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Leopold Toifl, Zur Verteidigung der Stadt Graz im ... - Landesarchiv

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<strong>Zur</strong> <strong>Verteidigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong> <strong>im</strong> Türkenjahr 1663Ein Beitrag zum steirischen ZeugwesenVon <strong>Leopold</strong> TOIFI.Demnach <strong>der</strong> Erbfeündt Christlichen Nambens <strong>der</strong> Türckh in starkhenKhriegsverfassungen begriffen vnd es dz ansehen hat, dz er etwan vnuersehensdises Landt Steyer vnd zu for<strong>der</strong>ist dise Haubt Statt Grätz infestiern vndüberfallen möchte, vnd dahero die vnumbgengliche Notturfft erfor<strong>der</strong>t allerhandtnothwendige anstalten vnd Defensions Mitl Zeitlichen Zuergreifen, alsowolle Sy HoffCamer gehörigen Orths die Verordnung thuen, damit die Stuckhvnd Geschüz auf alle ihro vnterworffene Pasteyen vnd orthen alsobalden aufgefüehrt vnd hierzue alle Nottwendigkhaiten, so zu aufziehung solcher Stückhgehörig, erzeugt vnd beygeschaffet werden, denn an deme beschickt Ihrerkay(serlichen) May(estät) allergenedigister willen vnd Mainung.Mit diesen in umständlichem Amtsdeutsch gehaltenen Worten informiertendie in <strong>Graz</strong> amtierenden kaiserlichen Gehe<strong>im</strong>räte am 9. Juni 1663die für Finanzsachen zuständige Hofkammer über das erneute Anwachsen<strong>der</strong> ohnedies seit Jahrhun<strong>der</strong>ten latenten Türkengefahr. 1Die AusgangslageWie so oft vorher, waren auch 1663 die Behörden vom Anschwellen<strong>der</strong> türkischen Aggression überrascht worden und mußten erst mühsameinen Konsens zu einer effektiven Landesverteidigung finden. Obwohlschon seit fast drei Jahren <strong>im</strong> dreigeteilten Ungarn ein Kleinkrieg, ausgelöstdurch Einmischungen des jungen Kaisers <strong>Leopold</strong> 1. in lokale siebenbürgischeUnruhen, schwelte, wiegte man sich in Sicherheit. Was gingendie Steirer schließlich Streifzüge <strong>im</strong> nordöstlichen Ungarn an? — So meinteman wenigstens. Dabei übersah man aber, daß die Osmanen nach einemgeeigneten Grund suchten, dem Habsburgerreich, dem ja auch das HerzogtumSteiermark angehörte, offiziell den Krieg erklären zu können. Einsolcher war schließlich gefunden, als <strong>der</strong> kroatische Banus Niklas Zrinyi amlinken Murufer das Kastell Ujserinvär errichtete und von hier aus RaubundPlün<strong>der</strong>ungszüge in türkisch besetztes Gebiet unternahm. Kaiserlicherseitseingeleitete diplomatische Verhandlungen blieben erfolglos, woraufhinStLA, Hofkammerakten (HK) 1663 Juni 42.


282 To ifl/Verteidigu ng<strong>der</strong> junge, aber energische türkische Großwesir Ahmed Köprülü am18. April 1663 bei Belgrad die Roßschweife ausstecken ließ und damittraditionsgemäß den Krieg erklärte. Zugleich wurden in Istanbul, Edirneund <strong>im</strong> gesamten Osmanenreich öffentliche Kriegsgebete gehalten, von denMinaretten wurde zum „Heiligen Krieg" aufgerufen.Mitte Juni brach Köprülü mit mehr als 100.000 Mann aus dem Banatund dem südöstlichen Ungarn Richtung Westen auf. Kaiser <strong>Leopold</strong> konntedem lediglich ein buntzusammengewürfeltes Heer von rund 55.000Soldaten, das zudem noch schlecht ausgerüstet war, entgegenstellen. 2 Erstjetzt erkannte man den Ernst <strong>der</strong> Lage.Erste MaßnahmenZwar wußte man in <strong>Graz</strong> Mitte Mai bereits von <strong>der</strong> Kriegserklärung,doch war zu dieser Zeit das Ziel <strong>der</strong> türkischen Hauptarmee noch ungewiß.Auf keinen Fall auszuschließen aber war ein Vormarsch gegen <strong>Graz</strong>, dasnun schleunigst in <strong>Verteidigung</strong>sbereitschaft gesetzt wurde.Um den eventuell heranziehenden Feinden keine Deckungsmöglichkeit zubieten, wurde per Hofdekret vom 16. Juni <strong>der</strong> Abbruch sämtlicher Häuser vordem Paulustor sowie vor dem Eisernen Tor verfügt. Trotz heftigen Wi<strong>der</strong>standes<strong>der</strong> Bürgerschaft und daraus resultierenden wirtschaftlichen und materiellenSchadens wurden die Abrißarbeiten durchgesetzt. Die Baumaterialien wurdenfür einen späteren Wie<strong>der</strong>aufbau zwischengelagert. 3 An die Stelle <strong>der</strong> zerstörtenHäuser wurden vor den Basteien Palisaden gesetzt. Die zu <strong>der</strong>en Anfertigungbenötigten Lärchen- und Fichtenbäume organisierte <strong>der</strong> BuchhaltereiraitoffizierGregor Pucher <strong>im</strong> Auftrag <strong>der</strong> Hofkammer in den nördlich von <strong>Graz</strong> liegendenHerrschaften Eggenberg, Rein, Peggau, Pfannberg, Rabenstein, Pernegg,Bruck/Mur, Kapfenberg und Göß. Die Stämme hatten eine einheitliche Stärkevon 8 bis 9 Zoll (rund 20 Zent<strong>im</strong>eter) sowie eine Länge von 8 Klaftern (rund 14Meter) und wurden zu etwa zwei Drittel <strong>im</strong> Erdreich versenkt. 4Hand in Hand mit diesen Befestigungsarbeiten erfolgte die systematischeAusbesserung <strong>der</strong> Bollwerke, die seit <strong>der</strong> Renaissancezeit, also seit <strong>der</strong>Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts, <strong>Graz</strong> in Form von Basteien, Mauern und Torenumgürteten (Abb. 1). Im Verlaufe einer Kommissionierung zeigte sich, daß2 Kurt PEBALL, Die Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf 1664 (= MilitärhistorischeSchriftenreihe 1), Wien 1964, 4f.' StLA, HK 1663 Juli 14; StLA, Guettbedünckhen 1663 Juni 12. Zu den Abbrucharbeitenvgl. Fritz POPELKA, Geschichte <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Bd. 1, <strong>Graz</strong> 1959, l40f." StLA, HK 1663 Juni 42; HK 1663 Sept. 75.


