter, das war so echt, das warfantastisch! Und dann diese Störung! Die Welt ist gegenmich! (setzt sich und beginnt still vor sich hin zujammern)Und jetzt sagt sie gleich: „Ich dreh nochmal durch!“9


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJwieder ab der Szene mit dem Durchladen an! (siehtAnna und Marek, die sich in der Zwischenzeit etwaszurückgezogen haben und schmusen, sie beginnt zuschreien) Und geknutscht wird hier nicht!Oooh! Unser neues Liebespaar, was?Haha.Gut, dann kommt nochmal alle her! (alle gehen sehr nahan Konstanze) Doch nicht so nah! Ich brauche nochmeine künstlerische Freiheit! Also, wir beginnennochmal mit dem Durchladen! Stellt euch alle auf eurePositionen! Und attention, concentration und action!(auf Französisch, wie Konstanze ganz generell mitaffektiertem französischen Akzent sprechen könnte)Alle bis auf Julia, Marek und Lenny ab, erneut blauesLicht, Marek zielt wieder auf Lenny, dann aber Black undUmbaumusik. Hier wie bei jeder der folgendenUmbaupausen bietet sich harter Hip-Hop an.13


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ2. 1519: Ulrich arbeitet als Handwerker im Hause Aarons, erste Annäherungzwischen Ulrich und SarahAuf einer Nebenbühne sind Aaron, Judith und Sarah. Judith kocht, Aaron und Saraham Tisch. Ulrich repariert den Fußboden im Zimmer und flirtet heimlich mit Sarah,bis Aaron die beiden bemerkt und Ulrich verschmitzt zum Tisch bittet.AaronUlrichAaronUlrichAaronJudithSarahAaronJudithUlrichJudithJudithUlrich? Willst du dich nicht zu uns setzen?Ich? Aber ich bin doch ein Christ und ihr seid Juden.Juden und Christen an einem Tisch?Ach was … in diesem Haus ist immer ein Platz frei. Egalob du Jude oder Christ bis, schau, da neben Sarah istnoch ein Platz frei. In diesem Haus sind wir eine Familie.(Ulrich setzt sich neben Sarah zu Aaron an den Tisch,Judith ist entsetzt, sie verteilt zornig das Essen an ihreFamilie, gibt aber Ulrich nichts)Danke.Danke.Bitteschön.Dankeschön.Und Ulrich? Der hat noch nichts bekommen!(geht zu Ulrich hin und klatscht ihm das Essen auf denTeller)Danke…Bitte.(kann nicht mehr an sich halten) Das, das geht nicht. Dasist noch nie gut gegangen. Juden und Christen an einem14


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJTisch?AaronJudithAaronJudithAaronJudithAaron(ist die Ruhe selbst) Ach was. Lass sie doch, wenn esihnen gefällt. Und außerdem ist Ulrich doch ein ganznetter Kerl!Pff… Ulrich ein netter Kerl…Ja! (geht zu einer mit milchiger Folie bespannten Wand,die von hinten warm beleuchtet wird und auf der einigezentrale Zitate aus dem Hohelied und aus den Psalmenstehen und zeigt Judith eines der Zitate), Schau hier:Stark wie der Tod ist die Liebe! Ihre Gluten sindFeuergluten, gewaltige Flammen! Auch mächtigeWasser können die Liebe nicht löschen! (setzt sichwieder hin) Und außerdem wohnen wir schon seit 700Jahren hier in Regensburg!700 Jahre? Ein einziges schlechtes Jahr reicht und unsergeht es genauso wie unseren Brüdern in Passau,Straubing oder sogar wie in Nürnberg! Dort wurden siealle verbrannt!Judith, du bist einfach eine totale Schwarzseherin.Vertrau doch einfach mal auf die Liebe. Sie wird dasschon richten. Was ist schon dabei, wenn sich diebeiden gern haben?Deine Liebe macht dich blind. Siehst du nicht dieZeichen der Zeit? Siehst du nicht, wie uns die Christenimmer mehr zusetzen? Wie der Hass immer größerwird?Ach. Weißt du was, ich erzähl dir einfach mal was (Aaronhat einen ganzen Schatz alter Dokumente aus der15


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJjüdischen Geschichte Regensburgs vor sich auf demTisch, in diesen kramt er und sucht das richtigeDokument, endlich findet er die Quelle, welche dieRintfleischpogrome behandeln). Weißt du noch, dertotal verrückte Rintfleisch von 1298. Der hat ungefähr5000 Juden hier in der Oberpfalz umgebracht. Überalldurfte der Juden ermorden, keiner hat was dagegengemacht – und in Regensburg, die haben ihn einfachnicht rein gelassen, die haben uns Juden in der Stadtgeschützt!Aaron schleicht auf die Hauptbühne und stellt sich aufdas Quellenpodest, von dort liest er die Quelle vonEberhart von Regensburg (vgl. Anhang) ein, in der dieserdie Regensburger Haltung zu Rintfleisch 1298 schildert.Er ist dabei nicht in der Rolle! Alles anderen sind derweilim Freeze, Licht aus und Spot auf Aaron. VomQuellenpodest aus dürfen jeweils nur zwei bis drei Sätzegesagt werden, um die Spannung aufrecht zu halten.Unter Umständen ist es sinnvoll, wenn sich die Schülerauf dem Podest ganz knapp mit ihrem echten Namenvorstellen, um die Spielsituation vollständig zu brechen.Diese Hinweise gelten auch für die anderen Szenen aufdem Quellenpodest. Damit das Konzept aufgeht, ist esaußerdem sehr wichtig, dass die Quellen richtig zitiertwerden, die Schauspieler/Schüler also ganz genauangeben, um welches Dokument es sich handelt, auswelcher Zeit es stammt und am besten auch noch, wo es16


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJzu finden ist.→ Einlesen der QuelleNachdem Aaron die Quelle vorgestellt hat, geht erwieder auf die Nebenbühne. Das Licht geht wieder anund die Spielszene geht weiter wie zuvor.Schau, die Regensburger lassen uns nicht im Stich.Damals nicht und heute auch nicht!JudithAaronJudithAber … die Stadt hat sich verändert, siehst du denn dasnicht? Letztes Jahr wurden wir sogar wegenHostienfrevels angeklagt. Angeblich hätten wir Hostiengefoltert, so ein Schwachsinn – aber die Leute glaubendas.Und? Wurden wir verurteilt? Nein! Wir sindRegensburger Bürger! Wir gehören einfach zu dieserStadt!So? Und warum haben dann die Steinmetze eineJudensau in den Dom geschlagen, warum darf man unsim Fasching bei der Judenhatz fangen und schlagen,warum (Judith nimmt eine weiteres Dokument aus demStapel vor Aaron) dürfen wir bei Christen kein Brot mehrkaufen?(Judith schleicht auf die Hauptbühne und stellt sich aufdas Quellenpodest, von dort liest sie die Quelle zurJudenhatz ein. Sie ist dabei nicht in der Rolle! Allesanderen sind im Freeze, Licht aus und Spot auf Judith.)17


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ→ Einlesen der Quelle(Judith schleicht sich zurück auf die Nebenbühne undbedrängt Aaron) So steht es in den Ratsprotokollen derStadt Regensburg im Jahre 1510. Wenn wirdazugehören, warum gibt es dann so etwas wie diesesJudenfangen und Judenschlagen an Fastnacht? Sag mir,warum?AaronJudithUlrichJaa. Es stimmt schon, die letzten Jahre waren auch nichtleicht. Alles scheint gegen uns zu sein, (fasst wiederneuen Mut, hält ein neues Dokument hoch) aber habendie Regensburger etwa zugelassen, dass uns dieKreuzritter umbringen, wie in Speier und Worms? Nein,haben sie nicht. Auch da haben sie uns geschützt! Undals die Pest war, da haben uns die Regensburger auchbeschützt, ja Regensburg hat damals sogar jüdischeFlüchtlinge aufgenommen. Wir sind RegensburgerBürger und wir gehören hierher. Und damit basta. Undwenn Sarah einen Christen liebt, dann werde ich ihr dasbestimmt nicht ausreden.Aber Aaron, das ist doch schon zig Jahre her! Wir lebenjetzt im Jahre 1519!(Ulrich ist verstört, er bekommt Angst und geht wiederan seine Arbeit) Aber habt ihr denn keine Angst, dassman euch allen mal an den Kragen will? Ich meine, dieLeute reden viel in letzter Zeit und sie haben immerweniger Geld im Säckel. Natürlich brauchen sie auch18


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJjemanden, der Schuld daran ist, dass es ihnen soschlecht geht …Black19


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ3. 1938: Szene I der Reichspogromnacht: Die Brandis werden nachts aus ihrerWohnung gerissen, ihre Wohnung wird geplündert, Herr Brandis verschlepptAlex und dieSchauspielerdieser SzeneAnna als EvaAlex informiert die Schauspieler, die auf der Bühnewarten, über die Szene aus der Reichspogromnacht, dieim Anschluss geprobt werden soll. Er teilt die Rollen ein(Also du spielst …) und erklärt die Charaktere. Dannskizziert er die Szenerie dieser Nacht:Es ist der 9. November 1938, eine saukalte Nacht, kurznach Mitternacht. Auf den Straßen in Regensburgherrscht der Terror der Nazis. Die Juden verstecken sichin ihren Häusern, sie rufen bei der Polizei an, flehen umSchutz, die Regensburger Polizei sagt nur, sie kann danichts machen …Wir sind in der Maximilianstraße vor dem Haus derFamilie Brandis, Vater Brandis und die beidenBrandiskinder, alles ist still, die Brandis haben sich inihrem Haus versteckt und haben Angst. Wird man auchsie aus ihren Häusern zerren? Werden auch sieverhaftet werden? Werden auch sie weggebrachtwerden? In die Stille hinein, dann euer Auftritt … und …Black!Anna geht auf das Quellenpodest, von dort liest sie dasFernschreiben von Reinhard Heydrich zurReichspogromnacht 1938 ein. Sie ist dabei nicht in derRolle! Alles anderen sind im Freeze, Licht aus und Spotauf Julia.20


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ→ Einlesen der QuelleEin kaltes, blaues Licht geht rechts vom Haus der Brandisan. Im Haus der Brandis links warmes Spiellicht! Julia,jetzt als Eva, hält Kim im Arm, man erkennt die Angst imHaus Brandis …Kim als RebekkaAnna als EvaRebekkaEvaLenny als AdamMarke als WilhelmEvaEvaRebekkaJulia als FreyaMarek als WilhelmMaria als EddaJulia als FreyaEddaMir ist so kalt.Das wird schon wieder. Alles wird wieder gut.Aber mir ist so kalt.Alles wird wieder gut. Oder?Was? Ja... ja, ganz bestimmt dafür werde ich sorgen.Hier sind wir sicher. (er beobachtet die Straße)(Aus dem Off kommen Stimmen und Geräusche, plötzlichschreit jemand böse) Los, komm raus! (verzweifelteSchreie aus dem Off)(kuschelt sich weiter an Julia und umarmt sie) Und wennsie uns finden?Das werden sie ganz bestimmt nicht.Und wenn doch?(Julia tritt als Freya auf und geht herrisch über dieMaxstraße) Wilhelm, Edda!(Marek tritt als Wilhelm auf, er läuft übereifrig zu Juliaund salutiert, Maria, die als Edda auftritt, kommtgelassen auf die Bühne und grüßt ebenfalls soldatisch)Hast du da nicht was vergessen, Edda?(geht zur Mauer im Hintergrund und beschmiert sie mitroter Farbe mit einem Judenstern und Parolen wie„Juden raus“)21


