13.07.2015 Aufrufe

Tonart 9/10 - Helbling Verlag

Tonart 9/10 - Helbling Verlag

Tonart 9/10 - Helbling Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

9/<strong>10</strong>MUSIK ERLEBEN – REFLEKTIEREN – INTERPRETIEREN


Inhalt1 Musik und JugendkulturJugendkulturen im Überblick 8Und wie du wieder aussiehst 8• Die Ärzte: Junge (2007)Jugend und andere Katastrophen <strong>10</strong>Aspekte der Rock-/Popmusik 12Monster-Marketing 12• Lady Gaga: Born this Way (2011)Blue-Eyed-Soul 16• Adele: Rolling in the Deep (2011)Beats aus dem Buchenland 20• Shantel: Mahalageasca (2005)Vier Minuten zum Sterben 22• U2: White as Snow (2009)Kompetenz: Musik beurteilen 252 Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsNationale Schulen 26Musikalische Unabhängigkeitsbewegungen 26Messe im Morgengrauen 27• Nikolai Rimski-Korsakow: Russische Ostern, op. 36 (1888)Auftakt zum Weltruhm 30• Antonín Dvořák: Klänge aus Mähren, op. 32, Nr. 5: Der kleine Acker (1875)Ein polnischer Franzose 32• Frédéric Chopin: Mazurka in B-Dur, op. 7, Nr. 1 (1830)Eine echte norwegische Atmosphäre 34• Edvard Grieg: Lyrische Stücke, op. 47, Nr. 4: Halling (1885–1888)Virtuosentum und neue Öffentlichkeit 36Primadonnen 36• Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor (1835)Spanisches Geigenfeuerwerk 39• Pablo Sarasate: Zigeunerweisen, op. 20 (1878)3


InhaltDie Rolle der Frauen als Künstlerinnen 42Mendelssohns Schwester 42• Fanny Hensel: Klaviertrio in d-Moll, op. 11, 2. Satz (1847)Programmmusik und absolute Musik 44Tönend bewegte Formen 44• Johannes Brahms: 2. Sinfonie in D-Dur, op. 73, 1. Satz (1878)Charakter als Programm 48• Robert Schumann: Kinderszenen, op. 15, Nr. 7: Träumerei (1838)Die Geige des Todes 50• Camille Saint-Saëns: Danse macabre, op. 40 (1875)Kompetenz: Ein Volkslied begleiten 533 Musik und TanzVergnügen und Bewegungskunst 56Der Zauber des Tanzes 56Tänze aus der Vergangenheit 58Vom Marktplatz in die Tanzsuite – Jig und Gigue 58Auf den Boden gezeichnet – Das Menuett 60Alles Walzer! 62Neuere Tänze 66Mit Kisten gespielt – Die Rumba 66Afroamerikanische Vorbilder – Die Swing-Tänze 68Tanz als Rebellion – Der Rock ’n’ Roll 72Tanz auf der Bühne 74Auf die Spitze getrieben – Das Ballett 74Choreografien 78Wenn Cowboys tanzen – Der Squaredance 78Tanzstil der Bronx – Der Hip-Hop 80Kompetenz: Ein Musikreferat entwerfen und vorbereiten 824


Inhalt4 Begegnungen der Kulturen im JazzDie Wurzeln des Jazz 84Black, Brown and White 84Das Erbe Afrikas 86Der Beitrag Europas 90Der Sound des Jazz 92Seele und Herz und Tiefe in jedem Ton 92Jazzgeschichte im Überblick 94Jazzstile 95New Orleans im Dixieland – Der Old Time Jazz 95Bigband-Sound und swing-Feeling – Die Swing-Ära 98Jazz-Revolution – Der Bebop <strong>10</strong>0Jazz wird cool – Der Cool Jazz <strong>10</strong>3Kompetenz: Einen Popsong arrangieren <strong>10</strong>65 MusiktheaterMusical <strong>10</strong>8Ein Geschöpf von zweifelhafter Herkunft <strong>10</strong>8Schriller Thriller 1<strong>10</strong>• Alan Menken / Howard Ashman / Michael Kunze:Der kleine Horrorladen (1982/86): Wachs für michDer Chor der Straßenmädchen 112• Der kleine Horrorladen: Little Shop of HorrorsEine Heldin zwischen Oper und Broadway 114• Der kleine Horrorladen: Im Grünen irgendwoFinale ohne Happy End 116• Der kleine Horrorladen: Gib’s mirOper 118Die Geschichte von der grausamen Prinzessin 118• Giacomo Puccini: Turandot (1924, UA 1926):Die erste Szene5


InhaltDas Lied vom Jasmin 120• Turandot: La, sui monti del l’estEine mörderische Partie 122• Turandot: In questa reggiaEine Tenorarie in den Charts 124• Turandot: Nessun dormaTurandots Gegenspielerin 126• Turandot: Tu, che di gel sei cintaFerne Welten 127Turandot als Schluss und Abschluss 128• Turandot: Die letzte SzeneKompetenz: Partiturlesen 1306 Musikalische Entwicklungen nach 1900Die Klassische Moderne 132Räume und Schichten 132• Charles Ives: The Unanswered Question (1908)Schluss mit den nächtlichen Düften 135• Sergei Prokofieff: Romeo und Julia, Tanz der Ritter (1935/36)Spaß am Schockieren 138• Paul Hindemith: 1922, Suite für Klavier, op. 26 (1922)Lieder aus Beuern 140• Carl Orff: Carmina Burana (1937)Musik nach 1960 144Marsch der Verlierer 144• Mauricio Kagel: Zehn Märsche, um den Sieg zu verfehlen, Nr. 4 (1978/79)Grenzen des Verstummens 147• György Kurtág: Hommage à Csajkovszkij (aus „Játékok“)Unmoderne Avantgarde 150• Terry Riley: In C (1964)Musik aus technischen Formeln 152• Iannis Xenakis: Orient-Occident (1960)Kompetenz: Einen Blues improvisieren 1556


Inhalt7 Europäische Musikkultur im ÜberblickDie Epochen 158Die großen Linien der Musikgeschichte in Stichworten 158Zeiträume und Stilbegriffe – Die Epochenproblematik 159Das Mittelalter 160Die Renaissance 164Das Barock 168Die Klassik 174Musik im 19. Jahrhundert 180Die Klassische Moderne 186Musik nach 1960 1898 Musiklehre kompakt 192Quellenverzeichnis 198Verzeichnis der Hörbeispiele 199Personen- und Sachverzeichnis 203Symbole:„ “Zitate von Komponisten und Interpreten; Materialien oder Dokumente aus der SekundärliteraturHistorische TexteLiedstrophen, Libretti,literarische TexteHörenSingen und MusizierenFilm/Video sehenSchriftlicher ArbeitsauftragHinweis auf Kompetenzseiten7


Jugendkulturen im ÜberblickJugend und andere KatastrophenGrundrisse eines Phänomens• JugendkulturSammelbezeichnung für alle Muster und Ausdrucksformen, diesich bei Jugendlichen entwickeln und ausprägen. Dazu zählenKleidung und Schmuck ebenso wie Sprache und Musik, Normenund Werte, Verhaltensweisen und Vorlieben.• Mainstream der MinderheitenRund 20 % der deutschen Jugendlichen identifizieren sich als aktiveund engagierte Metaler, Punker, Hippies usw. mit einer Jugendkultur.Etwa 70 % der übrigen Jugendlichen legen sich nichtauf eine bestimmte Jugendkultur fest, sympathisieren aber mitmindestens einer Szene.• Abgrenzung und IdentitätOb Punker, Hopper oder Metaler: das Eigene wird abgegrenzt vomAnderen. Durch diese Unterscheidung konstruieren Jugendlicheihre kulturelle Identität. Dieser Prozess kann von starken Emotionenbegleitet sein. Gegenüber dem Anderen (v. a. Erwachsenenoder rivalisierenden Jugendkulturen) können Verunsicherungoder Abneigung aufkeimen.1Jugendkulturenwerden oft als Teilkulturbezeichnet. Nenntandere Teilkulturen.2Nennt Produkte desMilliardenmarktsmit der Zielgruppe „Jugendkulturen“.3Ordnet die fünfBilder jeweils einerder auf S. 11 beschriebenenJugendkulturen bzw. Musikstilenzu. Begründet eureEinschätzungen.• Ordnung und OrientierungJugendkulturen sind soziale Netzwerke. Sie bieten Gemeinschaft von Gleichgesinnten.Angehörige einer Jugendkultur erkennen sich oft schon an ihrem äußerenErscheinungsbild. Wer dem hartenKern einer Jugendkultur angehörenwill, muss bereit sein, die „richtige“Sprache, Musik und Mode zu gebrauchenund sein Leben nach Normenund Werten der Gruppe auszurichten.• Zielgruppe Jugend:Ein MilliardenmarktJugendkulturen sind fast durchwegsKonsumkulturen. Die Industrie investiertMilliarden, um jugendkulturelleTrends aufzuspüren und auszuwerten.• KreativitätJugendkulturen bieten Spielräumefür Kreativität, auch und vor allemin der Musik. Viele Jugendliche spielenin Bands, programmieren aufdem Computer eigene „Lieder“, sindals Rapper, DJs oder DJanes aktiv.<strong>10</strong>


Musik und JugendkulturStile und StrömungenMusik spielt in Jugendkulturen eine zentrale Rolle. Das zeigt sich an Stilen populärerMusik, die sich im Lauf der Geschichte bildeten, als Modewellen aufkamen und abebbten,sich mischten und nebeneinander in vielfältigen Formen existieren.4Nennt undbeschreibt weitereStile populärer Musik.• Rock(-musik) ist ein Sammelbegriff für Formenpopulärer Musik. Die Wurzeln des Rockliegen im Rhythm & Blues, in der Country-Musik und im Rock ’n’ Roll der 1940er- und1950er-Jahre. Seit den 1960er-Jahren habensich zahlreiche Spielarten und Subgenresausdifferenziert (z. B. Folk Rock, Hard Rock,Glam Rock usw.).• Gothic Rock (dem Sinn nach: „Grusel-Rock“) entwickelte sich etwa 1980 mit Einflüssenvon Post-Punk und Dark Wave. AlsWegbereiter gelten Bands wie Siouxsie andthe Banshees und Bauhaus (GB). Gothic-Clubs im deutschsprachigen Raum warendas „Trash“ in Berlin und das „U4“ in Wien.• Punk Rock (engl. „punk“ für „Abfall, Müll“)entstand Mitte der 1970er-Jahre in New York(The Ramones) und London (The Sex Pistols,The Clash). Punk Rock verstand sich als radikalerProtest gegen die Rockmusikindustrieund deren perfekte „Supergruppen“. Zu den Kennzeichen des Punk Rock zählen bewusstermusikalischer Dilettantismus (zwei Akkorde) und provokative Texte.• Hippies nannten sich Anhänger einer Jugendkultur, die sich von San Francisco ausMitte der 1960er-Jahre weit verbreitete. Hippies lehnten Enge und Zwänge bürgerlicherLebensentwürfe ab und setzten auf Selbstverwirklichung und Gewaltfreiheit(„Flower Power“) als Ideal.• Hip-Hop entwickelte sich Mitte der 1970er- Jahre in Szenen sozial benachteiligterJugendlicher im New Yorker Stadtteil Bronx. Typische Ausdrucksformen dieser Jugendkultursind Rap, DJing, Breakdance und Graffiti.5Hört fünf Musikausschnitte.Ordnet sieden Jugendkulturen bzw.Musikstilen zu und begründeteure Wahl.I, 3–711


Aspekte der Rock- / PopmusikWie aus dem Ei gepellt:Born this Way in Los AngelesMonster-MarketingLady Gaga: Born this Way (2011)Königin der SelbstinszenierungStefani Joanne Angelina Germanotta (* 1986), besser bekannt als Lady Gaga, ist eine dererfolgreichsten Pop-Ikonen der 20<strong>10</strong>er-Jahre. Die Single Born this Way stieg 2011 aufPlatz 1 der Hitlisten der USA, Kanadas und vieler weiterer Länder. Als erster Titel schafftees der Electropop-Song nur durch Downloads an die Spitze der deutschen Charts.Born this WayText u. Musik: Paul Blair, Fernando Garibay, Stefani Germanotta, u. a.© UniversalI, 8/91Hört Born this Wayin zwei verschiedenenVersionen. Beschreibtderen Merkmale und Unterschiede.2Überlegt dabei,zu welchen Höranlässendie beiden Versionengenutzt werden.3Singt und musiziertden Song mitgeeigneten Instrumentenoder zum Playback.I, <strong>10</strong>Kompetenz:Einen Popsongarrangieren, S. <strong>10</strong>6 f.12Die Cover-Version der zehnjährigenMaria Aragon wurde beiYouTube bis Mitte 2013 fast57 Millionen Mal angeklickt.


Musik und Jugendkultur„Dress accordingly“:Lady Gagas Aufforderungbefolgen Konzertbesucherüberall auf der Welt, hier inBangkok.4Vergleicht beimHören Born thisWay und Express Yourself.Stellt Gemeinsamkeiten undUnterschiede fest.I, 8/115Beurteilt die ErklärungenvonMadonna und Lady Gaga.Akkorderläuterung:G 5 = sog. Powerchord; gespielt wird nur der Grundton unddie Quinte des Akkords, nicht die Terz (hier: g und d).Neu geboren oder gut geklaut?Kritiker meinen, Born this Way weise große Ähnlichkeitzu Madonnas Hit Express Yourself (1989) auf. Diebeiden Pop-Ikonen reagierten so:Madonna: Als ich Born this Way im Radio hörte,sagte ich, ‚das kenne ich gut …‘Lady Gaga: Wenn man die Songs vergleicht,stellt man nur eine ähnliche Akkordfolge fest.Es ist die gleiche, die in der Disco-Musik derletzten 50 Jahre verwendet wird.Lady Gagas Markenzeichen: extravagantes Outfit und fantasievolle Show13


Aspekte der Rock- / PopmusikProvokative Pop-PerformanceAls Lady Gaga 20<strong>10</strong> in einem Kleid aus Fleischfetzen auftrat, sorgte das fürheftige Diskussionen. Der Star reagierte mit einer Erklärung:Ich will mit dem Kleid auf keinen Fall mangelnden Respekt für Vegetarierausdrücken. Wir müssen für unsere Überzeugungen eintreten.Sonst haben wir am Ende nicht mehr Rechte als das Fleisch aufunseren Knochen.Lady Gaga 20<strong>10</strong> im Fleischkleid6Sucht Beispieleextravaganter Outfitsvon Lady Gaga. Präsentiertund diskutiert eureFunde.7Überprüft in einerTageszeitung, wieoft und mit welchen Inhalteninnerhalb einer Wocheüber Popmusikstars berichtetwird.8Beurteilt die Aussagekraftdes Stiftungstextes.9Untersucht, obund wie in euremHeimatort oder eurerRegion für Popkonzertegeworben wird.Dieser Auftritt und die Folgen sind charakteristisch für das Marketing-PhänomenLady Gaga. Noch 2008 hatte kaum jemand Notiz von ihr genommen,20<strong>10</strong> kürte sie das US-amerikanische Time-Magazin zur einflussreichstenKünstlerin des Jahres.Aufsehen erregte Lady Gaga keineswegs nur durch Musik und Songtexte.Für Furore sorgten neben extravaganten Kleidern z. B. schrille Frisuren,aufwändige Bühnenshows und Videoclips, private Fotos und intimeGeständnisse zu ihrem Aussehen und Körpergewicht. Bilder, Texte, Töne,Filme fluteten durch alle Kanäle, Lady Gaga war in allen Medien präsent.Auch durch politisch gefärbte Erklärungen und wohltätige Aktionen wiedie Born-this-Way-Stiftung blieb sie weit über den Kreis ihrer Fans hinausim Gespräch.„ Die Born-this-Way-Stiftung fördert eine Gesellschaft, die Unterschiedewillkommen heißt und Individualität feiert. Die Stiftung setzt sich zumZiel, eine heile Gemeinschaft zu schaffen, die jungen Leuten die Chancenund Möglichkeiten gibt, die sie brauchen, um eine freundlichere, mutigereWelt zu bauen.(Website der Stiftung)“Gaga kreativDie Pop-Performance der Künstlerin verantwortet ein Kreativ-Team namens „Haus ofGaga“. Dort entwickelt Lady Gaga gemeinsam mit rund 20 Spezialisten Ideen für alleBereiche – von der Musikproduktion bis zum Make-up, von der Fußbekleidung bis zurFrisur, von der Choreografie bis zum Management. Als Vorbilder für dieses Kreativ-Teambenennt sie die „Factory“ des Pop Art-Künstlers Andy Warhol in den 1960er-Jahren sowiedas deutsche „Bauhaus“, das 1919–36 bahnbrechende Neukonzeptionen in Kunst, Designund Architektur entwickelte.FankontakteIntensiv nutzte Lady Gaga neue Wege der Vermarktung. Viele Songs und Videos findensich auf ihrer Website und auf Portalen wie MySpace und YouTube. Sie sind per Download,auf CD, DVD oder USB-Sticks erhältlich. Den Kontakt zu ihren Fans, den „littlemonsters“, suchte und pflegte sie über Facebook und Twitter.Im Herbst 2012 hatten 53 Millionen den „Gefällt mir“-Knopf ihrer Facebook-Seitengedrückt, als erste Künstlerin übertraf sie die Marke von 30 Millionen Twitter-Anhängern.Im selben Jahr startete mit „littlemonsters.com“ eine eigene Plattform. Dort könnenFans Musik und Konzerttickets kaufen, Bilder und Nachrichten ansehen und sichmit anderen „Gaga-Maniacs“ austauschen.14


Musik und JugendkulturMarken-PartnerschaftenDer Wert der Marke „Lady Gaga“ wuchs durch Partnerschaftenmit anderen Produkten. Eine Mobilfunkgesellschaftwar Sponsor ihrer Monster-Ball-Konzerttournee, inVideoclips wurden Produkte gezielt gezeigt, Kopfhörerund Sofortbildkameras kamen unter ihrem Namen inden Handel. Im Werbetext für ihr Parfüm liest man:„ „Lady Gaga Fame“ – das sinnlich-schwarze Eau deParfum mit exklusiver ‚fluid technology‘. So schwarz wiedie Seele des Ruhms, aber unsichtbar, sobald es die Luftberührt. Diese schwarze Flüssigkeit versprüht eine lustvolle,blumig-fruchtige Note. Kreiert für fabelhafte „littlemonsters“ und sexy Königinnen.“Act like a SuperstarMit einer Parodie von Born this Way sorgte der US-amerikanischeMusiker Weird Al Yankovic 2011 für Heiterkeit.<strong>10</strong>Findet heraus, obauch andere PopkünstlerinnenähnlicheMarktimperien aufgebauthaben.Perform this Way (Ausschnitt)Verse 1My mama told me, when I was hatched:“Act like a superstar.Save your allowance, buy a bubble dress,And someday you will go far.“Now on red carpets, well, I’m hard to missThe press follows everywhere I goI’ll poke your eye out with a dress like thisBack off and enjoy the show!ChorusI’m sure my critics will say it’s a grotesque display,Well, they can bite me, baby – I perform this way!I might be wearin’ Swiss cheese or maybe covered with bees,It doesn’t mean I’m crazy – I perform this way.Ooo, my little monsters pay lots ’cause I perform this way,Baby, I perform this way.Ooo, don’t worry, I’m okay, hey, I just perform this way.I’m not crazy, I perform this way.Weird Al Yankovic beiseiner Lady Gaga-ParodieParodie(griech.: „parodeo“ für „einLied verstellt singen“)meint hier eine verspottendeNachahmung.BreakI’ll be a troll or evil queen, I’ll be a human jelly bean,’Cause every day is Halloween for me ...Übersetzungshilfen:hatched = ausgebrütet; I’ll poke your eye out = Ich werde dein Auge ausstechen; back off = Lass mich inRuhe.11Übersetzt den Textund betrachtet denVideoclip. Zeigt an Beispielen,wo und mit welchenMitteln Yankovic Markenzeichenvon Lady Gaga aufsKorn nimmt.115


