also um eigene Mitteilungen <strong>des</strong> Patienten an den Arzt handelt, ist dieses Wissen <strong>vor</strong>handen.Bezüglich solcher Wahrnehmung aber, die der Arzt im Laufe seiner Untersuchungen undBehandlung macht, kann es daran fehlen. Es gibt Fälle, in denen eine wirksame Entbindungvon der ärztlichen Schweigepflicht schon <strong>des</strong>halb nicht möglich ist, weil das Wissen <strong>des</strong>Patienten die fraglichen Tatsachen nicht umfasst. Da es keine ärztliche Verpflichtung zurrückhaltlosen Aufklärung <strong>des</strong> Patienten in jedem Fall gibt (siehe Rz 882) und dieEntscheidung darüber solange beim Arzt liegt, als der Patient nicht von sich <strong>aus</strong> auf dierückhaltlose Offenbarung der "ganzen Wahrheit" besteht, muss es auch dem Arzt überlassenbleiben, ob und was er im Falle der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht <strong>aus</strong>sagenkann (so <strong>vor</strong> allem Göppinger - NJW 1958 S.241ff. .....). Es bedarf <strong>des</strong>halb auch im Falle derEinwilligung <strong>des</strong> Patienten zur Offenbarung einer gewissenhaften Prüfung <strong>des</strong> Arztes, ob undin welchem Umfang er <strong>aus</strong>sagen kann."Die eingeschränkte Kenntnis <strong>des</strong> Patienten trifft insbesondere im psychiatrischen undpsychotherapeutischen Bereich zu, wonach, höchstrichterlich anerkannt (BGH, NJW 1985 Seite 474ff.), Patienten kein Einsichtsrecht in die Krankenakte zusteht, soweit die Einsicht überobjektivierbare Befunde hin<strong>aus</strong>geht, da dies für den therapeutischen Prozess kontraproduktiv, alsoschädlich sein kann.Dies trifft im "Bericht an den Gutachter" insbesondere für den psychischen Befund (Punkt 4 <strong>des</strong>Infoblatts) und die Psychodynamik der neurotischen Erkrankung (Punkt 6 <strong>des</strong> Infoblatts), aber auchfür die Diagnose zu, soweit diese einer subjektiven Wertung und keiner Tatsachenbehauptungentspricht (BGH Urteil vom 23.2.1999 - VI ZR 140/98). Die 3 Informationsblätter sind alsHilfsmittel zur Abfassung der "Berichte an den Gutachter" erstellt worden und umfassen 9 bis 11Punkte mit entsprechend vielen Unterpunkten:z. B. Infoblatt 1 für tiefenpsychologisch fundierte Therapie beiErwachsenen1. Spontanangaben <strong>des</strong> Patienten...2. Kurze Darstellung der lebensgeschichtlichen Entwicklung...2.a Familienanamnese3. Krankheitsanamnese...4. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung...5. Somatischer Befund...6. Psychodynamik der neurotischen Erkrankung...8. Neurosenpsychologische Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung...9. Behandlungsplan und Zielsetzung der Therapie...10. Prognose der Psychotherapie...z. B. Infoblatt 3 für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beiKindern7. Schilderung der familiären Situation (ElternBeziehungsperson)Noch weiter gehen die Orientierungshilfen zur Abfassung <strong>des</strong> „Berichts an den Gutachter“ imLehrbuch der Psychotherapie von Klußmann (S. 243-245) bis hin zur „Charakterisierung derfrühkindlichen Beziehungspersonen und ihres Verhältnisses zum Patienten“ und bis zur „sexuellenEntwicklung und Partnerschaft“ inkl. <strong>des</strong> „1. Koitus“.Die Mitteilung der Familienanamnese (Punkt 2a <strong>des</strong> Infoblatts 1 bzw. Punkt 7 <strong>des</strong> Infoblatts 3) stellt
durchgängig einen Straftatbestand dar, da hier regelmäßig keine Entbindung von der ÄrztlichenSchweigepflicht <strong>vor</strong>liegt und auch in der Praxis <strong>aus</strong> datenschutzrechtlichen Gründen scheitern muss.Der Patient kann seine Familienangehörigen nicht rechtswirksam von der ÄrztlichenSchweigepflicht entbinden, da es sich dabei um persönlich zustehende Rechte derFamilienangehörigen handelt, die der Patient nicht stellvertretend wahrnehmen kann. DieKrankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen können ohne Entbindung von derSchweigepflicht seitens <strong>des</strong> Patienten