^Erster Abrirz <strong>der</strong> Statt Gräli wieanietzl Stehet(1657)Abb. 1: Plan <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong>, Martin Stier (1657). Dieser Grundriß <strong>der</strong> steir. Hauptstadt verdeutlicht ihren fortifikatorischenZustand auch noch <strong>im</strong> Jahr 1663. Die strichlierten Befestigungen wurden aus Geldmangel jedoch nie errichtet.


284 <strong>Toifl</strong>/<strong>Verteidigung</strong>die Vorwerke <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Jahre beträchtliche Witterungsschäden erlittenhatten und eventuellen feindlichen Angriffen unter Umständen nicht mehrwi<strong>der</strong>stehen konnten. Zudem hatten Bürger auf einigen Bastionen Gärtenangelegt und <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Kehricht und Schutt von den Mauern in den<strong>Stadt</strong>graben „entsorgt". Mitunter erreichten die Schuttmassen schon beinahedie Höhe <strong>der</strong> Landschaftsbastei. Zeitweilige Mandate zur Abtragung <strong>der</strong>Gärten und Räumung des <strong>Stadt</strong>grabens - etwa 1 593, 1629, 1663 und 1685— zeitigten nicht den gewünschten Erfolgt Derlei Nachlässigkeiten rächtensich jetzt. Seit dem 11. Juni mußte jede Person, die in o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> einHaus besaß o<strong>der</strong> auch nur Mieter war, entwe<strong>der</strong> selbst bei den anfallendenSchanzarbeiten mitwirken o<strong>der</strong> zumindest einen Vertreter schicken. Auchdie Klöster und Freihäuser mußten Arbeiter stellen, ja selbst Bettler undGefangene blieben nicht von den Handlangerdiensten verschont. Ziele <strong>der</strong>gemeinsamen Aktion waren die Räumung und Vertiefung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>gräben,die Einsetzung <strong>der</strong> Palisaden sowie die Instandsetzung <strong>der</strong> Wälle. Durchinsgesamt elf verschiedene Dekrete informierte <strong>der</strong> steirische Landeshauptmanndie <strong>Graz</strong>er, was gestalt die Statt alhier zu fortificiern, die heüser abzubrechen,zu schanzen, den Tagwerkern des Tags zu geben, die Inwohner zuprofiantiern wären. 6Eine am 22. Mai durchgeführte Visitierung <strong>der</strong> Basteien durch denHofzeugwart Jeremias Conrad sowie durch den landschaftlichen ZeugwartSigmund von Klaffenau verdeutlichte die tristen Verhältnisse: die hölzernenDächer, unter denen <strong>im</strong> Kriegsfall Geschütze aufgestellt werden sollten,waren <strong>der</strong>art vermorscht, daß sie kaum noch verwendet werden konnten.Die Kasematte <strong>der</strong> Landschaftsbastei war dem Einsturz nahe. Auch die„moßbrüggen" (hölzerne Rampen zum Aufziehen <strong>der</strong> Geschütze auf dieMauern) waren akut einsturzgefährdet und mußten komplett neu hergerichtetwerden. Wie nachlässig man <strong>im</strong> übrigen bei <strong>der</strong> Instandhaltunggewesen war, zeigte sich an den steinernen Kanonenkugeln: sie waren bisherauf den Basteien lediglich auf dem lockeren Erdreich gelegen und bedingtdurch Witterungseinflüsse <strong>im</strong>mer mehr eingesunken, so daß sie demVernemben nach thails tief in <strong>der</strong> Erden steckten vnd gar ver<strong>der</strong>ben mochten. 1Daß etwas zur Besserung <strong>der</strong> Umstände unternommen werden mußte,war War, doch über das „Wie" schieden sich die Geister. Schuld daran wareine Abmachung, die am Brucker Landtag des Jahres 1578 getroffen wor-^ Diether KRAMER^<strong>Leopold</strong> TOOL, Archäologisch-historische Untersuchungen in <strong>Graz</strong>.In: Landesmuseum Joanneum <strong>Graz</strong>, Jahresbericht 1994 (<strong>Graz</strong> 1995), 69—106, bes. 89r.6 StLA, HK Exp. 1663 Juni 10 bis Juni 22; HK 1663 Juni 10. POPKLKA (wie Anm. 3), 140.StLA, Laa. A. Antiquum V, Zeughausakten, Seh. 15 (1631-1680); StLA, HK 1663Juni 2.