Aspekte der Rock- / PopmusikI, 147Hört einen Ausschnittaus demSong Heart Trouble vonWanda Jackson. StelltGemeinsamkeiten undUnterschiede zu Rolling inthe Deep heraus.Paul Epworth im AufnahmestudioDie Schritte zur ScheibeSongs und Sounds der Rock- / Popmusik werden heute in aller Regel in Zusammenarbeitvon Songautoren und Sängern, Musikern und Produzenten, Technikern und Tonträgerindustriehergestellt. Oft ist das ein sehr langwieriger Entstehungsprozess. Die Namenderer, die nicht auf der Bühne stehen, kennt man meist kaum. Dabei ist ihr Beitrag zumProdukt oft von entscheidender Bedeutung. Das lässt sich am Beispiel von Adeles HitRolling in the Deep gut verfolgen.Das SongwritingAm Anfang des Entstehungsprozessesstehen die Autoren des Songs, die fürText, Melodie und Akkordfolgen verantwortlichsind. In der Rock- / Popmusiksind sie oft zugleich die Interpreten.Auch bei Rolling in the Deep ist Adeleeine der Autoren des Songs. Dabei ließsie sich von einem musikalischen Erlebnisinspirieren. Während einerTournee durch die USA entdeckte siedie Musik einer Country- und Rockabilly-Legende:Ich wurde süchtig nach diesemAlbum mit Hits von Wanda Jackson.Sie ist brillant. Ich glaubenicht, dass es ohne sie Rolling inthe Deep gäbe.I, 15–178Hört Ausschnitteaus den Songs, diePaul Epworth als Sound-Referenzen nennt. Ordnetdie Ausschnitte dengenannten Titeln undKünstlern zu.Aus einem Song von Wanda Jackson stammt auch die Keimzelle, aus der Adele Rollingin the Deep entwickelte. Dabei arbeitete sie mit ihrem Co-Autor und Produzenten PaulEpworth zusammen. Der erinnert sich:Sie hatte diese Melodie von „There’s a fire“, die sie im ganzen Song verwendet. Ichnahm alle ihre Strophen auf, und dann machten wir Pausen in den Mitschnitt,um an Bridge und Chorus zu arbeiten. Wir schrieben den Kern des Songs – ihreStrophen und die Akkorde – in weniger als 15 Minuten. Der Rest war in zwei Stundenerledigt.Der ProduzentDer Arbeitsplatz des Produzenten ist das Tonstudio, seine Funktion ist vergleichbar mitder des Regisseurs beim Spielfilm. Er trifft die künstlerischen Entscheidungen über dieKlanggestalt eines Songs, die später auf dem Tonträger zu hören ist. Für Aufnahme, Mischungund Audio-Mastering wird heute fast immer ein DAW-System (Digital AudioWorkstation) verwendet. Im Verbund von Mischpultkonsole, Computer, Softwarekomponentenund elektronischen Geräten eröffnen sich zahllose Möglichkeiten der Klanggestaltung.Wie bei Rolling in the Deep am Sound gefeilt wurde, berichtet Paul Epworth:18Wirkung und Feeling bei Rolling in the Deep wollten wir ein bisschen wie bei SevenNation Army von den White Stripes haben. Das Klavier bei der Bridge sollte nachBrooklyn Zoo von Ol’ Dirty Bastard klingen. Beim Verhältnis zwischen Stimme undden übrigen Spuren dachten wir an Cee Lo Green.


Musik und JugendkulturDer ToningenieurFür die technische Seite der Soundgestaltung ist der Toningenieur verantwortlich. Erunterstützt den Produzenten, setzt dessen Vorstellungen um und bringt oft auch eigeneIdeen ein. Bei Rolling in the Deep übernahm Tom Elmhirst diese Aufgabe:Der Song beginnt mit einer Mono-Akustikgitarre, und bei der Bridge öffnet er sichund wird im Stereo ein Stück breiter. Beim Chorus bricht die Hölle los. Aus zweiDimensionen werden drei. Tiefe Frequenzen, zum Schlagwerk hinzugefügt, betonendas, weil der Mix sich dadurch auch vertikal öffnet.9Macht euch dieAussage von TomElmhirst bewusst, indemihr den Beginn des Songsgenau hört. Lest im Monitormit und trefft Aussagenüber die Menge der Spuren.I, 13P IN V1 B1 C1 V2 B2 C2 V3 M8 OUT 45.EOTDas Bild zeigt den Monitor-Screen beim Audio-Mastering von Rolling in the Deep. Übereinander liegendeSpuren erklingen gleichzeitig. Eine Zeile (roter Pfeil) zeigt Formteile an (V1 = Verse 1, B1 = Bridge usw).Das EndproduktAufnahmeGEMA-AnmeldungAbmischungErstellung desGlasmastersCD-PressungAudio-MasteringAuslieferung anden HandelErstellung desBooklet-LayoutsErstellung desPremasters<strong>10</strong>Schaut euch dieArbeitsschritte inder Grafik zu der Herstellungeiner CD an. Legt eineReihenfolge fest. Diskutiertanschließend eure verschiedenenErgebnisse.PremasterVorlage zur Erstellung desGlasmasters, das für dieCD-Pressung nötig ist.19


Nationale SchulenMusikalische Unabhängigkeitsbewegungen1Überlegt, ob NationaleSchulen heutenoch möglich und sinnvollwären.2Erläutert, inwiefernPerows Bildeinen Aspekt der NationalenSchulen illustriert.Das Erwachen der VölkerSeit der Mitte des 19. Jahrhunderts erstarkte in vielen europäischen Ländern das Bewusstseinder Zugehörigkeit zu einem Volk. In allen Künsten fand diese politische IdeeWiderhall. In der Musik, in der Malerei, in der Literatur und sogar in der Architekturentstanden „Nationale Schulen“. Besonders geschah dies dort, wo Menschen unter fremderHerrschaft lebten und sich unfrei fühlten, z. B.• im Vielvölkerstaat Österreich.• in Finnland, das seine Souveränität an Russland verloren hatte.• in Polen, das die Nachbarländer unter sich aufgeteilt hatten.Aber auch in souveränen Staaten bildeten sich Nationale Schulen, nämlich dort, wo dasKulturleben der Eliten von ausländischen Vorbildern geprägt war. Das galt z. B. für dasrussische Zarenreich. Dort sprach man in vornehmen Kreisen französisch und ließ sichvon italienischen Architekten Paläste bauen.Unerschöpfliches ErzNeben dem politischen Hintergrund spielteein weiterer Umstand eine wesentliche Rollebeim Entstehen der Nationalen Schulen.Viele erspürten die Ver änderungen, die dieIndustrialisierung im 19. Jahrhundert mit sichbrachte; sie empfanden den Verlust von Traditionenals Bedrohung. Modest Mussorgski,einer der führenden Komponisten der NationalenSchulen, hat die zentralen Gedankender Bewegung 1883 in einem Brief zusammengefasst:Wassili K. Perow: An der Eisenbahn (1868)Welch großartigen Reichtum […] bietetdie Sprache des Volks dem Musiker, solangedie Eisenbahn noch nicht ganzRussland umgekrempelt hat. Welchunerschöpfliches Erz ist doch (bis aufweiteres wiederum) für den, der allesEchte erfassen will, das Leben des russischenVolks.263Tragt zusammen,wie viele Sagen eurerHeimat euch im Gedächtnissind. Überlegt, wie vieleVolks lieder (außer Kinderliedern)ihr singen könnt.Von welchen kennt ihr mehrals die erste Strophe?4Beschreibt, inwelchem Sinn dieMusikindustrie heute denBegriff „Folklore“ ver wendet.Volk und FolkloreDen großartigen Reichtum, von dem Mussorgski spricht, die Überlieferungen des Volks,versuchten Künstler in ihren Werken zu bergen. Aber auch auf andere Weise wollte manihn bewahren, in Vereinen zur Erhaltung des Brauchtums z. B. oder in Sammlungen vonMärchen und Sagen, Liedern und Tänzen, Festen und Trachten.Es ist kein Zufall, dass man gerade in England, wo die Industrialisierung ihren Ausgangnahm, diese Kulturgüter unter einem Begriff zusammenfasste: Aus der Beschreibung„the lore of the folk“ („die Überlieferung des Volks“) entstand der Begriff „Folklore“.


Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsMesse im Morgengrauen• Nikolai Rimski-Korsakow: Russische Ostern, op. 36 (1888)Das Volk allein ist unverfälschtDie russische gehört zu den bedeutendsten der NationalenSchulen. Fünf ihrer wichtigsten Vertreter – Mili Balakirew,Alexander Borodin, César Cui, Modest Mussorgski und NikolaiRimski-Korsakow – werden oft unter einem Begriff zusammengefasst:„Das mächtige Häuflein“. Ihr gemeinsamesIdeal beschrieb Mussorgski so: „Das Volk allein ist unverfälscht.“Alle fünf Komponisten dieses Kreises begannen ihrBerufsleben nicht als Musiker, Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow(1844–1908) war z. B. Seeoffizier. Die Werke,die er „nebenbei“ komponierte, fielen auf. So wurde er1871 – während er noch Dienst in der Marine tat – zum Professorfür Komposition ans Konservatorium in St. Petersburgberufen. Schon die Titel seiner Opern sind bezeichnend fürseine heimatverbundene künstlerische Haltung: Das Mädchenaus Pskov, Die Bojarin Vera Šeloga, Die Zarenbraut, DasMärchen vom Zaren Saltan. Aber auch in seinen Instrumentalwerkenwird dieses Anliegen deutlich, z. B. in der OuvertüreRussische Ostern.Alexei P. Bogoljubow: Ostermorgen (um 1875)Christos woskrjesIn der Osternacht versammeln sich in Russland die Gläubigen in der dunklen Kirche.Um Mitternacht treten die Geistlichen in weißen Messgewändern, mit großen Kerzen inder Hand, vor die Gemeinde und verkünden: „Christos woskrjes – Christ ist auferstanden.“Die Gemeinde antwortet: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Dann setzt das mächtigeLäuten der Glocken ein; die Gläubigen zünden Kerzen an und folgen den Popen ineiner festlichen Prozession um die Kirche. Danach feiern sie zum Morgengrauen dieMesse, immer im Stehen, wie es in russischen Kirchen üblich ist.Die heidnischen Züge des FestesRimski-Korsakows Konzertouvertüre Russische Ostern stammt aus dem Jahr 1888. DieVorstellung, die seinem Werk zugrunde liegt, hat der Komponist selbst beschrieben:In dem Werk verbinden sich Reminiszenzen an alttestamentarisches Prophetentumund an die Verkündigung des Evangeliums sowie eine allgemeine Darstellung desOstergottesdienstes mit seiner „heidnischen Fröhlichkeit“. […] Was ist das russischeGlockengeläut anderes als tänzerische kirchliche Instrumentalmusik? Underwecken die Popen, wenn sie mit zitternden Bärten, in weißen Messgewändernund Chorhemden […] singen, nicht unwillkürlich die Vorstellung von heidnischenZeiten? Und die Osterbrote, die brennenden Kerzen? […] Eben die legendären undheidnischen Züge des Festes, diesen Stimmungsumschlag vom düster-geheimnisvollenKarfreitag in die ungebändigt heidnisch-religiöse Fröhlichkeit des Ostermorgenswollte ich in meiner Ouvertüre zum Ausdruck bringen.1Erläutert, inwieferndie genannten Titelvon Werken Rimski-Korsakowsfür Nationale Schulentypisch sind.PopeNiederer Geistlicher derrussisch-orthodoxen Kirche.2Schildert Osterbräuchein eurerHeimat.KonzertouvertüreEigenständiges Orchesterwerk,nicht zur Eröffnungeiner Oper gedacht, sondern– ähnlich der SinfonischenDichtung – eineForm der Programmmusik.Sinfonische Dichtung➡➡S. 5027


Nationale Schulen3Singt (auf Tonsilben)oder summtden Beginn der beidenChoräle.In der OsternachtDen Beginn der Ouvertüre darf man – Rimski-Korsakows eigenen Anmerkungen folgend– als Darstellung des ersten Teils der Messe in der Osternacht deuten. Zwei alteChoräle der orthodoxen Kirche erklingen. Der erste wird zu Beginn von einer Instrumentengruppeunisono vorgetragen.I, 234Hört den Beginnder Ouvertüre.Welche Instrumentengruppeträgt den Choral 1zunächst unisono vor, welchesInstrument Choral 2(NB 1 und 2 )?Russische Ostern1 Choral 1: „Gott steht auf, so werden seine Feinde zerstreut“Ein zweiter Choral trägt einen ganz anderen Charakter. Er erklingt zu einer eigenartigflirrenden Begleitung.2 Choral 2: „Ein Engel aber sprach“3 KadenzMehrmals unterbrechen Instrumentalkadenzen den Vortrag der Choräle.KadenzHier: solistische Stelle ineinem Orchesterwerk.Antiphonie im OrchesterklangDie Choräle treten im Verlauf des Werks mehrmals in Varianten auf. In der verändertenGestalt stellen sie oft lebhafte Bilder vor das Auge des Hörers. Einmal erinnert Rimski-Korsakow ganz deutlich an die in orthodoxen (und anderen christlichen) Kirchen verbreitetePraxis des antiphonalen Singens.I, 235Hört den Einleitungsteil.Notiert,wie Choräle und Kadenzenaufeinander folgen(NB 1 – 3 ). Stellt fest, welcheInstrumente Kadenzenvortragen.4 Antiphonale Klänge (Ausschnitt aus der Partitur)6Erläutert anhanddes Notenausschnitts,was unter Antiphoniezu verstehen ist (NB 4 ).Wie sind die Rollen im Gottesdiensthier auf die Instrumenteverteilt?28


Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsGlockenläuten in einem russischen DomRussische GlockenGegen Ende steigert sich die Ouvertürezu der von Rimski-Korsakowbeschriebenen „ungebändigt heidnisch-religiösenFröhlichkeit“. Dabeispielt das Läuten der Glockeneine wesentliche Rolle.Seit dem Gründonnerstag habensie geschwiegen. Nun, um Mitternacht,verkünden sie die Auferstehung.Die Wirkung ihres Geläutswird durch eine Besonderheit gesteigert.Die Reihenfolge des Glockenanschlagswird nämlich nicht –wie in unseren Kirchen – dem Zu fallüberlassen. Vielmehr werden dieKlöppel mit einer Zugvorrichtungvon einem oder (meist) mehrerenGlöcknern in Bewegung gesetzt.Dadurch wird das rhythmischeSpiel von Melodien möglich.Rimski-Korsakow greift diese Gegebenheitenauf. Nicht nur dasSchlagwerk, sondern alle Instrumentedes riesigen Orchesters ahmenden Klang der Glocken nach.7Das Notenbild(NB 5 ) zeigt einigeStimmen aus der Partitur.Meist werden sie von mehrerenInstrumenten gespielt.Ordnet die einzelnenStimmen mög lichen Instrumentenzu.Kompetenz:Partiturlesen,S. 130 f.8Entnehmt demPartiturausschnitt(NB 5 ) Stimmen und spieltsie auf verschiedenen Instrumentennach. Versucht,sie wie ein Glockengeläutklingen zu lassen.5 Glockenläuten des Orchesters (Ausschnitt aus der Partitur)9Hört den Schlussder Ouvertüre; achtetauf die Glockenklängeund beschreibt, wie dieSteigerung der „ungebändigtenFröhlichkeit“ musikalischdargestellt wird.I, 2429


Virtuosentum und neue ÖffentlichkeitPrimadonnen• Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor (1835)Fiorituren/RouladenUmspielungen/Verzierungeneiner Melodie beim Kunstgesang.Gioachino Rossini(1792–1868)Der bedeutendste italienischeKomponist der erstenJahrhunderthälfte hörte mit36 Jahren, in der Mitte seinesLebens, mit dem Komponierenfür die Bühne auf.Bis dahin hatte er 39 Operngeschrieben, von denenviele (Der Barbier von Sevilla,Cenerentola) bis heute inaller Welt gespielt werden.1Recherchiert, aufwelchem anderenGebiet Rossini Spuren hinterlassenhat.2Deutet die Karikaturin Bezug auf dieGeschichte der USA.3Findet Parallelenzwischen den Angabenzu Jenny Linds Biografieund Stars aus der Popszene.Fiorituren, Rouladen und SchnörkelHeute noch wissen wir von der Begeisterung, die große Gesangssolisten im 19. Jahrhundertauf das Publikum ausübten. Die größte Faszination ging dabei von den Stars desMusiktheaters aus, vor allem von den Sängerinnen, die in den Opern italienischer Komponistenihre verblüffenden Stimmkünste zeigen konnten. Für sie schrieben z. B. Rossini,Bellini und Donizetti Werke, die von Schwierigkeiten strotzen und dem Publikumwie den Ausführenden den Atem rauben. Von der Stimmakrobatik geblendet übersiehtman gelegentlich, was Agnes Schebest, eine der großen Sängerinnen dieser Zeit, über dieBedeutung der virtuosen Passagen z. B. in Rossinis Opern sagte:Durch die halsbrechenden Fiorituren, Rouladen und Schnörkel, womit die Mehrzahlseiner Musikstücke, selbst bis zur Übersättigung, ausgeschmückt sind, würdeer wohl keine so große Macht auf seine Zuhörer ausgeübt haben, läge nicht dochetwas ganz Besonderes in seinen zum Gesang reizenden Melodien.Die schwedische NachtigallZu den hellsten Sternen auf den Opernbühnen des 19. Jahrhunderts gehörte zweifellosJenny Lind, die „schwedische Nachtigall“. Über das Ausmaß der Vergötterung berichtetHeinrich Heine im Jahr 1844:Zeitgenössische Karikatur:Die Konzerte der Jenny Lind in New YorkEin Freund erzählte mir voneiner englischen Stadt, wo alleGlocken geläutet wurden, alsdie schwedische Nachtigalldort einzog; der dortige Bischoffeierte dieses Ereignisdurch eine merkwürdige Predigt.In seinem anglikanischenEpiskopalkostüme […] bestieger die Kanzel der Hauptkircheund begrüßte die Neuangekommeneals einen Heiland inWeibskleidern, als eine FrauErlöserin, die vom Himmel herabgestiegen,um unsre Seelendurch ihren Gesang von derSünde zu befreien.Nach nur zehn Karrierejahren zog sich Jenny Lind 1849 von der Opernbühne zurück.Fortan trat sie nur noch in Konzertsälen auf, sang Lieder und Oratorien. Ihr Weltruhmblieb aber ungebrochen. Als sie der Zirkusunternehmer Phileas Barnum zu Auftritten inden USA engagierte, standen an beiden Ufern der Bucht von Liverpool kilometerlangeSchlangen von Musikbegeisterten, um ihr Schiff zu verabschieden. Für die Plätze bei den90 Konzerten, die sie auf der Tournee von New England bis zur Mississippi-Mündunggab, wurden astronomische Summen bezahlt.36


Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsDonizettis Kunst des BelcantoNirgendwo war zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Oper in allen Kreisen so populär wiein Italien. Sängerische Leistungen konnten eine kaum vorstellbare Begeisterung, aberauch wütende Ablehnung auslösen. Komponisten wurden vom Publikum in erster Liniedaran gemessen, ob sie „für Stimmen schreiben“ konnten. Gaetano Donizetti war darinMeister.Schon die Uraufführung seiner ersten Oper Lucia di Lammermoor im Jahr 1835 imTeatro San Carlo von Neapel wurde zu einem Triumph. Hier wie in seinen späteren Werkenkonnten die Sänger ihre perfekte Kunst des Belcanto demonstrieren. Bei diesemitalienischen Stimmideal steht der Wohlklang im Mittelpunkt. Die Sänger müssen besondereTechniken mühelos beherrschen. Dazu gehört zum Beispiel die „Messa di voce“,das allmähliche An- und Abschwellen ausgehaltener Töne, oder das „Portamento“, beidem zwei Töne durch ein sanftes Schleifen miteinander verbunden werden.Eine Wahnsinnsszene – in jedem SinnDie Grundlage für Donizettis Lucia di Lammermoor bildet Walter Scotts Roman The Brideof Lammermoor.Zwei Liebende, Lucia und Edgardo, gehören verfeindeten Familien an. Durch Intrigensoll ihre Verbindung verhindert werden, Lucia wird mit Arturo verheiratet. Als sie vondem Betrug erfährt, verfällt sie dem Wahnsinn und tötet den ihr Angetrauten. Blutüberströmterscheint sie auf der Bühne. Von der Wirklichkeit entrückt bittet sie in der zwischenTraum und Wahn schwankenden Szene ihren Geliebten Edgardo um Verzeihungund begeht schließlich Selbstmord, Edgardo folgt ihr in den Tod.Die Partie der Titelheldin war eine Paraderolle von Jenny Lind. Besonders glänzte sienatürlich in der „Wahnsinnsarie“. Die vielfach gegliederte Szene dauert über 20 Minuten.Zwar sind auch andere Figuren beteiligt, aber im Mittelpunkt steht immer die Titelheldin.Gleich zu Beginn der großen Szene glaubt sie den Klang der Stimme des Geliebtenzu hören („Il dolce suono“). Donizetti hat hier eine wunderbar sanglicheBelcanto-Melodie erfunden.Lucia di Lammermoor: „Wahnsinnsszene“1 Il dolce suonoGiovanni Carnevali:Gaetano Donizetti (1835)Gaetano Donizetti(1797–1848)Donizetti gilt als einer derwichtigsten Komponistender italienischen Oper.Nach erfolgreichen Jahrenin Paris und Wien starb ergeistig umnachtet in seinerHeimatstadt Bergamo.Sir Walter Scott(1771–1832)Der schottische Dichterschrieb mehr als 40 Romane,die meist romantischeHandlungen in historischeZusammenhänge stellen(Ivanhoe).4Findet heraus, obbzw. an welchenStellen die Sängerin „Messadi voce“ und „Porta mento“einsetzt.I, 3037


Virtuosentum und neue ÖffentlichkeitRezitativ➡➡S. 175Der Ausdruck der VerzweiflungGroße Primadonnen werden nicht nur an ihrer Fähigkeit zum betörend süßen Ton desBelcanto gemessen. Sie müssen auch zur Darstellung extremer Gefühle fähig sein. Dabeisind Stimmkraft und Stimmbeherrschung ebenso gefordert wie schauspielerisches Talent.Das gilt besonders für die „Wahnsinnsszene“. Lucia glaubt, eine furchterregende Geistergestaltzu sehen („sorge il tremendo fantasma“). Sie fordert Ricardo auf, beim AltarSchutz zu suchen. Für den Ausdruck der Verzweiflung findet Donizetti dramatische Tonfolgen,die in einem Rezitativ münden.2 Ohimè! Sorge il tremendo fantasmaI, 315Hört den Ausschnitt„Ohimè! Sorge …“(NB 2 ). Beschreibt musikalischeMittel, mit denenDonizetti die Erregung undVerwirrung Lucias ausdrückt.KadenzHier: virtuoser Abschnitt ineinem Stück, den der Solistfrei gestaltet.Hochseilakte der StimmeItalienische Opernkomponisten haben ihrePartien in aller Regel mit Läufen, Trillernund Sprüngen aller Art ausgestattet. Aberdas war vielen der Primadonnen nicht genug.Sie sahen es geradezu als ihr Recht an,Kadenzen hinzuzufügen, die ihre „Spezialitäten“ins rechte Licht rückten.Die Schlusskadenz aus der Arie Ardongli incensi hat Donizetti recht schlicht notiert.Heute hört man dort allerdings meisteinen Schwindel erregenden Hochseilaktder Stimme.I, 32386Vergleicht dieKadenz im Hörbeispielmit der Originalfassung(NB 3 ).3 Ardon gli incensi, SchlusskadenzJenny Lind als Lucia (1845)


Spanisches Geigenfeuerwerk• Pablo Sarasate: Zigeunerweisen, op. 20 (1878)Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsJames Whistler: Pablo Sarasate (1884)Paganinis NachfolgerAnders als in der Popularmusik treten inder heutigen „Ernsten Musik“ Komponistennur selten als Interpreten eigenerWerke auf – ihre eigenen immensen Anforderungenan die Musiker erlauben diesmeist nicht. Das war in früheren Epochenanders: Bach oder Mozart z. B. warengeniale Interpreten ihrer Musik. Undnoch im 19. Jahrhundert verbandenKomponisten die schöpferische Tätigkeitmit der des ausübenden Musikers. Alssouveräne Kenner ihrer Instrumentekonnten sie spezielle klangliche Effekteund neue Spieltechniken in ihren Werkenwirkungsvoll einsetzen.Als Musterbeispiele für die Personalunionvon Komponist und Interpret kenntman bis heute den Geiger Niccolò Paganiniund den Pianisten Franz Liszt. Abersie waren nicht die einzigen. Pablo Sarasatez. B. galt als legitimer Nachfolger Paganinis.Die stärkste AnziehungskraftPablo Sarasate, 1844 im spanischen Pamplona geboren, zeigte schon als Geigen-Wunderkindso überragende Leistungen, dass ihm Königin Isabella von Spanien eine überauswertvolle Stradivari-Violine schenkte. Später reiste er bis in sein Todesjahr 1908 als gefeierterVirtuose durch ganz Europa, aber auch nach Nord- und Südamerika. Seine phänomenaleGeigentechnik und sein feuriges Spiel beschreibt ein Artikel in Die Gartenlaubeim Jahr 1886:Unter den berühmten Geigenvirtuosen der Gegenwart besitzt Sarasate entschiedendie stärkste Anziehungskraft für das große Konzertpublikum. Und auch derstrengere Kunstkenner, der solche Anziehungskraft nicht als entscheidendenMaßstab für sein Urteil betrachtet, muss dennoch deren volle Berechtigung anerkennen.Denn sie ist bei Sarasate eine Art von elektrischer Wirkung, sie entfließtseiner Individualität, seiner eigentümlichen und musikalischen Persönlichkeit.[…] Niemand kann behaupten, dass heute irgendeiner vollendet schöner Geigespielt als Sarasate, und niemand kann sich der augenblicklichen Wirkung entziehen.Die sinnliche Klangwirkung seines Tons, die Glockenreinheit in den höchstenLagen ist bezaubernd; die Sicherheit und Eleganz seiner Technik ist unvergleichlich.[…] Sein Vortrag ist immer feurig und geschmackvoll, man wird nieeine unnoble Färbung, einen zu scharfen Akzent von ihm vernehmen.VirtuoseUrsprünglich eine Auszeichnungfür hervorragendeGelehrte und Künstler. Endedes 17. Jh. Bezeichnung fürBerufsmusiker im Gegensatzzum Musikliebhaber, seitdem 19. Jh. für ausübendeMusiker, die über herausragendeSpielfertigkeitenverfügen.Antonio Stradivari(1644–1737)Das berühmteste Mitgliedeiner Generationenfolgevon Geigenbauern schufInstrumente von außerordentlicherKlangschönheit.Viele Geiger halten sie bisheute für die besten. BeiVersteigerungen erzielen siePreise von vielen MillionenEuro.1Welche Maßstäbeder Beurteilung vermutetder Verfasser desGartenlaube-Artikels wohlbeim „strengeren Kunstkenner“?39


Virtuosentum und neue ÖffentlichkeitZigeunerDie Herkunft des Begriffs„Zigeuner“ für ein Wandervolk,das in vielen Ländernder Welt lebt, ist ungeklärt;heute wird er als diskriminierendabgelehnt undmeist durch die Eigenbezeichnung„Roma“ ersetzt.Außenstehende verbindenmit dem nomadischenLeben oft Vorurteile undKlischees, aber auch idealisierendeVorstellungen. Sieschlugen sich im 19. Jh. aufvielen Gebieten, z. B. in derMusik oder in Zigeunermodennieder.( Siehe auch S. 20, Roma)Mythos der FreiheitDie Industrialisierung und der technische Fortschritt ängstigten im 19. Jahrhundertviele Menschen; sie fürchteten die Zerstörung der Natur, den Verlust der Freiheit. Mansehnte sich nach einer Lebensweise, in der man sich nicht dem Diktat der Maschinen zubeugen hat. In romantisierender Verklärung idealisierte man deshalb die nomadischlebenden „Zigeuner“, blendete dabei aber die demütigenden Lebensverhältnisse desWandervolks aus.Nikolaus Lenau beschreibt in einem Gedicht aus dem Jahr 1838 diese Haltung: EinReisender begegnet drei Zigeunern, die unter einer Weide lagern. Vom Abendschein umglühtspielt einer auf der Geige, ein zweiter raucht seine Pfeife, der dritte schläft, währendsein Cymbal am Baum hängt.An den Kleidern trugen die Drei / Löcher und bunte Flicken,Aber sie boten trotzig frei / Spott den Erdengeschicken.Dreifach haben sie mir gezeigt, / wenn das Leben uns nachtet,Wie man’s verraucht, verschläft, vergeigt / und es dreimal verachtet.Nach den Zigeunern lange noch schau’n / musst ich im Weiterfahren,Nach den Gesichtern dunkelbraun, / den schwarzlockigen Haaren.CymbalEin mit Klöppeln geschlagenesSaiteninstrument, dasvor allem in Osteuropa weitverbreitet ist.2Nennt WunschvorstellungenunsererTage von einem „anderen“Leben, die dem Zigeunermythosdes 19. Jh. entsprechen.ZigeunerweisenAuch Komponisten griffen die Thematik auf. In großer Zahl sind Zigeuner in den Titelnvon Operetten und in den Texten von Chansons vertreten. Authentische Musik derRoma spielte dabei aber keine Rolle. Das „Zigeunerische“ verband man vielmehr einerseitsmit dem Flamenco Andalusiens, der in Spanien etwa um die JahrhundertmitteMode im Unterhaltungsbetrieb geworden war. Mehr noch aber dachte man dabei an dieungarischen Kapellen, die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts das Publikum begeisterten.In diesen Ensembles, deren Mitglieder tatsächlich zum größten Teil Roma waren,wurde ein eigener Musikstil entwickelt. Dabei spielte der erste Geiger, der Primás, eineherausragende Rolle. Mit stürmischen Läufen, Doppelgriff-Seufzern und Trillern („Vogelgezwitscher“)schlug er seine Zuhörer in den Bann.Zweifellos hatte auch Pablo Sarasate die Musik solcher Kapellen im Ohr, als er seineZigeunerweisen schrieb.Zigeunerweisen1I, 343Weist, auch mithilfedes Hörbeispiels,die im Abschnitt Zigeunerweisengenannten „Kunststücke“im NB 1 nach.40


Aspekte der Musik des 19. JahrhundertsDie sentimentale NoteAnonym: Zigeunerpaar (Beginn des 19. Jh.)2In der ausgedehnten Einleitung von SarasatesZigeunerweisen herrscht ein Merkmalvor, das seiner eigenen Interpretationsweisewohl sehr entgegenkam. Neben seinerphänomenalen Technik wird in zeitgenössischenBerichten nämlich immerwieder sein „feuriges“ Spiel gerühmt.Man kann ahnen, wie wirkungsvoll er rezitativartigeMelodien vorgetragen hat, denenein freier Rhythmus und verschleifendesGlissando benachbarter Melodietöneeine ein wenig sentimentale Note geben.Neben den formalen und emotionalenElementen übernahm Sarasate auchdie sowohl in der andalusischen wie auchin der ungarischen Zigeunermusik übliche„Zigeunertonleiter“. Diese mollähnlicheTonreihe, die vage an orientalischeMusik erinnert, enthält zwei übermäßigeSekundschritte zwischen der zweiten unddritten sowie sechsten und siebten Stufe.Ein furioses FinaleDie formale Einordnung von Sarasates Zigeunerweisen für Solovioline und Orchester fälltnicht ganz leicht. Der Aufbau des Werks erinnert an den „Csárdás“, wie ihn dieZigeunerkapellen gerne spielten. Dieser ungarische Tanz beginnt mit einem langsamenEinleitungsteil, Sarasates Werk mit einer ausgedehnten Fantasie. Im Csárdás folgt einvirtuoser, oft geradezu wilder Teil, in dem der Primás mit Springbögen und Pizzicati inden höchsten Höhen glänzt. Mit einem solchen furiosen Finale enden auch die Zigeunerweisen.34Hört den Ausschnittzum NB 2 . Wo findensich die genannten Mittel,die zu einer „sentimentalen“Wirkung beitragen?Bestimmt im NB 25,an welcher Stelledas charakteristische Intervallder Zigeunertonleiterauftritt.➡➡Musiklehre kompakt,S. 193PizzicatoSpielweise auf Streichinstrumenten,bei der die Saitengezupft und nicht mit demBogen („con arco“) angestrichenwerden. Besondersschwierig sind Pizzicati mitder linken (Greif-) Hand,die durch ein + angezeigtwerden.6Hört einen Csárdáseiner authentischenZigeunerkapelle. Vergleichtihn mit dem Schluss vonSarastes Werk (NB 3 ).I, 35I, 36/377Hört die Zigeunerweisenim Zusammenhangund erkennt dieAusschnitte (NB 1 – 3 )wieder.I, 33–3641


Neuere TänzeMit Kisten gespielt – Die Rumba1Findet andere Beispielefür tänzerischeMusik, deren TexteProtest gegen bestehendeVerhältnisse ausdrücken.Tanz der Freigelassenen1886 wurde in der spanischenKolonie Kuba dieSklaverei offiziell abgeschafft.Die Freigelassenenströmten in die Städte. Diemeisten von ihnen fandenweder Arbeit noch Brot, lebtenin Elendsvierteln. Ihreauf afrikanischen Wurzelnberuhende Kultur aber entwickeltensie hier weiter,z. B. in der Rumba. Am Anfangstanden Lieder, in denender Protest gegen dieelenden Lebensbedingungenausgedrückt wurde. ZurRumba in Cubas Hauptstadt HavannaBegleitung verwendete man ausschließlich Perkussionsinstrumente. Zu diesen Liedernführte man ganz unterschiedliche Tänze aus, alle unter dem Sammelbegriff Rumba.Esteban Montejo, ein ehemaliger Sklave, berichtet über seine Erlebnisse in Havanna imJahr 1899:Dort gab es mehr Rumba als sonst wo; Rumba mit Kisten gespielt. Sie spielten aufKisten, die sie zwischen die Beine nahmen. Alle Straßen und drinnen die Häuserwaren voller Hocker. […] Die Alten und die Jungen tanzten, bis sie umfielen.2Übt zunächst dasGrundmuster inlangsamem Tempo, indemihr es leise und langsam mitden Fingern oder Stiften aufder Tischkante ausführt.Claves als SchlüsselDieses Instrumentarium hat sich in der folkloristischen Rumbamusik bis heute erhalten:Neben Trommeln aller Art verwendet man Alltagsgegenstände wie Löffel und Kisten(Cajones). Eine wichtige Rolle spielen die Claves, kleine Holzstäbe, die gegeneinandergeschlagen werden. Das spanische Wort „clave“ bedeutet „Schlüssel“. Und die Claves spielenauch den „Schlüssel“ für das ganze komplizierte rhythmische Gebäude der Rumba.In lässigem Tempo geben sie ein 2-taktiges Muster vor.GrundmusterAusführung mit Claves (Claves-Patterns)663Übt nun zu einemleisen Metrum dieClaves-Patterns. Nehmtdazu zwei Stifte als Ersatzfür die Claves. Schließt zurbesseren Konzentrationbeim Üben die Augen.oder