keine Entbindung bei den Familienangehörigen einholen, daallein schon die Mitteilung der Tatsache, dass sich der Patient in einer (noch dazupsychiatrisch/psychotherapeutischen) Behandlung befindet, die Schweigepflicht verletzt, besonderswenn der Patient eine derartige Behandlung <strong>vor</strong> seinen Familienangehörigen, z. B. im Falle einerInzestproblematik, (zunächst noch) geheim halten möchte. Weder ist eine derartige Entbindungseitens <strong>des</strong> Patienten zumutbar, noch würde gegebenenfalls eine Rechtspflicht seitens derFamilienangehörigen bestehen, eine Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen, wenn sieselbst keine Leistungen in Anspruch nehmen. Ganz davon abgesehen, wäre eine derartigeEntbindung nicht rechtswirksam, solange Familienangehörige gar nicht wissen, über welche zuoffenbarenden Inhalte sie überhaupt entbinden.Das hohe strafrechtliche Gefährdungspotential im Falle einer fehlenden Entbindung von derärztlichen Schweigepflicht dokumentiert sich besonders drastisch im "Supervisionsurteil " <strong>des</strong>Bayerischen Obersten Landgerichts von 1995, "wonach die Offenbarung eines Geheimnissesgegenüber einem selbst Schweigepflichtigen im Rahmen einer Supervision den Tatbestand derSchweigepflichtverletzung nach § 203 Strafgesetzbuch erfüllt, wenn der Betroffene nicht<strong>aus</strong>drücklich eine Schweigepflichtentbindung abgegeben hat (Cullmann, a.a.O. S.524-534).Würde ein Durchschnittsbürger über den Inhalt <strong>des</strong> Berichts entsprechend dem Informationsblatt<strong>vor</strong> dem Beginn einer Psychotherapie, sowie über die häufigen Datenschutzverletzungen beiAntragstellung aufgeklärt, würde jeder gesunde Bürger entsetzt einer Weitergabe seiner Datenwidersprechen. Dies trifft nach meiner Erfahrung auch für die Mehrzahl psychisch Kranker zu. Nurextrem Leidende lassen dieses Verfahren, wenn sie erst einmal über den mangelhaften Datenschutzaufgeklärt sind, notgedrungen, aber zusätzlich traumatisierend, über sich ergehen, wie sich auch dieMehrzahl der Psychotherapeuten nur <strong>aus</strong> wirtschaftlicher Existenznot diesem missbrauchendenVerfahren unterwerfen, letztere dabei sogar die Gefahr in Kauf nehmend, sich an der strafrechtlichbewehrten Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zu beteiligen, bzw. diese billigend in Kauf zunehmen.Gelten für das Obergutachten im Ablehnungsfalle die gleichen strafrechtlich relevanten Gefahren,wenn der Patient die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zur Anzeige bringt, so potenziertsich diese Gefahr im Falle einer sozialgerichtlichen Überprüfung so gewaltig, dass nun derPsychotherapeut zum Gegner <strong>des</strong> Patienten werden kann, wenn z. B. strafrechtlich relevanteFehlverhaltensweisen <strong>des</strong> Patienten durch den "Bericht an den Gutachter" angesprochen werdenoder gar das Sozialgericht Strafanzeige gegen den Patienten oder <strong>des</strong>sen Angehörige erlassen muss.Zuhauf finden sich Inzest, Vergewaltigungen in oder außerhalb der Ehe, Drogenmissbrauch,Drogenhandel, Kleptomanie, Schwangerschaftsabbrüche, Betrügereien, seltener Pädophilie,Kindstötung und jede Menge weitere seelische Abgründe beim Patienten selbst oder <strong>des</strong>senFamilienangehörigen, die schlicht und ergreifend in keinem Schriftverkehr und nichts außerhalb derPraxis <strong>des</strong> Psychotherapeuten zu suchen haben, nach Meinung der Krankenkassen, kassenärztlichenVereinigung und Gutachter aber unabdingbar sind, um voll <strong>aus</strong>gebildete und vertragsärztlichzugelassene Ärzte und Psychotherapeuten entwürdigend kontrollieren zu können. Gerade derPsychotherapeut hat eine Funktion, die einem Seelsorger im Beichtstuhl gleichkommt. DasVertrauensverhältnis zwischen Psychotherapeut und Patient kann nur funktionieren, wenn sich derPatient der Ärztlichen Schweigepflicht so sicher ist, wie der Katholik <strong>des</strong> Beichtgeheimnisses.