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJFreyaWilhelmFreyaWilhelmAdamEvaAdamWilhelmAdamWilhelmAdamIst das nicht das Haus der Brandis?(nickt dämlich)Du weißt, was du zu tun hast, Wilhelm!Hey, kommt raus!Nein, verschwindet!Na los! Raus jetzt!Nein! Sonst ruf ich die Polizei!Na ruf doch!Jetzt komm endlich raus.Nein, warum sollte ich?(tritt die Brandistür ein)(tritt ihm wütend entgegen und schubst Marek auf denBoden) Verschwindet. Was wollt ihr hier? Wir sindDeutsche, verstanden! Mein Vater hat für Deutschlandim ersten Weltkrieg gekämpft! Lenny geht auf dasQuellenpodest, von dort liest er die Quelle vonBinswanger ein. Er ist dabei nicht in der Rolle! Allesanderen sind im Freeze, Licht aus und Spot auf Lenny.→ Einlesen der QuelleMein Großvater hat einen Orden für dieses Landbekommen. Also verschwindet! (Lenny bedroht Marekam Boden)EddaWilhelm(Edda wirft Lenny zu Boden, dreht ihm den Arm um undschleift ihn mit)(beritt die Brandiswohnung und beginnt sie zuplündern). Nur Müll hier drinnen ... Ah, den Schmuck22


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJhier kann man vielleicht noch verkaufen.EvaWilhelmEvaWilhelmRebekkaAlexEddaLass das! Lass unsere Sachen in Ruhe!(Marek schubst Anna zu Boden, und schreit sie an)Wenn ich dich noch einmal erwische, dann kommst duins KZ, verstanden? (Marek plündert weiter, irgendwannhält Anna es nicht mehr aus und stürzt auf Marek zu)Hau ab! Verschwinde! Lass uns in Ruhe!(Marek packt Anna an den Haaren und wirft sie brutalzu Boden, sie bleibt liegen) Hab ich dir nicht gesagt,dass…(Die kleine Rebekka geht in der Zwischenzeit an denBühnenrand und fleht das Publikum an) Seht ihr nicht,was sie mit uns machen!? Das könnt ihr nicht machen!Helft uns doch! HELFT UNS DOCH! Warum helft ihr unsnicht...?(steht zwischen Bühne und Zuschauerraum und redetauf das Publikum ein) Bitte nicht helfen, das ist nur einTheaterstück .Edda geht auf das Quellenpodest, von dort liest sie dieQuelle aus dem Reichsgesetzblatt ein. Sie ist dabei nichtin der Rolle! Alles anderen sind im Freeze, Licht aus undSpot auf Edda.→ Quelle einlesenJulia(Lichtwechsel, die Probe ist vorbei, die Nazis und Judengehen aus ihren Rollen und es herrscht das üblicheChaos einer Probe im Schülertheater. Vorne an der23


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJBühne kauert immer noch Anna, sie weint immer noch,obwohl die Szene schon vorbei ist)Wow, Leute, wir haben das heute aber echt gutgemacht. Keiner hat uns gestört.KonstanzeAlexKimJuliaMarekAnnaSuuuper, die Spannung war echt toll, so vollerLeidenschaft.(geht auf Anna zu) Vor allem du! Du hast es richtig tollgespielt! (Alex entdeckt die weinende Anna) Aber...aberAnna … du weinst ja noch, was ist denn los?(läuft zu Anna) Hey Was ist denn los?(läuft auch zu Anna) Warum weinst du denn?(Marek kommt und kapiert wieder mal gar nichts, er istnoch ganz berauscht von seinem Auftritt als NaziWilhelm) Hey, Anna, was ist denn mit dir los, das wardoch ein Super-Szene (macht nach, wie er Anna zuBoden wirft und spielt sich selbst) Ich pack dich und werfdich und dann: Ab ins KZ!(schreit Marek an) Marek, du bist so ein Arschloch, duhast mir so wehgetan!Black24


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ4. 1519: Christen lauern Aaron auf, er wird verletzt und zu Hause von JudithversorgtJudith sitzt zusammen mit Sarah friedlich zu Hause und näht, als plötzlich aus demHintergrund Aaron mit einer Platzwunde schwankend zur Bühne kommt.Judith:Aaron:Judith:Aaron:JudithAaronJudith:Aaron:Oh Gott, Aaron, was ist denn mit dir passiert? Setz dichhin, Sarah hol einen Eimer und frische Lappen! Schnell!Beeil dich!(Judith beginnt Aarons Wunde zu versorgen) Früher …uns Regensburger …Jetzt halt doch mal still, Mensch.Wir sind Regensburger. Haben wir nicht ganz normal mitihnen zusammengelebt, sie hier und wir in derJudenstadt? Sind ihre Kranken nicht auch zu unserenÄrzten gekommen, haben unsere Hebammen nicht auchihre Kinder zur Welt gebracht …. so ein Pack … diesesPack!(versorgt weiter seine Verletzung) Sag schon, was istdenn passiert?So ein Haufen Christen, die haben mir aufgelauert unddu weißt doch, was die immer behaupten haben: Ichhätte ein Christenkind gestohlen, um es zu töten, ich,Aaron, hätte ein Kind getötet … die spinnen doch. Dukennst ja all die alten Lügen über uns.(versorgt weiter seine Verletzung) Hör auf dich zubewegen.Dann habe ich ihnen gesagt, dass sie sich zum Teufelscheren sollen und dann sind die über mich hergefallen,25


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJals wären sie völlig irre. Ich kann von Glück sagen, dassich noch am Leben bin.Judith:AaronJetzt halt doch endlich still, ich muss die Wundeauswaschen.(Aaron gerät immer mehr in Rage) Aber, na wartet,denen werd ichs zeigen, wollen doch mal sehen, obRecht und Gesetz noch etwas gilt in dieser Stadt,schließlich haben auch wir Juden Rechte.Aaron schleicht sich auf die Hauptbühne und stellt sichauf das Quellenpodest, von dort liest er die RegensburgerSchutzurkunde ein. Er ist dabei nicht in der Rolle! Allesanderen sind im Freeze, Licht aus und Spot auf Aaron.→ Einlesen der QuelleJudith:Aaron:Judith ahnt schlimmes Unheil auf sie zukommen, sie hältAaron für leichtfertig und verantwortungslos. Währendsie spricht sieht man hinter den Transparentwänden dieSilhouette von Ulrich auftauchen, er hört alles. Was hastdu vor? Du willst dich mit den Christen anlegen, denHohen Rat von Regensburg einschalten? Das wird unsKopf und Kragen kosten. Du bringst uns alle in Gefahr!Bist du verrückt? Ich bin doch nicht schuld! Die habenangefangen, mich zu schlagen! Mich! Aber denen werdeich es schon noch zeigen (geht zur beschriebenenTrennwand und zeigt auf eines der Zitate) Blitze, Feuer26


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJund Schwefel wird der Herr über die Gottlosen regnenlassen!Judith:Aaron:Aaron, ich warne dich, hör auf mit dem Feuer zu spielen!(geht ebenfalls zur beschriebenen Trennwand und zeigteine weiteres Zitat) „Die Gottlosen ziehen das Schwert,dass sie fällen den Armen und schlachten denFrommen!“Und reicht es nicht, dass du Sarah und den Christenzusammen sein lässt!(in diesem Moment erscheint Ulrich auf der Bühne)Ulrich! ... Solange es noch so feine Menschen wie Ulrichin der Stadt gibt, ist man in Regensburg auf alle Fällesicher. (Ulrich tritt zögernd einen Schritt zurück, wendetsich um und flieht) Ulrich …27


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ5. 1938: Szene II der Reichspogromnacht: Die Ereignisse in der NSKK-Motorsportschule in Regensburg bis zum „Schandmarsch“ durch die StadtAlex und dieSchauspielerdieser SzeneAlex informiert die Schauspieler, die auf der Bühnewarten, über die bevorstehende Szene in derMotorsportschule. Er teilt die Rollen ein (also Du spielst…) und erklärt die Charaktere. Dann skizziert er dieSzenerie dieses Morgens nach dem 9. November:Die verhafteten Juden werden in den Osten vonRegensburg in die Motorsportschule der NSKK gebracht.Das sind fast 90 Juden. Dort quält und demütigt man sie.Sie müssen exerzieren, sie müssen stundenlang strammstehen, man tut so, als würde man sie erschießen wollen.Unter den Gefangenen ist auch Herr Brandis aus derMaximilianstraße. Alles klar? Also dann … Black!Kurzes Black, während dessen alle abgehen, dann blaues,kaltes Spiellicht der Einstiegsszene. Marek als Wilhelmund Maria als Edda schleppen Lenny als Adam herein undwerfen ihn zu Boden, Wilhelm setzt sich in einenLehnstuhl, Julia als Freya hat den Oberbefehl und lässtWilhelm die Drecksarbeit für sich machen. ImVordergrund beginnt nun Alex als Nazi Lenny zuschikanieren.Marek als WilhelmAlex als NaziLennyAlex als NaziDu Jud! Hahaha!Los aufstehen! Stillgestanden!Was?(Alex tritt als sadistischer Nazi auf und lässt Lenny als28


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJAdam zwangsexerzieren) Stillgestanden! ZehnLiegenstützen.JuliaAlex als NaziDas kann sogar meine Oma besser!(kickt Lenny’s Hand weg) Du Lusche!Alex stellt sich auf das Quellenpodest, von dort liest erdie Quelle zu den Vorgängen in der Motorsportschule. Erist dabei nicht in der Rolle! Alle anderen sind im Freeze,Licht aus und Spot auf Alex.→ Quelle einlesenLos, robben, schneller!FreyaAlex als NaziJuliaUnd du willst ein Deutscher sein?Stopp! Aufstehen! (marschiert neben Lenny her) Links,zwo, drei, vier! Links, zwo, drei, vier! Stillgestanden! Undzehn Liegestützen! (steigt mit dem Fuß auf LennysRücken, so dass dieser zusammenbricht). Und jetzt robbstdu noch mal!Julia stellt sich auf das Quellenpodest, von dort kündigtsie an, dass nun eine Aussage von Müller-Seyffert kommt,die er bei dem Prozess gegen ihn in Regensburg im Jahre1950 machte, als man ihn wegen der Verbrechen in derReichspogromnach anklagte. Müller Seyffert war einerder Haupttäter jener Nacht und auch maßgeblich amZwangsexerzieren beteiligt. Julia ist dabei nicht in derRolle! Alle anderen sind im Freeze. Nachdem Julia dieAussage angekündigt hat, schwenkt der Spot auf Marekals Müller-Seyffert .29