Musik und TanzRumba-RhythmenÜber den Grundrhythmus der Claves wird eine Fülle verschiedener, oft überaus komplizierterPatterns geschichtet. Sehr einfache Beispiele können so aussehen:1 24Sucht geeignete„Instrumente“.Setzt die Patterns (NB 1 – 4 )mit dem Grundmuster derClaves zusammen (Notenmit Akzent werden betont,die anderen sind unbetont).Übt am Anfang mit einemleise geschlagenen Metrum.3 4Rumba-CarrésWie andere Tänze verschiedener Länder und Epochenfand auch die Rumba den Weg aus ihrer ursprünglichenAtmosphäre in die große Welt. Schon in derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam sie zunächstin die USA, dann auch nach Europa. Dabei gab esunterschiedliche Ausprägungen; alle waren gegenüberdem kubanischen Original rhythmisch vereinfacht.In einer relativ langsamen Version wurde dieRumba schließlich zu einem der fünf Bestandteiledes lateinamerikanischen Turniertanzes, und inTanzschulen ist sie fast immer fester Bestandteil desProgramms.Selbst in der vereinfachten und „zivilisierten“Fassung der Tanzkurse haben sich einige Merkmaleder ursprünglichen Rumba erhalten:Pamela June Crook: Rumba (2008)• Ihr Grundschritt wird auf engem Raum getanzt. Dabei sollen alle Bewegungen gleitendausgeführt werden.• Vorwärtsschritte setzt man deshalb mit dem Ballen an.• Typisch für die Rumba ist ein natürlicher Hüftschwung, der entsteht, wenn man beider Übertragung des Gewichts auf einen Fuß das Knie ein wenig durchdrückt.15Hört die Tanzturnier-VersioneinerRumba. Beschreibt ihreEigenschaften im Blick aufdie ursprüngliche Gestaltder Rumba.6Betrachtet das Bildvon P. J. Crook undüberlegt, inwieweit es mitder Beschreibung derRumba ( Rumba-Carrés)übereinstimmt.II, 24Herren:Damen:LRRStartL R R3schnell6schnell4langsamL2schnell6schnell5schnellL1langsamRStart1langsamL5schnell3schnell2schnellLR4langsam7Führt den Grundschrittzunächstlangsam und auf kleinemRaum aus. Tanzt dann zurMusik.II, 24Von diesem Rumba-Carré ausgehend lassen sich eine Reihe einfacher Figuren erschließen,z. B. ein Carré mit Rechtsdrehung oder ein Damensolo, bei dem sich die Dame mitden Schritten 4–6 eines Rechtscarrés unter den gefassten Händen dreht.67


Neuere TänzeAfroamerikanische Vorbilder – Die Swing-TänzeTitelbild eines Life-Magazins (1926)1Führt – in langsamemTempo – denbeschriebenen Bewegungsablaufaus.Dixieland➡➡S. 95Ragtime➡➡S. 91Josephine Baker(1906–1975)Die amerikanische Sängerinund Tänzerin setzte sichneben ihrer überaus erfolgreichenShow-Karriere entschiedengegen Rassendiskriminierungein undadoptierte zwölf Kinderunterschiedlicher Hautfarbeund Religion.Musik aus dem Jazz-RepertoireAuch die Musik, zu der die aufregendenneuen Tänze getanzt wurden, hob sichsehr deutlich ab von den Klängen traditionellerTanzkapellen.„ Die bestimmenden Tänze der 20er-Jahre […] hatten ihre Wurzeln allesamtin den Gesellschaftstänzen der amerikanischen(vor allem Südstaaten-) Schwarzenund ihrer Musik – einer Musik, dieder Rest der Welt nach und nach alsJazz kennen lernte. (Gerald Jonas)“Der Mut, in die Knie zu gehenNach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich das Geschehenauf dem Tanzparkett. In rascher Folge kamen immer neueTänze in Mode. Die meisten dieser Tänze kamen aus derNeuen Welt und setzten sich bald auch in Europa durch.Und fast alle – so sagen die Tanzhistoriker – waren von afroamerikanischenElementen geprägt. Der erste dieser Tänzewar der Charleston.„ [Er] verlangte Körperartistik und den Mut, in die Knie zugehen, die Glieder gegeneinander zu verdrehen und den Poherauszustrecken. Diese lockere Haltung verweist auf dieafrikanischen Quellen des Charleston; schon der JubaDance, ein seit dem 18. Jahrhundert bekannter Sklaventanz,enthielt das Kniekreuzen, und der Charleston, nichtsanderes als ein Konglomerat solcher schwarzen Bewegungstypen,nahm diese Figur auf.Wenn jemand in leichte Hockstellung ging, die Knie aufundzuklappte, und die darauf liegenden Hände jedes Malbeim Zusammenschlagen die Seiten vertauschten, sah dasaus, als würden statt der Arme die Beine überkreuzen.Wenn dann noch die ganze Person wie von selbst über denBoden glitt, nämlich dadurch, dass Hacken und Fußspitzenim selben Rhythmus eine Zickzacklinie bildeten, ernteteman für die Nummer sicheren Applaus.(Astrid Eichstedt/Bernd “Polster)Getanzt wurde vor allem zu Ragtimesund Dixieland-Standards. Dazu kamenTitel aus Revuen und Musicals. Ein weitererAusgangspunkt für die Charleston-Begeisterung in Europa war die Bühnenshow.Josephine Baker löste sie aus, alssie in den 1920er-Jahren in Paris auftrat. Josephine Baker (1926)68


Musik und TanzCharakteristische SynkopenJames P. Johnson (1894–1955) war Pianist und Bandleader. Als Komponist bewegte er sichgewandt in mehreren Stilen. 1923 wurde in New York sein Werk Running Wild uraufgeführt.Eine überaus erfolgreiche Nummer aus dem Musical war Charleston. Sie gab demneuen Tanz den Namen.Johnsons Charleston zeigt musterhaft die Merkmale der Musik, zu der man nun dieBeine kreuzte. Eine eingängige Melodie und ein straffes Tempo bestimmen den fröhlichenGrundzug. Ein unverkennbares Charakteristikum ist aber die häufige Verwendungvon Synkopen, die den Rhythmus prägen.James P. Johnson: CharlestonText u. Musik: Cecil Mack, James P. Johnson© Rondo <strong>Verlag</strong>James P. Johnson (1921)Shag, Jive und BoogieZwar kam der Charleston am Ende der 1920er-Jahre in den USA aus der Mode. Aber dieLust am Tanzen blieb unverändert. Als nach dem Zusammenbruch der Börse im November1929 die Große Depression die amerikanische Wirtschaft nahezu lahm legte, tanzteman, um die Tristesse zu vergessen. Später, nachdem sich das Land wieder erholt hatte,wurde mit neuer Lebensfreude getanzt. Die Namen der Tänze wechselten: Shag, LindyHop, Jive, Susie Q., Jitterbug. Aber alle hatten gemeinsame Merkmale: Festgelegte Schritteund Tanzhaltungen spielten keine wichtige Rolle mehr. Fast immer bewegte man sich inoffener Tanzhaltung, und man erfand immer neue, akrobatischere Figuren.Oft fasst man alle diese Tänze unter dem Begriff „Swing-Tänze“ zusammen, denn inder Musik gaben nun die Bigbands dieses Jazzstils den Ton an. In Europa setzte sichschließlich der Begriff „Boogie-Woogie“ durch.2Zeigt die Synkopenbildungenin derMelodie auf.➡➡Musiklehre kompakt,S. 1943Hört eine Aufnahmevon Charlestonund verfolgt die Synkopenbildungen.4Versucht nun, dietypischen Charlestonbewegungen( ZitatS. 68) im Tempo zur Musikzu tanzen.II, 25II, 25Piet Mondrian: Broadway Boogie Woogie (1942–43)© 2013 Mondrian/Holtzman Trust c/o HCR International USASwing-Ära➡➡S. 98Piet Mondrian(1872–1944)Niederländischer Maler,der sich bei seinen abstrakten,geometrisch strengenBildern auf die Primärfarbenbeschränkte.5Beobachtet undbeschreibt dieBewe gungen des Jazzsängersund Bandleaders CabCalloway bei seinem Boogie.369


ChoreografienTanzstil der Bronx –Der Hip-HopHip-Hop-TänzerDer Begriff „Hip-Hop“ bezeichnet einerseits eineMusikrichtung, andererseits eine ganze Jugendkultur,die sich Anfang der 1970er Jahre entwickelte( Seite 11).Zu dieser Subkultur gehören neben BaggyPants und Basecap das DJing, Grafitti, Skateboardingund verschiedene Tanzformen, wie z. B. derBreakdance. Der Ursprung des Hip-Hop liegt in denBlock Partys, Feiern eines ganzen Stadtviertels imhauptsächlich von Afroamerikanern bewohntenNew Yorker Stadtteil Bronx.Als Tanzstil wurde Hip-Hop vor allem durchMusikvideos populär. Hip-Hop-Choreografien, diein Gruppen oder in Form eines sogenannten „battle“ getanzt werden, zeichnen sichdurch einen Wechsel von Beat- und Offbeat-Bewegungen aus.battleWettkampf im Hip-Hop, beidem konkurrierende Teamsmit solistischen Einlagengegeneinander antreten.1Führt beide Grundelemente(TimeStep und Step Tap) als Vorübungaus. Kombiniert siedann frei miteinander.Grundelemente des Hip-Hop1. Time StepBei dieser Bewegung macht man mit einem Bein Schritte in verschiedene Richtungenzum Bass-Beat. Die Knie sind dabei leicht gebeugt.2. Step TapMan setzt einen Fuß zu einer beliebigen Seite und der andere Fuß folgt sehr schnell miteinem kleinen Sprung. Dabei bewegt man auch den Oberköper, als ob man ihn nachziehenwollte. Man steht dann wieder in Anfangsposition.Figur 1Ausgangsposition: Die Beine sind gegrätschtund durchgestreckt, die Armehängen locker an beiden Seiten desKörpers nach unten.Ausführung:• Auf den Downbeats (Zählzeiten1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8) die Knie leichtbeugen und die Arme leicht gebeugtmit nach oben gerichtetenHandflächen heben ( Bild).• Auf den Offbeats (immer auf„und“ zwischen den Zählzeiten:1 und, 2 und, usw.) die Beinedurchstrecken und die Armeleicht senken.80


Musik und TanzFigur 2Ausgangsposition: Die Beine sind gegrätscht unddurchgestreckt, die Arme hängen locker an beidenSeiten des Körpers nach unten.Ausführung:• Auf den Downbeats die Knie leicht beugen unddie Arme leicht gebeugt und mit gekreuztenHandgelenken auf Brusthöhe anheben. DieHandflächen sind nach unten gerichtet ( Bild).• Auf den Offbeats die Beine durchstrecken unddie Arme in gleichbleibender Position leichtsenken.2Führt zur Musik dieverschiedenen Hip-Hop-Modelle aus.Eine Hilfe zur Durchführungder Modelle findet ihr inden Videoausschnitten.II, 315–9Figur 3Ausgangsposition: Die Beine sind geschlossen, dieEllenbogen auf Schulterhöhe hochgezogen, die Unterarmeeng angewinkelt, die Fäuste auf Brustbeinhöhe( Bild).3Erfindet zusätzlicheeigene Modelle.Ausführung:• Auf „1 und 2“ mit drei kleinen Schritten nachvorne gehen (rechts-links-schließen). Gleichzeitigmit den Armen vor dem Körper auf Brusthöheeinen Kreis gegen den Uhrzeigersinn ziehen.Sobald das rechte Bein schließt, sind die Armewieder in der Ausgangsposition.• Auf „3 und 4“ mit drei kleinen Schritten nachhinten gehen (links-rechts-schließen). Mit denArmen den Kreis im Uhrzeigersinn ausführen.Auf 5–8 Bewegungsablauf wiederholen.Figur 4Ausgangsposition: Die Beine sind gegrätscht unddurchgestreckt, die Arme hängen locker an beidenSeiten des Körpers nach unten.Ausführung:• Auf den Downbeats die Beine durchstrecken, dielinke Hand ruht auf dem Oberschenkel, währendder rechte Arm seitlich des Kopfs im rechtenWinkel abgewinkelt wie zum Ballaufschlag ausholt(Achtung: Der Bewegungsablauf beginnt aufdem Auftakt/Offbeat „und“).• Auf den Downbeats die Knie leicht beugen undmit dem gehobenen Arm leicht nach untenschlagen. Der andere Arm ruht währenddessenweiterhin locker auf dem Oberschenkel ( Bild).4Gestaltet nun zurMusik eine eigeneChoreografie. Dabei könntihr die Modelle aus demBuch und eurer eigenenErfindungen in beliebigerReihenfolge zusammenstellen.5Übt die Choreografieein und tragt siedann vor der Klasse vor.II, 3181


Der Sound des JazzII, 40II, 41II, 421Hört einen Sängerder klassischenMusik und beschreibtElemente des „richtigen“Klangs in diesem Stil.2Hört einen Ausschnittaus demBasin Street Blues und zeigttypische Elemente imGesang Louis Armstrongsauf, die den Ausdrucksteigern.3Überlegt, welcheMöglichkeiten derAusdruckssteigerung beimklassischen Gesang zur Verfügungstehen.4Hört und beschreibtin Armstrongs Trompetenspielim Basin StreetBlues die „Umwege“ zum Ton.Seele und Herz und Tiefe in jedem TonDer persönliche AusdruckNach einem Auftritt Louis Armstrongs in London konnte man in der Times lesen:Natürlich ist diese Stimme hässlich, gemessen an dem, was wir in Europa Schönheitdes Gesangs nennen. Aber der Ausdruck, den Louis Armstrong in dieseStimme legt, alles das, was an Seele und Herz und Tiefe in jedem Ton mitschwingt,macht diese Stimme schöner als das meiste, was es an technisch brillantem undschön klingendem, aber kaltem und seelenlosem Gesang in der Welt heute gibt.Mit diesen Worten beschreibt der Kritiker einen fundamentalen Unterschied zwischender europäischen klassischen Musikkultur und dem Jazz. Hier gibt es „richtigen“ Klang,„richtige“ Spiel- und Gesangstechnik, dort nicht. Die Instrumentalisten und Sänger imklassischen Bereich streben ein Klangideal an, das gewissermaßen objektiv zu beurteilenist. Ihre Kollegen im Jazz suchen dagegen den Sound als Möglichkeit des persönlichen,„subjektiven“ Ausdrucks. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Musiker in dertraditionellen europäischen Musik Kompositionen möglichst werkgetreu wiedergeben,den Vorgaben des Autors gehorchend, während die Interpreten im Jazz Vorlagen freigestalten.Beispiel ArmstrongFür diesen ganz individuellen Sound im Jazz ist LouisArmstrong ein Musterbeispiel, als Sänger ebenso wie alsTrompeter. 1901 wurde er in New Orleans geboren, wobald seine Paradekarriere begann, als Schüler in einerBesserungsanstalt, als Musiker in Brass Bands seiner Heimatstadt,auf Mississippi-Dampfern, in Chicago, schließlichals Jazzlegende in der ganzen Welt. Was er auchspielte, selbst bei seinen Ausflügen ins Schlager-Geschäft,bis zu seinem Tod im Jahr 1975 blieben seine Stimmeund sein Trompetenton unverwechselbar. Ein Kritikerschrieb 1951 im Spiegel:’Das Charakteristikum seines Spiels, das einen eigenenStil repräsentiert, ist rational schwer zu erfassen.Seine Melodie linien sind so scharf und gestochengezeichnet, dass man selbst bei Schleiftönen undGlissandi nicht merkt, wie der Ton eigentlich erst„auf Umwegen“ erreicht wird. Dieser einzigartigeTrompetenton Armstrongs aber ist nicht alleindurch Glanz, Reinheit und Höhe ausgezeichnet,sondern auch dadurch, dass er mit jeder Note etwas„ausdrückt“, was mit „Schwermut“, „Trauer“ und vorallem bei Arm strong: „Freude“ nur sehr ungenauzu definieren ist.Louis Armstrong (um 1940)92


Begegnungen der Kulturen im JazzUmwege zum TonDie „Umwege“ zum Ton sind ein Charakteristikum des Jazz-Sounds. Klassische Musikerund Sänger wollen in aller Regel den natürlichen Klang des Instruments oder der Stimmemöglichst unverfälscht erhalten. Jazzmusiker dagegen wollen diesen Klang oft verändernoder verschleiern. Für klassische Musiker ist es geradezu eine Todsünde, den Tonnicht genau zu treffen. Ganz anders im Jazz. Da werden die exakten Tonhöhen oft bewusstein wenig verschliffen. Der Begriff „off pitchness“ (= weg von der Tonhöhe) fasstTechniken zusammen, mit denen die exakte Tonhöhe verschleiert wird.• Smear (engl. für „schmieren, verwischen“): Ein Ton wird tiefer angesetzt und auf diegewünschte Tonhöhe gezogen.• Glissando (ital. für „gleiten“): kontinuierliche „gleitende“ Veränderung der Tonhöheaufwärts oder abwärts.• Dirty Tones: Bestimmte Töne werden gepresst bzw. gequetscht und dadurch unsauberhervorgebracht.• Vibrato: gleichmäßiges, geringfügiges Verändern der Tonhöhe eines gehaltenen Tons.• Growl (engl. für „knurren, brummen“): rauer, heiserer Klang bei Blasinstrumenten;wird durch spezielle Spieltechniken erzielt.5Hört den SaxofonistenBranford Marsalisund beschreibt, welcheder beschriebenen Technikenhier Anwendung finden.II, 43PhrasierungenDie Tonbildung im Jazz ist eng mit der Phrasierung und der Artikulation verbunden. Inihrem Zusammenwirken spielen diese Elemente eine wesentliche Rolle für den Charaktereines Jazzstücks. Ein stilprägendes Element im Jazz ist die sogenannte swing-Phrasierung,bei welcher von zwei aufeinander folgenden Achtelnoten die erste etwas längergespielt wird ( Seite 99). Der Bereich der Artikulation bezieht sich auf das Verbindenbzw. Trennen von aufeinander folgenden Tönen. Dabei stehen im Wesentlichen folgendeMöglichkeiten zur Verfügung:• Töne werden kurz (staccato) gespielt:• Töne werden länger gespielt, aber von anderen abgesetzt (tenuto):PhrasierungAllgemein bedeutet Phrasierungdie Sinngliederungeines musikalischen Ablaufs.Im Jazz steht der Begriffauch für die Art und Weiseeines Musikers, sich mitHilfe von Artikulation,rhythmischem Gespür,Dynamik, Intonation musikalischauszudrücken.• Ein Ton wird mit dem nächsten verbunden (legato):Am Beispiel eines Ausschnitts aus einer Jazz-Etüde ist das Zusammenwirken von Tonbildung,Phrasierung und Artikulation gut nachvollziehbar.Fred Lipsius: Blues (Beginn)Musik: Fred Lipsius© Advance Music6Spielt den Beginndes Blues auf beliebigenInstrumenten notengetreumit möglichstschönem Ton.7Hört nun denBeginn mehrmals.Verfolgt dabei den Notentextund vergleicht die Aufnahmemit dem „klassischen“Spiel.II, 4493


Jazzgeschichte im ÜberblickSeit den 1970er-Jahren hat sich einekaum übersehbare Fülle von Spielartendes Jazz herausgebildet, über deren stilistischeEinordnung die Kenner streiten.Daneben werden die historischenStile weiterhin gepflegt.Jazz wird heute in aller Welt gespielt:im Jazzkeller und im Konzertsaal, alsFilmmusik und in speziellen Radioprogrammen,zur Unterhaltung und alsintellektuelles Hörvergnügen.94