MStLA 48 (1998) 285den war und die man als „dualistische Wehrverfassung" kannte. Damalshatte man cias steirische Kriegswesen in zwei separate Abteilungen gespalten:das landschaftliche und das landesfürstliche Wehrwesen. Beide Einrichtungenagierten mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> unabhängig voneinan<strong>der</strong>, solltensich aber (zumindest <strong>der</strong> Theorie nach) bei <strong>der</strong> Landesverteidigung effektivergänzen. Beide besaßen ihre eigene Finanzgebarung, ihren eigenen Verwaltungsapparatund ihr eigenes Waffendepot: die landschaftliche Seite die„Verordneten" (ein fünfköpfiges Gremium <strong>der</strong> Landstände), das ständischeZeughaus (heute: Landeszeughaus) und den ständischen Zeugwart, dielandesfürstliche Seite dagegen die Hofkriegsräte und Hofkammer, das Hofzeughausund den Hofzeugwart (Abb. 2). Daß sich keine <strong>der</strong> beiden Seitenvon <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en bevormunden lassen wollte, läßt sich denken.Die vnumbgänkhliche notturjft erfor<strong>der</strong>t bey dieser yezigen, von Tag zu tagmehrers zunembenden Thürkh enge fahr vnd vorhabenden feinidtlichen vorbruchin diese I. O: Länn<strong>der</strong>, allerhandt nottwendige anstalten vnd Deffensions Mitlzu ergreiffen, erklärten die als Vertreter des Kaisers in <strong>Graz</strong> fungierendenGehe<strong>im</strong>räte am 9. Juni' s und mischten sich damit direkt in die Frage nachdem „Wie" ein. Noch während Gehe<strong>im</strong>räte und Hofkriegsräte debattierten,hatten Verordnete und Hofkammer bereits reagiert, indem <strong>der</strong> steirischeVizedom Johann Andrä Zeherer am 1. Juni den Auftrag erhielt,sämtliche tächer, moßbrüggen vnd Ladtzeug zu den groben geschüz zunottfelligem gebrauch reparieren zu lassen. Die <strong>im</strong> Erdreich versunkenenSteinkugeln waren auszugraben und auf eigens dafür anzufertigende Schrägenaus Holz zu legen. Der landschaftliche Bauschreiber Andrä Strobldagegen wurde am 30. Mai anschalten, über <strong>der</strong> Kasematte <strong>der</strong> Landschaftsbasteiein hölzernes Runddach zu errichten und so weiteres Eindringenvon Regenwasser ins Mauerwerk zu verhin<strong>der</strong>n. 9 Offenbar unter demEindruck <strong>der</strong> drohenden Feindgefahr wurden die veranschlagten Arbeitenohne größere Verzögerungen vorgenommen. Schon am 8. Juni war dieKasematte <strong>der</strong> Landschaftsbastei vollständig; sedeckt, so daß die aus demlandschaftlichen Zeughaus stammenden schweren Geschütze auf ihr hättenaufgestellt werden können. Obwohl die Hofkriegsräte die Verordnetendazu am 9. Juni auch auffor<strong>der</strong>ten, geschah jedoch vorerst noch nichts.Man wollte noch zuwarten. Sehr wohl aber wurde <strong>der</strong> be<strong>im</strong> Eisernen Torstehende Pulverturm geräumt, <strong>der</strong> dort eingelagerte Schießbedarf ins landschaftlicheZeughaus transferiert. Sämtliche hölzernen Einbauten <strong>im</strong> Turmselbst wurden durch den Zeugwart Sigmund von Klaffenau entfernt. 10 AmSt LA HK 1663 Juni 45.Wie Anm. 7.St LA, Laa. Ä. Antiquuni V, Registratur- und Expeditbuch 1660-1663, Fol. 209v.


286 Lo ifllVerteidigu ngAbb. 2: Der Kupferstich von Lorenz de Sype und Wenzel Hollar zeigt das Eiserne Tor und dieLandschaftsbastei (1), das landschaftliche Zeughaus (2) und das Hofzeughaus (3).


MStLA 48 (1998) 28712. Juni waren auch die Reparaturen an den Hofbasteien vollendet, undnun erhielt <strong>der</strong> Hofzeugwart Jeremias Conrad die Or<strong>der</strong> zur Aufziehung<strong>der</strong> Geschütze. Einen entsprechenden Befehl, nämlich Kanonen in <strong>der</strong>alhirigen Haubt-vösstung (also in <strong>der</strong> Schloßbergfestung) an die gehörigenOrth alsobalden stellen zu lassen, wurde dem Schloßhauptmann Gabriel vonDietrichstein am 13. Juni zugestellt."Es wurde bald klar, daß <strong>der</strong>lei Vorkehrungen leichter anzuordnendenn auszuführen waren: es zeigte sich nämlich, daß <strong>im</strong> Hofzeughaus keintaugliches Seil zum Aufziehen <strong>der</strong> Geschütze vorhanden war. Und daschlug <strong>der</strong> Bürokratismus voll zu. Conrad berichtete darüber <strong>der</strong> Hofkammer,gleichzeitig um ein geeignetes Seil bittend. Letztere leitete dasAnsuchen zuständigkeitshalber an die Gehe<strong>im</strong>räte weiter, die ihrerseitswie<strong>der</strong> in Wien Nachfrage hielten. Darüber vergingen Wochen, wertvolleZeit verstrich ungenützt, und erst am 16. Juli erhielt <strong>der</strong> Hofzeugwart dieErlaubnis, ein Aufzugseil be<strong>im</strong> Hofseilermeister anfertigen zu lassen. 12 Aberauch jetzt gelangten noch nicht alle Geschütze auf ihren vorgesehenenPlatz. Warum, bedarf näherer Erläuterung.Schwierigkeiten mit dem KommandantenAm 20. Juni hatte Kaiser <strong>Leopold</strong> I. einen gewissen Thomas Vogl vonFalkenstein, Obrist über ein Fähnlein Fußknechte, zum <strong>Stadt</strong>kommandantenvon <strong>Graz</strong> bestellt. Als dessen Ernennung Ende des Monats in <strong>Graz</strong>publik wurde, regte sich Wi<strong>der</strong>srand. Obwohl die Gehe<strong>im</strong>räte am 24. Juniden neuen Commendanten akkreditiert hatten, weigerten sich sowohl Hofkammerals auch Verordnete, Vogl zu akzeptieren, weil sie Eingriffe in ihreKompetenzen fürchteten. Trotzdem bestanden die Gehe<strong>im</strong>räte auf denDienstantritts Vogls mit dem 16. Juli und for<strong>der</strong>ten die Hofkammer am30. Juni auf, bey dem General Commissariat die Verordnung zu thuen, damitnicht allein Ihme Obristen Vogl son<strong>der</strong>n auch seinen Substituten diegebührundte Vnterhalt vnd Verpflegung auß <strong>der</strong> Khriegs Commissariat Cassagezahlt werde. 1 ' In beson<strong>der</strong>s aufmüpfiger Weise wehrte sich <strong>der</strong> nahezublinde (!) Schloßhauptmann Gabriel von Dietrichstein gegen den neuenKommandanten. In einem Beschwerdebrief legte er dar, ihm sei erklärtworden, daß heüt dem 16. Jully in <strong>der</strong> Statt, vnd an negsten Mitivoch als <strong>der</strong>StLA, HK 1663 Juni 45. POPELKA (wie Anm. 3), 140.StLA, HK 1663 Juli 47.StLA, HK 1663 Juni 96.