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMarek (als MüllerSeyffert)Marek als WilhelmJulia als FreyaLenny(tut völlig unschuldig, als könnte kein Wässerchen trüben,dabei hält er in einer Hand einen Revolver, so als hätte ervergessen dass er ihn in der Hand hält, er gestikuliertsogar mit ihm …) Ich habe die Juden nicht verhaftenlassen! Ich hab auch das Exerzieren nicht veranlasst! Ja,ich war doch gar nicht dabei! Ja, ok, ich hab gehört, dassdie Juden ein wenig gefroren haben. Da hab ich sieFrühsport machen lassen, aber sonst war da nix, ehrlich(Spot aus, Spiellicht an, alle gehen wieder in ihre Rollen).„Klick“. Hahahahahaha, der hat gedacht, haha, icherschieß den, hahaha! Hat er wirklich gedacht, hahaha!So ein Vollidiot!(an der hinteren Wand erscheint rotes Licht, Szeneriewird immer mehr in Rotlicht getaucht, dann erscheinenFlammen auf der Rückwand, welche in Bilder derzerstörten Synagoge eingeblendet werden, Wilhelm wirdauf den roten Flammenschein aufmerksam.)Schau! Da brennt sie, eure schöne Synagoge, bist dutraurig?Ja, das ist das Ende von euch Regensburger Juden.Synagoge weg und aus ist es mit euch!Lenny stellt sich auf das Quellenpodest, von dort liest erdie Quelle zum Synagogenbrand. Er ist dabei nicht in derRolle! Alles anderen sind im Freeze, Licht aus und Spotauf Lenny.→ Quelle einlesen30


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMarek als WilhelmAlex als NaziAlleAlexMarekJuliaLennyJuliaMarekAlleAlex als NaziFreyaUnd weißt du, was der feine RegensburgerOberbürgermeister zur Feuerwehr gesagt hat? Langsam,langsam. Lasst euch nur Zeit bis die ganze Synagogeabgebrannt ist!Kapierst du‘s jetzt? Du bist weder Regensburger nochDeutscher!(alle gehen aus ihren Rollen und nehmen die vomQuellenpodest bekannte innere Haltung an, sie gehenalle nach vorne an den Bühnenrand und stellen sichnebeneinander auf)Am 29. August 1912 wurde die Regensburger Synagogeeingeweiht.Sie war wunderschön, und bei der Einweihung versprachder Regensburger Oberbürgermeister, er nimmt sie inSchutz und Schirm.Zur Synagogeneinweihung 1912 wurde das Lied„Hallelujah“ von Louis Lewandowski gespielt.In der Regensburger Presse war nur Lob über die schöneSynagoge zu hörenDie Synagoge ist Herz und Mittelpunkt der jüdischenGemeinde. Wer sie zerstören will, will die Gemeindeendgültig vertreiben.Deshalb haben die Nazis sie abgebrannt.(alle gehen wieder in ihre Rollen und auf ihre Positionen)Wir wollen euch Juden hier nicht haben, verstanden?So, und jetzt kommt der Auszug der Juden! (sie nimmtden Farbeimer und schmiert: „Auszug der Juden“ an dieWand) Wilhelm!31


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMarek als WilhelmEdda(Wilhelm stellt Adam an die Wand, legt ihm die Händeauf den Kopf und verpasst ihm einen Schlag in denMagen, Adam sackt zusammen und verharrt regungslosvor der Wand, langsam wird auf die Wand die Fotografievom „Schandmarsch der Juden“ in Regensburg projiziert,so dass Adam Teil des Bildes wird. Wilhelm erzählt demPublikum stolz vom Schandmarsch). Das war der Auszugder Juden! Weißt du, da haben wir die Juden zumRathausplatz gebracht und dann mussten die durch dieganze Altstadt marschieren bis zum Bahnhof … und wiralle stramm vorneweg! Die Jugendlichen haben dieJuden mit Steinen beworfen und ihre Hüteruntergeworfen! Die haben sie echt fertig gemacht. Daswar richtig lustig!Julia geht auf das Quellenpodest, von dort liest sie dieQuelle über die Vorgänge beim Schandmarsch inRegensburg ein. Sie ist dabei nicht in der Rolle! Allesanderen sind im Freeze, Licht aus und Spot auf Edda, aufder anderen Bühnenseite bleibt das Bild mit Adam imFoto des Schandmarschs stehen.→ Quelle einlesenNach der Quelle bleiben alle im Freeze, Spot fade out, dieFotografie vom Schandmarsch bleibt stehen, einjüdisches Klagelied wir eingespielt, erst als es ausklingtgehen die Schauspieler langsam von der Bühne ab.Black32


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ6. Zwischenspiel vor dem Vorhang: Gespräch zwischen Anna und Marek undgleichzeitig Übertritt der Schauspieler von der Nebenbühne (1519) in dieGegenwart der Proben zum Stück über 1938Anna sitzt am Bühnenrand. Marek kommt dazu. Anna ist ziemlich sauer auf ihn,die beiden werden nur mit einem Spot beleuchtet, es soll eine intime Atmosphäreentstehen. Im Laufe der Szene wird auch die Nebenbühne beleuchtet, dort sitzenJuden und Christen aus dem Mittellalter, im Verlauf der Szene wird deutlich, dasssie das Gespräch von Anna und Marek verfolgen. Judith und Aaron fühlen sichjeweils durch das, was sie hören, in ihrer Haltung zur Verbindung von Ulrich undSarah bestätigt und zeigen dies auch gestisch.MarekAnnaMarekAnnaMarekAnnaMarekAnna(hat ein schlechtes Gewissen, will sich mit Annaversöhnen) Ach, Anna, bitte.(Anna ist sauer auf Marek, zeigt ihm die kalte Schulter)Marek, lass das!Was ist denn los?Du hast mir voll wehgetan.Echt?Ja! Gerade eben hast du mich noch geküsst und dann inder Szene später packst du mich, wirfst mich zu Bodenund führst dich auf wie ein Irrer. Wenn du einen Nazispielst, bist du so ein Arschloch! So ein richtigesArschloch!Ja, aber, das war doch nur in der Szene. Das war dochsaucool. Ich pack dich und werf dich, so echt, eine tolleSzene,Ja, saucool für dich vielleicht. Anscheinend gefällt es dir33


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJauch noch den Nazi zu spielen. Du hast mich verletzt.Schau dir doch die blauen Flecken an! Und du willst michlieben. Soll das denn Liebe sein?!MarekAnnaMarekAnnaMarekAnnaJudith (flüsternd)MarekAnnaMarekAnnaMarekDas war doch nicht so gemeint. Tut mir leid. Du verstehstdas doch? Ich geh halt so in der Rolle auf, das ist so einGefühl von Macht, weißt du, das ist einfach der HammerDu spinnst. (Pause, Anna wird etwas versöhnlicher) Weißtdu überhaupt, was ich für Ärger bekomme, wenn michmeine Familie mit dir sieht.Was hast denn du für eine Familie? Ich spiel doch nur denNazi.Ich bin eine Muslimin, ja, und da darf ich vielleicht keinenFreund haben. Und schon gar keinen Christen. Weißt dueigentlich, was ich auf mich nehme für dich …Aber du siehst gar nicht so aus wie eine Muslimin.Ist doch egal, wie ich aussehe. Soll ich mir vielleicht einengelben Stern ans Kleid heften, so wie die Juden früher,damit du mich gleich als anders erkennst.(fühlt sich bestätigt und stupst Aaron an und flüstert ihmetwas zu)Nein! Aber du bist doch blond und du hast grüne Augen.Ja, aber das ist doch egal.Wie ist das dann bei euch? Dürft ihr euch nuruntereinander befreunden?Nein, aber meine Eltern sind streng gläubig und wenn ichdann schon einen Freund habe, dann sollte der schon einMoslem sein.Des versteh ich jetzt nicht. Aber es ist doch total egal34


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJwelche Religion man hat, wenn man sich liebt. Jude,Christ, Muslime, Buddhist oder sonst irgendwas ist. Nurdie Liebe zählt.AaronAnnaMarekAnnaMarekAnnaAlexMarekAlexGenau!Hast du das auch gehört?Nein, gar nichts. Anna, jetzt hör mal her, es ist mir ganzegal welche Religion du hast. Ich mag dich, so wie du bist.Und, verstehst du das?Ja. Macht es dir wirklich nichts aus?Nein, natürlich nicht. Und du, magst du mich trotzdem,obwohl ich kein Muslim, sondern Christ bin? (ziehtcharmant eine Blume aus dem Ärmel)Oh, Marek, du schaffst es einfach immer wieder michrumzukriegen. (lehnt sich an ihn)(kommt neben der Bühne zum Vorschein und schimpftwütend vor sich hin, weil er wieder mal geschickt wurde,um Schauspieler für die Probe zu suchen, er entdeckt Annaund Marek) Mensch, Marek, Anna. Zackzack. Konstanzewartet schon die ganze Zeit auf euch. Ab zur Probe, aberMarsch!Jetzt reg dich mal ab…Geht wieder ab und beschwert sich über Konstanze. DieseFrau soll mal Yoga machen!(Spiellicht auf der Nebenbühne nach dem Abgang vonAlex, gleichzeitig Licht im Bereich zwischen Publikum undBühne, wo sich die folgende Szene ereignet. Durch dasLicht soll unterstützt werden, dass sich die Szene zwischenden beiden Spielorten abspielt, so dass deren Grenzen35


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJverschwimmen, da die Juden und Christen des Mittelaltersin der Folge auf die Hauptbühne und damit in dieGegenwart eintreten werden )AaronJudithAaronJudithAaronJudithAaronJudithAaronJudithSiehst du, wie die beiden sich lieben und die haben auchunterschiedliche Religionen!(Judith springt als erster von der Nebenbühne und streitetmit Aaron) Pah, bei denen wird es auch nicht klappen,genau so wenig wie bei Sarah. Das war deine Schuld! Dasist alles deine Schuld!Ja aber … sie...aber natürlich, also ich meine, sie... Sarahwäre trotzdem dran zerbrochen, wenn sie nicht mit ihmzusammen sein hätte können.Zerbrochen? Sie hat doch uns! Wir sind ihre Familie!Ja. Aber das erfüllt einen nun mal nicht ganz.Es erfüllt einen nun mal nicht? Ich glaub, du spinnst! Siehätte auch ohne den Christen glücklich werden können.Du siehst doch! Sie ist gestorben.(fast schon bockig) Aber Liebe ist das Wichtigste.Du und deine Liebe.Judith! Wirklich, du verstehst das noch nicht. Du bisteinfach zu jung dafür.(jetzt platzt Judith endgültig der Kragen, Aaron ist in derDefensive) Zu jung! Sag mal spinnst du! Hier sind so vieleLeute (sie bezieht dabei das Publikum mit ein, es sollgleichsam zur Jury in ihrem Streit mit Aaron werden). Unddenen werden wir zeigen wie es damals wirklich war(zeigt auf die Christen auf der Nebenbühne) Du, du unddu! Ihr kommt jetzt alle mit und wir gehen zu den36


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJSchauspielern von diesem Stück und zeigen denen dieWahrheit. Soll doch der Regisseur entscheiden, wer Rechthat von uns beiden!AaronJudithAaronJudithAaron(hat Bedenken, vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen)Judith, das ist wirklich eine total dumme Idee. Die Leutesind vom Theater, die glauben uns das doch gar nicht, diewerden uns für verrückt erklären.Eine dumme Idee? Wieso sollten uns die denn nichtglauben? Schau doch, was hast du denn da unter demArm. (sie nimmt Aaron den Stapel mit seinen Dokumentenweg, für sie beweisen sie, dass sie Recht hat)? Na los, sagschon … oder bist du stumm geworden?Das ... das ist nichts(triumphierend) Und ob das was ist. Das sind all unsereUrkunden, unsere Dokumente. Du hast sie alle aus derSynagoge gerettet, als die Christen sie abgerissen haben.In diesen Schriften ist unsere ganze Geschichteaufgezeichnet. Die Quellen werden beweisen, dass ichRecht habe.(entschließt sich die Herausforderung seiner Schwesteranzunehmen, Angriff ist die beste Verteidigung) Also gut,Judith, wie du willst. Dann gehen wir jetzt zu denSchauspielern, mal sehen, wem die Frau RegisseurinRecht gibt! (Aaron ist wieder Herr der Situation und gehtden anderen voraus, alle anderen folgen, sie gehen hinterdem Vorhang seitlich ab. Aaron und Judith treten wenigspäter nach einem kurzen Black auf der Hauptbühne auf,dort läuft gerade eine gewohnt wirre Probenbesprechung37