New Orleans im Dixieland – Der Old Time JazzBegegnungen der Kulturen im JazzCanal Street und Basin StreetUm die Wende des 19. zum 20.Jahrhundert formte sich der Jazz,darüber sind sich die Musikhistorikereinig. Sie stimmen auch darinüberein, dass dieser wichtigsteBeitrag Nordamerikas zur Musikgeschichtein den ersten Jahrzehntenseinen Schwerpunkt in denSüdstaaten hatte, im Dixieland.Dieser Begriff wurde auch zur Kennzeichnung weißer Kapellen aus der Frühzeit desJazz angewendet. Tatsächlich waren die Unterschiede zwischen den Spielweisen kreolischer,afroamerikanischer und europäisch-stämmiger Musiker nicht fundamental. Wennauch gemischte Ensembles nicht üblich waren, die Musiker trafen und hörten sich doch,z. B. bei den Street Parades, die zu allen möglichen Gelegenheiten stattfanden. Eine derbekanntesten ist „Mardi Gras“, der Karneval von New Orleans. Der Posaunist Kid Oryerzählt:Tag und Nacht marschierten die Bands die Straßen auf und ab und spielten sichdie Lunge aus dem Leib: Die Weißen hatten ihren „Prinz Carneval“, der kam dieCanal Street herauf; die Neger hatten den „King of the Zulus“, der kam durch dieBasin Street.Boldens RepertoireBuddy Bolden gehörte zu den bekanntesten Musikern der Anfänge des Jazz. Der TrompeterBunk Johnson beschrieb ihn als „glänzend aussehenden Mann, von brauner Hautfarbe,hoch gewachsen, schlank“, nach dem „die Weiber verrückt waren“. Von BoldensTrompetenspiel existieren keine Tonaufnahmen. Aber Berichte der Zeitgenossen schilderndas Charakteristische seines Spiels. Aus ihnen lässt sich auch das Repertoire seinerBands erschließen.Alphonse Picou: Buddy war […] der lauteste, den es je gegeben hat, sein Kornettklang ohne Mikrofon so laut wie das von Louis Armstrong mit Mikrofon.Bud Scott: Jeden Sonntag ging Bolden in die Kirche, und da formte er seine Auffassungvon Jazzmusik. Die Gemeinde klatschte beim Singen in die Hände undblieb auf diese Art immer genau im Rhythmus.Zack Blanton: Street ParadeDixielandAllgemein die Staaten,in denen bis zum amerikanischenBürgerkrieg dieSklaverei erlaubt war. DerBegriff soll von einer Grenzlinieherrühren, die derLandvermesser JeremiahDixon zog, oder von denZehndollarnoten der Bankvon Louisiana, auf derenRückseite das französische„dix“(= <strong>10</strong>) gedruckt war.1Stellt aus den Informationenauf dieserSeite zusammen, welche Artvon Stücken die Musikerdes New Orleans Jazz imRepertoire hatten.2Hört den CanalStreet Blues in einerAufnahme King Olivers, dessenSpiel von Buddy Boldengeprägt wurde. Setzt dasStück in Bezug zu den Informationenauf dieser Seite.III, 1Bunk Johnson: Bolden spielte alle Arten von Blues. Als ich in seine Band kam,haben wir uns laufend neue Blues-Stücke ausgedacht.Daniel Hardy: Die Bolden-Band spielte weiterhin das übliche Repertoire vonSchottischen, Walzern, Polkas, Mazurkas und Quadrillen, wobei die letzteren imMittelpunkt ihrer Konzerte standen.Buddy Bolden95


Einen Popsong arrangierenI aWählt einenSong, den ihrspielen wollt. Macht euchdie <strong>Tonart</strong> eures Stücks unddie Stufen der verwendetenAkkorde bewusst.I LeadsheetAnders als bei Volksliedern muss man sich bei den meisten Popsongs die Akkorde nichtmühsam suchen. Man findet sie vielmehr im Leadsheet, wo zusammen mit Melodie undText die Begleitharmonien als Akkordsymbole angegeben werden.Als Beispiel wurde hier die Pop-Ballade Sailing gewählt, mit der Rod Stewart einen seinergrößten Erfolge erzielte.Beispiel Sailing: LeadsheetText u. Musik: Gavin M. Sutherland© UniversalI bHört euch denSong mehrmalsim Original an und informierteuch über Besetzung,musikalische Details undden Charakter des Songs.II aErstellt eineeinfache Bassstimmeaus dem Akkordverlaufdes Lead sheets.Der Bassist spielt bei jedemAkkordwechsel einmal denGrundton an.II BassDer erste Schritt beim Arrangieren ist meist das Erstellen einer Bassstimme.Der (E-)Bass als tiefstes Instrument der Band ist für das Fundament zuständig und spieltoft die Grundtöne der Akkorde.Beispiel Sailing: Grundtöne der AkkordeGrooveGefühl für Rhythmus,Spannung und Tempo.II bBassfigur.Erstellt einerhythmischeNeben der Aufgabe, mit den Grundtönen das Fundament der Begleitakkorde zu bilden,ist der (E-)Bass zusammen mit dem Schlagzeug der rhythmische Kern der Band und fürden Groove verantwortlich.Beispiel Sailing: Rhythmische BassfiguroderII cSpielt nun dieBasslinierhythmisiert.Beispiel Sailing: Basslinie<strong>10</strong>6


KompetenzIII DrumsetPassend zur Basslinie bietet sich folgender Standard-Rhythmus für das Schlagzeug an:IIINehmt einenGrundrhythmusfür das Drumset hinzu. Ihrkönnt den Standard-Rhythmus(nebenstehend) verwenden.Achtung: E-Bass und Bass-Drum sollten rhythmisch genau zusammen sein, nur sogroovt das Stück später!IV PercussionViele Popsongs können durch Percussion-Instrumente klanglich abwechslungsreichergestaltet werden, mit Congas, Bongos, Claves, usw.Percussion-Instrumente sollten sparsam eingesetzt werden (außer bei Latin-Songs), z. B.nur in bestimmten Teilen oder zur Akzentuierung mancher Stellen. Für Balladen (wieSailing) eignen sie sich in der Regel nicht.V BegleitsätzeIm nächsten Schritt kommen die Harmonieinstrumente, also Gitarren und/oder Klavierbzw. Keyboard hinzu. Auch diese Instrumente orientieren sich an den im Leadsheetangegebenen Akkordfolgen.Beispiel Sailing: HarmoniebegleitungIVÜberlegt, inwelchen Teilenihr Percussion-Instrumenteeinsetzen könnt. Sie könnenauch zur Akzentuierungmancher Stellen dienen.V aÜberlegt eucheine Begleitungfür euren Song. Rhythmischkönnt ihr bei Pop-Balladendie Akkorde in Halben oderVierteln anschlagen, interessanterklingen allerdingsgebrochene Akkorde.V bAchtet darauf,dass ihr dieAkkorde in einer mittlerenTonlage spielt. Zu tiefklingt die Begleitungschwammig und dumpf.Noch besser klingt der Song mit einem Begleitsatz für Streichinstrumente, Bläser oderauch Stabspiele.Beispiel Sailing: Guideline (lang ausgehaltene Noten)V cErstellt Guidelinesaus Tönender im Leadsheet angegebenenAkkorde.Achtet darauf, dass beim Akkordwechsel die Stimmen nur kleine Intervalle spielen.Nehmt deshalb innerhalb einer Stimme möglichst den nächstgelegenen passenden Tondes Folgeakkords.V dBei schnellerenSongs könnt ihrdie Stimmen noch rhythmischgestalten.<strong>10</strong>7


MusicalEin Geschöpf von zweifelhafter HerkunftVom Broadway in die WeltWie kaum eine andere Form des Theaters hates die Welt mit wehenden Fahnen erobert.Dabei ist das Musical ein musikalisches Geschöpfzweifelhafter Herkunft, mit vielenEltern und tausend Gesichtern.Um 1900 blühten in Wirtschaftsmetropolenwie London Theater und Showbühnenfür große Zuschauermassen. Musiker undTheaterleute aus diesem Milieu arbeitetenbald auch in den USA, Musikverlage undProduzenten sammelten sich in New Yorkum den Broadway. Auch dort spielte manOperetten und Revuen, in denen ZirkusundTanznummern einander abwechselten.Musical-Plakate am Broadway in New YorkAls dann immer mehr Amerikaner in demGeschäft Fuß fassten, kamen Elemente desMinstrel-ShowJazz, des Ragtime und der Minstrel-Shows hinzu. Das kann man deutlich hören inIm 19. Jahrhundert überaus Show Boat, das 1927 in New York uraufgeführt wurde und das oft als das erste Musicalbeliebte Aufführung, bei bezeichnet wird. Im Unterschied zu den beliebten bunten Folgen verschiedener Bühnenereignisseerlebte man hier eine durchgängige Handlung:denen weiße Darstellerschwarz geschminkt dasAuf dem prächtigen Mississippi-Dampfer treffen sich Varietékünstler und Spieler,komödiantische Talent derAfroamerikaner karikierend und der schwarze Heizer Joe singt ein Lied über die Bedeutungslosigkeit seines Daseins,nachahmten.das der große Strom nicht einmal wahrnimmt.1Übersetzt den Textdes Songs.2Singt den Ausschnittzu einereigenen Begleitung.Kompetenz:Einen Popsongarrangieren, S. <strong>10</strong>6 f.Ol’ Man River aus „Show Boat“ (Ausschnitt)Text: Oscar Hammerstein; Musik: Jerome Kern© Chappell3Untersucht den Tonvorratund bestimmtdie Art der Tonskala.➡➡Musiklehre kompakt,S. 1934Ordnet eine auffälligerhythmischeBesonderheit historisch ein.➡➡Musiklehre kompakt,S. 194III, 205Hört Ol’ Man River.Bestimmt „europäische“und „amerikanische“Elemente.Übersetzunghilfen:sumpin’ = something; nuthin’ = nothing; tators = potatos<strong>10</strong>8


MusiktheaterEin musiktheatralischer DiebAls „Musical Play“ wurde Show Boat bei der Uraufführung bezeichnet. Später machteman aus dem Adjektiv den Gattungsbegriff „Musical“. Eine exakte Definition dieserForm des Musiktheaters fällt allerdings schwer:„ Musical kann alles sein. Das Musical ist ein Dieb. Es greift zu allen theatralischenMitteln und klaut aus den Schatzkammern der Kultur. Es ist schamlos, eine synkretischeGattung, ein Gesamtkunstwerk, … aber von höchster Komplexität! (Erhard Pauer)Tatsächlich kann man für die Aufführung eines Musicals alle Ensemblemitglieder einesDreispartentheaters beschäftigen: Sänger, Schauspieler und Tänzer. Ein guter Musical-Darsteller vereinigt aber alle drei Fähigkeiten in sich.Shakespeare und SozialkritikDie Verbindung der Sparten galt in der Geschichtedes Musicals von Anfang an. WeitereMerkmale treffen zwar nicht für alle, aber dochfür viele Musicals zu:• Oft enthalten Musicals sozialkritischeElemente (West Side Story, Billy Elliot).• Häufig werden die Grundzüge der Handlungaus der großen Literatur ausgeliehen,z. B. bei Shakespeare (Kiss me Kate)oder bei George Bernard Shaw (My FairLady).• Regelmäßig werden erfolgreiche Musicalsverfilmt. Gelegentlich sind – umgekehrt –Filme das Vorbild für Musicals (The LionKing).Hair in LondonOffen für TrendsDas Musical war stets offen für die Übernahme neuer musikalischer Trends. In den1960er-Jahren prägten z. B. Einflüsse der Rockmusik Musicals wie Hair. Um 2000 wurdenJukebox-Musicals Mode, die Karrieren erfolgreicher Künstler nachzeichneten. So erklingenin Jersey Boys die Hits der amerikanischen Gruppe The Four Seasons, Mamma mia!basiert auf Songs von Abba.“SynkretismusVermischung verschiedenerKulte.DreispartentheaterMeist große Bühnen mitEnsembles für Oper, Schauspielund Ballett.6Recherchiert überdie Handlungen dergenannten Musicals. Stelltdar, inwiefern sich dieerwähnten Merkmalejeweils wiederfinden.7Hört Ausschnitteaus zwei Musicalsund ordnet sie jeweils einemder genannten Werke zu.III,21/22Glanzlichter der Musicalgeschichte• 1927: Kern / Hammerstein: Show Boat• 1946: Porter / Spewack: Kiss Me Kate• 1956: Loewe / Lerner: My Fair Lady• 1957: Bernstein / Sondheim: West Side Story• 1967: McDermot / Rado / Ragni: Hair• 1971: Webber / Rice: Jesus Christ Superstar• 1978: Webber / Rice: Evita• 1986: Webber / Stilgoe: The Phantom of the Opera• 1997: John / Rice: The Lion KingJersey Boys<strong>10</strong>9


MusicalSchriller Thriller• Alan Menken / Howard Ashman / Michael Kunze:Der kleine Horrorladen (1982/86): Wachs für michEin skurriles Stück um eine seltsame PflanzeDas Musical Little Shop of Horrors von Alan Menken und HowardAshman wurde 1982 in New York uraufgeführt. Eine deutsche Fassung,deren Text von Michael Kunze stammt, hatte 1986 Premiere(Der kleine Horrorladen). Im selben Jahr entstand die Verfilmung desMusicals durch Frank Oz. Das skurrile Stück um eine seltsamePflanze hat zahllose Produktionen an Stadttheatern und Amateurbühnenerlebt, und auch an vielen Schulen wurde es mit großemErfolg aufgeführt.Ein Held im KellerlochDas Schicksal hat es nicht gut gemeint mit Seymour Krelborn,dem Helden der Geschichte. Er ist bettelarm und haust in derschäbigsten Straße der Stadt, in einem Kellerloch unter einemBlumenladen. Dessen Inhaber, der launische Mr. Mushnik, beutetihn als billige Arbeitskraft in seinem Laden rigoros aus. Auch inHerzens sachen hat Seymour kein Glück. Still und hoffnungslos ister in seine Kollegin Audrey verliebt. Aber er ist viel zu schüchtern,um ihr zu gestehen, was er für sie empfindet, und viel zu arm,um an eine gemeinsame Zukunft denken zu können.III, 23Das Plakat zum Film1Hört einen Ausschnittaus FrankieAvalons I’ll Wait for You ausdem Jahr 1958. Nennt charakteristischemusikalischeGestaltungsmittel.Rettung durch Audrey IIMushniks Blumengeschäft steht vor dem Aus: In den heruntergekommenenLaden mit der welken Ware verirren sich keineKunden mehr. Mr. Mushnik will das Geschäft aufgeben, und dasträfe Audrey und Seymour schwer. Wie lässt sich der Bankrott verhindern? Da gibt esdiese exotische Pflanze, die Seymour kürzlich bei einem Chinesen gekauft und auf denNamen „Audrey II“ getauft hat. Kaum steht das ungewöhnliche Gewächs im Schaufenster,schon blüht das Geschäft auf. Scharenweise strömen Kunden in den Laden.Aber bald lässt Audrey II trotz aller mühseligen Pflege Kopf und Blätter hängen.Seymour weiß sich keinen Rat mehr. Wie kann er verhindern, dass die Attraktion desLadens eingeht? Er hält der Pflanze vor, wie mühselig er sie gepflegt hat, und fordertsie auf: „Wachs für mich“.Charakteristische FormateBei der Komposition des Musicals ließ sich Alan Menken von Musikstilen der 1960er-Jahre inspirieren. Sie dienen ihm auch dazu, einzelne Figuren zu charakterisieren. Soerinnern Seymours Songs an die Musik von Teen-Idolen der 1960er-Jahre: kommerziellerPop, zugeschnitten auf weiße Jugendliche der US-Mittelschicht. Stars wie FrankieAvalon landeten um 1960 in den USA zahlreiche Hits.Frankie Avalon (1960)1<strong>10</strong>


MusiktheaterWachs für mich© Neue Welt2Singt den SongWachs für mich undbegleitet euch mit geeignetenInstrumenten.Kompetenz:Einen Popsongarrangieren, S. <strong>10</strong>6 f.3Hört den Song.Findet Gestaltungsmittelin Text und Musik, dieSeymour charakterisieren.III, 244Vergleicht den Songmit I’ll wait for you.111


OperDie Geschichte von der grausamen Prinzessin• Giacomo Puccini: Turandot (1924, UA 1926):Die erste SzeneMusik fürs TheaterIch kam vor langer Zeit zur Welt, und Gott berührte mich mit demkleinen Finger und sprach: ‚Schreibe fürs Theater, hüte dich, nur fürsTheater‘ – und ich habe den höchsten Rat befolgt.Diese Stelle aus einem Brief Puccinis deutet es an: Er war – wie vor ihmRichard Wagner und Giuseppe Verdi – Opernkomponist durch und durch.Den ersten Erfolg errang der 1858 im oberitalienischen Lucca geboreneKomponist mit 26 Jahren. Seine späteren Werke gelten neben denen Verdisals Inbegriff der italienischen Oper:• Manon Lescaut (1893)• La Bohème (1896)• Tosca (1900)• Madame Butterfly (1904)• Turandot (1924)Giacomo Puccini in seinem Todesjahr 1924Ein Märchen aus <strong>10</strong>01 TagZum ersten Mal wird die Geschichte von der grausamen Prinzessin Turandotin der Sammlung <strong>10</strong>01 Tag erzählt, dem persischen Gegenstück zu den arabischenMärchen aus <strong>10</strong>01 Nacht. Später hat sie Künstler zu immer neuenAusformungen inspiriert. Der Kern der Handlung blieb aber stets derselbe,auch bei Puccinis Oper, die schließlich alle anderen Bearbeitungen des Stoffesvergessen ließ.1Recherchiert imInternet, wo undwann Aufführungen derTurandot und andererWerke Puccinis in eurerStadt, in eurer Region, inDeutschland stattfinden.Prinz Kalaf hat eine Schlacht und damit sein Reich verloren und irrt durch die Welt. Daerfährt er von der wunderschönen chinesischen Prinzessin Turandot. Ohne einen ersichtlichenGrund hasst sie Männer. Sie hat ihren Vater, den chinesischen Kaiser, zu einemgrausamen Gesetz veranlasst: Jeder, der um sie wirbt, unterwirft sich einem unerbittlichenGebot. Wer drei Rätsel der Turandot nicht lösen kann, muss sterben. Auch Kalafbewirbt sich. Er findet die Antworten auf die drei Fragen und gewinnt am Ende Turandotfür sich.Marionetten werden bewegt2Überlegt, warumdie Geschichte vonder Prinzessin Turandot sichzum Opernstoff eignet.Ich habe den großen Fehler, nur dann komponieren zu können, wenn sich meinelebendigen Marionetten auf der Bühne bewegen.Puccinis Musik erweckt diese Marionetten, die Bühnenfiguren, zum Leben. Mit dieserMusik werden Handlungen beschrieben und ausgestaltet und Emotionen hervorgerufen.Um einen schnellen Wechsel im Ausdrucksgehalt der Musik zu erreichen, verwendetPuccini das Mittel der musikalischen Motive, die wie ein Mosaik kombiniert werden.118