288 <strong>Toifl</strong>'<strong>Verteidigung</strong>18: eiusdem in <strong>der</strong> Vestung allhier, Herr Obrister Herr Toman Vogl vor einenComendanten best<strong>im</strong>mt werde. Zugleich betonte er, daß er bisher vomKaiser nicht als Schloßhauptmann abgesetzt worden sei, son<strong>der</strong>n vill mehrersdarbey nach laudt J<strong>im</strong>gister Ergangenen Khay: Resolution aller gnedigist gelassenworden bin. An eine freiwillige Abdankung seinerseits sei nicht zudenken, weil er sein Amt seit dem 2. April 1636 zufriedenstellend ausgeübthabe und es ungeachtet seines Alters und seiner Blindheit auch weiterhinausüben könne. Noch am selben Tag informierte die Hofkammer dieGehe<strong>im</strong>räte über die unnachgiebige Haltung Dietrichsteins und bat umWeisung. Betont barsch verfügten die kaiserlichen Stellvertreter daraufhinam 1. August die Absetzung des Schloßhauptmannes. Am nächsten Tagbegaben sich Otto Rindsmaul und Johann Franz von Wildenstein zusammenmit Thomas Vogl auf den Schloßberg und übergaben Dietrichsteindas Absetzungsdekret. Allerdings erklärten sie ihm, daß Ihme durch diseenthöbung <strong>der</strong> Militärischen Function nichts praejudiciert o<strong>der</strong> benombenwirdet und seine würckhliche vn<strong>der</strong>haltung wegen seiner langwirigen getreuenßeissigpraesentierten Dienste ad dies vitae verwilligter verbleibete. Der Kompromiß— Enthebung <strong>der</strong> militärischen Funktion, dafür Weiterzahlung desSchloßhauptmannsgehaltes auf Lebenszeit — wirkte. Dietrichstein legte seinAmt nie<strong>der</strong>. Zugleich wurde die Schloßbergbesatzung von ihrer Eidespflichtgegenüber ihm entbunden und dem Thomas Vogl angelobt. 14 Eineneue Ära hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>verteidigung brach an.Mit <strong>der</strong> Amtsübernahme des Thomas Vogl von Falkenstein ging nunein schärferer Zug durch die Kriegsvorbereitungen. Musterungen <strong>der</strong> wehrfähigenBürger wurden veranstaltet, die Wachen an den <strong>Stadt</strong>toren verstärkt,um etwaige türkische Spione abzufangen. Die Abbrucharbeiten anden Vorstadthäusern wurden bis in den November hinein fortgesetzt. WeilProviant auf Vorrat eingelagert werden mußte, nutzten die Händler dieLage aus und verlangten zum Teil horrende Preise. Zudem versuchte dieRegierung, den <strong>im</strong>mer akuter werdenden Geldmangel durch eine Anzahlneuer Steuern auf Nahrungsmittel und Verbrauchsgegenstände in Griff zubekommen. Die Notlage <strong>der</strong> Bürger stieg stetig an, so daß die steirischenLandstände endlich erklärten, weitere finanzielle Belastungen seien nichtmehr vertretbar. '^' ScLA, HK 1663 Juli 41; HK 1663 Aug. 1.1 Genaueres bei POPELKA (wie Anm. 3), 142. Weitere Gustav PSCHOLKA, <strong>Graz</strong> und seineEinwohner <strong>im</strong> Jahr 166)3 (= Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte,Bd. XIV, H. 2), 36.


MStLA 48 (1998) 289RüstungsbestrebungenAls weitaus weniger sparsam erwiesen sich die Verantwortlichen hinsichtlichdes Zeugwesens. Zwar war das in den Jahren 1642 bis 1644errichtete landschaftliche Zeughaus in <strong>der</strong> Herrengasse wohlgefüllt undwies laut Inventar vom 30. September 1547 nicht weniger als 90.722 Stückan Waffen, Munition und Zubehör auf. Dazu kamen noch 925 Zentner7 Pfund an Pulver, Blei, Zündstricken, Zinn und kleineren Kugelsorten. 16Doch nicht alle eingelagerten Gegenstände waren brauchbar bzw. auf demmo<strong>der</strong>nsten Stand. Zudem waren die Landstände verpflichtet, zumindesteinen Teil ihrer Zeugbestände für das Landesaufgebot, die Militärgrenzeo<strong>der</strong> geworbene Kriegsvölker bereitzustellen, 1 so daß man befürchtenmußte, hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>verteidigung <strong>im</strong> Falle einer Belagerung durchdie türkische Armee nicht genügend gerüstet zu sein. Deshalb sah sich diesteirische Landschaft bemüßigt, neue Waffen- und Munitionseinkäufe zutätigen. Bei den Erben des 1662 verstorbenen Alexan<strong>der</strong> Schifer wurdenGeschützkugeln und Lärme Pöller (Kreidmörser) bestellt und am 26. Augustkäuflich erworben. Ein extra dazu ausgestellter Paßbrief garantierte denmaut- und zollfreien Transport von <strong>der</strong> Schiferschen Werkstätte inTrautenfels nach <strong>Graz</strong>. Am 12. September wie<strong>der</strong>um erhielt <strong>der</strong> ZeugwartSigmund von Klaffenau die Or<strong>der</strong>, 300 Panteliere zum Stückpreis von20 Kreuzer zu erwerben, sechs Tage später sollte er Blei zum Gießen vonGewehrkugeln beschaffen. Am 2. Oktober erwarb man von Wolf Max vonEibiswald Pulver, am 28. November 400 Schanzhacken und 600 Schaufeln.Anfang Dezember gössen die Zeugschmiede alte „vnbrnuchsam.be S t u c k h -schienen" zu Kartätschen um. 18Auch die Hofkammer unternahm verstärkte Anstrengungen, Lückenin den Beständen des Hofzeughauses zu füllen. Allerdings waren dieseLücken bedeutend größer als jene <strong>im</strong> Landeszeughaus, weshalb beinaheendlose Bestellisten die Hofkammerakten füllen. Zwischen dem 2. Juni, alsgemäß kaiserlicher Resolution in Linz 300 bis 400 Zentner Pulver geor<strong>der</strong>twurden, und dem 1. Dezember, als man Kueeltruhen aus Vor<strong>der</strong>nbere"' StLA, Laa. A. Antiquum V, Zeughausakten, Seh. 6 (Inventare 1557-1688).1Vor allem die steirischen Orte Feldbach, Fürstenfeld und Fehring mußten mit Waffenausgestattet werden. In ein Mitte Juli angelegtes Feldlager bei Radkersburg wurdenGeschütze geschickt. Vgl. dazu die einschlägigen Schriftstücke in StLA, Laa. A. AntiquumV, Zeughausakten, Seh. 15 (1631-1680).'* StLA, Laa. A/Antiquum V, Expeditbuch 1663, fol. 97v, 103v, 105v, 113v, 120, 122-122v; Registratur- und Expeditbuch 1660-1663, fol. 243.