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJmit Konstanze und den Schauspielern.)AlexKonstanzeAlexKonstanzeAlexKonstanzeAlexKonstanzeAlexKonstanzeJudithKonstanzeJudithKonstanze(Aaron und Judith treten vorsichtig einen Schritt auf dieBühne, Alex entdeckt sie) Wo wollt ihr denn hin? (Alexund Aaron unterhalten sich am Bühneneingang leise,während die Probenbesprechung weitergeht. Dann gehtAlex zu Konstanze, um die beiden anzumelden)(zu den Schauspielern) Also wirklich, ihr müsst mehrGefühl zeigen, das muss man sehen, wenn ihr auf derBühne seid. Die Leute müssen denken, dass das echt istund ihr ganz in der Rolle aufgeht und lebt. Gefühle.Leidenschaft! Wenn ihr das spielt, müsst ihr einfach dasein und präsent und an nichts anderes denken. Einfachnur an diese Rolle, die ihr da spielt.Konstanze …Und das ist total wichtig!Konstanze … (die Schauspieler kichern über Alex VersuchKonstanze auf sich aufmerksam zu machen)Was lacht ihr denn?Konstanze …(genervt) Was ist denn?Ja, da sind Leute, die auf dich warten. Und sie habenziemlich komische Kostüme an.Wer seid ihr denn, was wollt ihr?Sind Sie hier die Regisseurin?Ja, die bin ich.Wir spielen jetzt ein Theaterstück! Und Sie müssen esanschauen.Aber wir haben doch schon ein Theaterstück. Sehen Sie38


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJdas denn nicht?JudithKonstanzeJudithAaronKonstanzeJudithKonstanzeAaronJudithKonstanzeUlrichAber es ist ein tolles Theaterstück!Nein, wir haben schon eins. Gehen Sie!(melodramatisch) Es ist ein trauriges Stück, sehen Sie, eshandelt von Liebe, Hass (anklagend zu Aaron) und einemBruder, der seine Schwester auf dem Gewissen hat.Das stimmt nicht, es hätte auch gut gehen können. Manmuss einfach mal Vertrauen haben!Ich hab jetzt wahrlich keine Zeit für solchen Unsinn.Gehen Sie jetzt bitte.Natürlich bist du Schuld. Du hast es gewusst. Juden undChristen zusammen, das geht nicht. Du bist schuld!Können Sie jetzt endlich verschwinden? Sie stören hierdie ganze Probe.Bin ich nicht! Und mit diesen Urkunden hier kann ich allesbeweisen Da steht nämlich, was wirklich passiert ist.Sie müssen uns spielen lassen. Sie müssen entscheiden,wer Recht hat von uns beiden.Sehen Sie denn nicht, dass wir hier Kunst kreieren?Leidenschaft! Dass wir hier wirklich das wahre Lebenspielen, wie es wirklich war, Gefühl und Leidenschaft aufder Bühne. (Marek schläft ein und kippt vom Stuhl,Konstanze geht zu ihm und schreit ihn an) Ja, genau! Liebeund Leidenschaft! Und wir möchten Ihr Zeug hier nichtspielen.(aus dem Hintergrund tritt Ulrich auf, er möchteverhindern, dass seine Treulosigkeit ans Licht kommt)Seht ihr! Es war eine dumme Idee. Warum die alten39


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJGeschichten wieder aufwühlen, hat doch eh keinen Sinn.KonstanzeAaronJudithKonstanzeLinhardAaronJudithWir können nicht einfach irgend ein Stück spielen. Wiestellen Sie sich das denn vor?Aber Frau Regisseurin, das ist doch nicht irgendein Stück.Das ist ein ganz besonderes Stück! Und sehen Sie(dramatisch geht er hinter die Bühne und holt Sarah, dieeinen schwarzen Schleier trägt). Wir haben sogar eineTote dabei! Schauen Sie sich doch (er preist Sarah an wieetwas, das er verkaufen will) diese Leidenschaft und dieseEnergie an! Der einzige Unterschied ist, dass unser Stückvor 500 Jahren spielt.Ach was! Schwafel doch nicht so viel rum! Wir sind dochgar keine Schauspieler. Wir sind das Stück. Das ist Aaronund ich bin Judith. Wir lebten 1519 in Regensburg.Auch so. Sie sind gar keine Schauspieler. Sie sind nur dieRollen in ihrem eigenen Stück. Sehr angenehm, ich binNapoleon. Ich glaube Ihnen kein Wort, verschwinden Sie!(kommt selbstbewusst auf die Bühne) Hey! Das, was deralte Judensack da sagt, stimmt schon. Sie sind allesamtJuden, die wir Regensburger 1519 aus der Stadtvertrieben haben. Noch nie was davon gehört? (Judithstürzt sich voller Zorn mit einem Knüppel auf Linhard, deram Mord an ihrer Schwester beteiligt war)(fällt Judith in den Arm) Judith!!! Jetzt beruhige dich mal!(immer noch bebend vor Zorn, anklagend) Fünfhundertvon uns Juden wurden aus der Stadt gejagt. Sie haben dasganze Judenviertel niedergerissen, sie haben dieSynagoge abgerissen, sie, sie ...40


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJWolfgangAlleKonstanzeJuliaLennyMariaJuliaMarekAlex(Wolfgang ist der etwas dümmliche Gehilfe Linhards)Woher glaubt ihr denn hat den eure Schule den Namenam Judenstein? Von dem jüdischen Grabstein dadraußen. Und wo kommt der her? Von 1519. (hier wie inden weiteren Szenen ist wichtig, dass die Schauspieler derTheatergruppe, welche das Stück über dieReichspogromnacht aufführen, „mitspielen“, indem sieauf das Geschehen mit Gesten, Kommentaren etc.reagieren. So werden sie in der Folge teilweise zumPublikum, dem das Stück aus dem Jahre 1519 vorgespieltwird, und teilweise spielen sie selber daran mit)Ihr seid ja total verrückt. Wir haben unser eigenes Stückund keine Zeit für euren Unsinn hier … Aber eureKostüme sind hübsch. Nein, und jetzt geht und lasst uns.Und ihr (wendet sich ihren Schauspielern zu), wollt ihretwa so einen Unsinn spielen?Na ja, das kommt darauf an. Also so langweilig fand ichdas nicht.Ja, zum Beispiel die Rolle da (geht zu Ulrich), die find icheigentlich gar nicht so schlecht.Ja, und was die für Wahnsinns-Kostüme haben. (gehtauch zu der Gruppe aus dem Mittelalter)Warum eigentlich nicht, die Story klingt spannend undder da, der hat da so ein cooles Täschchen.Ich will den da spielen. Der hat sowas „Handwerkerliches“an sich.(sieht Sarah und geht um sie herum). Ob die wirklich totist?41


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMariaKonstanzeAaronJudithAaronJudithAaronJudithAaronUnd ich würde die da gerne spielen – die hat so wasGeheimnisvolles.Ein Irrenhaus. Ein völliges Irrenhaus. Macht doch was ihrwollt. Ihr seid ja alle total verrückt (geht von der Bühne abund schimpft wütend vor sich hin, ab jetzt übernimmtAaron das Kommando)(im Stile eines Geschichtenerzählers) Also, setzt euch erstmal alle wieder hin. Ich erzähl euch mal was. UnsereGeschichte beginnt im Herbst 1518. Ulrich – das ist der dahinten – war als Handwerker für ein paar Wochen inunserem Haus beschäftigt, er hat den Bodenausgebessert. Was für ein Kerl! Unsere kleine SchwesterSarah – das ist die da, mit dem schwarzen Schleier – hatsich natürlich gleich in ihn verliebt und Judith – das ist dieGriesgrämige da hinten – die war natürlich gleichdagegen.(steht abseits) Natürlich war ich dagegen. Jude und Christdas bringt nur Unglück. Und ich hatte auch Rechtbehalten. Du hast überhaupt nicht an deine armeSchwester gedacht, sondern nur an deine saublöde Liebe– und damit hast du sie auf dem Gewissen.Wer Recht hast, das soll jetzt die Frau Regisseurinentscheiden und nicht du.Ich weiß, dass ich Recht hab. Das muss ich keinembeweisen.Hätte sie glücklich werden können ohne ihre Liebe? Nein!Unsere kleine Schwester ist gestorben, wegen ihrer Liebe.Jetzt sei doch mal still, ich will weiter erzählen.42


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJJudithAaronJudithAaronJudithSarahHätte sie bloß nicht auf dich gehörtJudith, jetzt reiß dich mal zusammen. Ich möchte derGruppe das jetzt weiter erzählen.Du erzählst doch eh nur Schmarrn.Judith!Aaron!(reißt sich wütend den Schleier vom Kopf und beendet dieewigen Streitereien) Jetzt hört endlich auf!43


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ7. Die Menschen aus dem Mittelalter beginnen, den Schülern der Theatergruppeihre Geschichte vorzuspielen, sie zeigen zunächst eine Liebesszene zwischenSarah und Ulrich an der DonauSarahAlexLennyAlexRüdigerUlrich(Sarah erzählt von ihrer Liebe und ihren geheimen Treffenmit Ulrich). Ja, es stimmt. Ich habe mich verliebt. Ich, dieJüdin, habe mein Herz geöffnet für den Christen. (Gehtzu Ulrich) Du warst so sanft. So gut. Hast du mich nichtauch geliebt damals? Weißt du nicht mehr? An derDonau? Wir lagen unter Birkenzweigen.Hey, wir könnten doch die Szene an der Donau für diezwei nachbauen! Mit allem drum und dran! Wer machtmit? (alle sind begeistert, es folgt ein Umbau der Szene.Aaron erklärt, wie die Bühnenteile aufgestellt werdenmüssen, um den Ort des Liebestreffens nachzuahmen)Ja… aber fehlt da nicht noch was?Ja, stimmt! Thomas, wir brauchen romantisches Licht.Rüdiger, mach mal romantisches Licht!Ja, ja. (romantischer Lichtwechsel)(Ulrich und Sarah sind an ihrem lauschigen Plätzchen ander Donau, wo sie sich schon oft getroffen haben, siehalten sich liebevoll in den Armen, Ulrich steht auf undgeht zu den transparenten Stellwänden im Hintergrund,auf welchen Sprüche aus dem Hohelied zitiert sind. Esentspinnt sich ein Stück im Stück, die anderenSchauspieler werden zum Zuschauer, die gebannt dasGeschehen verfolgen, und von Zeit zu Zeit auch44