MusiktheaterDie Urstoffe von Puccinis MusikspracheTurandot beginnt mit einer fulminanten Szene:Abends auf dem dunklen Platz vor dem Kaiserpalast drängt sich das Volkvon Peking. Ein Mandarin verkündet:„Volk von Peking! Das ist das Gesetz: Turandot, die Reine, heiratet denMann von königlichem Blute, der die drei Rätsel löst, die sie ihm stellt.Doch wer die Probe sucht und nicht besteht, soll fallen von der Hand desHenkers!“Ein persischer Prinz hat diese Probe nicht bestanden; auf seine Hinrichtungwartet das Volk, und der Henker schleift sein Schwert. Im Gedrängefindet Kalaf unverhofft seinen Vater, den er verloren glaubte. Bei ihm istdie Sklavin Liù, die ihren Herrn Kalaf heimlich liebt.In dieser Szene wechselnder Affekte und Geschehnisse erklingen u. a. zweiMotive, die im Verlauf der Oper als Erinnerungsmotive eine wichtige Rollespielen werden. Sie zeigen zugleich eine Besonderheit der MusiksprachePuccinis. Er sah sich in der Tradition der italienischen Oper, in deren Zentrumdie Melodie und die Stimmen standen. Aber er hatte natürlich auchdie Entwicklungen der Musik seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wahrgenommen( Kapitel 6, Die klassische Moderne, S. 132 ff.); die Emanzipationder Dissonanz, das Zurücktreten der Tonalität, die Ausweitung der Klangfarbenusw. Das nahtlose Verschmelzen dieser scheinbar unvereinbarenKlangwelten gehört zu den bewundernswerten Leistungen Giacomo Puccinis.Turandot: Erste Szene, Motive1Titelblatt der Partitur (1926)3Untersucht in Motiv1 den markiertenTakt. Hört den oberenAkkord und den unterenAkkord zuerst einzeln unddann gleichzeitig. Interpretiertdas Ergebnis.24Hört die beidenMotive 1 und 2 ,lest dabei die Noten mit.Welches Beispiel könntefür „Mut und Hingebung“,welches für „Grausamkeit“stehen?Begründet eure Entscheidung,indem ihr musikalischeMittel beschreibt undvergleicht.5Verfolgt den Beginnder Oper im Video.Achtet dabei auf das Auftretender beiden Motive.6Beschreibt Elementeder Instrumentierung,mit denen Puccinischon in dieser ersten Szeneein „chinesisches Kolorit“erzeugt.III, 35/36<strong>10</strong>119


OperEine Tenorarie in den Charts• Turandot: Nessun dorma1Lest und interpretiertden Textder Arie.Schlaflos in PekingKalaf hat alle drei Rätsel gelöst. Trotzdem weigert sich Turandot, ihn zum Mannzu nehmen. Kalaf aber möchte ihre Liebe gewinnen. Deshalb legt er sein Leben wiederin ihre Hände. Wenn sie vor Tagesanbruch seinen Namen nennen kann, ist er bereitzu sterben.Zu Beginn des dritten Akts verkünden Herolde die Anordnung Turandots: „Keinerschlafe!“ Alle sollen nach dem Namen des unbekannten Prinzen fahnden.Kopfschüttelnd sinniert Kalaf über den bizarren Befehl. Mit ihm beginnt eine derberühmtesten und populärsten Tenorarien: „Nessun dorma!“Turandot, Arie des Kalaf: Nessun dorma© RicordiIII, 402Hört die Arie.Benennt musikalischeMittel, die Kalaf unddessen Situation charakterisieren.KALAFMein Kuss allein soll dieses Schweigen lösen,durch das du mein wirst.KALAFDie Nacht entweiche! Jeder Stern erbleiche!Damit der Tag entsteh’ und mit ihm mein Sieg!124DIE MENGEWenn niemand seinen Namen weiß,dann müssen wir den Tod erleiden.


MusiktheaterPotts BlitzNicht nur als Paradearie für Tenöre ist Nessun dorma berühmt geworden. Das Opern-Rührstückhat auch Pop-Geschichte geschrieben. 2007 trat in der TV-Casting-Show Britain’sGot Talent Paul Potts vor die Jury und erklärte schüchtern, er sei hier, um Oper zu singen.Kollektive Schadenvorfreude machte sich bei der Jury und im Publikum breit. Doch dieschlug um in Rührung und Begeisterung, als der Kandidat sein Nessun dorma hören ließ.Zu Recht berichtete eine Zeitung über die Ereignisse unter dem Titel „Potts Blitz“.Arie➡➡S. 170Geht auf, ihr Sterne!Die Maschinerie der Medien liefan, um die Sache marktgerecht zuformatieren, und die Inszenierungvon Paul Potts gelang perfekt. Sieberuhte auf drei mehr oder minderwahren Geschichten:3Recherchiert imInternet zu PaulPotts’ Ausbildung undSängerkarriere.• Die Geschichte vom Aschenputtel,hier in Form eines schüchternen,korpulenten Manns mitschiefen Zähnen, Sohn einesBusfahrers und einer Kassiererin,als Kind gehänselt, weil eranders war als alle anderen undimmer nur singen wollte.• Die Geschichte vom Pechvogel,der keine Entbehrungen scheute,um seine Stimme ausbilden zulassen, der dann wegen Krankheitund Unfall nicht mehr auftretenkonnte, als Handyverkäufersein Brot verdienen musste,und der doch stets unerschütterlichan seinen Traum vom Sin-Paul Pottsgen glaubte.• Die Geschichte von der Casting-Show, die wegen ihrer Gnadenlosigkeit häufig Kritikauf sich zieht, und die doch verborgenen Talenten eine Chance gibt, ihren Traum zuverwirklichen.Die Casting-Show erzielte Rekorde bei den Einschaltquoten. Paul Potts siegte und wurdeProfisänger. Sein Debut-Album mit dem bezeichnenden Titel One Chance schoss an dieSpitze der Charts.Ein wunderbarer SchmerzIm Jahr nach seinem TV-Auftritt hatte Potts ein breites Publikum gewonnen. Im MusikportaliTunes konnte man z. B. diese Kundenrezessionen lesen:Also, mal ehrlich: Ich hasse Klassik…Aber das ist irgendwie was ganz anderes. DieStimme von dem ist Wahnsinn und obwohl ich – wie oben erwähnt – kein Klassik-Fan bin, finde sogar ich das gut. 1+.4Nehmt Stellung zuden Zitaten der beideniTunes-Kunden.Als ich dieses Lied zum ersten Mal von Paul Potts gehört und gesehen habe, liefenmir die Tränen an den Wangen herab. Es ist ein wunderbarer Schmerz, den ich nurallzugern verspüre.125


PartiturlesenI Aufgaben und Aufbau der PartiturPartitur nennt man die Niederschrift eines mehrstimmigen Werks. Sie dient demStudium der Komposition; Dirigenten verwenden sie bei der Aufführung des Werks.Sie verstehen schon beim Lesen der Partitur den Aufbau und die kompositorischenFeinheiten und gewinnen eine Vorstellung vom Klang. Aber auch „normale“ Hörererhalten tiefere Einblicke in ein Werk, wenn sie sich mit der Partitur befassen. Dazusind ein paar Grundkenntnisse unerlässlich.• Taktart, <strong>Tonart</strong> und Besetzung sind am Satzanfang abzulesen(z. B. 12/8-Takt, B-Dur).• Spielanweisungen, Angaben zu Dynamik, Tempo geben zusätzlichAufschluss über den Charakter der Musik.• Die Stimmen sind im Liniensystem so angeordnet, dass gleichzeitigerklingende Noten senkrecht über einander stehen.• Höher klingende Instrumente/ Stimmen stehen über den tiefer klingenden.(Ausnahme: Hörner, ital. „corni“).• Chorisch besetzte Stimmen sind nur einmal notiert.• Instrumente gleicher Gattung sind durch eckige Klammern(Balkenklammern) in Gruppen zusammengefasst.• Die Instrumente eines sinfonischen „Orchesterkerns“ sindjeweils von oben nach unten wie folgt angeordnet:– Holzblasinstrumente(Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte)– Blechblasinstrumente(Hörner, Trompeten, Posaunen, Tuben)– Schlaginstrumente– Streichinstrumente (1. Violine, 2. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass)II LesehilfenOft kann man mit einem Blick die Funktionen der einzelnen Stimmen im gesamten Gefüge erkennen.• Sich wiederholende Muster, gleichförmige Motive weisen meist auf eine Begleitfunktionhin.• Bläser können natürlich auch Melodien spielen. Oft aber übernehmen sie eine„Klangfarbenfunktion“; über längere Zeit liegende Töne oder akkordische Schwerpunkteweisen darauf hin.• Die Melodie sucht man zuerst in der 1. Violine. Oft verstecktsie sich aber auch in anderen Stimmen und wandert durch verschiedeneInstrumentengruppen. Mit einiger Übung kann dasAuge diese Wanderschaft verfolgen und so die Themen hörendund lesend erkennen.• Am einfachsten sind die Basslinien zu entdecken. Oftsetzen sie gliedernde Schwerpunkte, das Fagott unddas Violoncello übernehmen gelegentlich auch dieMelodie.130


KompetenzIII PartiturausschnittLudwig van Beethoven, Sinfonie Nr. 6 in F-Dur, op. 68 (Pastorale), 2. SatzFarblegende:MelodieKlangfarbeBegleitmusterBasslinieIII aUntersuchtverschiedenePartituren hinsichtlich derjeweiligen Besetzungen.Nicht immer sind alle Instrumentengruppen vertreten.III bBestimmt zuerstdie Funktionen,die die einzelnen Instrumenteerfüllen.III bcWelche weiterenAngaben überden Notentext hinaus könntihr auf dieser Partiturseiteerkennen? Erklärt sie undinformiert euch ggf. aufden Seiten von➡➡Musiklehre kompakt,S. 197III dbHört dannmehrere Maleden Beginn des 2. Satzes ausBeethovens 6. Sinfonie. Konzentrierteuch dabei jedesMal auf eine andere Instrumentengruppe.IV, 45III beHört abschließendeinenlängeren Ausschnitt aus demSatz. Verfolgt, ob „Funktionswechsel“zwischen denInstrumenten (-gruppen)stattfinden.IV, 45131


Die Klassische ModerneLieder aus Beuern• Carl Orff: Carmina Burana (1937)Ein Fund im AntiquitätenkatalogAlles, was ich bisher geschrieben habe und Sie leider gedruckthaben, können Sie nun einstampfen! Mit den CarminaBurana beginnen meine gesammelten Werke!So schrieb Carl Orff 1937 nach der Uraufführung des Werks in einemBrief an seinen Verleger. Lange hatte der 1895 in München Geborenein ganz verschiedenen Richtungen nach seinem Weg alsKomponist gesucht, hatte sich mit afrikanischer Musik ebenso beschäftigtwie mit neuen Strömungen des Ausdruckstanzes. Dann kamder entscheidende Anstoß für den musikalischen Neuansatz, der CarlOrff über seinen Tod im Jahr 1982 hinaus zu einer unverwechselbarenGestalt in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts machte.Fortuna hatte es gut mit mir gemeint, als sie mir einen WürzburgerAntiquitätenkatalog in die Hände spielte, in dem icheinen Titel fand, der mich mit magischer Gewalt anzog: CarminaBurana. Lateinische und deutsche Lieder und Gedichtein einer Handschrift des XIII. Jahrhunderts.Das Titelblatt der mittelalterlichen TextsammlungIV, 5140Johann A. Schmelzer(1785–1852)Der Sprachforscher erwarbsich bleibendes Verdienstals Mitbegründer der Dialektforschungund als Autordes vierbändigen BayerischenWörterbuchs.1Erläutert die im Bilddas Rad umgebendenWorte und setzt sie inVerbindung zur bildnerischenGestaltung auf demTitelblatt.2Hört O Fortuna.Haltet eure erstenEindrücke in fünf Stichwortenfest. Überprüft sie,nachdem ihr mehr überOrffs Werk gehört habt.Stellt nach dem Gehör eineBesetzungsliste des Stückszusammen.O Fortuna!Carmina Burana nannte Johann Andreas Schmelzer die Sammlung, als er sie 1847 herausgab,nach dem Fundort im Kloster Benediktbeuern. Sie enthält lateinische, deutscheund französische Texte, von denen Orff vierundzwanzig auswählte. Authentische Melodienzu diesen Texten kannte er zur Zeit der Komposition nicht.Das Titelblatt der historischen Sammlung zeigt das „Rad der Fortuna“, eingerahmtvon den Worten regnabo – regno – regnavi – sum sine regno (ich werde herrschen – ich herrsche– ich habe geherrscht – ich bin ohne Herrschaft). Dieses Sinnbild für den Verlauf desmenschlichen Lebens greift Orff auf, wenn er an den Beginn und an das Ende seinesWerks – wie einen Rahmen – den Ruf an die Glücksgöttin setzt: Fortuna imperatrix mundi.O Fortuna! Velut lunaStatu variabilisSemper crescis aut decrescis.Vita detestabilis!Nunc obdurat et tunc curatLudo mentis aciem,Egestatem, potestatemDissolvit ut glaciem.O Fortuna! Wie der MondSo veränderlichWächst du immer oder schwindest.Abscheuliches Leben!Erst misshandelt und dann heilt esSpielerisch den wachen Sinn,Armut, große MachtLöst es auf wie Eis.Nachdem in zwei weiteren Strophen die unberechenbare Macht des Schicksals geschildertwurde, mündet der Einleitungs- und Schlusssatz des Werks in die Aufforderung„Mecum omnes plangite“, „Klagt alle mit mir: O Fortuna!“.


Musikalische Entwicklungen nach 1900Magische BilderOrff selbst hat die Zuordnung des etwa einstündigen Werks zu einer Gattung vermieden:Mit dem Untertitel […] „Weltliche Lieder von Sängern und Chören gesungen mitInstrumenten begleitet und mit magischen Bildern“, hatte ich einen absichtlichnicht weiter definierten Begriff gewählt, der die bildhafte Darstellung mit allenMitteln und Techniken des Theaters und des Films erlaubte.Schon bei der Uraufführung 1937 in Frankfurt zeigte sich, wie sehr sich Orffs „magischeBilder“ zur szenischen Darstellung eignen.Archaische KlängeOrff gliederte die Carmina Burana in drei Abschnitte: Frühlings- und Tanzlieder, Trinkliederund Liebeslieder. Alle Teile kennzeichnet eine Klangsprache, die in ihrer Entstehungszeit,einer Periode kompositorischen Experimentierens, aus dem Rahmen fiel. Ihrewesentlichen Merkmale lassen sich so zusammenfassen:• Der Rhythmus wird oft auf Elementares reduziert und (z. B. durch den perkussivenEinsatz der Orchesterinstrumente) betont.• Die Melodik ist durch einfache Formeln, Wiederholungen und Ostinati geprägt.Eine melodische und formale Entwicklung findet kaum statt.• Die Harmonik verlässt den tonalen Raum (Dur, Moll) nicht; häufig werden Akkordedurch dissonante Zusatztöne angereichert.Bühnenbild der UraufführungZwiefacherTanz bzw. Lied der alpenländischenund böhmischenVolksmusik mit Wechsel vongeraden und ungeradenTakten.Uf dem AngerBei seiner Suche nach dem Ursprünglichen griff Orff auch auf Elemente aus der Volksmusikzurück. So tanzen die Burschen „uf dem Anger“ zu einer Musik, die in der metrischenGestaltung ebenso an einen „Zwiefachen“ erinnert wie in der typischen Art derBegleitung mit Vor- und Nachschlag.Weist am NB 13diedrei genanntenMerkmale der Musik Orffsnach.1 Thema zu Beginn© Schott4Klopft einen Achtelpulszum Themades Stücks und arbeitet dieBetonungen mit der linkenHand heraus.IV, 62 Thema am Ende5Hört den ganzenTanz. Erstellt eineGrobgliederung und erläutert,welche musikalischenParameter die Abschnittevorrangig prägen.IV, 66Vergleicht dasThema zu Beginn(NB 1 ) mit dem am Ende(NB 2 ). Welches auffälligeErgebnis könnt ihr in derMetrik der Begleitung feststellen?Klopft entsprechendmit.141


Die Klassische ModerneIV, 7127Sprecht den Textdes Mittelteils vonIn taberna quando sumuszunächst langsam imRhythmus. Singt dann denAbschnitt in steigendemTempo und schließlich zurAufnahme.8Übersetzt die Listeder am BesäufnisBeteiligten. Ihr könnt aucheinen Lateinlehrer an eurerSchule fragen.9Seht Ausschnitteaus einer szenischenAufführung an. Diskutiertdie Umsetzung und dieWirkung im Vergleich zumbloßen Hören.In taberna quando sumusMan geht heute davon aus, dass die Texte der Benediktbeurer Handschrift hauptsächlichvon Scholaren und Wandermönchen stammten. Zum Verständnis ist eine Charakterisierungdieser Autoren unerlässlich:„ Die Mönche waren zum großen Teil einfältige, ungelehrte Gesellen von zynischemWesen, schwer in Regel und Zucht des Klosters zu halten. Schon im 13. Jahrhundertwaren die fahrenden Mönche übelberüchtigt als böse Zungen und üppige Droher, Verleumderund Bauchfüller.(Rolf Schneider)“Angesichts solcher Verfasser wundert es nicht, dass sich in den Carmina Burana auchdeftige Lieder finden. So endet z. B. der zweite Teil des Werks, in dem der Gesang ausschließlichden Männerstimmen vorbehalten bleibt, mit einem derb-furiosen Finale, indem es heißt:Wenn wir in der Kneipe sitzen, fragen wir nicht nach dem Seelenheil, sondern spielenund saufen. Wir trinken auf die ganze Christenheit, auf die leichten Schwestern, dieperversen Brüder, auf die Seefahrer, auf den Papst, auf den König. Wir trinken auf alles –und zwar schrankenlos!Im Mittelteil des Satzes steht eine groteske Auflistung aller am Saufgelage Beteiligten.In taberna quando sumus© Schott142


Musikalische Entwicklungen nach 1900Chume, chum, Geselle minEinen Kontrast zu den drastischen Abschnitten bilden andere, feinere Klänge in denCarmina Burana, z. B. ein leises Liebeslied mit mittelhochdeutschem Text. Eine Altstimmesingt die Melodie, ein kleiner Chor greift sie auf. Auch bei solchen Stellen sinddie prägenden musikalischen Mittel meist sehr reduziert, die Wirkungen beinahearchaisch.Chume, chum, Geselle minarchaischAus alter Zeit stammend.<strong>10</strong>Erstellt eine neuhochdeutscheFassung des Textes (enbiten =erwarten, ersehnen)© SchottZwischen- und NachspielDer Pädagoge OrffNicht nur als Komponist hat Orff tiefe Spuren hinterlassen, sondern auch als Musikpädagoge.Schon früh beschäftigte er sich intensiv mit neuen Formen des Tanzes. 1924war er Mitgründer eines pädagogischen Instituts für Gymnastik und Tanz.[Es war meine Absicht,] einen Weg zur Wiederherstellung der naturgegebenen Einheitvon Musik und Bewegung […] zu finden. Ein Weg, der […] es ermöglichte,allgemein im Menschen wieder rhythmische Schwingung, Aufnahme- und Gebefähigkeit,Tanz- und Musizierlust zu erwecken.11Stellt ein Instrumentariumzusammen,mit dem ihr die beidenTeile von Chume, chumGeselle min spielen könnt.Singt und musiziert danndie beiden Strophen. Ablaufjeweils: Lied solistisch – imChor – Zwischen- bzw.Nachspiel.Dazu sollte auch das Schulwerk dienen,eine Sammlung von Spielstücken, indenen Musik, Sprache und Bewegung ineinanderfließen. Hierfür setzte er einneu entwickeltes Ensemble, das „Orff-Instrumentarium“ein, das vor allem auseinfach zu spielenden Schlaginstrumentenbesteht. Dieser neue pädagogischeAnsatz fand auch außerhalb Europasgroße Resonanz.Carl Orff mit Kindern (1964)12Hört den Satz undbeschreibt die„elementare“ musikalischeGestaltung.13Stellt Verbindungenzwischen Orffskom positorischem und pädagogischemWirken her.IV, 8143