290 <strong>Toifl</strong>/<strong>Verteidigung</strong>anfor<strong>der</strong>te, 19 gingen nicht weniger als 15 Bestellungen und Lieferungenüber die Bühne:• 11. Juni: Hans Weissensteiner erhält für gelieferte 850 Musketen 1806Gulden 15 Kreuzer.• 13. Juni: Bartholomäus Dossena liefert 3 Zentner 35 Pfund Salpeterund bekommt 93 Gulden 48 Kreuzer.• 16. Juni: In Wien wird Zinn für geplanten Geschützguß bestellt. Eineventueller Ausweichort für die Bestellung ist Prag.• 26. Juli: Paßbrief für den abgabefreien Transport von 800 Zentner Bleiaus Villach nach <strong>Graz</strong>.• 3. August: Der Hofzeugwart gibt 50 Zentner Salpeter aus dem Hofzeughausund läßt daraus Geschütz- und Musketenpulver anfertigen.• 17. August: Der Frohnleitner Riemer Hans Rechinger erhält für 600Pantelierriemen 120 Gulden.• 22. August: Aus Mähren werden 50 Zentner Salpeter nach <strong>Graz</strong> gebracht.• 28. August: Der Hofplatmer Matthias Nierndorfer liefert 51 Kürasse(Brust- und Rückenpanzer) und erhält dafür 93 Gulden.•31. August: Be<strong>im</strong> Amtmann in Vor<strong>der</strong>nberg werden Metallstücke zumFüllen von Kartätschen bestellt.• 14. September: Der Amtmann in Vor<strong>der</strong>nberg soll bei den Handwerkerndie bestellten Handgranaten urgieren und <strong>der</strong>en Lieferung nach<strong>Graz</strong> betreiben.• 4. Oktober: Der Amtmann in Vor<strong>der</strong>nberg soll 20 Zentner Blechschicken.• 11. Oktober: Der Pulvermacher Georg Magen in <strong>Graz</strong>-Andritz erhältdie Erlaubnis, uneingeschränkt Salpeter für das Hofzeughaus herzustellen.• 12. Oktober: <strong>Zur</strong> Ausstattung des Schloßberges werden 500 Feuerpallen(Pechkränze) beschafft.• 30. Oktober: Für die von ihm gelieferten 27 Karabiner und 26 PaarPistolen wird <strong>der</strong> Ferlacher Büchsenmacher Hans Schmidt mit 264Gulden entlohnt.• 28. November: Die Hofkammer fertigt einen Paßbrief auf 50 SaumPulver, bestellt in Holland, aus. 20StLA, HK 1663 Juni 111; HK 1663 Dez. 4.ScLA, HK 1663 Juni 34, 48, 58; HK 1663 Juli 59; 1 IK 1663 Aug. 2, 30, 43, 64, 69; HK1663 Sept. 51; HK 1663 Okt. 27, 34, 35, 78; HK 1663 Nov. 57.


MStLA 48 (1998) 291Am Schloßberg wie<strong>der</strong>um sollte<strong>der</strong> innerösterreichische HofkammerratJohann Paul vondie mangelhaften Geschütze einschmelzenund neu gießen lassen.Außerdem erhielt er am 1. Oktoberden Auftrag, die feucht gewordenenLunten <strong>im</strong> Pulverturm (an seinerStelle steht heute das Starcke-Häuschen)voneinan<strong>der</strong> zu trennen, siezu trocknen und durch Be<strong>im</strong>engungvon Salpeter wie<strong>der</strong> brauchbarzu machen. Eine Woche später wurdendie Moßpruggen und Geschützdächerrepariert, wofür <strong>der</strong> HofbauschreiberadjunktHans JakobKhöffler verantwortlich zeichnete.Schon am 12. Juni hatte <strong>der</strong> HofzeugwartJeremias Conrad dem GeorgGamprecht, Wachtmeister amSchloßberg, 3 Zentner Lunten und1 Zentner Pulver zur Verfügung gestellt.21 Ob es diese Zündstricke waren,die wie oben erwähnt getrock-net wurden, ist nicht sicher.Beson<strong>der</strong>s trist war die Lagehinsichtlich <strong>der</strong> schweren Geschütze,die für eine erfolgreiche <strong>Verteidigung</strong><strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> unbedingt vonnötenwaren. Am 25. September erstellte<strong>Stadt</strong>kommandant ThomasVogl von Falkenstein eine Liste zurBestückung <strong>der</strong> <strong>Graz</strong>er Basteien,Batterien, Kasematten und <strong>Stadt</strong>tore"(Abb. 3):Bastei be<strong>im</strong> SacktorKasematte be<strong>im</strong> SacktorAbb. 3: Geschütze in <strong>der</strong> Art wie die hier gezeigtenwurden 1663 auch auf den Basteienund Mauern von <strong>Graz</strong> aufgestellt. Von links:Quartierschlange, Kartaune, Feldschlange.4 Feldschlangen4 Haubitzen21 ScLA, HK 1663 Juni 44; HK 1663 Okt. 3, 37.12 Wie Anm. 17.