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJentsprechend kommentieren) Sarah? (Ulrich steht ratlosvor der beschrifteten Tafel, denn er kann nicht lesen)SarahUlrichSarahUlrichSarahUlrichSarahUlrichSarahUlrichSarahJa?Bitte sag es noch mal.Was meinst du denn?Na du weißt schon, die Stelle aus dem Hohelied.Ach so ... mhm... nein.Bitte.(erbarmt sich und gibt nach, rezitiert den Text aus demGedächtnis, mehr für das Publikum als für Ulrich) Alsogut: Nordwind, erwache! Südwind, herbei! Durchwehtmeinen Garten, lasst strömen die Balsamdüfte! MeinGeliebter komme in seinen Garten und esse von denköstlichen Früchten.Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch!Denn vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen. Aufder Flur erscheinen die Blumen; die Zeit zum Singen istda. Die Stimme der Taube ist zu hören in unserem Land,die blühenden Reben duften. Steh auf, meine Freundin,meine Schöne, so komm doch! Dein Gesicht lass michsehen, deine Stimme hören! Denn süß ist deine Stimme,lieblich dein Gesicht.Ulrich, wieso können wir nicht zusammen sein, wir teilendoch dieses heilige Buch, dein Hohelied ist meinHohelied, wieso lässt man uns nicht lieben?(kühl) Aber Sarah, du bist nun mal Jüdin.Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meineSeele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.45


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJUlrichSarahLinhardWolfgangLinhardVon deinen Lippen, Braut, tropft Honig, der Duft deinerKleider ist wie des Libanon Duft.Schön bist du, mein Geliebter, verlockend. Leg mich wieein Siegel auf deinen Arm. Wie ein Siegel auf dein Herz.Stark wie der Tod ist die Liebe, ihre Gluten sindFeuergluten, gewaltige Flammen. Auch mächtige Wasserkönnen die Liebe nicht löschen; auch Strömeschwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe denganzen Reichtum seines Hauses, nur verachten würdeman ihn.Linhard erscheint, er war irgendwo auf der Bühneversteckt, evtl. kann er als Schatten hinter denTransparentwänden auftauchen, bedrohlich erscheint ervor der Liebenden.Ihr Lästerer, Lügenmäuler, in die Hölle mit euch, Wiekönnt ihr es wagen, ein Christ und eine Jüdin. Pfuideibel,du Judenmetze! Ich häng euch hin! Na wartet, bis das derHohe Rat erfährt, im Kerker werdet ihr landen, man wirdeuch foltern, den Hals soll man dir umdrehen duJudenmetze … (will andere herbeirufen) Seht her, sehther, seht her ihr Leute, hier gibts, was zu gaffen, dieJudenmetze hat den Christen verzaubert …(ahmt Linhard ungeschickt nach) Seht her ihr Leute, dieJudenmetze hat den Christen verzaubert … (Ulrich undSarah fliehen)Halts Maul (Wolfgang verstummt sofort) Komm mit, ichkenn die Jüdin, das ist die kleine Schwester von Aaron.Das ist das Beste, was uns passieren konnte. Ich werde46


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJeinen Haufen Geld machen! (damit endet das Theaterauf dem Theater und die anderen Schauspieler werdenvon Zuschauern wieder zu Agierenden)AaronAlexKonstanzeAlleAaronMarekJudith(spricht die anderen Schauspieler an) Seht ihr? Linhardhat Sarah und Ulrich an der Donau erwischt! Und damitstand unsere ganze Existenz auf dem Spiel.Wow, diese Liebe, dieses Gefühl, dieses Böse…(saß vor der Bühne in ihrem Regiestuhl und hat sich allesangeschaut, springt wütend auf) Oh nein, nein, nein! Dasist doch nur wieder so ein unbrauchbares Rührstück! Dawerden wir ja doch nur ausgelacht! Das Publikum wirdsich lustig über uns machen!(Protest der Schauspieler, die das anders sehen)Ja von wegen, unbrauchbares Rührstück. (wendet sich zuden Schauspielern) Ihr wollt doch sicher wissen, wie esweitergeht oder? (Alle stimmen zu, Aaron wendet sichschadenfroh an Konstanze) Es geht nämlich traurig aus!(schnappt sich Anna) Aber die spielen das nicht richtig,das sind eben keine Schauspieler, schaut mal, so spieltein richtiger Schauspieler eine Liebesszene, dann kommtdas viel besser … Rüdiger gib mir nochmal Licht (begibtsich in eine übertrieben expressive Pose und setztzusammen mit Anna dazu an, einen Ausschnitt aus dergerade gesehenen Szene zwischen Ulrich und Sarah inmelodramatischer Rezitation nachzuspielen.)(Judith unterbricht sie) Aber nein, nein, nein, ihr haben jagar nichts verstanden. Wir sind doch echt, das kann mandoch nicht einfach irgendwie spielen, wie es gerade47


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJpasst, es muss so sein, wie es wirklich war. (ist beleidigt)KonstanzeJudithUlrichLinhard undWolfgangKonstanze(halb entrüstet, halb verblüfft) Wie bitte? Wie es wirklichwar? Sind Sie verrückt? Wir sind hier im Theater! Dasgeht doch nicht, „wie es wirklich war“, also so was, alleswas Recht ist … hat man Töne, das ist doch die Höhe …(zu Konstanze, die sich grummelnd abwendet) … aber sowarten Sie doch, unsere Geschichte … (Konstanze schautstreng und hebt mahnend den Finger) … äh, ich meineunser Stück – hat doch gerade erst angefangen, schauenSie weiter … (schnell, schnell, bauen sich die Besucher ausdem Mittelalter eine Szenerie für die nächste Szenezusammen)(Aaron, Judith und Sarah haben sich schon in Positiongebracht, man sieht, es könnte los gehen, aber kurz bevores losgehen soll, mischt sich plötzlich Ulrich ein) Abermuss denn das sein, bitte ich ertrage das nicht, Sarah,sag du doch mal was …(haben auch Angst, dass die Szene gezeigt wird, sind abereher frech) Ja genau, was soll denn das alles, wir sindauch dagegen, das ihr hier das alles … und noch dazu vorall den Leuten …(gleichzeitig wütende Proteste und Zustimmung vonSeiten der Schauspieler und der Regie, großesDurcheinander… )(brüllt) Ruhe! (wendet sich zornig und bestimmt an diemittelalterlichen Christen) Hören Sie mal zu, ich bin hierdie Regisseurin und das ist mein Theater und Sie machenhier, was ich will, verstanden (Pause) Also wenn eswirklich sein muss: attention, concentration und action!48


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJThomas, Umbaulicht, Szene läuft!(Kurzes Black)49


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ8. Die Menschen aus dem Mittelalter zeigen den Schülern der Theatergruppe,wie Linhard und Wolfgang versuchen, Aaron wegen Sarahs Verhältnis miteinem Christen zu erpressenJudithSarahJudithSarahJudithSarahAaronSarahJudithAaronSarahAaronSarahAaron(Auf der Bühne wurde der Laden Aarons aufgebaut,Aaron führt seine Bücher, Judith und Sarah sind mitArbeiten im Laden beschäftigt, sie unterhalten sichnebenbei heimlich) Du musst es ihm irgendwann malsagen. Wenn nicht...dann sag ich es ihm.Aber ich kann das nicht...Na los, jetzt ist eine gute Gelegenheit, er hat grad guteLaune.Aber Judith, bitte, nicht heute, morgen reicht doch auchnoch.Jetzt oder nie, sonst mach ich es!O.k., gut, ich mach es. (geht zögernd zu Aaron). Aaron?Ja?Ich, ähm, na ja es ist so Aaron ... Ich muss dir was sagen,gestern an der Donau, da … (geht zurück zu Judith) Nein,ich kann nicht.Sie wurde an der Donau mit Ulrich erwischt!Na toll und von wem?Von Linhard.(Entsetzt) Was? Von Linhard? Na noch besser! Der istdoch im Hohen Rat! Was hat er gesagt?Er hat uns verflucht und er hat gesagt, er wird das allesdem Hohen Rat melden.Konntet ihr nicht besser aufpassen, so ein Leichtsinn!50


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJJudithAaronJudithAaronJudithAaronLinhardAaronLinhardAaronLinhardAaronLinhardAaronLinhardAaronIch habe es dir immer gesagt, aber du wolltest es ja nichtglauben.Ja, ja hinterher hat man immer leicht reden. Als ob darandie Liebe zwischen Sarah und Ulrich Schuld wäre.Und jetzt? Wie willst du sie denn jetzt beschützen?Wir kriegen das schon hin. Irgendwie kriegen wir dasschon hin. Das war bestimmt nur so daher geredet. Erkommt nicht. Der kommt nicht.Glaubst du wirklich, dass er nicht kommen wird?Nein, wir machen jetzt erst einmal weiter wie bisher undtun so, als wäre nichts gewesen. (wendet sich zu denSchauspielern) Und damit habe ich den größten Fehlermeines Lebens gemacht! Denn er ist gekommen!(Linhard und Wolfgang treten auf, Wolfgang trägt einengroßen Sack mit sich) Wolfgang, komm! (Linhard setztsich frech auf den Ladentresen und diktiert Wolfgang inder folgenden Szene, was er alles in seinen Sack packensoll)Steck ein: Seidentücher, einen Fuchspelz,…Was willst du?(beachtet Aaron gar nicht) Eine Gänsefeder.Ich frag dich nochmal: Was willst du?(beachtet Aaron gar nicht) Ein bisschen Schmuck.Was?(beachtet Aaron gar nicht) Etwas getrocknete FrüchteEin letztes Mal: Was willst du?Ich will deinen Laden und dein Geld, Jude!Bist du verrückt?! Los! Verschwinde! Raus hier!51


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJLinhardWolfgangAaronLinhardAaronLinhardWolfgangLinhardWolfgangDen ganzen Laden!Den ganzen Laden? (schaut verdattert in seinen Sack undprüft, ob der ganze Laden hinein passen wird)Verschwindet jetzt aus meinem Laden!Jud Aaron. Hast du es immer noch nicht verstanden?Deine Zeit ist vorbei! Du bist geliefert! Kapiert!?(Wolfgang steckt munter weiteren Krimskrams ein, dieSchauspieler, welche zuschauen, kommentieren dasfreche Gebaren der beiden Erpresser empört)Was redest du?Drei Kupferringe. Nochmal siebzehn Ellen kostbare Seide…Wolfgang. Erzähl ihm, was du vor zwei Tagen an denschönen Auen der Donau gesehen hast. Und was dujeder Zeit vor dem Hohen Rat von Regensburgbeschwören würdest.(springt an die Rampe und leiert einen offensichtlichvorher auswendig gelernten Text herunter) Ich ginggerade ganz zufällig durch die schönen Donauauen. Dorthabe ich einen Mann und ein junges Mädchen gesehenund die haben unkeusche Sachen gemacht. Und dann...und dann ... (ihm ist der Text entfallen, Linhard wirdunruhig und souffliert ihm wütend).(flüstert) Der Mann war ein ChristAh ja … und der Mann war ein Christ. Und der hieß Ulrichund die Frau war eine Jüdin und das wird mit dem Todebestraft. Und die hübsche Frau (Linhard räuspert sichvernehmlich) und die Judenmetze...das war die da, die52


