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Unzulässigkeit des „Gutachterverfahrens vor Psychotherapien“ aus ...

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Dr. med. Argeo Bämayr<strong>Unzulässigkeit</strong> <strong>des</strong><strong>„Gutachterverfahrens</strong> <strong>vor</strong> <strong>Psychotherapien“</strong><strong>aus</strong> strafrechtlichen GründenEine rechtliche Einschätzung einer quälenden bürokratischenSchikane zur Minimierung einer anerkannten Therapie vonpsychischen Erkrankungenveröffentlicht im Psychotherapeuten Forum, Jg. 8, Nr. 6/2001 S. 32-38Coburg2001<strong>Unzulässigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>„Gutachterverfahrens</strong> <strong>vor</strong> <strong>Psychotherapien“</strong> <strong>aus</strong>


strafrechtlichen GründenStrafrechtliche <strong>Unzulässigkeit</strong> <strong>des</strong> <strong>„Gutachterverfahrens</strong>“Das jährlich bei ca. 150.000 Patienten durchzuführende „Gutachterverfahren <strong>vor</strong> <strong>Psychotherapien“</strong>im gesetzlichen Krankenversicherungssystem <strong>des</strong> Sozialgesetzbuch V (SGB V) tangiert vielfältigeStraftatbestände, insbesondere aber die „Verletzung von Privatgeheimnissen“ nach demStrafgesetzbuch (StGB) § 203. So wie jeder ärztliche Eingriff am Patienten grundsätzlich eineStraftat der Körperverletzung (StGB § 223) darstellt, die dem Erlaubnis<strong>vor</strong>behalt <strong>des</strong> Patientenunterliegt, stellt auch eine Datenoffenbarung durch den ärztlichen oder psychologischenPsychotherapeuten eine Straftat der „Verletzung von Privatgeheimnissen“ (StGB § 203) dar, dieebenfalls dem Erlaubnis<strong>vor</strong>behalt <strong>des</strong> Patienten unterliegt. Der Erlaubnis<strong>vor</strong>behalt <strong>des</strong> Patientenbedarf zwingend einer rechtswirksamen Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht,widrigenfalls eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch <strong>vor</strong>liegt, die mit Freiheitsstrafe bis zu einemJahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.In Ermangelung einer rechtswirksamen Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht istdas "Gutachterverfahren" <strong>vor</strong> Psychotherapien (SGB V § 92 Abs. 6a Satz 1) fürLangzeittherapien und Kurzzeittherapien anhand der Psychotherapierichtlinien (PTR) (Abschnitt FPunkt III Abs. 1 und 2 in der Fassung vom 11.12.1998) mittels eines "<strong>aus</strong>führlichen Berichts fürden Gutachter" entsprechend der Psychotherapie-Vereinbarung (PTVb) (Anlage 1 BMV-Ä bzw.EKV-Anlage 1, § 11 Abs. 5) über die Krankenkasse an einen zunächst unbekannten Gutachter <strong>aus</strong>strafrechtlicher Sicht unzulässig.Sollten der Patient und <strong>des</strong>sen Angehörige in Erfahrung bringen, welche intimen persönlichen undfamiliären Inhalte ein dem Patienten unbekannter Gutachter und all zu häufig auch nichtärztlicheKrankenkassenangestellte personenidentifizierbar über den „<strong>aus</strong>führlichen Bericht an denGutachter“ zur Kenntnis gelangt sind, wird sich kein Psychotherapeut in einem Strafprozess <strong>vor</strong> derVerletzung der ärztlichen Schweigepflicht entlasten können.Verfahrensablauf <strong>des</strong> GutachterverfahrensDer hochsensible Bereich der Psychotherapie erfährt ein gigantisches bürokratisches Regelwerk mit13 verschiedenen Vordrucken, wie es ansonsten in keinem medizinischen Bereich dervertragsärztlichen Versorgung existiert. Das Dienstexemplar der Kassenärztlichen VereinigungBayerns umfasst betreffend die PTR 27 Seiten und die PTVb je 27 weitere Seiten für dieGrundkassen (BMV-Ä) und Ersatzkassen (EKV-Anlage 1).Jede Psychotherapie erfordert danach obligat für Langzeittherapien und eingeschränkt fürKurzzeittherapien ein Antragsverfahren (PTVb § 11) im Rahmen <strong>des</strong> sogenannten"Gutachterverfahrens". Danach hat der behandelnde Psychotherapeut einen "<strong>aus</strong>führlichen Berichtfür den Gutachter" zu verfassen, der den psychischen Intimkern <strong>des</strong> Patienten und <strong>des</strong>sen eigeneBiographie im Kontext zu allen familiären Intimitäten inklusive einer Differentialindikation undPsychodynamik zu beinhalten hat. Vereinfacht dargestellt beschreibt dieser Bericht einen"Seelenstriptease" <strong>des</strong> Patienten, den man nur noch mit Videoaufnahmen sexueller Praktiken inunverschwommener Großaufnahme <strong>vor</strong> gynäkologischen und urologischen Behandlungenvergleichen kann, wobei nur die Gesichtszüge, wie beim unbezahlten Pay –TV, verschwommensind, sich aber relativ mühelos durch eine Spiegelung oder simple Dechiffriermaschine entzerrenlassen.