292 To ifll Verteidigu ngIm Sacktor selbstPaulustorbasteiKasematte be<strong>im</strong> PaulustorIm Paulustor selbstBatterie <strong>im</strong> Garten desKarmeliterinnenklostersIn den dortigen KasemattenIn <strong>der</strong> landesfürstlichen BurgBatterie be<strong>im</strong> NeutorStreichwehr an <strong>der</strong> MurBastei <strong>im</strong> Kälbernen ViertelIm MurtorBatterie be<strong>im</strong> AdmonterhofMurseitige Häuser innerhalbdes Sacktores1 Haubitze, 1 vierpfündiges Geschütz4 Falkaunen2 Haubitzen1 Haubitze, 1 vierpfündiges Geschütz6 Falkaunen4 Haubitzen2 Haubitzen4 Haubitzen4 Halbkartaunen2 Quartierschlangen, 2 Haubitzen2 Haubitzen4 Quartierschlangen2 HaubitzenFalkenstein wußte, daß be<strong>im</strong> landesfürstlichen Zeugwesen zuwenigKanonen vorhanden waren, weil er sich bereits <strong>im</strong> Juli mit Hilfe einesGehe<strong>im</strong>ratsbefehles Zutritt zum Hofzeughaus sowie zur städtischen Rüstkammerverschafft hatte. 23 Er hoffte jedoch, solche aus dem landschaftlichenZeughaus nehmen zu können. Auf seine Veranlassung hin sandten dieGehe<strong>im</strong>räte obige Aufstellung mit dem Begehren an die Verordneten,ihnen die genannten Geschütze leihweise zur Verfügung zu stellen undwie<strong>der</strong>holten zugleich ihr Ansinnen vom 10. September, die Landschaftsbaste<strong>im</strong>it ausreichend Kanonen zu bestücken. In Beantwortung des Hofdekretesbemerkten die Verordneten am 1. Oktober, die Landschaftsbasteisei schon <strong>im</strong> August bestückt worden. Zudem wiesen sie den Wunsch, dieBestände des landschaftlichen Zeughauses durch eine Kommission besichtigenzu lassen, strikte zurück. Hinsichtlich <strong>der</strong> erbetenen Entlehnungerklärten sie, nicht soviele Geschütze (nämlich 50!) zu besitzen. Weil manaber den Mangel bei den hiesigen Grätzerischen Defensions werkhn beseitigenwolle, werde man 4 Falkaunen, 1 Falkonett (genannt <strong>der</strong> Narrenkopf} und4 eiserne Haubitzen herleihen. Die Geschütze standen be<strong>im</strong> ZeugwartKlaffenau abholbereit und waren mit beschlagenen Rä<strong>der</strong>n und Lafettenausgerüstet. Die dazugehörigen Requisiten wie Kugeln, Pulver und Ladzeugmußten die Gehe<strong>im</strong>räte allerdings an<strong>der</strong>weitig organisieren. 24 Als die Kano-M StLA, HKExp. 1663 Juli 26.!lStLA, Laa. A. Antiquum V, Registratur- und Expeditbuch 1660—1663, fol. 250. Undwie Anm. 17.


MStLA 48 (1998) 293nen am 11. Oktober abgeholt und auf den Wällen aufgestellt wurden,mußten zu ihrer Bedienung und Wartung auch Büchsenmeister mitgeschicktwerden. 2lHöhepunkt <strong>der</strong> TürkengefahrEs war bereits hoch an <strong>der</strong> Zeit gewesen, daß <strong>Graz</strong> mit diesem letztenAkt in ordentliche Wehrbereitschaft gesetzt wurde. Während <strong>der</strong> Sommermonatehatte das osmanische Heer größere Teile Ungarns überrannt, tatarischeStreifscharen drangen tief in Mähren ein. Ende September fiel diestrategisch wichtige ungarische Festung Neuhäusel (Komarno), nachdemNeutra (Nitra), Lewencz, Freistattl (Galgocz) und Novigrad <strong>im</strong> erstenAnsturm erobert worden waren. Mit Entsetzen berichteten die Hofkriegsräteam 25. Oktober <strong>der</strong> steirischen Landschaft, daß die Türken mit 22.000Mann bei Gran (Esztergom) die Donau Richtung Süden überschrittenhatten und man fürchte, daß das Landt Steyer vrplezlich überfallen würde. 26Als Reaktion auf diese Meldung wurden von <strong>der</strong> windischen Militärgrenze300 Reiter in die Steiermark verlegt und in den Dörfern rund umRadkersburg einquartiert. Aufgabe <strong>der</strong> unter dem Kommando desGrenzgenerals Walter Leslie stehenden Husaren war, ein Vordringen <strong>der</strong>Feinde Richtung <strong>Graz</strong> zu unterbinden. Da die steirische Landschaft finanzielldazu nicht in <strong>der</strong> Lage war, sollte <strong>der</strong> Hof diesen Truppen alle gehörigeLebens notthurfften verschaffen und zudem auf <strong>der</strong>en gute Disziplin achten.Schon nach wenigen Tagen zeigte sich, daß man sich mit den Grenzern denBock zum Gärtner bestellt hatte. Am 10. November beschwerten sich dieVerordneten bei den Hofkriegsräten, daß die Reiter Exzesse gegenüber <strong>der</strong>Landbevölkerung verübten und allerley victualien, also Lebensmittel, erpreßten.Als Konsequenz drohte man, die angerichteten Schäden von <strong>der</strong>Besoldung <strong>der</strong> Husaren abzuziehen. 2Unter <strong>der</strong>lei Umständen muß es als glückliche Fügung bezeichnetwerden, daß die Meldung vom 25. Oktober nur teilweise als richtig zubewerten war. Die Feinde begnügten sich nämlich mit dem Ausbau <strong>der</strong>Festung Neuhäusl und zogen sich dann vorzeitig in ihre Winterquartierenach Belgrad (Beograd), Kanischa (Nagykanizsa), Szeged, Zombor undFünfkirchen (Pecs) zurück. Dabei wurden sie vom kroatischen Ban Niklas2^ SrLA, Laa. A. Antiquum V, Zeughausakten Seh. 3 (Büchsenmeister 1549-1735). StLA,HK 1663 Okt. 28.26 Wie Anm. 24, fol. 259.27 Ebda., fol. 265v, 266v-267.