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJda! (er zeigt auf Sarah)LinhardAaronLinhardAaronLinhardAaronLinhardAlso Aaron, wie ich das sehe, hast du zwei Möglichkeiten.Entweder du gibst uns dein Geld und dann wird dasunser kleines Geheimnis bleiben. Niemand wirderfahren, dass deine kleine Schwester einen armen,braven Christenburschen verhext und verführt hat (seineStimme verfinstert sich, er geht zu Sarah, packt sie amKinn und zieht sie hoch) oder du zwingst mich, diesefrevlerische Tat einer jüdischen Hexe dem Hohen Rat zumelden. (wirft Sarah auf den Boden)Was bist du nur für ein Mensch? Was bist du nur füreine Kreatur? Kennst du kein Gesetz? Hast du denn garkeine Ehrfurcht vor Gott? Die beiden lieben sich und Gottist für die Liebe!Das ist mir scheißegal, Judensack. Ich will nur dein Geld.Kriegst du aber nicht, du gieriger Gojim!Das werden wir aber sehen. Hast du etwa schonvergessen, dass Liebesbeziehungen zwischen Christenund Juden bei Todesstrafe verboten sind?(ist entsetzt) Das, das würdest du nicht wagen.Was glaubst du wohl? Was wird aus deiner ach so reinenLiebe und deiner edlen Sarah werden, wenn sie erst aufder Folterbank liegt, wenn sie schreit und weint undnach ihrem Bruder ruft, der sie einfach nicht beschützthat?53


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJAaronWolfgangAlexJuliaAaronLinhardWolfgang(drohend, wie eine Beschwörung) Stark wie der Tod istdie Liebe, ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltigeFlammen. Auch mächtige Wasser können die Liebe nichtlöschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg. Böteeiner für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses,nur verachten würde man ihn! (während Aaron spricht,denkt Wolfgang im Hintergrund sichtlich erregt nach, dafällt ihm etwas ein, wie ein Grundschüler, der unbedingtetwas loswerden will, meldet er sich ganz aufgeregt)Hohelied Salamons! Kapitel 8 Vers 6 und 7! Stimmt oder?Hohelied Salamons! Kapitel 8 Vers 6 und 7! Stimmt das?Kleiner Streber!Ja, du brauchst gar nix sagen!(zufrieden) Siehst du? Sogar er versteht das!Wolfgang, halt’s Maul! (Wendet sich wieder Aaron zu,der Oberwasser zu bekommen scheint) Weißt du, was ichmachen werde? Ich werde die alten Geschichten wiederaufwärmen! Du kennst doch die alten Geschichten,oder? Ich werde jedem in der Stadt erzählen, dass ihr dieBrunnen vergiftet habt, damit wir die Pest in Regensburgbekommen, und außerdem, dass ihr Hostienfrevelbetrieben habt, um damit zu zaubern und weißt du, wasich noch sagen werde: dass ihr ein Christenkindgestohlen habt um es zu schlachten! Wolfgang, du hastdoch auch gesehen, wie der alte Jössljud ein kleinesputziges Christenkindchen von einem alten Bettlergekauft hat, ja?(kriegt von Linhard ein Geldstück in die Hand gedrückt54


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJund nickt dämlich, im Anschluss versucht er, vomQuellenpodest aus eine Quelle einzulesen, anders als beiden bisherigen Quellen, bleibt er dabei in der Rolle, derSpot wird wie in den anderen Szenen auf demQuellenpodest auch eingesetzt, die Szene wird aberletztlich nicht wirklich unterbrochen, sondern läuftwährenddessen weiter. Wolfgang kann kaum lesen) A..Auuuus ei.. einem Het.. Het.. Hetzlied aus...KonstanzeWolfgangJudithAaronLinhard(flüstert Wolfgang vom Regiestuhl aus ganz verzweifeltzu) Mann, nun mach schon, das dauert viel zu lang, dasPublikum langweilt sich, kannst du nicht lesen oder was?Niemand konnte lesen 1519! Außer die ... Pfaffen!Und wir! (Spiellicht an). Die Juden! Gib schon her, duTrottel. Sie steigt selber auf das Quellenpodest und liestdas mittelalterliche Hetzlied ein, auch sie bleibt in derRolle und kommentiert während des Lesens den Text desLieds, etwa durch „So ein Quatsch. So eine Lüge. So einScheiß, das stimmt doch gar nicht!“). Also wirklich. Soein Unsinn. Und du lern erst mal lesen!Genau! Und jetzt reicht es aber hier. Raus! Geht jetzt!Du wirst es noch bereuen, warte nur. Die Zeit der Judenist in Regensburg abgelaufen. Das wirst du nochbereuen, du alter Jude! Du hast einen Fluch auf dichherabgeführt, genau darauf haben wir gewartet! Jetzthaben wir euch. Jetzt werden wir euch den Garausmachen. (Geht ab, Wolfgang steckt noch heimlich einpaar Sachen ein, Linhard brüllt wütend aus dem Off)Wolfgang! (Wolfgang eilig ab)55


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJJudithAaronJudithAaronLinhardWolfgangJudithAaronJudithAaron, bist du verrückt! (wendet sich zu denSchauspielern) Er hat gerade das Todesurteil für Sarahunterschrieben! Habt ihr das gesehen?(wendet sich auch an die Schauspielern) Hab ich garnicht! Komm zu dir, Judith! Sie redet doch nur dummesZeug! Man muss zu seinen Überzeugungen stehen unddarf sich nicht von so einem Schuft erpressen lassen,schon gar nicht, wenn es um die Liebe geht!Du bist doch völlig ohne Gewissen! Denk doch mal anSarah und nicht immer an deine saublöden Ideale. Duwirst Sarah umbringen! Sie wird sterben! Du hast dochgehört, was dieser Linhard gesagt hat!Soll ich unsere ganze Existenz aufgeben? Von was willstdu leben, wenn der Laden weg ist? Dann landen wir aufder Straße (ruft in Richtung Linhard ins Off). Und du wirstmein Laden nie kriegen!(aus dem Off) Das werden wir ja noch sehen!(aus dem Off) Genau!Jetzt lenk doch nicht ab, es geht um unser Schwester. Esgeht um Sarah!Ja, aber wir können sie doch beschützen! Wir Juden sindnicht allein, wir haben auch Rechte und der Hohe Ratweiß das! (wendet sich an die Schauspieler) Wir schaffendas doch, oder? (wieder zu Judith) Außerdem - glaub dochnicht immer alles, was die da reden, wir leben schon solange hier, wir gehören einfach zu Regensburg und dieStadt wird uns schon helfen!Die Stadt? Hast du vergessen, dass Linhard selber56


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMitglied des Hohen Rats ist! Wie willst du sie denn vordem Hohen Rat beschützen?AaronJudithJudith, jetzt denk doch einmal vernünftig nach, wenn eruns wirklich verraten wollte, dann hätte er die Sache dochgleich vor den Hohen Rat gebracht! Er droht doch nur.Wir müssen stark bleiben. Und Sarah … sie kann dochnicht einfach Ulrich und alles aufgeben, nur weil die unserpressen. Judith, vertraue auf Gott, das ist unserSchicksal.Bei Gott, ich wünsche mir so, dass du Recht hast, Aaron!Black57


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ9. Weil ihr Plan misslungen ist, verbreiten Linhard und Wolfgang Lügen über dieJuden unter den Regensburgern und hetzen sie zum Pogrom von 1519 aufIn der folgenden Szene ist die Bühne zunächst in vier Bereiche aufgeteilt, die durchLicht und sparsam eingesetzte Requisiten als solche gekennzeichnet sind. Die vierSpielorte sind ein Wirtshaus, ein Brunnen, ein Waschplatz am Fluss und schließlichder Eingang zu einer Kirche. Aaron wird den Spielern Rollen geben und sie denunterschiedlichen Spielorten zuteilen.AaronAlso, dieser böse, böse Linhard hat seine Drohung wahrgemacht und die Regensburger gegen uns aufgehetzt! Eswar schrecklich. Und das werden wir jetzt spielen … aberwir sind viel zu wenige böse Regensburger … (überlegtund sieht sich um, plötzlich fasst er resolut denEntschluss, dass dann eben die Mitglieder derTheatergruppe mitspielen müssen) Und deshalb müsstihr jetzt auch mitspielen, ihr spielt jetzt RegensburgerHandwerker. (zu Maria und Alex) So ihr beide, ihr gehtjetzt mal ins Wirtshaus zum Saufen. (Aaron positioniertdie beiden auf einem der vier Bühnenfelder, in der Folgeverteilt er auch die anderen Schauspieler bis auf Anna,die sich weigert, „bei sowas“ mitzumachen, auf die vierBühnenbereiche Wirtshaus, Brunnen, Waschplatz undKirche. Aaron, Judith und Sarah stehen im Hintergrundund können das Geschehen, das sich in der Folge bis zumVeitstanz hochschaukelt, von dort zu Tode geängstigtverfolgen)58


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJAlexAaronLinhardAlexAaronSuper!Ah ja, hier könnte der Brunnen stehen, ihr beide, ihr gehtzum Brunnen, um dort Wasser zu holen.So und ihr beide ihr geht da rüber, ja genau, ihr seidHandwerker die gerade aus der Kirche kommen.Und ihr drei, ihr geht zum Fluss, den stellen wir uns dortdrüben vor, ihr seid die Waschweiber. Ihr könnt ruhigein Liedchen singen.Aber, meinst du nicht, dass da noch was fehlt? Kostümeoder so?Thomas! Bring uns mal ein paar Kostüme für Handwerkerim Mittelalter! ( Bühnentechniker Thomas kommt vor dieBühne und wirft die Kostüme auf sie. Die Schauspielerwerfen sich darauf und reißen sich darum. Julia und Kimbekommen keines, weil sie zu langsam waren.(Aaron beschwört nun die Szenerie am Vorabend derVertreibung) So und jetzt kommt das Böse, Linhard undWolfgang säen den Hass in die Herzen der Regensburger,sie erzählen Lügen, sie stacheln auf, sie verleumden unsund der Hass blüht auf, er vergiftet die Herzen derMenschen, einer nach dem anderen wird angestecktvom Wahn und wie eine Krankheit breitet sich der Hassüber die Stadt aus ...(langsames Black. Maria, Alex und ein paar Regensburgersind im Wirtshaus, Lenny und eine Regensburgerin beimBrunnen, Anna und Kim als „Waschweiber“ mit anderenam Fluss und Julia und Marek in der Kirche, nur Anna sitztunbeteiligt am Bühnenrand. Linhard und Wolfgang sitzen59


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJauf der Nebenbühne. In die Dunkelheit hinein zündetLinhard ein Streichholz an, langsam düsteres Licht auf derNebenbühne)LinhardWolfgangLinhardLennyLinhardLennyWolfgangHandwerkerLinhardHandwerkerAaronLennyAlexLennyJudith(sadistisch) Wolfgang, wo gehen wir zuerst hin? ZumBrunnen, zum Wirtshaus, zum Waschplatz oder zurKirche?Gehen wir zum Brunnen! (Licht auf den Brunnen alsersten Spielort)Hey, was macht ihr da?Wasser holen?Aber, das Wasser könnt ihr nicht trinken!Wieso nicht?Die Juden haben da irgendein Pulver rein geschüttet.Oh, mein Gott!(erst jetzt springen Linhard und Wolfgang von derNebenbühne auf die Hauptbühne) Daher komm die Pest.Ihr müsst es weiter erzählen, die Regensburger allewarnen. Erzählt es allen!Oh, mein Gott!(Aus dem Hintergrund) Stimmt doch gar nicht!(Lenny rennt zum Wirtshaus, Licht auf den SpielortWirtshaus) Wisst ihr schon das neueste?Nein?Die Juden haben das Wasser vergiftet mit so einemPulver. Davon wird die Pest nach Regensburg kommen.Wir müssen die Bürger warnen. Alle. Erzählt es weiter,überallDas ist doch alles gar nicht wahr. Ich hab Angst.60