Die Antragstellung erfolgt mittels 1 von 11 <strong>vor</strong>gegebenen und als PTV (Psychotherapie<strong>vor</strong>drucke)deklarierten Vordrucken entsprechend PTVb § 15 Abs. 1 in nicht anonymisierter Form. Der"Bericht für den Gutachter" ist in einem vom Psychotherapeuten verschlossenen roten (PT 8) odergelben (VT 8) Umschlag zur Weiterleitung <strong>des</strong> Berichts an den Gutachter, äußerlich chiffriert mitden Anfangsbuchstaben <strong>des</strong> Familiennamens und dem korrekten Geburtsdatum (z. B. A 250253) beider Krankenkasse einzureichen. Dem Gutachter dürfen entsprechend PTVb § 12 Abs. 9 sowohl vombehandelnden Therapeuten als auch von der Krankenkasse nur solche Unterlagen zur Verfügunggestellt werden, auf denen die Personaldaten <strong>des</strong> Patienten anonymisiert sind. Die Krankenkassereicht den Umschlag mit dem "Bericht an den Gutachter" in ungeöffnetem Zustand mit weiterenvon der Krankenkasse chiffrierten Aufträgen und Angaben an einen Gutachter weiter, welcher dieFormalien (Indikation, Prognose, Art <strong>des</strong> Verfahrens usw.) entsprechend dem „Gutachterverfahren“(PTVb § 12) prüft und in Form einer Beurteilung der Krankenkasse sein Prüfergebnis übermittelt,ob der Psychotherapeut den anbehandelten Patienten weiter behandeln darf oder nicht (PTVb § 13).Im Versagensfalle sieht der Verfahrensweg nach Einspruch durch den Patienten eineOberbegutachtung unter gleichen Chiffrierbedingungen <strong>vor</strong> (PTVb § 13 Abs. 4). Ein eventuellanschließen<strong>des</strong> Sozialgerichtsverfahren kennt keine Chiffrierung und keine Anonymisierung. DieIntimsphäre <strong>des</strong> Patienten wird öffentlich seziert, der Patient (ein weiteres Mal ?!) traumatisiert.Erkenntnistiefe und bürokratischer Ablauf <strong>des</strong> Gutachterverfahrens lassensystemimmanent keinen effektiven Datenschutz zuUnbestritten berührt der "Bericht an den Gutachter" eklatant die Persönlichkeitsrechte <strong>des</strong> Patientenim Hinblick auf seine "informationelle Selbstbestimmung" und betreffend das Gutachtenurteil die"selbstbestimmte medizinische Behandlung" entsprechend dem Grundgesetz Art 1 und Art 2Abs. 1 und 2 . Während das Gutachterverfahren den Patienten hinsichtlich der "selbstbestimmtenmedizinischen Behandlung", z. B. alternativ in Form von einer Arzneimittelverordnung oder einerGesprächsbehandlung, komplett entrechtet, lässt man dem Patienten die Pseudowahl, das"informationelle Selbstbestimmungsrecht" wahrzunehmen, indem er die Entbindung von derärztlichen Schweigepflicht zu erteilen hat, widrigenfalls die Psychotherapie nicht genehmigt wird.Offensichtlich ist selbst der Bun<strong>des</strong><strong>aus</strong>schuss der Ärzte und Krankenkassen als Verantwortlicher fürdie Psychotherapie-Richtlinien, rechtssystematisch unter Ausschluss <strong>des</strong> Patienten, nicht so sehrvon einer funktionierenden Wirksamkeit der Chiffrierung und "Pseudoanonymisierung" überzeugt.Würde diese nämlich funktionieren, bedürfte es nämlich keiner Schweigepflichtentbindung, wie sieauf dem Formblatt PTV 1 zwingend anhand der Psychotherapie-Vereinbarung <strong>vor</strong>geschrieben ist.Tatsächlich ist die Gefahr der personenidentifizierbaren Offenbarung der Intimdaten der Patientenaber eher die Regel als die Ausnahme.In der wissenschaftlichen Studie von Köhlke (6) berichten 200 von 640 antwortendenVertragsärzten (31 %), dass sie selbst schon Verletzungen <strong>des</strong> Datenschutzes im Gutachterverfahrenbeobachtet haben (6 aaO S.126–128, S 134-136)Der Gutachter und Psychoanalytiker Professor Blomeyer berichtet in "Neuro Date Aktuell",Ausgabe 8/94:„Ich bekomme in rund 30 Prozent aller chiffrierten Fälle die Klarnamen auf die sinnigste undunsinnigste Weise mitgeliefert. Interessierte sind eingeladen, mal einen Stapel eingehenderPost daraufhin durchzusehen." (zitiert nach Cullmann (4) S. 529)Neben der versehentlichen oder bewussten Öffnung <strong>des</strong> für den Gutachter bestimmten Umschlagsdurch unerfahrene oder neugierige Krankenkassenangestellte sind auch beigelegte Kur-, Reha- und


Krankenh<strong>aus</strong>berichte oder MDK - Empfehlungen durch das Arztpersonal oder die Krankenkasseverantwortlich für die Personenidentifikation <strong>des</strong> Patienten. Aber selbst bei kompletter Einhaltung<strong>des</strong> datenschutzrechlich extrem störanfälligen Verfahrens ist die Re-identifizierung durch denGutachter problemlos aufgrund der grundsätzlich im Antragsverfahren <strong>vor</strong>liegenden Angabenmöglich: Geburtsdatum, Anfangsbuchstabe <strong>des</strong> Familiennamens, Geschlecht (Patient, Patientin),Wohnort (Sitz <strong>des</strong> Vertragsarztes), Biographie inklusive Familienanamnese, soziale Daten wiePersonenstand, Beruf usw.. Wie viele verheiratete Englischlehrer mit zwei Kindern mit demAnfangsbuchstaben E im Familiennamen <strong>des</strong> Jahrgangs 1950 gibt es in einer Stadt mit 50000Einwohnern? Die unproblematische Re-identifizierung der Patienten beweist sich