294 Tb iß/'<strong>Verteidigung</strong>Zrinyi und dessen Truppen in gelegentlichen Reitergefechten geschlagen 28 .Zumindest vorerst war die äußerste Gefahr vorbei, die Grenzer konnten aus<strong>der</strong> Umgebung Radkersburgs abziehen.In einiger Unkenntnis <strong>der</strong> Sachlage o<strong>der</strong> weil man den aus Ungarneinkommenden Nachrichten nicht traute, wurden die Schanzarbeiten rundum <strong>Graz</strong> trotzdem fortgeführt, Häuser in unmittelbarer Nähe <strong>der</strong> Basteienabgebrochen, weiterhin Lebensmittel eingelagert. Wie groß die Angst voreiner Eroberung durch die Türken gewesen sein muß, beweist das Anerbieten<strong>der</strong> Franziskaner und Barmherzigen Brü<strong>der</strong>, mit Ober- vnd Vn<strong>der</strong>gewöhro<strong>der</strong> wie man vnß gebrauchen khan neben <strong>der</strong> Andacht mit vnserm Leib vndLeben biß auf den lezten Tropfen Blueth wi<strong>der</strong> den größten Erbfeindt vndVerfolger deß christlichen Nambens vnd glaub ens <strong>der</strong> armb betrangten Cristenhaitzu Nuzen vnd <strong>der</strong> gemainen Statt zu Ehren zu streiften vnd zu fechten. 29Unterschütterlich war damals das Gottvertrauen <strong>der</strong> ganzen <strong>Graz</strong>er Bevölkerung.In ihrem Gelöbnis vom 3. Oktober versprach sie nämlich, das FestMaria Empfängnis (8. Dezember) künftig alljährlich mit Fasten, Gottesdienstund Kommunion feierlich zu begehen, damit die Türkengefahrabgewendet werde. 30Allerdings traf man auch profanere Maßnahmen, die <strong>Stadt</strong> zu schützen.Kommandant Thomas Vogl wies daraufhin, daß es nicht genüge, aufden Basteien und Mauern Geschütze zu postieren, sie müßten auch durchgeeignetes und vor allem geschultes Personal bedient werden. Um solchesgewährleisten zu können, trat er Anfang September vehement für die Erweiterungeiner bereits (zumindest seit 1647) bestehenden Büchsenmeisterschuleein.Unterricht <strong>im</strong> KriegswesenFalkenstein for<strong>der</strong>te die Ausbildung von mindestens 100 jungen Leutenzu Büchsenmeistern, die <strong>im</strong> Rang direkt unter dem Zeugwart stehenund zum Bedienen <strong>der</strong> Geschütze und sonstigen Feuerwaffen tauglichgemacht werden sollten. Die Hofkammer war dagegen <strong>der</strong> Ansicht, daß60 Schüler vorerst ausreichen müßten und beauftragte den HofzeugwartJeremias Conrad sowie den Oberfeuerwerkmeister Hans Georg Struggl,diese in <strong>der</strong> Büchsenmeister- und Feuerwerkskunst zu unterweisen. 3 1 Nach28PF.BALL (wie Anm. 2), 5.- l) POPELKA (wie Anm. 3), 143.30 StLA, Guettbedünckhen 1663 Okt. 25.•" StLA, HK 1663 Sept. 38.


MStLA 48 (1998) 295Abschluß ihrer Ausbildung waren die Absolventen dem Thomas Vogl zuunterstellen.Die meisten Schüler waren Bürger und Handwerker in <strong>Graz</strong>, vondenen jedoch khainer <strong>der</strong> Schuel beywonen wollte (wie <strong>der</strong> Hofzeugwartklagte) und sich des öfteren unwillig und ungehorsam erzeigten. Als daraufhinVogl vorschlug, statt <strong>der</strong> Bürger Soldaten ausbilden zu lassen, stieß ermit seinem Ansinnen bei <strong>der</strong> Hofkammer, die bereits am 25. September200 Gulden zur Finanzierung <strong>der</strong> Schule aus dem Hofpfennigmeisteramtbereitgestellt hatte, 52 auf taube Ohren. All diesen Wi<strong>der</strong>wärtigkeiten zumTrotz schlössen 30 Personen ihre Ausbildung ab, nachdem sie am26. November anläßlich eines Probeschießens ihr nunmehriges Könnenunter Beweis gestellt hatten. Sie waren zum Kriegsdienst tauglich. 33Nicht nur be<strong>im</strong> landesfürstlichen Zeugwesen bemühte man sich umden Büchsenmeisternachwuchs. Auch die steirische Landschaft stellte„Lehrlinge" ein. Unter <strong>der</strong> Leitung des Zeugwartes Sigmund von Klaffenauerlernten Sebastian Jakob Waldt, Hans Christoph Puechgraber, HansHeinn<strong>im</strong>an, Johann Thomas Schwaiffer, Abel Didier, Christian Landtsinger,Jeremias Premb, Michael Stemer, Hans Georg Ziergl, JohannesKhien, Philipp Jakob Saliterer, Mathias Ferchtler und Sebastian Riegerihren neuen Beruf. Allerdings sollten sie nur solange in landschaftlichenDiensten bleiben, so lang man her von notten haben wirf. Während die fixbestallten Büchsenmeister 96 Gulden Jahressold erhielten, bekamen dieZöglinge vorerst nur 5 Gulden pro Monat. 34Nach Abschluß ihrer Ausbildung blieben sowohl die landesfürstlichenals auch die landschaftlichen Büchsenmeister vorerst in <strong>Graz</strong> und wurdenhier zu Wachdiensten bei den Geschützen auf den Basteien und für Arbeitenbe<strong>im</strong> Zeugwesen herangezogen. Erst <strong>im</strong> März und April 1664 erhieltenihrer 24 Bestallungen und wurden zur kaiserlichen Armee nach Ungarnabkommandiert. Dort kamen sie gerade recht, um zusammen mit <strong>der</strong>während des Winters 1663/64 neu aufgebotenen Reichsarmee den Kampfgegen die Türken aufzunehmen - einen Kampf, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Schlacht vonSt. Gotthard-Mogersdorf am 1. August 1664 kulminierte. Mit dem darinerfochtenen Sieg <strong>der</strong> christlichen Waffen schwand die Türkengefahr. DasHabsburgerreich, und damit auch <strong>Graz</strong>, war vorerst gerettet.•'- St LA, HK 1663 Sept. 69.3> Alois RUHRI, Büchsenmeister in <strong>der</strong> frühen Neuzeit — Entwicklung, Funktion undberufliche Ausbildung am Beispiel <strong>Graz</strong>. In: Von alten Handfeuerwaffen. Entwicklung,Technik, Leistung (= Veröffentlichungen des Landeszeughauses <strong>Graz</strong> 12), <strong>Graz</strong> 1989,132-148, hier 132. - StLA, HK 1663 Nov. 26.31 StLA, Laa. A. Antiquum V, Zeughausakten Seh. 3 (Büchsenmeister 1549-1735); StLA,Laa. A. Antiquum V, Expeditbuch 1663, fol. 85, 122, 125v, 129v-130.