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJMariaWaschweiberLinhardAnnaLinhardLinhardAnna/KimLinhardAnnaLinhardAaronAlexAnna(sie läuft zu den Waschweibern, die ihre Wäsche im Flusswaschen, Licht auf den Spielort Waschplatz) Wisst ihr,was die Juden getan haben? Die Juden haben das Wasservergiftet!Was? (sie lassen die Wäsche fallen.)(läuft zur Kirche, Licht auf den Spielort Kirche ) Wisst ihr,was die Juden gestern gemacht haben? Sie habenHostienfrevel betrieben!Was?Sie haben mit einem rostigen Nagel in Hostiengestochen, solange bis Blut herauskam. Wir müssen allenBescheid sagen. Erzählt es allen!(läuft zum Waschplatz) Wisst ihr, was die Juden gemachthaben?Nein?Sie haben ein Christenkind entführt. Sie haben esgeschlachtet und sein Blut getrunken.Oh, mein Gott!Passt bloß auf eure Kinder auf. Ihr müsst eure Kinderdavor retten. Die Juden müssen raus. Erzählt es überallweiter, die Juden müssen raus aus Regensburg!Lügner! Wer erzählt solche Lügen und wer ist so blödund glaubt das auch noch. (sie ist so laut, dass die Judenentdeckt werden.)Da sind ja ein paar von den verdammten Juden.Raus mit denen.(Marek zieht Aaron von den anderen Juden weg und wirftihn auf den Boden. Judith und Sarah laufen weg, können61


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJentkommen.Mit dem Faustschlag gleichzeitig Black undStroboskoplicht und laute aggressive, stampfende Musik,zum Beispiel Machete von Moby. Die Personen auf derBühne stellen sich starr auf. Je einer wird geschubst oderzu Boden gestoßen, steht wieder auf und stößt schubstnun seinerseits jemand anderen zu Boden. Das ist derVeitstanz. Etwa alle 15 Sekunden Musik aus, Licht ausund Spot auf das Quellenpodest. In die Stille hinein wirdeine Quelle verlesen. Verlässt der Leser dasQuellenpodest, beginnt der Veitstanz von Neuem.→ Quelle 1: „Am 14. Februar des Jahres1499 treten dieJuden …“→ Quelle 2: „Aus den Staatsprotokollender StadtRegensburg ... „→ Quelle 3: „So hört ihr Leut ...“Nach der letzten Quelle bleiben Licht und Musik aus. Inder absoluten Stille wandert der Spot über die Bühne undfindet das Gesicht von Aaron, der ins Publikum blickt undeinen Moment zur Ruhe kommt. Dann Black.62


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ10. Aufgestachelte Regensburger Handwerker erscheinen vor dem Stadtrat undverlangen die Vertreibung der JudenZu Beginn der Szenen erzählt Aaron den Schauspielern, wie ihre Geschichte 1519weiterging. Auf der Bühne wurde bereits umgebaut. Auf der linken Bühnenseite sindgleichsam als Absperrung vor der Regensburger Judenstadt einige Stellwände zueiner Wand zusammengeschoben worden.AaronLinhard(Aaron zeigt auf Linhard.) Er hat die Christen inRegensburg gegen uns aufgehetzt! Er hat diesen Wahngeschürt! Er, das Mitglied des Hohen Rates vonRegensburg! Und dann ist dieser aufgehetzte Mob ausHandwerkern vor den Hohen Rat getreten und hatunsere Vertreibung aus der Stadt gefordert! Versteht ihrdas? Wir müssen euch das auch vorspielen, damit ihrversteht! (zu den Schauspielern) Und ihr müsst unbedingtwieder mitmachen, es waren so viele Handwerker.Es fehlt aber wieder was, hmm. Ah, genau! Thomas, wirbrauchen mittelalterliche Waffen! (Thomas kommtschwer beladen mit Knüppeln, Sensen, Stangen usw.wieder zur Bühne und wirft alles auf die Bühne, dieSchauspieler reißen sich erneut darum.)63


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJAaronAnnaJuliaSchauspielerKonstanzeGut. Also ihr stellt euch mal da drüben auf (schickt siezum rechten Bühnenrand), ihr werdet gleich vor denHohen Rat treten, haltet ruhig die Waffen hoch, alles warsehr bedrohlich damals. (wendet sich an Anna) Und wasist mit dir?Ich mach doch bei sowas nicht mit!Aaron, aber wer spielt jetzt den Hohen Rat?Konstanze.Ich? Ach, ich weiß nicht (ziert sich künstlich) Ja, wenn ihrunbedingt wollt, dann mach ich das auch! Aber nichtohne Kostüm! Thomas bring mir mal ein Kostüm, abereins von den Guten! (Thomas kommt genervt fluchendnach vorne) Jetzt hilf mir doch beim Anziehen, Thomas!Und stell doch den Stuhl auf die Bühne! Und mich auchnoch mit dazu! (Thomas zieht ihr erst das Kleid an, stelltdann den Stuhl hoch und setzt sie auf die Bühne. Sie setztsich mit dem Rücken zu den Handwerkern vor die Wand,welche die Absperrung zur Judenstadt symbolisiert.)Danke, Thomas! Okay, dann können wir ja mal loslegen,ich bin soweit!64


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJHandwerkerKonstanzeMarekHandwerkerKonstanzeHandwerkerHandwerkerJulia( Szene vor dem Hohen Rat beginnt, die Handwerker sindnervös, sie schwanken zwischen unterwürfigem,angstvollem Respekt und wütender Anmaßung) HoherRat, wir haben euch etwas zu sagen. (es herrschtGedränge im Pulk, keiner will sich aus der Deckungwagen, bis die anderen schließlich Marek nach vorneschubsen, damit der ihren Wortführer macht)(Konstanze steht als Hoher Rat würdevoll auf, geht ernstum Marek herum und mustert ihn wie ein Kuriosum) Setzden Hut ab! (Marek gehorcht ängstlich). Sprich!Ja, also, äh, wir haben ein Problem mit den Juden!(knetet verlegen seinen Hut, aber plötzlich bricht auchaus ihm der Hass hervor) Wir haben alle Schulden beiihnen. Aber die Juden haben Stoffe, Seide, Geld, alles. Istdoch so, oder? (er wendet sich Unterstützung suchend andie anderen Handwerker, die stimmen ihm zu)Ja, genau!(der Hohe Rat ist unbeeindruckt, es scheint, als würde erdie Juden schützen wollen) Die Juden wohnen seit über700 Jahren bei uns in Regensburg und wir haben immergute Geschäfte mit ihnen gemacht.Ja, aber die Juden gehören einfach nicht zu uns!Und selbst die Christen kaufen lieber bei den Juden ein.Wegen den Juden haben wir keine Arbeit mehr.65


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJAlexKonstanzeAlexUnd wenn wir krank sind, gehen viele zu den Juden umsich behandeln zu lassen.(empört geht sie zu der Wand auf der linken Seite, welchedas Judenviertel noch vor den Handwerkern schützt, dortist die berühmte Schutzurkunde von 1342 angebracht,welche den Juden in Regensburg Sicherheit garantierte)Seht her, diese Urkunde haben über 400 RegensburgerFamilien unterschrieben und zwar wichtige, angeseheneFamilien. Nicht so ein dahergelaufenes Pack, wie ihr esseid.Alex stellt sich auf das Quellenpodest, von dort liest erden Judenschutzbrief von 1342 ein. Er ist dabei nicht inder Rolle, alle anderen sind im Freeze, Licht aus und Spotauf Alex.→ Quelle einlesenKonstanzeLinhardKonstanzeAlso, was bildet ihr euch ein, hier gibt es keinDurchkommen. (heftet den Schutzbrief wieder an dieMauer)(hat sich alles vom Bühnenrand angehört, nimmtKonstanze am Arm und führt sie nach vorne an dieRampe, um dort mit ihr ein konspiratives Gespräch zuführen) Komm mal mit …Was ist denn?66


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJLinhardKonstanzeLinhardKonstanzeLinhardKonstanzeLinhardKonstanzeLinhardJetzt hör doch mal zu, du dummer Hund. Seit dreißigJahren haben wir nichts als Niedergang in Regensburg.Oder wie stehen deine Geschäfte? Steht dir das Wassernicht bis zum Hals? Und die Juden sind zu nichts mehrnütze, man kann keine Geschäfte mehr mit ihnenmachen! (geht auf Handwerker zu) Und dieser Pöbel davorne … das Volk schreit nun mal nach einemSündenbock, einem, der Schuld an dem ganzenSchlamassel hat! Oder willst du schuld sein?Nein, natürlich nicht!Oder die anderen Hohen Räte? Aber das Beste an derSache kommt erst noch...Was denn?Wisst ihr eigentlich, wie reich wir werden können?Reich?Wir beschlagnahmen alle Pfänder und wir reißen uns ihreHäuser unter den Nagel! Versteht ihr?! Das ganzeJudenviertel könnte uns gehören!Das ganze?Na, was sagst du, schlägst du ein?67


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJKonstanzeAaronKonstanzeJudithKonstanzeHandwerkerLinhardKonstanzeAbgemacht! (Sie geben sich die Hand. Dann nimmt sie dieUrkunde von der Wand und wendet sich direkt an dasPublikum. Bei jedem Satz zerreißt sie die Urkunde. Siespricht mit sichtbar geheuchelter Unschuld) Nun ja, wirkonnten ja die Sicherheit der Juden nicht mehrgewährleisten. Und der Aufstand der Handwerker, daswar ja ein richtiger Volksaufstand. Und was sie gesagthaben, stimmt ja auch. Die Juden sind selber schuld anihrem Unglück!Das stimmt ja gar nicht!Die Juden sind immer selber schuld an ihrem Unglück!Du Lügner.Wie gewünscht, so geschehen! (gemeinsam mit Linhardrückt sie die Wände auseinander, sodass ein Durchgangentsteht) Na los, lauft doch, geht, ... na los!(Aaron und Judith sind geflohen, Sarah wollte auchfliehen, aber Ulrich, dessen Hand sie hält, lässt sie nichtlos, zieht sie schützend an sich. Die Handwerker verfolgendie Juden durch die Lücke in der Mauer, Marek allenvoran. Gebrüll.)(entdeckt Ulrich, der immer noch Sarahs Hand hält,drohend) Ulrich! Ulrich! (Ulrich weicht von Sarahs Seite,Sarah sinkt zu Boden, verschränkt ihre Arme über ihremKopf, Ulrich lässt sie im Stich und flieht)(besorgt) Ob das wohl gut geht?68


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJLinhardKonstanzeLinhardKonstanzeJuliaDas ist das beste Geschäft deines Lebens du Dummkopf!Money, money, money!(grinsend) Ja, money, money, money!Und weißt du, was jetzt das Wichtigste ist: Wir müssendie Synagoge abreißen und anstelle der Synagoge gleicheine Kirche bauen. Dann ist es aus mit den Juden inRegensburg!Ja, dann ist es aus!Julia stellt sich auf das Quellenpodest, von dort liest sieaus dem Beschluss des Hohen Rats über die Vertreibungder Jüdischheit. Sie ist dabei nicht in der Rolle, alleanderen sind im Freeze, Licht aus und Spot auf Julia.→ Quelle einlesenAnschließend wird Sarah von Linhard die Bühne entlanggeschleift und die Treppe runtergezogen. Die Szeneversinkt im Black.69