z. B. anhand <strong>des</strong>Gutachtens von Professor Dr. Wilhelm G<strong>aus</strong>, klinische Dokumentation, Ulm, betreffendanonymisierte Datensätze zur Abrechnung kassenzahnärztlicher Leistungen vom 4. August 1995 imAuftrag der kassenzahnärztlichen Bun<strong>des</strong>vereinigung.Der völlig unzureichende, praktisch nicht existierende Datenschutz im Gutachterverfahren verstößtdamit eindeutig gegen die Feststellung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts in seinemNichtannahmebeschluss vom 29. November 2000, Az. 1 BvR 630/93, wonach gilt:".. Dementsprechend hängt auch die Beantwortung der Frage der datenschutzrechtlichenZulässigkeit der ärztlichen Diagnoseübermittlungspflichten nicht allein von der sicherzutreffenden Einschätzung ab, dass diese Angaben höchstpersönliche und sensible Dateneines Erkrankten betreffen, dass ihr Gebrauch auf das unverzichtbare Min<strong>des</strong>tmaß zubeschränken ist und dass jeder Missbrauch praktisch <strong>aus</strong>zuschließen sein muss."Bezieht sich dieser Beschluss „nur“ auf die Diagnose und nicht auf weitere Daten über intimeLebensgeschichtliche, die Psyche, Sexualität u.s.w., so geht das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht ineinem Urteil noch viel weiter, wonach "unzumutbare intime Angaben" weder "erhoben" nochgesammelt werden dürfen (BVerfGE 65,1,46).Der ehemalige Präsident <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts, Ernst Benda, stellt hierzu fest:"Je stärker das private Handeln dem engsten Intimbereich zuzurechnen ist, <strong>des</strong>toüberzeugender müssen die Motive sein, die der Staat für sein Informationsbedürfnis anführenkann." (1 S.23)Der Bun<strong>des</strong>beauftragte für den Datenschutz kritisiert im Bericht unter Punkt 21.2 „UmfangreicheDatenerhebung im Psychotherapieverfahren“ :"… Aus meiner Sicht birgt dieses Verfahren strukturell die Gefahr einer zu umfangreichen,nicht an den Grundsätzen der Erforderlichkeit orientierten Datenerhebung. Denn diebeantragenden Therapeuten versuchen oftmals durch umfassende Angaben zu vermeiden,dass ihr Antrag abgelehnt wird. Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts(NJW 1993, S. 2365) stehen psychologische Befunde dem unantastbaren Bereich privaterLebensgestaltung noch näher als rein medizinische Feststellungen, so dass bei der Erhebungpsychologischer Befunde in besonderem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit undMinimierung von Datenerhebungen zu berücksichtigen ist." (2)Eine Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht kann im Rahmen <strong>des</strong> Gutachterverfahrensnicht rechtswirksam werdenDie bisherigen Einlassungen zum real nicht existierenden Datenschutz im Gutachterverfahren wärenüberflüssig, würde eine rechtswirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht <strong>vor</strong>liegen.Eine derartige rechtswirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht existiert nicht. Sie


kann im psychiatrisch/psychotherapeutischen Bereich aufgrund der eingeschränktenEinsichtmöglichkeit in die Krankenakte im Regelfall auch nicht zu erzielen sein.Eine konkludente Einwilligung in die Weitergabe der Intimdaten bedingt durch die Antragstellungkonstruiert nicht einmal der Richtlinien<strong>aus</strong>schuss, ersichtlich daran, dass die PTVb auf den<strong>vor</strong>geschriebenen Vordrucken, z. B. PTV 1, die schriftliche Entbindung von der ärztlichenSchweigepflicht für das Gutachterverfahren zwingend <strong>vor</strong>schreibt:"Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Arzt und der hinzugezogen Psychotherapeutdie zur Prüfung <strong>des</strong> Antrages notwendigen Angaben, insbesondere zur Feststellung derErkrankung, <strong>vor</strong>angegangenen Behandlungen und Begutachtungen und zur Wahl <strong>des</strong>Behandlungsverfahrens, der Krankenkasse und ggf. der begutachtenden Stelle erteilen."Die ärztliche Schweigepflichtentbindung <strong>des</strong> Patienten erfolgt entsprechend dieser Vorschrift unterAufhebung <strong>des</strong> Kriteriums der „Freiwilligkeit“ gezwungenermaßen. Diese unfreiwilligeEntbindung von der ärztlichen Schweigepflicht beinhaltet dabei in sich den Kern <strong>des</strong>Vertrauensbruchs zwischen Therapeut und Patient, da dem Patienten im Rahmen <strong>des</strong> Erstkontaktszwangsläufig <strong>vor</strong>enthalten wird, dass sein Seelenstriptease“ im Falle einer anschließendenPsychotherapie nicht beim Therapeuten verbleibt, sondern für ein Gutachten verwendet wird.Weder der Therapeut noch der Patient können beim Erstkontakt wissen, ob <strong>aus</strong> dem Erstkontakteine Psychotherapie resultiert, und würde der Patient über die Möglichkeit aufgeklärt, dass sein„Seelenstriptease“ in einen gutachterlichen Schriftverkehr bei extrem störanfälligen Datenschutzeinmündet, dann entstünde sofort eine Barriere für eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung, dieeine adäquate Beurteilung einer Psychotherapiebedürftigkeit und die Psychotherapie selbsterheblich erschweren, wenn nicht gar zum Scheitern bringen würde.Zusätzlich zur Unfreiwilligkeit der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann der Patientaber auch noch gar nicht wissen, über welche subtilen und intimen Inhalt er überhaupt entbindet, dazum Zeitpunkt seiner Antragstellung der "Bericht an den Gutachter" mit einer Fülle von subjektivenWerteinschätzungen betreffend z. B. den psychischen Befund, die Psychodynamik, die Prognoseusw. regelmäßig noch gar nicht erstellt ist. Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kannalso folglich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht rechtswirksam sein, da sie auf die Zukunftgerichtet ist.Ein Bezug auf die Mitwirkungspflicht kann ebenfalls nicht greifen, da diese bei der körperlichenund psychischen Unversehrtheit endet. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung istgleichzusetzen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und so wie ein Patient dasRecht hat, eine Untersuchung mittels Magenspiegelung durch einen Gutachter abzulehnen, so hatder Patient auch das Recht, eine "Seelenspiegelung" mit all seinen Höhen und Abgründenabzulehnen, ohne dass ihm dies zum Nachteil gereichen darf, und schon gleich gar nicht imHinblick auf eine Ablehnung einer medizinisch erforderlichen Therapie.Noch entscheidender für die fehlende Rechtswirksamkeit der ärztlichen Schweigepflichtentbindungist jedoch die Tatsache, dass nach gefestigter Rechtsprechung eine Entbindung von der ärztlichenSchweigepflicht nur dann rechtswirksam ist, wenn der Patient über den Inhalt voll informiert ist,worüber er entbindet. Rieger (8) fasst diese gefestigte Rechtsprechung im „Lexikon <strong>des</strong> Arztrechts“unter RZ 764 wie folgte zusammen:"Es ist ein unter Ärzten weitverbreiteter Irrtum, sie müssten in jedem Fall umfassendoffenbaren, wenn sie der Patient von der Schweigepflicht entbunden hat. Diese Wirkung hatdie Entbindung keineswegs immer. Die Einwilligung geht nur soweit, wie die Kenntnis <strong>des</strong>Einwilligenden reicht. Nur darauf kann sich seine Einwilligung erstrecken. Soweit es sich


also um eigene Mitteilungen <strong>des</strong> Patienten an den Arzt handelt, ist dieses Wissen <strong>vor</strong>handen.Bezüglich solcher Wahrnehmung aber, die der Arzt im Laufe seiner Untersuchungen undBehandlung macht, kann es daran fehlen. Es gibt Fälle, in denen eine wirksame Entbindungvon der ärztlichen Schweigepflicht schon <strong>des</strong>halb nicht möglich ist, weil das Wissen <strong>des</strong>Patienten die fraglichen Tatsachen nicht umfasst. Da es keine ärztliche Verpflichtung zurrückhaltlosen Aufklärung <strong>des</strong> Patienten in jedem Fall gibt (siehe Rz 882) und dieEntscheidung darüber solange beim Arzt liegt, als der Patient nicht von sich <strong>aus</strong> auf dierückhaltlose Offenbarung der "ganzen Wahrheit" besteht, muss es auch dem Arzt überlassenbleiben, ob und was er im Falle der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht <strong>aus</strong>sagenkann (so <strong>vor</strong> allem Göppinger - NJW 1958 S.241ff. .....). Es bedarf <strong>des</strong>halb auch im Falle derEinwilligung <strong>des</strong> Patienten zur Offenbarung einer gewissenhaften Prüfung <strong>des</strong> Arztes, ob undin welchem Umfang er <strong>aus</strong>sagen kann."Die eingeschränkte Kenntnis <strong>des</strong> Patienten trifft insbesondere im psychiatrischen undpsychotherapeutischen Bereich zu, wonach, höchstrichterlich anerkannt (BGH, NJW 1985 Seite 474ff.), Patienten kein Einsichtsrecht in die Krankenakte zusteht, soweit die Einsicht überobjektivierbare Befunde hin<strong>aus</strong>geht, da dies für den therapeutischen Prozess kontraproduktiv, alsoschädlich sein kann.Dies trifft im "Bericht an den Gutachter" insbesondere für den psychischen Befund (Punkt 4 <strong>des</strong>Infoblatts) und die Psychodynamik der neurotischen Erkrankung (Punkt 6 <strong>des</strong> Infoblatts), aber auchfür die Diagnose zu, soweit diese einer subjektiven Wertung und keiner Tatsachenbehauptungentspricht (BGH Urteil vom 23.2.1999 - VI ZR 140/98). Die 3 Informationsblätter sind alsHilfsmittel zur Abfassung der "Berichte an den Gutachter" erstellt worden und umfassen 9 bis 11Punkte mit entsprechend vielen Unterpunkten:z. B. Infoblatt 1 für tiefenpsychologisch fundierte Therapie beiErwachsenen1. Spontanangaben <strong>des</strong> Patienten...2. Kurze Darstellung der lebensgeschichtlichen Entwicklung...2.a Familienanamnese3. Krankheitsanamnese...4. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung...5. Somatischer Befund...6. Psychodynamik der neurotischen Erkrankung...8. Neurosenpsychologische Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung...9. Behandlungsplan und Zielsetzung der Therapie...10. Prognose der Psychotherapie...z. B. Infoblatt 3 für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beiKindern7. Schilderung der familiären Situation (ElternBeziehungsperson)Noch weiter gehen die Orientierungshilfen zur Abfassung <strong>des</strong> „Berichts an den Gutachter“ imLehrbuch der Psychotherapie von Klußmann (S. 243-245) bis hin zur „Charakterisierung derfrühkindlichen Beziehungspersonen und ihres Verhältnisses zum Patienten“ und bis zur „sexuellenEntwicklung und Partnerschaft“ inkl. <strong>des</strong> „1. Koitus“.Die Mitteilung der Familienanamnese (Punkt 2a <strong>des</strong> Infoblatts 1 bzw. Punkt 7 <strong>des</strong> Infoblatts 3) stellt