296 <strong>Toifl</strong>l'<strong>Verteidigung</strong>AusblickSelbstverständlich wurden auch während des Jahres 1664 die Wehrvorbereitungenin und um <strong>Graz</strong> fortgeführt, obwohl sich die unmittelbareGefahr zumindest während <strong>der</strong> Wintermonate verringert hatte. Dennochwar Thomas Vogl in seiner Funktion als <strong>Stadt</strong>kommandant auch weiterhinunermüdlich tätig. Gefahrvoller wurde die Situation für die <strong>Stadt</strong> jedoch,als sich die steirische Landschaft aus Geldmangel gezwungen sah, die bisherin <strong>Graz</strong> stationierte Söldnerkompanie des Johann Urban von Grattenau zuentlassen. Lediglich hun<strong>der</strong>t Mann davon konnten zur Verstärkung <strong>der</strong>Schloßbergbesatzung erhalten werden.Im Verlauf des Monats Juli 1664 drängte die Hauptmacht <strong>der</strong> türkischenArmee die Kaiserlichen in <strong>der</strong> Gegend um Körmend über die Raab,wodurch die Steiermark in unmittelbare Bedrohung geriet. Scharen vonFlüchtlingen strömten Richtung Hauptstadt. <strong>Graz</strong> bereitete sich auf eineBelagerung vor. In dieser prekären Lage geschah am 1. August das Wun<strong>der</strong>von St. Gotthard-Mogersdorf: die Türken wurden in einer blutigen undverlustreichen Schlacht vernichtend geschlagen.Am 20. Oktober 1664 erhielt <strong>der</strong> Hofzeugwart Jeremias Conrad seitens<strong>der</strong> Hofkammer die Or<strong>der</strong>, wegen des wi<strong>der</strong>umb sich erzaigendenLiebens Friden die neu bestellten Büchsenmeister vor sich zu zitieren und sieIhres Gelübdts zu erlassen. Außerdem sollte er von jedem einen son<strong>der</strong>lichenreuers, dz khainer denen wi<strong>der</strong> daß Hoch Löbl: Erzhauß von Österreichstreitende Feinde dienen, son<strong>der</strong>n auf begebendte Khriegs Leüff dem selbenwi<strong>der</strong>umb dienen werde, abfor<strong>der</strong>n. 3D Länger in Dienst, nämlich bis zum23. November 1665, blieben die angeworbenen landschaftlichen Büchsenmeister.Sie alle wurden, Christian Landtsinger, Abel Didier und HansChristoph Puechgraber ausgenommen, an jenem Tag wie<strong>der</strong> entlassen.Lediglich Hans Heinn<strong>im</strong>an erlebte dies nicht mehr, er war bereits am5. November 1663 verstorben. 36Sicherlich hatte es während <strong>der</strong> Bewährungsprobe des Jahres 1663Unst<strong>im</strong>migkeiten und Probleme bei <strong>der</strong> Organisation des Kriegs- undZeugwesens innerhalb <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Graz</strong> gegeben. Schuld daran war das Vorhandenseineiner Vielzahl von Amtsstellen, <strong>der</strong>en jede sich Befehlsgewaltanmaßte. Dennoch wußte man sich zusammenzuraufen und gemeinsamwirksame Vorsorgemaßnahmen gegen einen evenueüen Angriff <strong>der</strong> Türkenzu treffen. Zu diesem Gemeinsam trug jedenfalls ein Mandat Kaiser LeosStLA, HK 1664 Okt. 10.6 StLA, Laa. A. Antiquum V, Zeughausakten Seh. 3 (Büchsenmeister 1549-1735).


MStLA 48 (1998) 297polds I., dem die ständigen Querelen und Kompetenzstreitigkeiten zu buntgeworden waren, entscheidend bei. Am 15. Juli 1663 hatte er nämlichgeschrieben: 3 Darauf vnßer gnedigister Beuelch ist, daß Ihr Euch deßwegenvnterredet vnd daß, was Ihr für guett befindet, verordnet, auch vnß mit<strong>der</strong>gleichen particulariteten hinfüro verschonet vnd communicationes pflegetvnd son<strong>der</strong>lich bey ieziger gefährlicher Zeit dißfalls mit einan<strong>der</strong> haltet.T StLA, HK 1663 Aug. 1.

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