Musik nach 1960Musik aus technischen Formeln• Iannis Xenakis: Orient-Occident (1960)Le Corbusier(1887–1965)Der französische Architektentwarf innovative Bauwerke,die sehr kontroversdiskutiert wurden.Eine verblüffende DoppelbegabungDer 1922 in Rumänien geborene Iannis Xenakis absolvierte in Athen ein Ingenieurstudium.1947 musste er aus politischen Gründen Griechenland fluchtartig verlassen; vonda an lebte er meist in Frankreich. Dort arbeitete er viele Jahre als Assistent des großenArchitekten Le Corbusier; gleichzeitig bildete er sich bei den führenden Komponistendes Landes musikalisch fort. In seinen musikalischen Werken stützt er sich häufig aufmathematische Verfahren, z. B. Zahlentheorien, geometrische Figuren und Wahrscheinlichkeitsrechnung.Iannis Xenakis starb 2001 in Paris.Musik und ArchitekturDie Klangwelten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlangten häufig ungewohnteNotationsformen. Oft hielten die Komponisten nun das musikalische Geschehenmit technischen Angaben zu den verschiedenen Parametern der Musik fest (Ton höhen,Tondauern etc.). Die „Notenbilder“, die so entstanden, ähneln oft in verblüffender WeiseSkizzen von Bau werken.1Informiert euch imInternet genauerüber den Philips-Pavillon.Der Philips-Pavillon der BrüsselerWeltausstellungIannis Xenakis: Metastasis, Ausschnitt aus der Notation © Boosey & Hawkes2Zeigt Gemeinsamkeitenzwischen derArchitektur des Pavillonsund der Notation der Kompositionauf.So stellt Iannis Xenakis Glissando-Bewegungen von Streichern in seinem WerkMetastasis aus dem Jahr 1955 in einer grafischen Notation dar.In seinem „anderen Beruf“ entwarf er drei Jahre später gemeinsam mit dem großenArchitekten Le Corbusier den Pavillon der Elektronikfirma Philips auf der Weltausstellungin Brüssel.152


Musikalische Entwicklungen nach 1900Metalle singenSeit Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Wissenschaftler mit Geräten experimentiert,die auf elektronische Weise Töne erzeugen. Mit der Konstruktion der ersten Synthesizernach 1950 erlebte diese Richtung einen deutlichen Aufschwung. Eine besondere Rollespielte dabei das „Studio für elektronische Musik“ des Westdeutschen (damals: Nordwestdeutschen)Rundfunks in Köln.Heute empfinden die meisten Menschen elektronische Klänge nicht als ungewöhnlich;dafür hat auch ihr häufiger Einsatz im großen Feld der Popularmusik gesorgt. DieEinschätzungen der Hörerin den 1950er-Jahrenwaren dagegen sehr unterschiedlich.Manchenfehlte bei solchen Klängendas „Menschliche“.Sie störte die Fixierungdes Werks auf Tonband,und sie vermissten dendamit verbundenen Verlustder lebendigen Interpretation.Andere zeigtensich von den akustischenMöglichkeiten überwältigt.Uraufführung eines Werks der elektronischen Musik in Köln (1956)SynthesizerMusikinstrument, das Töne,Klänge und Geräusche elektronischerzeugt bzw. inForm von Samples verarbeitet.3Betrachtet das Fotovon einer Aufführungelektronischer Musikim Jahr 1956. Stellt Vermutungenüber die „Konzert“-Situation und die Reaktiondes Publikums an.„ Es war, als stiegen aus dem Reich des Metallischen tönende Projektile empor in dieMenschenwelt. Metalle schienen zu singen, technische Formen, wie die Spirale, zuKlang zu werden. Eine ganze Kettenreaktion von ineinander fließenden Sinneseindrückenwar entfesselt.(Hans Heinz Stuckenschmidt)“Orient-OccidentMit diesen neuen Formen der Klangerzeugung beschäftigte sich seit dem Ende der1950er-Jahre auch Iannis Xenakis. Die Musik zu dem Kurzfilm Orient-Occident aus demJahr 1960 gehört zu den exemplarischen Werken elektronischer Kompositionen. DerFilm hat keine durchgehende Handlung. Er zeigt die Entwicklung verschiedener Kulturender Welt in historischer Perspektive, und Xenakis komponierte zu den Bildern keineillustrierende Musik. Dennochwirken manche Passagender 1962 erstellten Konzertfassungsehr suggestiv;sie lassen breiten Raum fürvielfältige Assoziationen.4Hört den Beginnvon Xenakis’ Orient-Occident und beschreibteure Assoziationen beimHören.IV, 13Iannis Xenakis im Jahr 1966153


Die EpochenDas BarockFrühbarock1600–1650Hochbarock1650–1700Spätbarock1700–1750Rokoko(1720–1770)Vor allem in der Malerei undArchitektur: Übergangsstilzum Klassizismus, in dem dasPrunkvolle des Barock vonleichten, zierlichen Elementenersetzt wird.Vanitas(lat. für „Nichtigkeit, Eitelkeit“)Besonders im Barock beliebterBildtypus, bei dem ineinem Stillleben mit Symbolendie Vergänglichkeit desLebens dargestellt wird.Doppelsicht der WeltHistorisch leitet sich der Begriff „Barock“von der spanisch-portugiesischen Bezeichnungfür eine schiefrunde, also merkwürdiggeformte Perle her. Lange wurde er abwertendim Sinn von „seltsam, überladen“gebraucht. Erst am Ende des 19. Jahrhundertssetzte er sich als Name einer Epochedurch. Ein Merkmal des Barock ist tatsächlichdas Ausufernde und Üppige, das z. B.seine Schlossbauten und seine Altäre charakterisiert.Sie sind Ausdruck der Prunksuchtund der Repräsentationslust seinerHauptmächte: der absolutistischen Herrscherund der Kirche.Mindestens ebenso kennzeichnend fürdie Epoche wie dieser Aspekt ist der Erkenntnisdrangder Menschen in der Barockzeit.Jan Steen: Selbstbildnis (1660)Große philosophische Lehren wurden entwickelt, die Grundlagen für die Mathematikund das Weltbild der Neuzeit gelegt. Dazu kam ein hoch entwickeltes Interesse an Naturwissenschaften.Es steht für viele heutige Betrachter in einem gewissen Widerspruchzu der engen religiösen Bindung, die die meisten Menschen empfanden. Dieser Widerspruchzeigt sich auch in einem seltsamen Gegensatzpaar, mit dem das Lebensgefühldes Barock beschrieben werden kann: ein Nebeneinandervon Diesseitsfreude und Jenseitszugewandtheit.Schritte zur SelbstständigkeitIn der Kunst spiegelt sich diese Doppelsicht der Weltwider. Die meisten professionellen Musiker standen immernoch im Dienst der Kirche oder einer weltlichenMacht; der Dienstherr bestimmte ihr Werk. Aber einUmbruch deutet sich an, mancherorts sogar sehr heftig.Dabei spielt die Oper eine besonders wichtige Rolle. Musiktheaterwerden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts alsGeschäftsunternehmen betrieben. In Venedig werdenin der zweiten Jahrhunderthälfte nicht weniger als17 Operntheater gegründet; in London führt Händel alsLeiter mehrere Unternehmen, leider am Ende mit geringemfinanziellem Erfolg.Auch auf anderen Feldern machen Musiker ersteSchritte der Emanzipation. Ein Londoner KohlenhändlerFranciscus Gijsbrechts: Vanitas (um 1670)organisiert öffentliche Instrumentalkonzerte; Kaufleutein verschiedenen Ländern tun es ihm nach. Und eine1Zeigt an den beiden neue Einkommensquelle für die Komponisten bildet die Perfektionierung des Notendrucks.Sie erlaubt z. B. Händel und Vivaldi, ihre Kompositionen zu verbreiten. Und auchBildern die im Textbeschriebenen Gegensätze Bach, durchaus ein guter Geschäftsmann, gibt manche seiner Werke im Selbstverlagauf, die das Lebensgefühlheraus.des Barock kennzeichnen.168


Europäische Musikkultur im ÜberblickDas instrumentale MusizierenKompositionen der Renaissance waren überwiegendfür Singstimmen konzipiert. Erst gegenEnde des 16. Jahrhunderts emanzipierte sich allmählicheine eigenständige Instrumentalmusik.Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kristallisierte sichaus dem bislang verwendeten bunten Instrumentariumein Klangbild heraus, das die ganze Epocheprägte: Streichinstrumente, Flöten, Oboen,Fagotte, zu denen bei repräsentativen WerkenTrompeten, Hörner und Pauken treten konnten.Als Stütze und harmonisches Gerüst diente fastimmer ein Basso continuo.Sehr häufig steht in der Musik des Barockeine kleine Gruppe von Musikern oder ein Solisteinem größeren Orchester – gewissermaßenwettstreitend – gegenüber. Aus diesem Konzertierenergeben sich reizvolle Möglichkeiten der Abwechslungund des Kontrasts, z. B. zwischen lautund leise, virtuos und einfach, Bläsern und Streichern.Paul Delcloche: Hofkonzert in Lüttich (1753)Die SuiteAls wichtige zyklische Form bildete sich im 17. Jahrhundert die Suite (frz. für „Folge“) aus,eine Aneinanderreihung von Tanzsätzen. Die Abfolge war zunächst festgelegt (Allemande– Courante – Sarabande – Gigue). Später wurden andere Tänze einbezogen, z. B. dasMenuett ( Seite 60 f.). Manche Suiten wurden von prachtvollen Ouvertüren eingeleitet.Zu den großartigsten Werken der Gattung gehört Händels Wassermusik aus dem Jahr1717. In der zweiten der drei Suiten werden an manchen Stellen die Prinzipien der Suitemit denen des konzertierenden Musizierens vereinigt.Georg Friedrich Händel: Suite Nr.2 in D-Dur, HWV 349, 2.Satz:Alla Hornpipe (Takte 24–31)Basso continuo(Generalbass)Instrumentale Bassstimme(v. a. Violoncello, Fagott)mit in Ziffern angegebenenAkkorden, die improvisatorischergänzt werden(Orgel, Cembalo, Laute).Concerto (grosso)Mehrsätziges Werk, beidem eine Solistengruppe(meist 2 Violinen und Violoncello)einem Orchestergegenübersteht.HornpipeLebhafter Tanz im 3/2-Takt,der nach einem schottischenInstrument benannt ist.2Hört einen Ausschnittaus HändelsHornpipe. Ordnet denNotensystemen Instrumente(Gruppen) zu. Erläutert andem Ausschnitt das Prinzipdes Konzertierens.IV, 23169


Die EpochenDie MonodieAm Übergang von der Renaissance zum Barock bildete sicheine neue Art des Komponierens für Singstimmen aus. Schriebman bisher mehrstimmige, oft sehr komplexe Werke, so setztensich viele Komponisten nun andere Ziele. Die Textverständlichkeitund der Ausdruck der Gefühle sollten im Mittelpunktstehen. Sprachrhythmus und Melodiefluss sollten eineEinheit bilden. Das ließ sich am besten erreichen, wenn nureine Stimme erklang, von einem Basso continuo begleitet.Diese „Monodie“ (griech. für „Einzelgesang“) verbreitete sich,von Italien ausgehend, in der ganzen europäischen Musikwelt.Und sie bildete die Grundlage für das Musiktheater, dessen Erfolgsgeschichtebis heute anhält. Aus der Monodie entwickeltensich die wesentlichen Bestandteile, die über Jahrhundertedie Oper prägen sollten: das Rezitativ und die Arie.Die Anfänge des MusiktheatersSelten entstehen schon zu Beginn der Geschichte einer musikalischenForm oder Gattung vollkommene Meisterwerke. DieJacobo Vignali: Orfeo e Euridice (1625)Oper bildet da eine große Ausnahme. 1607 wurde im Herzogspalastzu Mantua eine „Fabula in Musica“ uraufgeführt, Claudio Monteverdis L’Orfeo. DerInhalt des Werks passt sehr gut zu der neuen Musik, die gerade Mode wurde. Erzählt wirdRezitativnämlich die Geschichte des antiken Sängers Orpheus.➡➡S. 175IV, 24IV, 24ArieSolistisches, vom Orchesterbegleitetes Gesangsstück inOpern, Oratorien, Kantaten.Auch für sich stehend alsKonzertarie.3Hört die Szene ausL’Orfeo und nenntdie Abfolge der Teile.4Studiert den Auszugaus einemDruck des Werks aus demJahr 1609 (Obere Notenzeile:C-Schlüssel, untereNotenzeile: F-Schlüssel).Äußert euch zu den Notenwerten.5Vergleicht dasNotenbild mit derInterpretation. Wie wird dieuntere Notenzeile in Klangumgesetzt?6Übertragt die erstenacht Töne derGesangsstimme in moderneNotenschrift.In einer heiteren Szene erklingen Tänze und Lieder der Freunde, und Orfeo besingt dasGlück, mit Euridice vereint zu sein: „Erinnert ihr euch, Wälder, reich an Schatten, meinerlangen grausamen Qualen, da selbst die Felsen antworteten meinen Klagen?“Claudio Monteverdi: L’Orfeo, Auszug aus dem 2. AktZu früh hat Orfeo seiner Freude Ausdruck gegeben. Noch am Tag der Hochzeit stirbtEuridice an einem Schlangenbiss. Aber durch die Schönheit seiner Stimme bezwingtder Sänger die Götter der Unterwelt und führt Euridice aus dem Hades.170


Europäische Musikkultur im ÜberblickEin schwedischer LiedermacherSinger-Songwriter sind spätestens seit den 1960er-Jahren ein wichtiger Teil der Popularmusik.Der Begriff beschreibt es genau: Musiker, die ihre Texte und Melodien selber erfinden,wie die amerikanischen Protestsänger, die deutschen „Liedermacher“ oder diefranzösischen „Chansonniers“.Diese Einheit von Interpret, Dichter und Komponist ist nicht neu. 1740 wurde inStockholm Carl Michael Bellman geboren. Seit der Mitte der 1760er-Jahre war er eineüberaus populäre Figur in Stockholm. Beim Vortrag seiner Lieder begleitete er sich selbst.Die Themen umfassen – wie bei Liedermachern unserer Tage – alle Facetten des Lebens,vom derben Wirtshausspaß bis zum melancholischen Sinnieren über den unausweichlichenTod. Die Melodien entlieh sich Bellman meist an ganz verschiedenen Stellen:Volkslieder, Opernarien und Tanzmusik haben Musikwissenschaftler als Quellen ausfindiggemacht. Sie belegen auch, dass Bellman über 1800 Lieder schrieb, ehe er mit 55 Jahrenan Lungenschwindsucht starb.Carl Michael Bellman: TischliedPer Krafft d. Ä.: Carl MichaelBellman (1779)7Hört die Aufnahmedes Lieds. Nenntmit Bellman vergleichbareInterpreten unserer Tage.Erläutert, in welchen Punktensie dem schwedischenMusiker ähneln.IV, 25BacchusDer römische Gott desWeins und des Rauschs.NympheIn der griechischen MythologieBegleiterin von Götternund Schutzgeist in der Natur.2. Wer nach des andern Liebsten schielt und doch sich fühlt als Nobelmann,Pass auf, dem Spielmann, der dir spielt, springst du in’s Grab voran.Und du, der toll vor Eifersucht, zerschmiss einst jedes Glas im Saal,Wenn dich der Tod im Bett besucht: Hoch lebe dein Rival’!Scheint das Grab dir tief … und noch einen gleich dabei und noch zwei und noch drei,Dann stirbst du sorgenfrei.3. Was hilft’s, wenn du vor Wut auch spuckst? Der Tod ist keiner Münze feil.Von jedem Schlückchen, das du schluckst, schluckt schon der Wurm sein Teil.Ob nied’res Pack, ob hohe Herrn, am Ende sind wir Brüder doch:Dann leuchtet uns der Abendstern ins gleiche finstre Loch.Scheint das Grab dir tief … und noch ein’ hinterher und noch zwei, dreie mehr,Dann stirbt sich’s nicht so schwer.8Erfindet eine Begleitung,z. B. mit Klavier,Gitarre und Kontrabass.Singt das Lied zu eurer eigenenBegleitung.Kompetenz:Ein Volksliedbegleiten, S. 53 ff.171


Die EpochenEin komplexes Regelwerk – die FugeTonika (T)I. Stufe der Tonleiter bzw.Grundtonart eines Stücks.Josef Albers: Die Fuge (1925)Dominante (D)V. Stufe der Tonleiter bzw.die <strong>Tonart</strong>, im Quintenzirkelum eine Stelle nach obenversetzt.In der musikalischen Formenwelt spielt die Fuge (von lat. „Flucht“) eine besondere Rolle.Nach älteren Vorformen etablierte sie sich im Barock als komplexes Regelwerk für denFormverlauf. Ihre strengen Regeln eröffnen in der Beschränkung eine Unzahl von Gestaltungsmöglichkeiten.Diese Kombination stellt für Künstler eine besondere Herausforderungdar. Sehr viele Maler übertrugen sie in ihre Kunst. Komponisten späterer Epochenverwendeten die Kompositionsweise in vielfältiger Form. Allerdings finden sich inbeinahe jeder Fuge Abweichungen von dem strengen Regelwerk.OrgelpunktLang ausgehaltener oderrepetierter Ton in der Bassstimme,meist auf der Tonikaoder auf der Dominante.9Erstellt eine grafischeDarstellungeiner Fugenexposition.Die Teile einer FugeDie Exposition• Zu Beginn einer Fuge wird zuerst ein Thema von einer Stimme vorgestellt.• Dann wird es sukzessive von den übrigen Stimmen aufgegriffen. Dabei wechselt dertonale Rahmen zwischen der Tonika (Einsatz als „Dux“, lat. für „Anführer“) und derDominanttonart (Einsatz als „Comes“, lat. für „Gefährte“) ab.• Die anderen Stimmen bilden dazu jeweils „Kontrapunkte“, charakteristische Gegenstimmen.• Hat jede Stimme das Thema vorgetragen, ist die Exposition beendet.Durchführungen und ZwischenspieleIm weiteren Verlauf ist eine Vielfalt verschiedener Ausprägungen möglich. Zwei Formteilewechseln meist; Abfolge und Anzahl sind dabei nicht festgelegt:• Zwischenspiele, freiere Abschnitte ohne vollständige Themeneinsätze, die oft inandere <strong>Tonart</strong>en modulieren• Durchführungen, in denen das vollständige Thema aufgegriffen wird, allerdingsohne die strenge schematische Abfolge des BeginnsGerade in den Durchführungen finden sich oft komplizierte, für den Kenner überausreizvolle kompositorische Kunststücke wie– Engführung: imitierender Einsatz des Themas in einer zweiten Stimme, ehe es die ersteabgeschlossen hat.– Augmentation: Vergrößerung (meist Verdoppelung) der Notenwerte des Themas.– Diminution: Verkleinerung (meist Halbierung) der Notenwerte des Themas.– Umkehrung: Verkehrung der Bewegungsrichtung im Thema durch intervallische Spiegelungan einer horizontalen Achse.<strong>10</strong>Sucht in Albers’Bild Parallelen zudem Regelwerk der Fuge.Die CodaAm Ende kehrt jede Fuge zur Ausgangstonart zurück. Wenn dieser letzte Abschnitt deutlichabgesetzt ist, bezeichnet man ihn als Coda. Eine besondere Schlusswirkung wirdhier oft durch einen Orgelpunkt erreicht.172