durchgängig einen Straftatbestand dar, da hier regelmäßig keine Entbindung von der ÄrztlichenSchweigepflicht <strong>vor</strong>liegt und auch in der Praxis <strong>aus</strong> datenschutzrechtlichen Gründen scheitern muss.Der Patient kann seine Familienangehörigen nicht rechtswirksam von der ÄrztlichenSchweigepflicht entbinden, da es sich dabei um persönlich zustehende Rechte derFamilienangehörigen handelt, die der Patient nicht stellvertretend wahrnehmen kann. DieKrankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen können ohne Entbindung von derSchweigepflicht seitens <strong>des</strong> Patienten keine Entbindung bei den Familienangehörigen einholen, daallein schon die Mitteilung der Tatsache, dass sich der Patient in einer (noch dazupsychiatrisch/psychotherapeutischen) Behandlung befindet, die Schweigepflicht verletzt, besonderswenn der Patient eine derartige Behandlung <strong>vor</strong> seinen Familienangehörigen, z. B. im Falle einerInzestproblematik, (zunächst noch) geheim halten möchte. Weder ist eine derartige Entbindungseitens <strong>des</strong> Patienten zumutbar, noch würde gegebenenfalls eine Rechtspflicht seitens derFamilienangehörigen bestehen, eine Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen, wenn sieselbst keine Leistungen in Anspruch nehmen. Ganz davon abgesehen, wäre eine derartigeEntbindung nicht rechtswirksam, solange Familienangehörige gar nicht wissen, über welche zuoffenbarenden Inhalte sie überhaupt entbinden.Das hohe strafrechtliche Gefährdungspotential im Falle einer fehlenden Entbindung von derärztlichen Schweigepflicht dokumentiert sich besonders drastisch im "Supervisionsurteil " <strong>des</strong>Bayerischen Obersten Landgerichts von 1995, "wonach die Offenbarung eines Geheimnissesgegenüber einem selbst Schweigepflichtigen im Rahmen einer Supervision den Tatbestand derSchweigepflichtverletzung nach § 203 Strafgesetzbuch erfüllt, wenn der Betroffene nicht<strong>aus</strong>drücklich eine Schweigepflichtentbindung abgegeben hat (Cullmann, a.a.O. S.524-534).Würde ein Durchschnittsbürger über den Inhalt <strong>des</strong> Berichts entsprechend dem Informationsblatt<strong>vor</strong> dem Beginn einer Psychotherapie, sowie über die häufigen Datenschutzverletzungen beiAntragstellung aufgeklärt, würde jeder gesunde Bürger entsetzt einer Weitergabe seiner Datenwidersprechen. Dies trifft nach meiner Erfahrung auch für die Mehrzahl psychisch Kranker zu. Nurextrem Leidende lassen dieses Verfahren, wenn sie erst einmal über den mangelhaften Datenschutzaufgeklärt sind, notgedrungen, aber zusätzlich traumatisierend, über sich ergehen, wie sich auch dieMehrzahl der Psychotherapeuten nur <strong>aus</strong> wirtschaftlicher Existenznot diesem missbrauchendenVerfahren unterwerfen, letztere dabei sogar die Gefahr in Kauf nehmend, sich an der strafrechtlichbewehrten Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zu beteiligen, bzw. diese billigend in Kauf zunehmen.Gelten für das Obergutachten im Ablehnungsfalle die gleichen strafrechtlich relevanten Gefahren,wenn der Patient die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zur Anzeige bringt, so potenziertsich diese Gefahr im Falle einer sozialgerichtlichen Überprüfung so gewaltig, dass nun derPsychotherapeut zum Gegner <strong>des</strong> Patienten werden kann, wenn z. B. strafrechtlich relevanteFehlverhaltensweisen <strong>des</strong> Patienten durch den "Bericht an den Gutachter" angesprochen werdenoder gar das Sozialgericht Strafanzeige gegen den Patienten oder <strong>des</strong>sen Angehörige erlassen muss.Zuhauf finden sich Inzest, Vergewaltigungen in oder außerhalb der Ehe, Drogenmissbrauch,Drogenhandel, Kleptomanie, Schwangerschaftsabbrüche, Betrügereien, seltener Pädophilie,Kindstötung und jede Menge weitere seelische Abgründe beim Patienten selbst oder <strong>des</strong>senFamilienangehörigen, die schlicht und ergreifend in keinem Schriftverkehr und nichts außerhalb derPraxis <strong>des</strong> Psychotherapeuten zu suchen haben, nach Meinung der Krankenkassen, kassenärztlichenVereinigung und Gutachter aber unabdingbar sind, um voll <strong>aus</strong>gebildete und vertragsärztlichzugelassene Ärzte und Psychotherapeuten entwürdigend kontrollieren zu können. Gerade derPsychotherapeut hat eine Funktion, die einem Seelsorger im Beichtstuhl gleichkommt. DasVertrauensverhältnis zwischen Psychotherapeut und Patient kann nur funktionieren, wenn sich derPatient der Ärztlichen Schweigepflicht so sicher ist, wie der Katholik <strong>des</strong> Beichtgeheimnisses.