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ11. Die Juden werden aus Regensburg vertrieben, Sarah wird 1519 vom Moberschlagen, aber das Paar Anna und Marek in der Gegenwart wird gerettet.Noch in der Dunkelheit läuft Alex durch die Mittelgasse im Publikum RichtungBühne und krakeelt „Juden raus“. Bühnenlicht mit Erreichen der Bühne. Er springtauf die Bühne und baut sich vor dem Judenviertel auf. Im gleichen Moment stoßendie anderen Handwerker dazu und positionieren sich auch drohend vor demJudenviertel. Der Eingang in das Judenviertel wird erneut durch die transparentenStellwände symbolisiert.AlexHandwerkerAaronMarekJudithAaronAlexJudithJuden raus! Juden raus! Juden raus!Ja, genau!(in die pogromartige Stimmung treten Aaron und Judithaus dem Judenviertel dem Mob entgegen, ihr Auftritt istso energisch, dass die Menge zunächst zu verstummenscheint. In der Folge versuchen Judith und Aaron denAusbruch des Pogroms zu verhindern, indem sie an dasVerbindende und die gemeinsame Geschichte erinnern,dazu sprechen sie immer wieder einzelne, ihnenbekannte Personen aus der Menge direkt an) Was wolltihr hier… Anna, bist du das wirklich du? Hat deinGroßvater meinen Vater nicht „Freund“ genannt?Hat doch damit nix zu tun!Unsere Kinder haben miteinander gespielt, Wolfram!Obwohl du Christ bist!Geben wir euch Handwerkern nicht immer Arbeit?Als ob…Wir haben immer brav unsere Steuern bezahlt! Leugnet70


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJes nicht!LinhardHandwerkerAlexAaronJudithAlexJudithAaronLinhardHandwerkerHandwerkerHandwerkerJudith(Linhard sitzt diabolisch am Bühnenrand und spielt mitStreichhölzern, er heizt die Stimmung an, indem er dieantisemitischen Stereotypen in den Raum wirft.Genüsslich zündet er bei jedem Stereotyp, das ervorbringt, ein Streichholz an.) Und was ist mit demWuchern? Nehmt euch doch das Geld von den Juden!Ja, genau!Her damit!Magdalena, los sag schon, wer hat dich zur Weltgebracht? Es war eine jüdische Hebamme, die dich zurWelt gebracht hat!Aber? Friedrich! Wer hat dich gerettet, als du todkrankim Bett lagst? Na, ein jüdischer Arzt!Das hätten auch wir Christen hingekriegt!Nein, hättet ihr nicht, weil eure Ärzte nämlich nichtstaugen! Wenn die Quacksalber nicht mehr weiterwissen, dann kommt ihr zu unseren ÄrztenIhr seid Christen und wir sind Juden und wir konntenJahrhunderte in der gleichen Stadt leben! Und das wargut so!Denkt daran, sie waren es, die die Brunnen vergiftethaben!Ja stimmt, ihr Brunnenvergifter.Ihr habt uns die Pest gebracht!Ihr seid Schuld!Aber, wir haben uns doch immer so gut verstanden! Wasist denn jetzt nur los mit euch? Wir sind Nachbarn! Wir71


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJleben in einer Stadt! Wir sind auch RegensburgerBürger!LinhardAlexJuliaAlleAaronLinhardLinhardHandwerker1Brunnenvergifter, Kindermörder! Ihr gehört nicht zuuns! Ihr seid keine Regensburger!Ihr falschen Schlangen!Ausrotten wollt ihr uns, ihr Schlangen!Ja, raus mit euch!(gerät außer sich) Hört auf! habt ihr denn gar keineBarmherzigkeit mehr im Leibe? Seid ihr alle aus Stein,oder was? Sind wir nicht alle Kinder vom selben Vater?Kennt ihr keine Sünde?Und wisst ihr was? (Linhard greift hinter die Bühne undspielt seinen Trumpf aus: Er zerrt Sarah vor und wirft siedem Mob vor die Füße) Das ist eine jüdische Hexe! (Aufdieses Stichwort stürzen Judith und Aaron vor, um Sarahzu schützen, aber die Handwerker bilden eine Art Mauerund halten sie zurück. Gleichzeitig bildet sich ein zweiterPulk aus Handwerkern, in dessen Mitte sich für dasPublikum unsichtbar Ulrich verbirgt) Sie hat den armenUlrich verzaubert! Ich habe es selbst gesehen. Sie hat ihnverzaubert, damit er sich in sie verliebt! Vielleicht will sieihn ausrauben oder sogar umbringen! Ich habe es aufjeden Fall selber gesehen! Sie ist eine jüdische Hexe!Wo ist Ulrich? Holt ihn her! Jetzt soll er beweisen, zuwem er gehört! Auf dieses Stichwort treten dieHandwerker aus dem Pulk nach hinten, wodurch plötzlichUlrich allein vor der am Boden liegenden Sarah steht).(Der Handwerker tritt vor und flüstert Ulrich ins Ohr, er72


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJhat einen Knüppel dabei, der in der Folge vonHandwerker zu Handwerker, der an Ulrich herantritt,weiterwandert, bis der letzte ihn Ulrich selbst in die Handdrückt, die Handwerker bilden auf diese Weise einenbedrohlichen Halbkreis um Ulrich) Na los, küss dochdeine jüdische Freundin!Handwerker2AlexMarekSarahUlrichAlleUlrichMarek(Der Handwerker tritt vor und flüstert Ulrich ins Ohr,gleichzeitig nimmt er den Knüppel) Befrei dich von derJudenmetze! Sie hat dich verzaubert! Schlag sie tot!(Alex tritt vor und flüstert Ulrich ins Ohr, gleichzeitignimmt er den Knüppel) Mach deinem armen Vater keineSchade und sei kein Hurenbock. Lass dich nicht auf dieseJüdin ein und schlag sie tot!(Marek tritt vor und flüstert Ulrich ins Ohr, gleichzeitignimmt er den Knüppel und drückt ihn schließlich Ulrich indie Hand) Los, bring sie um, oder weißt du nicht wasGottes Wille ist? (Die Handwerker stoßen Ulrich nachvorne)Ulrich steht alleine, von allen beobachtet vor derknieenden Sarah, mit hilfesuchenden Blicken wendet ersich an Linhard, der schüttelt nur den Kopf.Aber Ulrich, ich liebe dich doch!Liebe ich dich?Schlag sie tot! Bring sie um!(Ulrich erschlägt Sarah, die ihm ihre offenen Hände zeigt)(geht zu Sarah und streift ihr über den Kopf, sodass erBlut an der Hand hat, er geht zu Ulrich und streift seineHände an ihm ab) Du hast sie wirklich umgebracht! (geht73


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJzu Julia) Anna, er hat sie umgebracht!JuliaLinhardWolfgangHandwerkerAlexHandwerkerMarekWolfgangJudith, Linhard, Juliaund AnnaJuliaAnnaLinhardJudithJuliaNein, Sarah, nein! Bitte nicht!Gehörst du jetzt auch zu dieser Judenmetze?Was soll das denn?Gehörst du etwa auch zu den Juden?(nimmt den Knüppel und bedroht Anna) Pass bloß auf,du!Ja genau, du Judenmetze!(schubst Alex zu Boden) Hey, lasst Anna in Ruhe! (reißtAnna von Julia los) Los, Anna, komm mit!(der Einsturz der Synagoge ist zu hören)(sieht nach, was passiert ist und kommt zurück) Jetzt istes aus mit den Juden! Die Synagoge ist eingestürzt!Alle gehen aus ihren Rollen und nehmen die vomQuellenpodest bekannte innere Haltung an, sie gehenalle nach vorne an den Bühnenrand und stellen sichanalog der früheren Szene nebeneinander auf.Die Regensburger Synagoge des Mittelalters war eingotischer Bau! Sie galt als eine Perle unter denSynagogen im deutschen Reich.Sie war zu der Zeit sehr groß! Kein Gebäude derJudenstadt durfte höher sein als die Synagoge.Die Christen haben sie abgerissen, um an ihrer Stelleeine Kirche zu bauen, damit die Juden nie wiederzurückkommen können.Bevor die Juden die Synagoge preisgaben, haben sie alleheiligen Schriften aus der Synagoge gerettet!Mit der Synagoge wurde auch die jüdische Gemeinde74


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJzerstört! Im Februar 1519 endete die fast 700-jährigejüdische Geschichte von Regensburg.KonstanzeAnnaMarekKonstanzeJudithAaronJemand von AaronsSeiteJemand von AaronsSeiteJemand von AaronsSeite(Konstanzes Auftritt bricht die Illusion, das Stück spieltwieder in der Gegenwart) Ahhh, oh mein Gott, habt ihrdas toll gespielt! Hach, also diese Leidenschaft, diesesGefühl, das war unbeschreiblich. Alles war so wirklich,fantastisch, wahre Kunst. (zu Anna und Marek) Und ihrzwei, wie süß!Ach Marek, ich bin so froh, dass du mich gerettet hast!Die arme Sarah und nur weil sie Jüdin ist, das geht dochnicht.(geht zu Ulrich) Und du! So dämonisch,markerschütternd! Das war einfach toll! (geht zu Sarahsleblosem Körper) Und diese Leiche, seht euch doch nurdiese Leiche an! Hach, so schön tot. Und sie bewegt sichnicht mal.(tänzelt triumphierend zur Leiche Sarahs) Siehst du? Eshat einfach nicht geklappt! Ich habe Recht behalten! Sieist tot, sie ist tot!(geht zu Anna und Marek) Von wegen, sieh her, ich habeRecht behalten, schau her, es kann eben dochfunktionieren!Ja, genau!Die beiden sind jetzt ein glückliches Paar.Da hat sie Recht, die Liebe ist am wichtigsten.75


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJJudithJemand von JudithsSeiteJemand von JudithsSeiteJemand von JudithsSeiteAaronJudithAaron und JudithSarahJuliaLinhardKonstanzeAaronKonstanzeAaronKonstanzeAaronAber schaut doch hierher. Hier hat es überhaupt nichtgeklappt! Schau mal, unsere kleine Schwester ist tot!Ja, genau! Die ist tot!Das stimmt schon irgendwie.Also, ich finde auch, Judith hat Recht.Aber Anna lebt noch! (Aarons Seite stimmt lebhaft zu)Aber Sarah ist jetzt tot! (Judiths Seite stimmt lebhaft zu)Jetzt, Sarah! Sag doch du auch mal was.(steht auf, schaut zu Aaron, dann zu Judith und zieht sichden Schleier wieder über)(zu Konstanze) Ja, aber wer hat denn jetzt Recht?Genau! Wer hat Recht?Ja, was schaut ihr mich denn da an, das weiß ich dochnicht.(Konstanze und Aaron gehen nach vorne an die Rampe)Und die Moral von der Geschicht?Die gibt es einfach nicht!Warum?Ja, weil wir hier Kunst kreieren! Wir sind hier schließlichim Theater! Wir müssen Fragen aufwerfen, und keineAntworten geben! Wie hier jetzt! Wer hat denn nunRecht? Judith oder Aaron? Was sagen sie denn dazu,Herr – Rektornamen einsetzen – ? Siehst du? Er trautsich nicht!Aber die Antworten sind da. Sie reifen noch in den76


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJKöpfen der Leute! (Holt sich Farbspray aus demQuellenbock und übersprüht die antisemitischen Parolenauf den Stellwänden.)Ende77


„Alles <strong>Koscher</strong>?!Ein Theaterstück der RsaJ78


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