Europäische Musikkultur im ÜberblickDer FugenkönigIn vielen Werken führte Bach die Kompositionsweise zu einem unvergleichlichen Höhepunkt.In seinen letzten Lebensjahren befasste er sich mit einem Werk, in dem ein Fugenthemain allen möglichen Formen verarbeitet wird. Es trägt den bezeichnenden TitelDie Kunst der Fuge. Aus dem Jahr 1722 stammt eine Sammlung von Präludien und Fugenin allen 24 <strong>Tonart</strong>en „zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen MusicalischenJugend“: Das Wohltemperierte Klavier.Johann Sebastian Bach: Das wohltemperierte Klavier, Fuge C-Dur, BWV 8461 Takte 1–6Titelblatt des WohltemperiertenKlaviers11Hört den Beginnder Fuge.Zeigt in NB 1 die Einsätzeder vier Fugenstimmenauf. Entdeckt dabei einenVerstoß gegen die strengenRegeln. Verfolgt den Verlaufder Kontrapunkte.IV, 262 Takte 14–1512Bezeichnet undbeschreibt daskompositorische Kunststück,das Bach im NB 2vollbringt.3 Takte 24–2713Erläutert, warumdas NB 3 als Codabezeichnet werden kann.Beschreibt, mit welchenMitteln Bach hier eineSchlusswirkung anstrebt.14Hört die ganzeFuge mit Blick aufdie gewonnenen Erkenntnisse.IV, 26173


Die EpochenDie Klassische ModerneLudwig Meidner: Apokalyptische Landschaft (1912)Ein Anfang ohne ZauberDie Bezeichnung „Moderne“ für die Kunst der ersten Jahrzehntenach 1900 scheint heute, über <strong>10</strong>0 Jahre später, zunächsteigenartig. Wie berechtigt sie dennoch ist, zeigt derBlick auf die Zeit nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.Selten nur hat man so stark wie damals eine Ära als abgeschlossenbetrachtet, das Kommende so sehr als etwasBedrohliches empfunden. Selten waren die zeit- und geistesgeschichtlichenUmwälzungen so tief greifend. Das Wertegefügewar brüchig geworden. Gesellschaftliche Ordnungenwaren in Frage gestellt, Kirche und Adel verloren ihre Autorität.Bald nach dem Jahrhundertbeginn bestätigte der ErsteWeltkrieg die bangen Ahnungen. Und danach: Kein Aufbruch,sondern Verunsicherung, neue Verdunklung und wiederKrieg. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, diese Zeileaus einem Gedicht Hermann Hesses gilt für die Kunst nachdem Ersten Weltkrieg nicht.„ Mit dem Zusammenbruch der Welt [kam] die große Ernüchterung;und mit ihr der nie wieder ganz zu vergessendeZweifel an der Kunst, an ihrer Bedeutung und Wichtigkeit.Die Mauer zwischen Kunst und Nichtkunst wurde bestürmt,schließlich bezwungen, endlich (Rudolf Stephan)geschleift.“Ludwig Meidner(1884–1953)Als Maler und Schriftstellergehört Meidner zu denKünstlern des Expressionismus,die in ihren Werkenihr „inneres Erleben“ ausdrücken.E-, U-MusikDie Begriffe versuchen,musikalische Phänomene inernste, (E-) und unterhaltende(U-) zu unterteilen.Die E-Musik wird üblicherweisemit „klassischerMusik“, die U-Musik mit„Popular musik“ gleichgesetzt.1Findet heraus, wieviele Schüler eurerKlasse nachhaltiges Interessean „Ernster“ Musikhaben.Die Wucht der VeränderungDie heute kaum mehr vorstellbare Wucht des Wandels um die Wende vom 19. zum20. Jahrhundert veränderte auch die Welt der Künste. Wie alle Menschen, so misstrautennun viele Künstler den „erhabenen Gefühlen“, dem „Heiligen“ und dem „Schönen“. ÄußereEntwicklungen trugen zu einem Bewusstseinswandel bei. Die wichtigste war wohl dieVerbreitung von Radio und Schallplatte. Sie machte Musik zum Alltagsprodukt. Hinzukam, dass fremde, vor allem amerikanische Musikkulturen die Hörer fesselten und neueRichtungen vorgaben.Vor diesem Hintergrund gabensehr viele Künstler ihre Stellung alsder Alltagswelt entrückte „Genies“auf. Manche demonstrierten sogar einbewusst „handwerkliches“ Kunstverständnis,suchten auf verschiedenenWegen den Kontakt mit dem Publikum.Eine nüchterne Betrachtung derEntwicklung führt dennoch zu einembetrüblichen Ergebnis: Die Entfremdungzwischen dem breiten Publikumund den Komponisten der „ErnstenMusik“ scheint im Lauf der letztenJahrzehnte immer größer zu werden,die Kluft zwischen E- und U-Musikimmer tiefer.Radiogerät in Form einer Geige186


Europäische Musikkultur im ÜberblickDie Trennung der musikalischen WeltenImmer schon hat es „elitäre“ Musik gegeben und daneben Musik für ein großes Publikum.Das änderte sich auch im 19. Jahrhundert nicht grundsätzlich. Nun aber, seit demBeginn des 20. Jahrhunderts, wurden die Ausdrucksweisen der „Ernsten Musik“ immermehr zu einer Geheimsprache, deren Verständnis wenigen Eingeweihten vorbehaltenwar. Dagegen nahm die jedermann zugängliche Unterhaltungsmusik einen immer breiterenRaum ein.Alban Berg: Lied der Lulu2Untersucht diebeiden Ausschnittein Bezug auf ihre melodischenund rhythmischenEigenschaften.Werner Richard Heymann: Das ist die Liebe der MatrosenText: Robert Gilbert; Musik: Werner Richard Heymann© UFA-Ton3Hört die beidenAusschnitte.Besprecht, welche weiterenmusikalischen Eigenschaften(außer Melodik undRhythmik) die „Zugänglichkeit“eines Werks für denHörer beeinflussen.IV,38/39StilpluralismusWie die verbindliche Werteordnung weitgehend verloren war, so trennten sich auch diestilistischen Welten in den Künsten. Die Ausdrucksweisen waren oft so gegensätzlich,dass ästhetische Auseinandersetzungen unausweichlich wurden. So aggressiv sie gelegentlichgeführt wurden, so sorgten sie doch auch für eine oft lebhafte Teilnahme desPublikums an den künstlerischen Entwicklungen.Bei aller Vielfalt der Stile lässt sich in der E-Musik eine sehr grobe Einteilung in dreiGrundströmungen ausmachen:• Nachromantik: Bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts versuchten Komponisten, diev. a. von Richard Wagner geprägte Tonsprache weiter zu entwickeln. Die Werke dieserRichtung fanden bei einem großen Publikum Anklang.• Atonalität/Zwölftonmusik (Dodekaphonie): Seit dem Beginn des Jahrhundertssetzten Komponisten wie Arnold Schönberg den gewohnten Ordnungen (z. B. demBezug auf einen Grundton) neue, komplizierte Gesetze entgegen. Diese Regeln unddie ihnen gehorchenden Werke sind für die meisten Hörer schwer zu erfassen.• Weiterentwicklung der Tonalität: Viele Komponisten behielten traditionelle musikalische„Grundgesetze“ bei, vor allem den – wenn auch oft losen – Bezug zu einemGrundton. In diesem Rahmen entwickelten sie aber ganz unterschiedliche neueAusdrucksweisen. Von bewusster Einfachheit reicht dabei die Skala bis zu geradezu„brutalen“ Musiksprachen.4Hört drei Ausschnitteaus bedeutendenWerken der klassischenModerne. Ordnet sie 40–42IV,jeweils einer der dreibeschriebenen Gruppen zu.Begründet eure Zuordnung.187


Die EpochenIV, 43Tin-Pan-AlleyDie 28. Straße in New Yorkwurde nach dem Geklimperauf den Probeklavieren vorden <strong>Verlag</strong>shäusern „Blechpfannenstraße“genannt.5Hört eine Aufnahmedes Schlagers.Nennt Elemente, diean Jazzmusik erinnern.6Singt den Refraindes Songs zur eigenenBegleitung.RefrainBananen aus der Tin-Pan-AlleyIn den Jahren nach 1900 wurden die USA zurführenden Industrienation. Das gilt auch für dieMusikindustrie. Die <strong>Verlag</strong>e der „Tin-Pan-Alley“bildeten ihren Mittelpunkt. Von dort gingen dieneuesten Schlager in alle Welt. Fast immer orientiertensie sich an der musikalischen Sprache desJazz.Ein Musterfall für einen solchen Songstammt aus einer Revue, die 1928 am Broadwayuraufgeführt wurde. Den deutschen Text schriebFritz Löhner-Beda, den die Nazis 1942 in Auschwitzermordeten. Die in die Ohren und in dieBeine gehende Melodie und die komischen Strophenkonnten sie aber nicht umbringen. Sie habendas „Reich“ überstanden und sind bis heutelebendig geblieben.Ausgerechnet BananenTitelblatt der amerikanischenOriginalausgabeText: Fritz Löhner-Beda; Musik: Irving Cohn, Frank Silver© Shapiro-BernsteinStropheMeier ist ein Don Juan und er weiß Bescheid:Mit den Blumen fängt man an bei der Weiblichkeit!Und er kauft in Occasion einen Blütenstrauß;Doch im höchsten Maß belämmert wandert er nach Haus. Was sagt man?188


Europäische Musikkultur im ÜberblickMusik nach 1960Musik nach AuschwitzLange fasste man die „Ernste Musik“nach dem Zweiten Weltkrieg unterdem Begriff „Avantgarde“ zusammen.In der französischen Militärsprachewar das die Bezeichnung für den Truppenteil,der dem Haupt heer vorauseilte.In der Kunst steht „Avantgarde“für Strömungen, die überlieferte Ausdrucksformenenergisch sprengen. Tatsächlichentstanden in den letztenJahrzehnten des 20. Jahrhunderts inallen Künsten viele Werke, die dieserBeschreibung vollkommen entsprachen;sie ließen das Publikum ratlosund entrüstet zurück. Zwei Gründefür diese radikale Haltung der Künstlerdrängen sich auf. Den einen kannAntoni Tàpies i Puig: Freiheit (1971)man aus einer (allerdings aus dem Zusammenhanggenommenen) Bemerkungdes Philosophen Theodor Adorno ableiten: „Nach Auschwitz ein Gedicht zuschreiben, ist barbarisch.“ Der zweite Grund mag die erdrückende Last einer tausendjährigenKunstgeschichte sein, in der alles schon oft und in „klassischer“ Weise ausgedrücktwurde.Esperanto der KünsteIn früheren Epochen entwickelten sich die Künste in den einzelnen Kulturkreisen weitgehendunabhängig voneinander. Zwar hinterließ die Bewunderung für Fremdes, Andersartigesvor allem in der bildenden Kunst gelegentlich Spuren, etwa in Picassos Werk.Zu einer Verschmelzung der künstlerischenSprachen kam es jedoch nicht.Das hat sich seit dem Beginn des20. Jahrhunderts allmählich und inden letzten Jahrzehnten rapide geändert.Die spektakulären Fortschrittein der Verkehrs-, KommunikationsundMedientechnik ließen die Weltklein werden. Diese Entwicklungsorgte in den letzten Jahrzehnten füreinen Prozess, der immer noch imGange ist. Die Mauern, welche dieKulturkreise trennten, sind gefallen,die verschiedenen Ausdrucksweiseneuropäischer, asiatischer und afrikanischerKünste verschmelzen zu einemEsperanto der Künste. Das giltfür die Malerei und die Literatur wieAi Wei Wei: Neolithische Vasefür die Musik; und es gilt im selbenmit Coca-Cola-Logo (1994)Maß für die Ernste wie für die PopuläreMusik.Antoni Tàpies i Puig(1923–2012)Der spanisch-katalanischeKünstler, der sich auch politischengagierte, ist mitseinen mystisch-abstraktenWerken ein Beispiel für neueAusdrucksweisen.1Erklärt undbeurteilt AdornosBemerkung.EsperantoEine Kunstsprache, die um1890 als einfaches universellesVerständigungsmittelentwickelt wurde, sich abernicht durchsetzen konnte.2Erörtert Parallelerscheinungenzur„universellen“ Sprache inder Musik in anderen Bereichen(auch des täglichenLebens).Ai Wei Wei(* 1957)Ai, der auf vielen Gebietender bildenden Künste arbeitet,galt schon vor seinenAuseinandersetzungen mitdem chinesischen Machtapparatweltweit als einerder wichtigsten zeitgenössischenKünstler.3Erläutert, inwiefernAis „Vase“ diegeschilderten Entwicklungensymbolisiert.neolithischAus der Jungsteinzeitstammend.189


Musiklehre kompaktOktavidentitätIn den meisten Tonsystemen werden Töne im Oktavabstand als identisch empfunden; sieunterscheiden sich nur durch die höhere oder tiefere Lage und werden deshalb mit dengleichen Tonbuchstaben benannt. In der abendländischen Musik gilt im Wesentlichen,dass die Oktave in zwölf gleich große Abstände (Halbtöne) geteilt ist.aisbcisdesdisesfisgesgisasa h c d e f g aStammtöneNotenschlüsselVersetzungszeichenIntervalleSieben Töne werden als Stammtöne mit den Tonbuchstaben a, h, c, d, e, f, g bezeichnet.Zwischen h und c und e und f stehen Halbtonschritte (kleine Sekunden), die anderenAbstände sind Ganztonschritte (große Sekunden).Als Bezugspunkt für die Lage von Stammtönen werden Schlüssel verwendet. Üblich sind• G-Schlüssel (Violinschlüssel) „g 1 “ für hohe,• C-Schlüssel „c 1 “ für mittlere,• F-Schlüssel (Bassschlüssel) „f“ für tiefe Lagen.Jeder Ton kann durch Versetzungszeichen verändert werden:• Kreuzvorzeichen erhöhen einen Stammton um einen Halbton, an den Notennamenwird die Silbe „is“ angehängt.• B-Vorzeichen erniedrigen einen Stammton um einenHalbton, an den Notennamen wird die Silbe „es“ angehängt.Ausnahmen: h b; a as; e es.• Das Auflösungszeichen (È ) hebt die Wirkung eines Vorzeichens auf.Den Abstand zwischen zwei Tönen bezeichnet man als Intervall.Alle Intervalle können feiner bestimmt werden. Sekunden, Septimen, Terzen und Sextenkönnen – je nach der Anzahl der dazwischen liegenden Halbtonschritte – klein odergroß sein. Quarten, Quinten, Prim und Oktav können auch vermindert (z. B. verminderteOktav a – as 1 ) oder übermäßig (z. B. übermäßige Quint c – gis) auftreten.Konsonanz, DissonanzIntervalle können als Konsonanzen (Wohlklänge) oder Dissonanzen (Missklänge) empfundenwerden. Konsonanzen rufen die Wirkung von Ruhe und Entspannung hervor,Dissonanzen die Empfindung von Reibung und Schärfe, sie streben nach Auflösung ineine Konsonanz. Die Einstufung von Klängen in diese beiden grundlegenden Kategorienist von historischen und kulturspezifischen Faktoren abhängig. In der europäischenMusikkultur nach 1600 wirken z. B. Sekunden und Septimen eher dissonant, Terzen undSexten konsonant.192


Musiklehre kompaktTonleitern (Skalen) sind der Höhe nach geordnete Folgen von Tonschritten zwischenzwei Rahmentönen (fast immer eine Oktave). Unter Materialtonleiter versteht man dieSumme des in einem Kulturkreis verwendeten Tonmaterials. Aus den Tönen der Materialtonleiterwerden Melodien gebildet.In der abendländischen Musikgeschichte herrschten über viele Jahrhunderte siebentönige(heptatonische) Skalen mit fünf Ganz- und zwei Halbtonschritten (diatonisch) vor.Der frühen abendländischenMusik liegen sogenannte Kirchentöne(Modi) zugrunde. Wesentlichfür den Charakter dereinzelnen Modi ist die Lage derGanz- und Halbtonschritte.Aus den mittelalterlichen Modibildete sich im 16. Jh. das Dur-Moll-System heraus, das seitdemdie mitteleuropäische Musikprägt.SkalenHeptatonik,DiatonikKirchentöne (Modi)Dur-Moll-SystemNeben der natürlichen Molltonleiter,die dem äolischen Modusentspricht, finden sich auch dieharmonische Molltonleiter unddas melodische Moll.In der neueren Musik werdenhäufig chromatische (von griech.„chroma“ für „Farbe“), also Halbtonleiternmit zwölf Tönen, oderGanztonleitern mit sechs Tönenverwendet.Chromatik,GanztonleiterManche Volksmusiken verwendenheptatonische Skalen mitübermäßigen Sekundschritten,die „orientalisch“ klingen, z. B.die „Zigeunertonleiter“.V. a. in der Volksmusik findensich oft auch pentatonische (vongriech. „penta“ für „fünf“) Melodien,die auf Halbtonschritte verzichten.In anderen Kulturen wie z. B. in der arabisch-islamischen und in der indonesischenMusik gibt es eine Vielfalt von Skalen und Tonabständen, die sich mit unserem Notensystemnicht abbilden lassen, weil sie andere Tondistanzen als Ganz- und Halbtöne verwenden.Musikwissenschaftler messen diese Abstände in Cent (<strong>10</strong>0 C = Halbton).„Zigeunertonleiter“PentatonikSkalen anderer Kulturkreise193

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!