Ein systematischer Etikettenschwindel missbraucht den Patienten und denPsychotherapeutenSowohl die Patienten als auch die Psychotherapeuten werden dabei von dem mafiösen Systemmissbraucht, das sich psychotherapeutische Gutachter in Eintracht mit den Krankenkassen undKassenärztlichen Vereinigungen geschaffen haben. Unter der strafrechtlich relevanten Nötigung,die Psychotherapeuten an der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht mit zu beteiligen, wird denPsychotherapeuten auferlegt, an einem gigantischen Etikettenschwindel mitzuwirken.Der vom behandelnden Psychotherapeuten erstellte Bericht erfüllt alle Vor<strong>aus</strong>setzungen eines"Gutachtens" (Köhlke a.a.O. S.57), wird aber offiziell etikettiert als "Bericht" und trotz einesZeitbedarfs von ca. 4 Stunden (Köhlke a.a.O. S.46-56) mit dem kalkulierten Punktevolumen von1400 Punkten für 1 Stunde entsprechend niedrig dotiert. Die dem behandelnden Psychotherapeuten(= Berichtersteller) zustehende gutachterliche Entlohnung kassiert statt <strong>des</strong>sen der von denKassenärztlichen Vereinigungen ernannte Gutachter, der aber in Wahrheit das Gutachten <strong>des</strong>behandelnden Psychotherapeuten lediglich als "Richter" beurteilt, zumal den Krankenkassen zwarformal die Entscheidung obliegt, die Beurteilung <strong>des</strong> "Gutachters" in Ermangelung eigenerEinsichtsrechte aber grundsätzlich anerkennen. Die als Gutachten falsch etikettierte Beurteilungumfasst im Regelfall nicht mehr als 3 Sätze und lässt alle Kriterien einer sorgfältigen Begutachtungvermissen. Dies ist nicht verwunderlich, findet die Begutachtung doch <strong>aus</strong>schließlich nachAktenlage statt, ohne an eigene erhobene Tatsachen k<strong>aus</strong>ale Interpretationen anzuknüpfen, wie diesgrundsätzlich für Gutachten erforderlich ist, um überhaupt formal als Gutachten anerkannt werdenzu können.Der Entzug der gutachterlichen Honorierung, die ungerechtfertigt dem Gutachter zugesprochenwird, stellt eine Ausbeutung dar, die alle Vor<strong>aus</strong>setzungen <strong>des</strong> Wuchers erfüllt:„In einem Strafverfahren hatte der Bun<strong>des</strong>gerichtshof 1997 entschieden, dass dieBeschäftigung eines Arbeitnehmers zu unangemessenen niedrigem Lohn Wucher sein kann.§ 291 Strafgesetzbuch lautet: „Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit et cetera einesanderen dadurch <strong>aus</strong>beutet, dass er sich oder einem Dritten für seine sonstigen LeistungenVermögens<strong>vor</strong>teile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältniszu der Leistung...stehen, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einerGeldstrafe bestraft...““ (4).Dieses Zitat findet sich als Kommentar <strong>des</strong> 104. Deutschen Ärztetags unter TOP II: „Ausbeutungjunger Ärztinnen und Ärzte, R<strong>aus</strong> <strong>aus</strong> dem Jammertal“ (4).Die Kassenärztlichen Vereinigungen akzeptieren und vertreten dennoch diese maffiöse Ausbeutungvon Psychotherapeuten, obwohl das Kassenarztsystem den Grundsatz kennt und überwacht, dassärztliche Leistungen nur honoriert werden dürfen, wenn sie persönlich erbracht worden sind. Dieserhochgradig betrugsverdächtige Etikettenschwindel großen Stils, der sich der strafrechtlichrelevanten Nötigung der Psychotherapeuten zur Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht und derAusbeutung der Psychotherapeuten, sowie der Entrechtung <strong>des</strong> Patienten hinsichtlich seinesinformationellen Selbstbestimmungsrechts im "unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung"bedient. Dies ist sicher von hohem Interesse für die Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Bereichder Wirtschaftskriminalität bzw. im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, zumal hier nachAuffassung von Krankenkassenmitgliedern Mitgliedsbeiträge von ca. 24 Millionen DM pro Jahr(Köhlke a.a.O. S.118) für ein völlig unnötiges, unwirtschaftliches, unzweckmäßiges undstrafrechtlich unzulässiges Gutachterverfahren veruntreut werden.Die Nötigung <strong>des</strong> Psychotherapeuten zur Verletzung <strong>des</strong> Berufsgeheimnisses


Zusammenfassend setzt sich der Psychotherapeut anhand seines "Berichts an den Gutachter" einererheblichen Gefahr <strong>aus</strong>, sich wegen einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach demStGB strafbar zu machen. Zumin<strong>des</strong>t betreffend die subjektiven Wertungen wie "psychischerBefund", "Psychodynamik", ja selbst die Diagnose, aber auch strafrechtlich und ethischeverwerfliche Selbst- und Fremdbezichtigungen, sowie insbesondere die familiären Daten, dieunverrückbar mit der eigenen Biographie in meist pathologischer Beziehung stehen, steht außerZweifel, dass mangels einer Einsichtmöglichkeit <strong>des</strong> Patienten in diesen weitgehend subjektiven"Bericht an den Gutachter" eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nichtrechtswirksam ist.Fordern die Psychotherapierichtlinien und Psychotherapievereinbarungen dennoch vomPsychotherapeuten einen "<strong>aus</strong>führlichen Bericht an den Gutachter", der detailliert einenSeelenstriptease bis in den intimsten Kern der Persönlichkeit und in die Familienstruktur hineinverlangt, so ist hierin eine strafrechtlich nach dem StGB § 240 zu ahndende "Nötigung" zu einerStraftat, nämlich der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach dem StGB § 203 zu erkennen,die im Falle der Ablehnung der Psychotherapie wegen eines fehlenden Berichts ebenfalls eineNötigung nach dem StGB § 240 darstellt und zwar dahingehend, den Psychotherapeuten an dermedizinischen Behandlung eines bereits abgeschlossenen Behandlungsvertrags zu hindern und dieSorgfaltspflicht nach dem Sozialgesetzbuch V § 76 Abs. 4 und dem BGB § 276 zu missachten. DerArzt schuldet dem Patienten eine Behandlung unter Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten, in welcheauch ein sorgfältiger Umgang mit seinen intimen Daten entsprechend der ärztlichenSchweigepflicht und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzubeziehen ist.Eine Pflicht zur Auskunftserteilung ohne Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht existiertnicht, würde auch gegebenenfalls in Anbetracht obiger Ausführungen bedeutungslos sein, da beimehreren sich <strong>aus</strong>schließenden Pflichten der Psychotherapeut die höhere Pflicht zum Nachteil dergeringeren zu erfüllen hat (NJW 1980, 24, 1352 mit Verweis auf Dreher, StGB § 32 Vorb.Anm. 11, § 203 Anm. 29 f.). Diese Einschätzung resultiert <strong>aus</strong> der Entscheidung <strong>des</strong>Lan<strong>des</strong>sozialgerichts Celle, wonach"die strafrechtlichen Grundsätze der "Pflichtenkollision" zu berücksichtigen sind, ob einKassenzahnarzt disziplinarisch bestraft werden darf, wenn er sich weigert, der KrankenkassenAuskunft über die zahnmedizinischen Gründe für die Neuanfertigung einer Zahnprothese zuerteilen. Dafür spricht, dass der einzelne Handelnde sich nicht dem Vorwurf strafbarenGeheimnisbruchs <strong>aus</strong>zusetzen braucht. Insofern muss das geltende Recht so <strong>aus</strong>gelegtwerden, dass die verschiedenen Vorschriften zu dem gleichen Ergebnis führen." (7)Tangierungen <strong>des</strong> Strafrechts in Form von Falschattestierung undKörperverletzungIm Falle der Ablehnung der Psychotherapie durch den nach Aktenlage beurteilenden „Gutachter“im Gegensatz zum „Berichtsgutachten“, das die Vor<strong>aus</strong>setzungen zur Psychotherapie bejaht,resultiert ein Widerspruch, der die Frage nach dem „Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse“(StGB § 279) aufwirft. Eine Ablehnung der Psychotherapie durch den beurteilenden „Gutachter“impliziert zwangsläufig den Vorwurf der „Falschattestierung“ gegenüber dem antragstellendenPsychotherapeuten mittels seines „Berichtsgutachtens“. Da jedoch der beurteilende „Gutachter“keine persönlich erhobenen Erkenntnisse über den Patienten besitzt und alle entscheidendensachlichen und interpretierenden Grundlagen, die falsch oder richtig sein können, <strong>aus</strong> zweiter Hand<strong>des</strong> „Berichtsgutachters“ stammen - der formal eingesetzte „Gutachter“ also maximal eine nichtüberprüfbare und daher immer schlechtere Kopie <strong>des</strong> Originals nach Aktenlage herzustellen vermag- ist aufgrund der hier<strong>aus</strong> resultierenden Verletzung der Sorgfaltspflicht schon von daher


wahrscheinlicher, dass der „Gutachter“ ein unrichtiges Gesundheitszeugnis erstellt hat.Aus diesen Gründen werfen tatsächlich alle „Gutachter“ ein extrem hohes Augenmerk auf dieFormalien <strong>des</strong> <strong>„Gutachterverfahrens</strong>“, welche es ihnen erlauben, im Falle eines datenschutzrechtlichbedingten Fortfalls der „Ausführlichkeit“ z.B. der Psychodynamik oder der Familienanamnese imKontext mit der Biographie, problemlos die beantragte Psychotherapie abzulehnen. Derartigeformale Ablehnungsgründe sind Gegenstand eines Verfahrens eines betroffenen Patienten beimSozialgericht Freiburg.Eine Tangierung einer strafrechtlich relevanten Körperverletzung (StGB §§ 223 und 229) erfolgt<strong>vor</strong>rangig beim Patienten im Falle der Ablehnung der Psychotherapie. Regelmäßig wird durch dieAblehnung der Psychotherapie die bereits begonnene Psychotherapie amtsautoritär beendet, da keinPsychotherapeut den Patientenkontakt nach der Erhebung der obligatorisch <strong>vor</strong> Psychotherapien<strong>vor</strong>geschriebenen biographischen Anamnese bis zur Genehmigung der Psychotherapie unterbricht,sondern meist <strong>aus</strong> aktuellem Anlass sich krisenintervenierend voll im psychotherapeutische Prozessmit dem Patienten im Rahmen der offiziell dafür <strong>vor</strong>gesehenen maximal 5 probatorischen Sitzungenbefindet.Hat schon die „Probebehandlung“, besonders bei sensiblen Patienten, die sich nicht alsVersuchskaninchen verstanden wissen wollen, einen entwürdigenden Aspekt, so führt deramtsautoritäre Abbruch der Psychotherapie durch Nichtgenehmigung beim bereits psychischkranken Patienten zu einer regelmäßigen körperverletzenden Verschlimmerung der psychischenVerfassung bis hin zur Suizidalität, die nun nicht einmal mehr adäquat behandelt werden darf. DieseEingriffsmöglichkeit in eine medizinische Behandlung ist umso unverständlicher, als derGesetzgeber, sicher <strong>aus</strong> gutem Grund, den Ärzten <strong>des</strong> Medizinischen Dienstes die Berechtigungverweigert, in die ärztliche Behandlung einzugreifen (SGB V § 275 Abs. 5 Satz 2).Der Druck <strong>des</strong> <strong>„Gutachterverfahrens</strong>“ hinterlässt auch seine psychisch belastenden Spuren beimantragstellenden Psychotherapeuten besonders im Ablehnungsfalle, da auch sein erstellter Bericht,wie beim Deutschaufsatz mit der Note 6, durchgefallen ist und er neben der Blamage <strong>vor</strong> demPatienten auch den dekompensierten Patienten entweder auf eigene Kosten auffangen, dieBehandlung abbrechen oder ihn der Psychiatrie weiterleiten muss. Dieses Damoklesschwert überder drohenden Ablehnung der Psychotherapie und die Pflicht der Offenbarung von Geheimnissen istsicher mit ein unterschwelliger Grund, dass für ca. 75 % von 631 antwortenden Psychotherapeutendie Erstellung von „Antragsberichten“ „eher eine Qual“ (5 a.a.O. S.59-63) im Sinne einer„psychischen Folter“ und damit einer „Körperverletzung“ ist.Nur eine persönliche Begutachtung garantiert einen effektiven Datenschutz undvermeidet weitere Tangierungen <strong>des</strong> StrafrechtsIn Anwendung <strong>des</strong> Celler Urteils steht das StGB noch allemal über den Psychotherapierichtlinienund Psychotherapievereinbarungen bzw. dem SGB V. Dies trifft umso mehr zu, als der"<strong>aus</strong>führliche Bericht an den Gutachter" entsprechend der untergesetzlichenPsychotherapierichtlinien und der vertraglichen Psychotherapievereinbarungen jeweils unterAusschluss <strong>des</strong> Patienten durch den Wortlaut <strong>des</strong> SGB V § 92 Abs. 6a Satz 1 nicht gedeckt ist. Eineinhaltliche Ausgestaltung sieht der Gesetzgeber nur für den "Konsiliarbericht" entsprechend SGB V§ 92 Abs. 6a Satz 2 <strong>vor</strong>, nicht jedoch für das Gutachterverfahren, wobei es der Gesetzgeber offenlässt, ob das Gutachterverfahren überhaupt in Form einer schriftlichen Ausgestaltung durch denbehandelnden Psychotherapeuten zu erfolgen hat oder ob der Gesetzgeber, wie dies für alle anderenGutachtenerstellungen auch zutrifft, eine persönliche Begutachtung durch den Gutachter selbst<strong>vor</strong>gesehen hat.


Das im SGB V § 92 Abs. 6a Satz 1 <strong>vor</strong>geschriebene Gutachterverfahren ist nämlich problemlosunter Einhaltung aller strafrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen umsetzbar, wenndie Indikation einer Psychotherapie eines Patienten anhand einer persönlichen Untersuchung durcheinen Gutachter durchgeführt wird und, wie bisher, nur das Ergebnis der Untersuchung, nicht aberderen intime Details, der Krankenkassen mitgeteilt werden. Dem Patienten steht es dann frei, demGutachter nicht alle intimen Details zu offenbaren, allerdings unter der Gefahr, dann auch nicht diePsychotherapie genehmigt zu bekommen.In Anbetracht der Tatsache, dass <strong>aus</strong>gerechnet im allersensibelsten Bereich der gesamten Medizinein gigantischer bürokratischer Popanz in vielfach strafrechtlich relevanter Weise denschützenswertesten Bereich der Medizin, die Psyche <strong>des</strong> Menschen, ohne Not rücksichtslos<strong>aus</strong>hebelt, ist jedoch auf dieses Gutachterverfahren komplett zu verzichten, zumal in der gesamtenübrigen psychiatrischen und somatischen Medizin kein Gutachterverfahren <strong>vor</strong> einer ambulantenTherapie existiert, welches, ebenfalls einzigartig in der gesetzlichen Krankenversicherung, diePrognose als Kriterium einer Behandlungswürdigkeit durch ein untergesetzliches Gremium ineklatantem Widerspruch zum Sinn und Zweck <strong>des</strong> SGB V einführt.Folgerichtig ist im Rahmen der politisch gewollten Installation von Patientenrechten auch auf diepersönliche Begutachtung durch einen "neutralen" Psychotherapeuten zu verzichten, da es demPatienten in Gänze freigestellt bleiben muss, wann und <strong>vor</strong> wem er seinen „Seelenstriptease“vollzieht, ein Zwang zur Begutachtung <strong>vor</strong> einer Psychotherapie folglich auch im Sinne <strong>des</strong> GG Art1 und 2 entwürdigend ist.Literatur:1. Benda E: Privatsphäre und „Persönlichkeitsprofil“ in: Menschenwürde und freiheitlicheRechtsordnung, Festschrift für Willi Geiger, Tübingen 1974, S. 23 (31).2. Bun<strong>des</strong>beauftragter für den Datenschutz: Umfangreiche Datenerhebung imPsychotherapieverfahren, in: Bericht <strong>des</strong> Datenschutzbeauftragten 4/97 Nr. 21.2.3. Cullmann H: Das Gutachterverfahren in der Vertragspsychotherapie, Kritische Bemerkungenzur Einschränkung von Verfassungsrechten, in: Integrative Therapie 4/1997, JunfermannVerlag, S. 5294. Deutsches Ärzteblatt über den Bericht über den 104. Deutscher Ärztetag, TOP II: Ausbeutungjunger Ärztinnen und Ärzte, R<strong>aus</strong> <strong>aus</strong> dem Jammertal, DÄB Jg.98, Heft 22, 1.Juni 2001, SeiteA 14485. Köhlke HU: Das Gutachterverfahren in der Vertragspsychotherapie, eine Praxisstudie zuZweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit, dgvt-Verlag, Tübingen, S.126–128, S 134-136)6. Köhlke HU: Zur Verhältnismäßigkeit <strong>des</strong> Psychotherapie-Gutachterverfahrens, in:PsychotherapeutenFORUM, Jg. 8, 4/2001, 5-117. Meye MR, Schwartz FW: Transparenzprojekte in der GKV, Arzt- und Patientendatenzwischen Anonymität und Offenbarung, rechtliche Grundlagen der Offenbarung vonPatientendaten durch Kassenärzte, Wissenschaftliche Reihe <strong>des</strong> Zentralinstituts für diekassenärztlichen Versorgung der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland, Band 29, Seite 108, DeutscherÄrzte-Verlag, Köln 1984,8. Rieger HJ: Lexikon <strong>des</strong> Arztrechts 1. Auflage, RZ 764, Berlin; Walter de GruyterAnmerkung:Die strenge Auslegung <strong>des</strong> Strafrechts und der Bestimmungen <strong>des</strong> Datenschutzes steht jedemBürger zu, da jeder Bürger diese Bestimmungen zwingend zu beachten hat. Eine strenge Auslegungdient dem Selbstschutz, da Unwissenheit nicht <strong>vor</strong> Strafe schützt!

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